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Neununddreißigstes KapitelCHAPTER XXVIII - THE MAID AND THE KEYHOLE
Mountjoy blieb zurück in peinigendem Grübeln darüber, wie er wohl den unheilvollen Einflüssen entgegenwirken könnte, unter denen Iris' von Natur so ehrliche Seele in so tief betrübender Weise litt. Hielt doch die Anwesenheit des Doktors die arme Frau in einem fortwährenden Kampfe zwischen ihrem eigenen natürlichen Gefühl, das sie ihm misstrauen hieß, und zwischen den gebieterischen Versicherungen ihres Gatten, der ihn ihrem Vertrauen empfahl. Kein größerer Dienst hätte darnach Iris erwiesen werden können, als wenn es gelang, diesen Menschen zu entfernen, aber wie konnte das geschehen, ohne dass ihr Gatte beleidigt werde? Mountjoys Geist war noch beschäftigt, auf Mittel und Wege zur Überwindung dieses Hindernisses zu sinnen, als er hörte, dass die Türe geöffnet wurde. Hatte Iris sich wieder gefasst? Oder waren Lord Harry und sein Freund zurückgekommen? DEEPLY as she had grieved him, keenly as he felt that his worst fears for her threatened already to be realised, it was characteristic of Mountjoy that he still refused to despair of Iris--even with the husband's influence against him. The moral deterioration of her, revealed in the false words that she had spoken, and in the deceptions that she had attempted, would have justified the saddest misgivings, but for the voluntary confession which had followed, and the signs which it had shown of the better nature still struggling to assert itself. How could Hugh hope to encourage that effort of resistance to the evil influences that were threatening her--first and foremost, among them, being the arrival of Vimpany at the cottage? His presence kept her in a state of perpetual contention, between her own wise instincts which distrusted him, and her husband's authoritative assertions which recommended him to her confidence. No greater service could be rendered to Iris than the removal of this man--but how could it be accomplished, without giving offence to her husband? Mountjoy's mind was still in search of a means of overcoming the obstacle thus presented, when he heard the door open. Had Iris recovered herself? or had Lord Harry and his friend returned?
Die Person, welche das Zimmer betrat, war das wunderliche Kammermädchen der Frau Iris, Fanny Mere. The person who now entered the room was the strange and silent maid, Fanny Mere.
»Kann ich Sie auf ein paar Worte sprechen, Sir?« "Can I speak to you, sir?"
»Gewiss, was gibt es?« "Certainly. What is it?"
»Bitte, sagen Sie mir Ihre Adresse!« "Please give me your address."
»Für Ihre Herrin?« "For your mistress?"
»Ja.« "Yes."
»Will sie mir schreiben?« "Does she wish to write to me?"
»Ja.« "Yes."
Hugh gab dem sonderbaren Mädchen die Adresse seines Hotels in London. Für einen Augenblick ruhten ihre Augen mit einem prüfenden Ausdruck auf ihm. Dann öffnete sie die Tür, um hinauszugehen, zögerte, überlegte einen Augenblick und kam wieder zurück. Hugh gave the strange creature the address of his hotel in Paris. For a moment, her eyes rested on him with an expression of steady scrutiny. She opened the door to go out---stopped--considered--came back again.
»Ich möchte meinerseits noch einige Worte mit Ihnen sprechen. Wollen Sie hören, was ein Dienstbote zu sagen hat?« "I want to speak for myself," she said. "Do you care to hear what a servant has to say?"
Mountjoy erwiderte, dass er bereit sei, sie anzuhören. Sie trat dicht vor ihn hin und sagte: Mountjoy replied that he was ready to hear what she had to say. She at once stepped up to him, and addressed him in these words:
»Ich glaube, Sie lieben meine Herrin.« "I think you are fond of my mistress?"
Ein gewöhnlicher Mann würde die familiäre Art und Weise, in der sie sich ausdrückte, übel aufgenommen haben. Mountjoy jedoch wartete ruhig ab, was noch kommen werde. Fanny Mere nahm auch wirklich rasch von neuem das Wort und zeigte in ihrem ganzen Benehmen eine Erregnng, die bisher nie an ihr wahrzunehmen gewesen. An ordinary man might have resented the familiar manner in which she had expressed herself. Mountjoy waited for what was still to come. Fanny Mere abruptly went on, with a nearer approach to agitation in her manner than she had shown yet:
Meine Herrin nahm mich in ihre Dienste; sie vertraute mir, als andere Damen mir die Tür gewiesen hatten. Als sie mich zu sich kommen ließ, war ich ein unglückliches, verlorenes Mädchen. Ich hatte niemand, der Teilnahme für mich fühlte, niemand, der mir helfen wollte. Sie ist die einzige Freundin, die mir mitleidig die Hand bot. Ich hasse die Männer und frage nichts nach den Frauen, ausgenommen nach einer. Da ich eine Dienerin bin, so darf ich nicht sagen, dass ich die eine liebe; wenn ich eine Dame wäre, so würde ich es wahrscheinlich nicht sagen. Liebe ist so gemein, ist so lächerlich! Sagen Sie mir das eine, ist der Doktor Ihr Freund?« "My mistress took me into her service; she trusted me when other ladies would have shown me the door. When she sent for me to see her, my character was lost; I had nobody to feel for me, nobody to help me. She is the one friend who held out a hand to me. I hate the men; I don't care for the women. Except one. Being a servant I mustn't say I love that one. If I was a lady, I don't know that I should say it. Love is cant; love is rubbish. Tell me one thing. Is the doctor a friend of yours?"
»Der Doktor ist nicht mein Freund.« "The doctor is nothing of the kind."
»Ist er vielleicht Ihr Feind?« "Perhaps he is your enemy?"
»Ich kann das kaum sagen.« "I can hardly say that."
Sie sah Hugh missvergnügt an. She looked at Hugh discontentedly.
»Ich wünschte, es wäre so«, sagte sie. »Warum verstehen wir uns nicht? Werden Sie über mich lachen, wenn ich Sie das erste beste, das mir in den. Kopf kommt, frage? Sind Sie ein guter Schwimmer?« "I want to get at it," she said. "Why can't we understand each other? Will you laugh at me, if I say the first thing that comes into my head? Are you a good swimmer?"
Eine seltsame Frage selbst im Munde einer Fanny Mere, aber sie war in ernstem Tone ausgesprochen und Mountjoy beantwortete sie ernst. Er sagte, dass er immer für einen guten Schwimmer gegolten habe. An extraordinary question, even from Fanny Mere. It was put seriously--and seriously Mountjoy answered it. He said that he was considered to be a good swimmer.
»Vielleicht«, fuhr sie fort, »haben Sie schon einmal einem Menschen das Leben gerettet?« "Perhaps," she continued, "you have saved people's lives."
»Ich bin zweimal so glücklich gewesen, jemand das Leben zu retten«, antwortete er. "I have twice been so fortunate as to save lives," he replied.
»Wenn Sie nun sehen würden, dass der Doktor nahe am Ertrinken wäre, würden Sie ihn dann retten? Ich würde es gewiss nicht tun!« "If you saw the doctor drowning, would you save him? I wouldn't!"
»Hassen Sie ihn denn so bitter?« fragte Hugh. "Do you hate him as bitterly as that?" Hugh asked.
Sie ließ diese Frage vollständig unbeachtet. She passed the question over without notice.
»Ich wünschte, Sie würden mir helfen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Angenommen, Sie könnten meine Herrin von diesem Menschen befreien, dadurch, dass Sie ihm einen Fußtritt geben, würden Sie es tun?« "I wish you would help me to get at it," she persisted. "Suppose you could rid my mistress of that man by giving him a kick, would you up with your foot and do it?"
»Ja, mit Vergnügen.« "Yes--with pleasure."
»Ich danke Ihnen, Sir! Jetzt habe ich meine Absicht erreicht. Mr. Mountjoy, der Doktor ist der Fluch in dem Leben meiner Herrin; ich kann es nicht ertragen, das länger ruhig mit anzusehen. Wenn wir nicht auf irgendeine Weise von ihm befreit werden, so werde ich noch etwas Schlimmes anstellen. Wenn ich bei Tische bediene und sehe, wie er sein Messer gebraucht, dann möchte ich es ihm gleich aus der Hand reißen und ins Herz bohren. Ich hoffte, mein Herr würde ihn aus dem Hause werfen, als sie sich stritten, aber mein Herr ist selbst zu schlecht dazu, um das zu tun. Um Gottes willen, helfen Sie meiner Herrin, Sir, oder zeigen Sie mir wenigstens den Weg, wie ich es tun kann!« "Thank you, sir. Now I've got it. Mr. Mountjoy, the doctor is the curse of my mistress's life. I can't bear to see it. If we are not relieved of him somehow, I shall do something wrong. When I wait at table, and see him using his knife, I want to snatch it out of his hand, and stick it into him. I had a hope that my lord might turn him out of the house when they quarrelled. My lord is too wicked himself to do it. For the love of God, sir, help my mistress--or show me the way how!"
Mountjoy begann jetzt aufmerksamer zu werden. Mountjoy began to be interested.
»Woher wissen Sie denn«, fragte er, »dass Lord Harry und Mr. Vimpany sich gestritten haben?« "How do you know," he asked, "that Lord Harry and the doctor have quarrelled?"
Ohne das geringste Zeichen von Verlegenheit zu verraten, erzählte ihm Fanny Mere, dass sie an der Türe gehorcht habe, während ihr Herr und sein Freund über ihre Geheimnisse verhandelten. Sie hatte auch die Gelegenheit wahrgenommen, durch das Schlüsselloch zu sehen. Without the slightest appearance of embarrassment, Fanny Mere informed him that she had listened at the door, while her master and his friend were talking of their secrets. She had also taken an opportunity of looking through the keyhole.
»Ich glaube, Sir«, sagte das merkwürdige Mädchen, »Sie würden so etwas nie getan haben.« "I suppose, sir," said this curious woman, still speaking quite respectfully, "you have never tried that way yourself?"
»Gewiss nicht.« "Certainly not!"
»Würden Sie es auch nicht tun, wenn es meiner Herrin nützen könnte?« "Wouldn't you do it to serve my mistress?"
»Nein.« "No."
»Und doch lieben Sie sie? Sie sind ein bemitleidenswerter, ja, soweit ich es verstehe, der einzige bemitleidenswerte unter allen Männern. Vielleicht, wenn Sie in Angst um Mylady geraten, dann werden Sie geneigter sein, zu helfen; ich bin neugierig, ob ich Ihnen Angst machen kann. Erlauben Sie, dass ich es versuche?« "And yet, you're fond of her! You are a merciful one--the only merciful one, so far as I know--among men. Perhaps, if you were frightened about her, you might be more ready with your help. I wonder whether I can frighten you? Will you let me try?"
Die aufrichtige Anhänglichkeit des Mädchens an Iris sprach bei Hugh für sie. The woman's faithful attachment to Iris pleaded for her with Hugh.
»Wenn Sie wollen, so versuchen Sie es«, sagte er freundlich. "Try, if you like," he said kindly.
Indem sie so ernst wie immer sprach, berichtete Fanny, was sie durch das Schlüsselloch gesehen und gehört hatte. Was sie gesehen hatte, ist nicht der Erzählung wert; was sie gehört hatte, erwies sich als wichtiger. Speaking as seriously as ever, Fanny proceeded to describe her experience at the keyhole. What she had seen was not worth relating. What she had heard proved to be more important.
Das Gespräch zwischen dem Lord und dem Doktor drehte sich ums Geld; sie tauschten gegenseitig Bemerkungen aus, wie sie solches auftreiben könnten. Lord Harrys Plan war, das Nötige auf seine Lebensversicherung aufzunehmen. Der Doktor sagte, das sei unmöglich, die Lebensversicherung müsse erst drei oder vier Jahre gelaufen sein, ehe sich so etwas tun lasse. The talk between my lord and the doctor had been about raising money. They had different notions of how to do that. My lord's plan was to borrow what was wanted, on his life-insurance. The doctor told him he couldn't do that, till his insurance had been going on for three or four years at least.
»Ich will Ihnen etwas Besseres und Sichereres vorschlagen«, sagte Mr. Vimpany. Es musste auch wieder etwas Schlechtes gewesen sein, denn er flüsterte es dem Lord ins Ohr. "I have something better and bolder to propose," says Mr. Vimpany. It must have been also something wicked--for he whispered it in the master's ear.
Lord Harry war jedoch damit nicht einverstanden. My lord didn't take to it kindly.
»Wie könnte ich meiner Frau je wieder unter die Augen treten«, sagte er, »wenn sie es entdeckte.« "How do you think I could face my wife," he says, "if she discovered me?"
Der Doktor entgegnete: The doctor says:
»Ach, haben Sie doch keine Angst vor Ihrer Frau! Lady Harry wird sich noch an viele Dinge gewöhnen müssen, an die sie wenig dachte, bevor sie Sie heiratete.« "Don't be afraid of your wife; Lady Harry will get used to many things which she little thought of before she married you."
Lord Harry erwiderte: Says my lord to that:
»Ich habe mein möglichstes getan, Mr. Vimpany, um meiner Frau eine bessere Meinung von Ihnen beizubringen; wenn Sie aber noch mehr Derartiges sprechen, dann werde ich mich zur Ansicht meiner Frau bekehren. Lassen Sie das jetzt.« "I have done my best, Vimpany, to improve my wife's opinion of you. If you say much more, I shall come round to her way of thinking. Drop it!"--
»Mir ist es recht«, antwortete der Doktor darauf »ich will es lassen und warten bis an den Tag, an welchem Sie Ihre letzte Banknote angreifen.« "All right," says the doctor, "I'll drop it now, and wait to pick it up again till you come to your last bank note."
Damit hatte das Gespräch an diesem Tage seinen Abschluss gefunden, und Fanny wollte nun wissen, was Mr. Mountjoy davon denke. There the talk ended for that day---and Fanny would be glad to know what Mr. Mountjoy thought of it.
»Ich denke, dass Sie mir einen Dienst erwiesen haben, Fanny!« antwortete Hugh. "I think you have done me a service," Hugh replied.
»Sagen Sie mir, wie, Sir.« "Tell me how, sir."
»Ich kann Ihnen nur das eine sagen, Fanny: Sie haben mir den Weg gezeigt, auf welchem es mir gelingen wird, Ihre Herrin von dem Doktor zu befreien.« "I can only tell you this, Fanny. You have shown me how to relieve your mistress of the doctor."
Zum ersten Male verlor Fanny ihre unerschütterliche Ruhe vollständig. Das unterdrückte Feuer in ihr flammte auf. Dem augenblicklichen Drang ihrer Gefühle nachgebend, küsste sie Mountjoys Hand, aber in demselben Augenblicke, da ihre Lippen die Hand berührten, fuhr sie, heftig erschrocken, zurück. Die natürliche Blässe ihres Gesichtes trat noch schärfer hervor als sonst. Bestürzt über diese plötzliche Veränderung fragte Hugh sie, ob sie unwohl sei. For the first time, the maid's impenetrable composure completely failed her. The smouldering fire in Fanny Mere flamed up. She impulsively kissed Mountjoy's hand. The moment her lips touched it she shrank back: the natural pallor of her face became whiter than ever. Startled by the sudden change, Hugh asked if she was ill.
Sie schüttelte den Kopf. She shook her head.
»Das ist es nicht, Ihre Hand ist die erste Hand eines Mannes, die ich geküsst habe, seitdem« - sie stockte. »Bitte, fragen Sie mich nicht darnach! Ich wollte Ihnen nur danken, Sir, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen! Ich darf aber jetzt nicht länger hier bleiben.« "It isn't that. Yours is the first man's hand I have kissed, since--" She checked herself. "I beg you won't ask me about it. I only meant to thank you, sir; I do thank you with all my heart--I mustn't stay here any longer."
Als sie das sagte, ließ sich das Geräusch eines Schlüssels vernehmen, der das Schloss der Haustür öffnete. As she spoke the sound of a key was heard, opening the lock of the cottage-door.
Lord Harry war zurückgekehrt. Lord Harry had returned.


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