Herr Marmaduke und der Pfarrer
IV.
22. Juni. Die glückliche Veränderung in dem Leben meiner Tochter - lasst mich nichts von der Veränderung in meinem eigenen Leben sagen - ist gekommen; sie wurden gestern verheiratet.
Das Pfarrhaus ist eine Einöde und Schwester Judith war mir nie eine so unsympathische Gefährtin, als wie ich sie jetzt empfand. Ihre letzten Worte an das junge Paar, als es wegfuhr, waren: »Der Herr helfe euch beiden; all euer Kummer steht euch noch bevor.«
Ich hatte nicht die Kraft, den Tagebuchsbericht gestern abend wie gewöhnlich zu schreiben. Felicias Abwesenheit drückte mich völlig nieder. Ich, der ich so oft andere in ihrer Betrübnis aufgerichtet hatte, konnte für mich selbst keinen Trost finden. Selbst jetzt, wo der Tag vorüber ist, kommen mir die Tränen in die Augen, wenn ich nur davon schreibe. Traurige, traurige Schwäche!
Ich will mein Tagebuch schließen und die Bibel öffnen - lasst mich wieder mir selbst gehören!
23. Juni. Ergebener seit gestern, in einer geziemenderen und frömmeren Gemütsverfassung. Gottes heiligem Willen gehorsam und zufrieden in dem Glauben, dass meiner teuren Tochter Ehe eine glückliche sein werde.
Sie sind auf ihrer Hochzeitsreise durch Frankreich nach der Schweiz gekommen. Ich war alles andere eher als erfreut, als ich hörte, dass mein Schwiegersohn vorhatte, Felicia, in jenen Pfuhl der Sünde, nach Paris, mitzunehmen. Er weiß schon, was ich über Bälle, Theater und ähnlichen Teufels-Zeitvertreib denke und zu welchen Ansichten hierüber ich meine Tochter erzogen habe; der Gegenstand war in unserer Unterhaltung während der letzten Woche mehrfach berührt worden. Dass er daran denken konnte, mein Kind an den Hauptschauplatz unanständiger Tänze und abscheulicher Schauspiele, zu deklamierenden Schelmen und geschminkten Weibspersonen mitzunehmen, war wirklich ein schwerer Schlag für mich. Indessen söhnte mich Felicia zuletzt damit aus. Sie erklärte, dass, indem sie nach Paris gehe, ihr einziger Wunsch sei, die Gemäldegalerien, die öffentlichen Gebäude zu sehen und den hübschen äußeren Anblick der Stadt im allgemeinen zu genießen.
»Deine Ansichten, Vater, sind auch die meinigen«, sagte sie, »und Marmaduke wird sicherlich die Anordnungen so treffen, dass wir nicht einen Sonntag in Paris zuzubringen brauchen.«
Marmaduke mit seinem so guten Gemüt, von dem ich mehr als einen erfreulichen Beweis erhalten habe, willigte nicht allein ein, sondern versicherte mir überdies, dass es ihm selbst persönlich eine Beruhigung sein würde, wenn sie an den Bergen und Seen angelangt seien. So war diese Angelegenheit glücklich geordnet. Mögen sie gehen, wohin sie wollen, Gott segne und beglücke sie!
Wenn ich von Beruhigung spreche, muss ich erwähnen, dass Judith zum Besuche einiger Freundinnen nach Aberdeen gegangen ist. »Du wirst schon durch dich selbst hier unglücklich genug sein«, sagte sie beim Weggehen. Reine Eitelkeit und Selbstgefälligkeit! Mag es Ergebung in ihre Abwesenheit, oder mag es die natürliche Macht des Gemütes sein, ich fing an, ruhiger und gelassener in dem Augenblicke zu sein, wo ich allein war und dieses Glück des Gefühls hat seither ununterbrochen fortgedauert.
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