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VI.VI.
Der Zug hielt wie gewöhnlich bei der wichtigen Stadt Waterlank. Priscilla, die sich ihren Lebensunterhalt durch Näharbeit verschaffte, da sie noch nicht wieder eine Stellung erlangt hatte, war noch spät in der Nacht an ihrer Arbeit gewesen; sie war müde und durstig. Ich verließ deshalb den Wagen, um ihr etwas Sodawasser zu bringen. Das einfältige Mädchen im Wirtszimmer war nicht imstande, den Korkstopfen aus der Flasche zu ziehen, und wollte auch nicht, dass ich ihr half. Sie nahm einen Pfropfenzieher und gebrauchte ihn verkehrt. Ich verlor die Geduld und nahm ihr die Flasche aus der Hand. Grade als ich den Korkstopfen herauszog, läutete die Glocke auf dem Perron zur Abfahrt. Ich verweilte nur noch so lange, um ein Glas mit Sodawasser zu füllen, aber der Zug setzte sich eben in Bewegung, als ich das Wirtszimmer verließ.THE train stopped, as usual, at the big town of Waterbank. Supporting herself by her needle, while she was still unprovided with a situation, Priscilla had been at work late in the night--she was tired and thirsty. I left the carriage to get her some soda-water. The stupid girl in the refreshment room failed to pull the cork out of the bottle, and refused to let me help her. She took a corkscrew, and used it crookedly. I lost all patience, and snatched the bottle out of her hand. Just as I drew the cork, the bell rang on the platform. I only waited to pour the soda-water into a glass--but the train was moving as I left the refreshment room.
Die Bahnbeamten hielten mich zurück, als ich versuchte, auf den Wagentritt zu springen. So war ich zurückgelassen. Sobald ich mich wieder etwas beruhigt hatte, sah ich nach dem Fahrplan. Wir hatten Waterlank 5 Minuten nach Eins erreicht. Wenn der nächste Zug keine Verspätung hatte, so traf er 1 Uhr 44 Minuten ein und kam in Yateland, der nächsten Station, zehn Minuten später an. Ich konnte nur hoffen, dass Priscilla ebenfalls sich den Fahrplan ansehen und mich erwarten möchte.The porters stopped me when I tried to jump on to the step of the carriage. I was left behind. As soon as I had recovered my temper, I looked at the time-table. We had reached Waterbank at five minutes past one. By good luck, the next train was due at forty-four minutes past one, and arrived at Yateland (the next station) ten minutes afterward. I could only hope that Priscilla would look at the time-table too, and wait for me.
Wenn ich versucht hätte, die Entfernung zwischen den beiden Orten zu Fuß zurückzulegen, so würde ich nur Zeit verloren haben. Die Zwischenzeit, die ich zu warten hatte, war nicht sehr lang, und ich benutzte sie, um mir einmal die Stadt anzusehen.If I had attempted to walk the distance between the two places, I should have lost time instead of saving it. The interval before me was not very long; I occupied it in looking over the town.
Unbeschadet der gebührenden Achtung für die Bewohner, muss ich doch sagen, dass Waterlank selbst für andere Leute ein langweiliger Ort ist. Ich ging eine Straße hinauf und eine andere hinunter und blieb stehen, um einen Laden zu betrachten, der mir auffiel, nicht wegen der Gegenstände in demselben, sondern weil er das einzige Ladenlokal in der Straße war, das die Erker geschlossen hatte. Ein angeschlagener Zettel kündigte an, dass der Laden zu vermieten sei.Speaking with all due respect to the inhabitants, Waterbank (to other people) is a dull place. I went up one street and down another--and stopped to look at a shop which struck me; not from anything in itself, but because it was the only shop in the street with the shutters closed.
Name und Geschäft des bisherigen Geschäftsmannes, die in den üblichen gemalten Buchstaben darauf angekündigt waren, lauteten: »Jakob Wycomb, Messerschmied«. Zum erstenmal fiel es mir ein, dass wir bei der Versendung der Photographie des Messers ein Hindernis nicht beachtet hatten. Keiner von uns hatte daran gedacht, dass ein Teil der Messerschmiede zufällig uns entgangen sein könnte, sei es, dass sie sich vom Geschäfte zurückgezogen, sei es, dass sie in Konkurs geraten waren. Ich trug immer ein Exemplar der Photographie bei mir und dachte bei mir selbst: Hier könnte sich eine Aussicht eröffnen, die Spur des Messers bis zu Deluc zu verfolgen.A bill was posted on the shutters, announcing that the place was to let. The outgoing tradesman's name and business, announced in the customary painted letters, ran thus: James Wycomb, Cutler, etc. For the first time, it occurred to me that we had forgotten an obstacle in our way, when we distributed our photographs of the knife. We had none of us remembered that a certain proportion of cutlers might be placed, by circumstances, out of our reach--either by retiring from business or by becoming bankrupt. I always carried a copy of the photograph about me; and I thought to myself, "Here is the ghost of a chance of tracing the knife to Mr. Deluc!"
Die Ladentür wurde, nachdem ich zweimal die Schelle gezogen hatte, von einem alten Manne geöffnet, der sehr schmutzig und stocktaub war. Er sagte zu mir: »Sie tun besser, hinaufzugehen und mit Herrn Scorrier, oben im Hause, zu sprechen.« Ich brachte meine Lippen an das Hörrohr des alten Burschen und fragte ihn, wer Herr Scorrier sei. »Schwager des Herrn Wycomb. Herr Wycomb ist tot. Wenn Sie das Geschäft kaufen wollen, wenden Sie sich an Herrn Scorrier.«The shop door was opened, after I had twice rung the bell, by an old man, very dirty and very deaf. He said "You had better go upstairs, and speak to Mr. Scorrier--top of the house."
Nach dieser Antwort ging ich die Treppe hinauf und fand Herrn Scorrier damit beschäftigt, ein messingenes Türschild zu gravieren. Er war ein Mann in mittlerem Alter mit einer wahren Leichenphysiognomie und blöden Augen. Nach den nötigen Entschuldigungen zeigte ich ihm die Photographie des Messers vor: »Darf ich fragen, ob Sie etwas von der Inschrift auf diesem Messer wissen?« Er nahm sein Vergrößerungsglas und betrachtete es. »Das ist sonderbar,« bemerkte er mir kühn. »Ich erinnere mich des seltsamen Namens Zebedäus. Ja, mein Herr, ich führte die Arbeit aus, soweit sie fertig ist. Doch möchte ich gerne wissen, was mich an der Vollendung der Inschrift hinderte.«Receiving that reply, I went upstairs, and found Mr. Scorrier engaged in engraving a brass door-plate. He was a middle-aged man, with a cadaverous face and dim eyes After the necessary apologies, I produced my photograph. "May I ask, sir, if you know anything of the inscription on that knife?" I said. He took his magnifying glass to look at it. "This is curious," he remarked quietly. "I remember the queer name--Zebedee. Yes, sir; I did the engraving, as far as it goes. I wonder what prevented me from finishing it?"
Der Name Zebedäus und die unfertige Inschrift auf dem Messer waren in jeder englischen Zeitung erschienen. Er nahm die Sache so kaltblütig, dass ich zweifelhaft war, wie ich mir seine Antwort auslegen sollte. War es möglich, dass er den Zeitungsbericht über den Mord nicht gelesen hatte? Oder war er ein Mitschuldiger, der mit wunderbarer Kraft der Selbstbeherrschung ausgestattet war?The name of Zebedee, and the unfinished inscription on the knife, had appeared in every English newspaper. He took the matter so coolly that I was doubtful how to interpret his answer. Was it possible that he had not seen the account of the murder? Or was he an accomplice with prodigious powers of self-control?
»Entschuldigen Sie,« sagte ich, »lesen Sie Zeitungen?« »Niemals! Mein Augenlicht ist zu schwach. Ich enthalte mich des Lesens im Interesse meiner Beschäftigung.«"Excuse me," I said, "do you read the newspapers?" "Never! My eyesight is failing me. I abstain from reading, in the interests of my occupation."
»Haben Sie nicht den Namen Zebedäus erwähnen hören, besonders von Leuten, welche die Zeitungen lesen.« »Sehr wahrscheinlich; aber ich achtete nicht darauf. Wenn mein Tagewerk vorüber ist, mache ich einen Spaziergang. Dann nehme ich mein Abendessen, ein Gläschen Grog und meine Pfeife. Dann gehe ich zu Bett: Sie denken wohl, ein armseliges Dasein das! Ich hatte ein elendes Leben, als ich jung war. Den bloßen Lebensunterhalt und ein wenig Ruhe vor der letzten vollkommenen Ruhe im Grabe — das ist alles, was ich wünsche. Die Welt ist schon lange an mir vorübergegangen; umso besser!«"Have you not heard the name of Zebedee mentioned--particularly by people who do read the newspapers?" "Very likely; but I didn't attend to it. When the day's work is done, I take my walk. Then I have my supper, my drop of grog, and my pipe. Then I go to bed. A dull existence you think, I daresay! I had a miserable life, sir, when I was young. A bare subsistence, and a little rest, before the last perfect rest in the grave--that is all I want. The world has gone by me long ago. So much the better."
Der arme Mann redete ehrlich. Ich schämte mich, an ihm gezweifelt zu haben. Dann wendete ich mich wieder zu der Angelegenheit des Messers »Wissen Sie, wo und von wem es gekauft wurde?« fragte ich. »Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut, wie es war,« antwortete er, »aber ich habe etwas, das ihm nachhilft.« Er nahm vom Schranke eine schmutzige, alte Mappe. Soweit ich sehen konnte, waren Papierstreifen mit darauf befindlicher Schrift auf die einzelnen Seiten geklebt. Er wendete nach einem Register um und schlug eine Seite auf. Es blitzte etwas wie Leben auf seinem düsteren Gesichte auf. »Ha! Jetzt erinnere ich mich,« rief er. »Das Messer wurde von meinem verstorbenen Schwager, unten im Laden, gekauft. Alles kommt mir wieder in die Erinnerung. Eine Person, die sich wie wahnsinnig gebärdete, stürzte gerade in dieses Zimmer und riss mir das Messer weg, als ich kaum die halbe Inschrift fertig hatte.« Ich fühlte, dass ich jetzt nahe an der Entdeckung war. »Darf ich sehen, was Ihr Gedächtnis unterstützt hat?« fragte ich. »O ja, Sie müssen wissen, mein Herr, ich lebe von dem Eingravieren von Inschriften und Adressen und klebe die Originale der mir erteilten Aufträge mit meinen eigenen Bemerkungen am Rande in dieses Buch. Zunächst dienen sie mir als Empfehlung neuen Kunden gegenüber, und dann unterstützen sie sicherlich mein Gedächtnis.« Er hielt mir das Buch entgegen und zeigte auf einen Papierstreifen, der den unteren Teil einer Seite einnahm. Ich las die vollständige Inschrift, die für das Messer bestimmt war, mit welchem Zebedäus ermordet wurde: »Dem Johann Zebedäus von Priscilla Thurlby.«The poor man spoke honestly. I was ashamed of having doubted him. I returned to the subject of the knife. "Do you know where it was purchased, and by whom?" I asked. "My memory is not so good as it was," he said; "but I have got something by me that helps it." He took from a cupboard a dirty old scrapbook. Strips of paper, with writing on them, were pasted on the pages, as well as I could see. He turned to an index, or table of contents, and opened a page. Something like a flash of life showed itself on his dismal face. "Ha! now I remember," he said. "The knife was bought of my late brother-in-law, in the shop downstairs. It all comes back to me, sir. A person in a state of frenzy burst into this very room, and snatched the knife away from me, when I was only half way through the inscription!" I felt that I was now close on discovery. "May I see what it is that has assisted your memory?" I asked. "Oh yes. You must know, sir, I live by engraving inscriptions and addresses, and I paste in this book the manuscript instructions which I receive, with marks of my own on the margin. For one thing, they serve as a reference to new customers. And for another thing, they do certainly help my memory." He turned the book toward me, and pointed to a slip of paper which occupied the lower half of a page. I read the complete inscription, intended for the knife that killed Zebedee, and written as follows: "To John Zebedee. From Priscilla Thurlby."


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