Die Brille des Teufels

I Erinnerungen eines Arktisreisenden

»Sir, er sagt, es geht mit ihm zu Ende und er würde Sie gerne sehen, bevor er geht.«

»Meinst du, bevor er stirbt?«

»Davon redet er, Sir.«

Ich hatte keine Lust (aus Gründen, die ich nachher erwähnen werde) irgend jemanden zu sehen, unter welch schrecklichen Umständen auch immer; aber die Person, die mir sagen ließ, dass es »mit ihr zu Ende gehe«, hatte besondere Ansprüche auf meine Aufmerksamkeit.

Er war ein alter Seemann, der das blaue Wasser zum ersten Mal unter dem Schutz meines Vaters gesehen hatte und dann ein Postkapitän in der Marine war. Auf unserem Besitz geboren, und der einzige männliche Überlebende unserer Hauptwildhüterfamilie von sieben Kindern, hatte er eine gute Erziehung durch meines Vaters Fürsorge erhalten und er sollte es zu etwas gebracht haben in der Welt; aber er war einer dieser geborenen Vagabunden, die Erziehung missachteten. Sein Dienst war ausgelaufen und er verschwand für mehrere Jahre. Während dieser Zeit vermutete man, dass er bei der Handelsmarine angestellt war. Am Ende dieser langen Zeit tauchte er eines Tages bei unserem Landhaus wieder auf, als Invalide, ohne einen Penny in seiner Tasche. Mein guter Vater, der damals nahe dem Ende seines Lebens war, war ebenfalls invalid.

Ob er nun ein Kameradschaftsgefühl für die hilflose Kreatur entwickelt hatte, die ihm einst ein Freund war, oder ob es nur

ein Ausbruch seiner eigenen freigebigen Natur war, ist nun nutzlos zu fragen. Er stellte Septimus Notman als Torwächter am zweiten unserer beiden Parktore an, und er vertraute mir Septimus zur persönlichen Fürsorge auf seinem Totenbett an.

»Ich fürchte, er ist ein alter Schurke«, gestand mein Vater, »aber jemand muss, solange er lebt, auf ihn aufpassen, und wenn du das nicht tust, Alfred, wird es niemand tun.«

Danach nahm Septimus seinen Platz am Tor ein, während wir auf dem Land waren. Wenn wir zu unserem Haus in London zurückkamen, war das zweite Tor verschlossen. Der alte Seemann logierte (durch meine starke Einflussnahme) in einem Raum über einem unbenutzten Stall, von dem unser Kutscher vorgeschlagen hatte, ihn in einen Heuboden umzuwandeln. Jeder konnte Septimus Notman nicht leiden. Man sagte, er war verrückt; ein Lügner, Heuchler, ein teuflisches Wesen und ein unangenehmer Wilder.

Es gab Leute, die sogar berichteten, er sei während der Zeit, die wir ihn nicht gesehen hatten, Pirat gewesen, und die erklärten, seine Verbrechen stünden ihm ins Gesicht geschrieben, wenn sie nach einem Beweis gefragt wurden.

Er war nicht im mindesten berührt von den Meinungen seiner Nachbarn; er kaute seinen Tabak und trank seinen Grog und um es mit den Worten eines alten Liedes zu sagen: »Er kümmerte sich um niemanden, nein, er doch nicht!«. Nun hatte mein armer Vater gesagt, dass niemand seinen Teil übernehmen würde, wenn ich es nicht tun würde. Und soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?

Obwohl ich strikt meines Vaters Wünsche erfüllte und obwohl Septimus mir in seiner eigenen rauhen Weise dankbar zu sein schien, konnte ich ihn auch nicht leiden.

So ging ich mit trockenen Augen zu dem Zimmer über dem Stall (wir waren damals in London) und setzte mich neben sein Bett, schnitt ein Stück Tabak für ihn ab und sagte: »Nun, was gibt‘s«, so kühl, als wenn er mir mitgeteilt hätte, dass er denke, er habe sich eine Erkältung zugezogen. »Ich werde weggerufen«, antwortete Septimus, »und bevor ich gehe, muss ich ein Geständnis machen und Ihnen etwas Nützliches anbieten. Unter den Dienern wird berichtet, Mr. Alfred, dass Sie sich jetzt gerade zwischen zwei Damen entscheiden müssen. Sie werden Ihren Weg in diesem Fall klar sehen, Sir, wenn der Tod mir noch lange genug lässt, um ein paar letzte Worte zu sagen.«

»Mach dir keine Sorgen um mich, Septimus. Hat dich ein Doktor gesehen?«

»Der Doktor weiß nicht mehr über mich als ich selbst. Den Doktor soll doch –«

»Hast du irgendwelche letzten Wünsche, die ich für dich tun kann?«

»Keine, Sir.«

»Soll ich einen Priester holen?«

Septimus Notman schaute mich so gerade an, wie er konnte – er war mit einem schrecklichen Schielen geschlagen. Andererseits war er ein gutgebauter, kräftiger Mann mit rotem Gesicht, übermäßig umkreist von weißem Haar und Backenbart, einer heiseren, tiefen Stimme, und er hatte die größten Hände, die ich je gesehen hatte. Er legte eine seiner riesigen Hände unter sein Kopfkissen, bevor er mir antwortete.

»Wenn Sie denken«, sagte er, »dass ein Priester zu einem Mann kommt, der die Brille des Teufels hier unter seinem Kopfkissen hat und der nur diese Brille aufsetzen muss, um durch die Kleider, das Fleisch und was nicht alles, des Geistlichen zu sehen, und alles zu lesen, was in seinem tiefsten Inneren wie geschrieben steht, holen Sie ihn, Master Alfred – holen Sie ihn!«

Ich dachte, dass der Geistliche dies nicht angenehm finden würde und zog meinen Vorschlag mit ihm übereinstimmend zurück. Das mindeste, was ich aus Höflichkeit tun konnte, nachdem ich die Idee mit dem Geistlichen verworfen hatte, war, zu fragen, ob ich die Brille des Teufels sehen dürfte.

»Hören Sie zuerst, wie ich dazu gekommen bin«, sagte Septimus.

»Wird es lange dauern?« fragte ich.

»Es wird lange dauern und es wird Sie gruselig machen.«

Ich erinnerte mich an das Versprechen meinem Vater gegenüber und setzte mich und mein Fleisch der Gnade von Septimus Notman aus. Aber er war noch nicht bereit, anzufangen.

»Sehen Sie diesen weißen Krug?« sagte er und zeigte auf den Waschtisch.

»Ja, wollen Sie Wasser?«

»Ich will Grog. In dem weißen Krug ist Grog. Und auf dem Kaminsims ist ein Zinnbecher. Ich muss gestärkt werden, Master Alfred, ich muss gestärkt werden.«

In dem weißen Krug waren grob geschätzt mindestens eine halbe Gallone Rum und Wasser. Ich stärkte ihn. Im Falle einer anderen sterbenden Person hätte ich vielleicht gezögert. Aber ein Mann, der die Brille des Teufels besaß, war sicher eine Ausnahme von der Regel und er mochte seine Karriere und seinen Grog zu ein und derselben Zeit beenden.

»Nun bin ich bereit«, sagte er, »Was denken Sie, habe ich in der Zeit gemacht, als ihr mich aus den Augen verloren hattet? Den letzten Teil der Zeit, meine ich.«

»Man sagt, du warst ein Pirat«, antwortete ich.

»Schlimmer als das. Raten Sie noch einmal.«

Ich versuchte, mich davon zu überzeugen, dass es eine Absonderheit wie einen barmherzigen Piraten geben könnte und riet noch einmal.

»Ein Mörder«, schlug ich vor.

»Schlimmer als das. Raten Sie noch einmal.«

Ich weigerte mich, noch einmal zu raten.

»Sag mir, was du warst«, sagte ich.

Er antwortete, ohne dass er im mindesten verwirrt oder verlegen schien: »Ich war ein Kannibale.«

Vielleicht war es schwach von mir. Aber ich starrte zweifellos auf meine Füße und ging zur Tür.

»Hören Sie die Umstände«, sagte Septimus. »Kennen Sie das Sprichwort, Sir? Umstände ändern Fälle.«

Es gab keinen Widerspruch zu dem Sprichwort. Ich setzte mich wieder. Ich war ein junger und sanfter Mann, was in meiner gegenwärtigen Position natürlich gegen mich sprach. Aber ich hatte sehr wenig Fleisch auf den Knochen, was für mich sprach.

»Es geschah, als ich mit der Arktisexpedition unterwegs war. Alles, was ich gelernt habe, habe ich vergessen und mein Gedächtnis für Daten habe ich verloren. Das Jahr ist mir entfallen, ebenso wie Länge und Breite mir entfallen sind. Aber ich kann Ihnen den Rest davon erzählen. Sie müssen wissen, wir waren eine Expeditionsmannschaft mit Schlitten. Es schritt nahe auf das Ende der Sommermonate in diesen Teilen zu und wir waren näher an den Nordpol gekommen, als jemand vor uns zuvor. Wir sollten unseren Weg dorthin gefunden haben – zweifellos – wenn nicht drei unserer besten Männer dem Skorbut verfallen wären. Der zweite Leutnant, der das Kommando hatte, ließ Halt machen, wie die Soldaten sagen.

»Mit dieser Schwächung der Mannschaft«, sagte er, »ist es meine Pflicht, euch zurück zum Schiff zu bringen. Wir müssen den Nordpol den Nordpol sein lassen und Gott darum bitten, dass wir nicht noch mehr kranke Männer schleppen müssen. Ich gebe euch eine halbe Stunde Pause, ehe wir zurückkehren.« Der Zimmermann war einer unserer gesunden Männer. Er sprach als nächstes. Er berichtete, dass einer der beiden Schlitten nicht mehr fahrtüchtig sei.

»Wie lange wirst du brauchen, um ihn zu reparieren?« fragte der Leutnant.

»In einem wärmeren Klima«, sagte der Zimmermann, »würde ich sagen, zwei oder drei Stunden, Sir. Hier mindestens doppelt so lange.«

Sie werden sagen, warum nicht ohne Schlitten weitergehen? Ich werde Ihnen sagen, warum. Aufgrund der kranken Männer, die getragen werden mussten. »Beeil dich damit und mach so schnell, wie du kannst«, sagte der Lieutenant. »Zeit bedeutet in unserer schlimmen Lage Leben.«

Die meisten der Männer waren recht froh, eine Pause zu machen. Nur zwei von uns murrten, weil wir nicht weitergingen. Der eine war der Bootsmannsmaat, der andere war ich.

»Denkt ihr, der Nordpol ist auf der anderen Seite dieser Erhebung dort?« sagte der Leutnant. Der Bootsmannsmaat war jung und eingebildet.

»Ich will es versuchen, Sir«, sagte er, »wenn ein anderer Mann Mut genug hat, mit mir zu gehen.« Er schaute mich an, als er dies sagte. Ich hatte nicht vor, meinen Mut öffentlich in Frage gestellt zu sehen, durch die Aufforderung eines Burschen, und mehr noch, ich hatte die Einbildung, ebenfalls den Nordpol erreichen zu können. Ich meldete mich, um mit ihm zu gehen. Unsere Absicht war es, einen Kompass und etwas Essen mitzunehmen; zu sehen, wie weit wir einen Stundenmarsch weiter gelangen könnten und rechtzeitig zu unserem Dienst auf der Rückreise zurückzukehren. Der Leutnant wollte es nicht hören.

»Ich bin verantwortlich für jeden Mann unter meinem Kommando«, sagte er. »Ihr seid Dummköpfe. Bleibt, wo ihr seid.« Wir waren Dummköpfe. Wir sahen unsere Gelegenheit, als sie den kaputten Schlitten abluden und zogen rasch aus, um unser Glück zu versuchen und die Belohnung für die Entdeckung des Nordpols zu kassieren.«

Hier hörte er auf und zeigte auf den Grog. »Trockene Arbeit, dieses Sprechen«, sagte er. »Geben Sie mir einen Tropfen mehr.«

Ich füllte den Zinnbecher wieder. Und wieder leerte Septimus Notman ihn.

»Wir setzten unseren Kurs Nordwest Nord«, fuhr er fort, »und nach einer Weile (als wir sahen, dass der Weg leichter wurde) änderten wir ihn wieder nach Norden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange wir gingen (wir beide hatten keine Uhren) – aber das eine schwöre ich Ihnen. Gerade als das letzte Tageslicht erstarb, kamen wir auf der Spitze eines kleinen Hügels an, und dort sahen wir den Schimmer des offenen Polarmeers! Was hätten Sie an unserer Stelle getan? Ich werde Ihnen sagen, was wir taten. Wir setzten uns auf etwas trockenem Schnee nieder und nahmen unser Gebäck und unseren Grog heraus. Eine kalte Arbeit, sagen Sie? Sie werden es in den Büchern finden, wenn Sie mir nicht glauben – je nördlicher Sie gehen in diesen Teilen, desto weniger kalt ist es dort, und desto mehr offenes Wasser findet man dort. Fragen Sie Captain McClure , in was für einem Bett er schlief in der Nacht des 13. Oktobers 1851. Also, und was denken Sie, was wir taten, als wir gegessen und getrunken hatten? Unsere Pfeifen anzünden. Und danach? Schliefen wir nach unserem langen Weg schnell auf dem angenehmen trockenen Schnee ein. Und was für eine Aussicht erwartete uns, als wir aufwachten? Dunkelheit, Nieselregen und Nebel. Ich hatte den Kompass und ich versuchte, unseren Kurs auf den Weg zurück zu setzen. Ich konnte den Kompass nicht mehr sehen, als wenn ich blind gewesen wäre. Wir hatten keine Mittel, Licht zu machen, außer meine Streichholzschachtel. Ich hatte sie auf dem Schnee an meiner Seite liegen lassen, als ich eingeschlafen war. Nicht ein Streichholz würde brennen. Auf irgendeine Hilfe war nicht zu hoffen. Wir konnten nicht mehr als fünf Meilen von dem Ort weg sein, an dem wir unsere Kumpanen verlassen hatten. So waren wir also dort, der Bootsmannsmaat und ich, allein in der Einöde, verloren am Nordpol.«

Es begann, mich zu interessieren. »Ihr versuchtet, zurückzukehren, nehme ich an, so dunkel es auch war?« sagte ich.

»Wir gingen, bis wir hinfielen«, antwortete Septimus, »und dann riefen und schrien wir, bis wir keine Stimmen mehr hatten, dann gruben wir ein Loch im Schnee und warteten auf das Tageslicht.«

»Was habt ihr erwartet, als das Tageslicht kam?«

»Ich erwartete gar nichts, Master Alfred. Der Bootsmannsmaat (der anfing, etwas leichtsinnig zu werden, wissen Sie) erwartete, dass der Leutnant nach uns suchen ließ oder wartete, bis wir zurückkehrten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Offizier im Dienst das tut, wenn die Leben der Schlittenmannschaft auf ihm lasten, da er sie zu den Schiffen zurückbringen muss und wenn er nur zwei Männer vermisst, die Befehle verweigert hatten und ihre Posten verlassen hatten. Ein Glück, dass wir den Abschaum los sind – das ist es, was er von uns gesagt hat, als wir vermisst gemeldet wurden, da wette ich. Als das Tageslicht kam, versuchten wir zurückzukehren; und wir setzten unseren Kurs schlau genug. Aber ach Gott, wir hatten nichts mehr zu essen oder zu trinken übrig! Als das Licht uns wieder verließ, waren wir erledigt. Wir fielen auf den Schnee, auf dem Lee (der windgeschützten Seite) eines Baumes und gaben auf. Der Bootsmannsmaat sprach seine Gebete und ich sprach Amen. Nicht der mindeste Nutzen! Im Gegenteil, als die Nacht kam, wurde es kälter und kälter. Wir waren beide nahe genug beieinander, um uns gegenseitig warm zu halten. Ich weiß nicht mehr, wie lange es war, ich weiß nur noch, dass es immer noch stockdunkel war, als ich den Bootsmannsmaat hörte, wie er ein schwaches Stöhnen hervorstieß und darauf nichts mehr. Ich öffnete seine Kleider und legte meine Hand auf sein Herz. Tot, durch Kälte und Erschöpfung, kein Zweifel. Ich sollte nicht lange nach ihm hinterher gegangen sein, wenn ich nicht meine Geistesgegenwart behalten hätte.«

»Deine Geistesgegenwart? Was tatest du?«

»Ich streifte ihm jeden Fetzen Stoff ab, den er an hatte und zog alles selbst an. Wovor schaudert Sie? Er konnte es nicht fühlen, oder? Ich sage Ihnen, er wäre steif gefroren, bevor das nächste Tageslicht kam – hätte ich nicht wieder meine Geistesgegenwart behalten. So gut, wie meine ersterbenden Kräfte mich ließen, vergrub ich ihn unter dem Schnee. Man sagt, Tugend, Master Alfred, belohnt sich selbst. Diese gute Tat erwies sich als die Rettung meines Lebens.«

»Was meinst du damit?«

»Sagte ich Ihnen nicht, dass ich ihn vergrub?«

»Ja und?!«

»Nun, in dieser gefrorenen Luft hielt ihn das Begräbnis essbar. Verstehen Sie nicht?«

»Du Barbar!«

»Versetzen Sie sich in meine Lage und beschimpfen Sie mich nicht. Ich hielt aus, bis ich vor Hunger verrückt war. Und dann öffnete ich mein Messer mit meinen Zähnen. Und ich grub solange in den Schnee hinunter, bis ich ihn fühlte –«

Ich konnte nichts mehr davon hören. »Komm zum Ende!« sagte ich. »Warum bist du am Nordpol nicht gestorben?«

»Weil mir jemand half, wegzukommen.«

»Wer half dir?«

»Der Teufel.«

Er zeigte seine gelben alten Zähne in einem schrecklichen Grinsen. Ich konnte nur einen Schluss ziehen – sein Geist hatte ihn vor seinem Tod verlassen. Alles, was mir sein abscheuliches Geständnis des Kannibalismus ersparte, war mir willkommen. Ich fragte, wie die übernatürliche Rettung geschah.

»Zuerst mehr Grog«, sagte er. »Mir kommen die Schrecken, wenn ich daran denke.« Er war offensichtlich dabei, zu sterben. Ohne den Grog bezweifle ich, dass er viel mehr gesagt hätte.

»Ich kann Ihnen nicht sagen, wieviele Tage vergingen«, fuhr er fort. »Ich weiß nur, dass es nahe der Zeit war, wenn es ganz dunkel ist und kein Licht da ist. Je dunkler es wurde, desto tiefer räumte ich die Art Höhle aus, die ich für mich unter dem Schnee gemacht hatte. Ob es Nacht oder ob es Tag war, weiß ich nicht mehr als Sie. Plötzlich hörte ich in der schrecklichen Stille und Einsamkeit eine Stimme, hoch oben, wie es schien, auf dem Felsen hinter mir.

Es war eine heitere und angenehme Stimme und sie sprach: »Nun, Septimus Notman, ist gerade noch viel übrig vom Bootsmannsmaat? Hast Du lange auf ihm rumgekaut, als er zu Ende ging?«

Vor Schreck schrie ich aus: »Wer zum Teufel –« Die Stimme unterbrach mich, bevor ich den Rest sagen konnte. »Du hast es getroffen«, sagte die Stimme, »ich bin diese Person; und es ist Zeit, dass der Teufel dir hier raushilft.«

»Nein«, sagte ich, »ich würde lieber durch Kälte zugrunde gehen als jeden Tag durch Feuer.«

»Beruhige dich«, sagte er, dies aufnehmend, »ich will dich noch nicht an meinem Platz haben. Ich erwarte, dass du ein weiteres Geschäft erledigst, indem du deine Menschlichkeit herabsetzt, bevor du zu mir kommst und ich biete dir eine sichere Fahrt zur nächsten Siedlung. Freund Septimus, du bist ein Mann nach meinem Geschmack.«

»Inwiefern, Sir«, fragte ich.

»Weil du ein vollkommenes Tier bist«, antwortete er. »Ein menschliches Wesen, welches sich erhebt und höher und höher zu seinem unsterblichen Schicksal emporsteigt, ist eine Kreatur, die ich hasse. Es steht über mir, sogar zu seiner Lebzeit auf Erden. Aber du bist gefallen – du lieber guter Kumpel – zur Stufe eines ausgehungerten Wolfs. Du hast deinen toten Kameraden hinuntergeschlungen; und wenn du je so etwas wie eine Seele hattest – ha, Septimus! – hat sie dich mit dem ersten Bissen verlassen, den du von dem Bootsmannsmaat gekostet hast. Denkst du, ich lasse solch ein Prachtexemplar einer menschlichen Bestie, wie du eine bist, verlassen am Nordpol zurück? Nein, nein; ich gebe dir einen freien Ritt mit meiner Eisenbahn; Dunkelheit und Entfernung sind für mich keine Hindernisse. Bist du bereit?«

Sie werden mir nicht glauben; aber ich fühlte, wie ich hochgehoben wurde, und das gegen meinen eigenen Willen.

»Gib uns ein Licht«, sagte ich, »Ich kann im Dunkeln nicht reisen.«

»Nimm meine Brille«, sagte er, »sie wird dir helfen, mehr zu sehen, als du glauben magst. Schau durch sie hindurch auf deine sterblichen Mitmenschen und du siehst ihre Gedanken so klar wie ich sie sehe, und wenn man deine Natur dabei bedenkt, Septimus, wird dich das zu einer Ebene unterhalb eines Wolfs sinken lassen.«

»Angenommen, ich will nicht hindurchsehen«, sagte ich, »kann ich die Brille wegwerfen?«

»Sie wird zu dir zurückkommen«, sagte er.

»Kann ich sie kaputtschlagen?«

»Sie wird sich selbst wieder zusammenfügen.«

»Was soll ich mit ihr machen?«

»Gib sie einem anderen Mann. Nun dann! Eins, zwei, drei – und hinfort!«

Sie werden mir wieder nicht glauben; ich verlor meine Sinne, Master Alfred. Stützen Sie mich; ich verliere sie gerade wieder. Mehr Grog – das ist es – mehr Grog. Ich kam in Upernavik wieder zu mir, mit der Brille des Teufels in meiner Tasche. Nehmen Sie sie, Sir. Und lesen Sie die Herzen der beiden Damen. Und handeln Sie dementsprechend. Still! Ich höre ihn wieder zu mir sprechen. Hinter meinem Kopfkissen. Genauso wie er auf dem Felsen sprach. Sehr höflich und aufheiternd. Er spricht zu mir ungefähr das: »Komm, Kannibale, Komm!« Wie ein Lied, nicht wahr? »Komm, Kannibale, Komm!«

Er sang die letzten Worte schwach und starb mit einem Lächeln auf seinem Gesicht. Fieberphantasien oder Lügen? Mit der Brille tatsächlich in meiner Hand war ich geneigt, an Lügen zu glauben. Sie war von der altmodischen Sorte, mit großen, runden Gläsern und Schildpatteinfassung; sie roch moderig, aber nicht schwefelig. Ich besitze glücklicherweise Humor und als sie gründlich geputzt war, beschloss ich, die Brille des Teufels an den zwei Damen auszuprobieren und mich den Folgen zu unterwerfen, was immer sie sein mochten.

II Meine eigenen Erinnerungen

Wer waren die zwei Damen?

Sie waren beide jung und unverheiratet. Als eine Privatangelegenheit erlaube ich mir, sie nur bei ihren Vornamen zu erwähnen. Zilla, siebzehn Jahre alt. Cecilia, zweiundzwanzig Jahre alt.

Ich war genauso alt wie Cecilia. Sie war die Gesellschafterin und Vorleserin meiner Mutter; hübsch, wohlgeboren und arm. Ich hatte ihr einen Antrag gemacht und sie hatte ihn angenommen. Es gab keine Geldschwierigkeiten, die unserer Heirat im Weg standen, trotz der leeren Börse meines Lieblings. Ich war ein Einzelkind und ich hatte bis auf den Anteil meiner Mutter das gesamte große Vermögen geerbt, das mein Vater nach seinem Tod hinterlassen hatte. Gesellschaftlich hatte Cecilia einen höheren Rang als ich; wir waren deshalb nicht unpassend füreinander aus der weltlichen Sicht. Dennoch gab es ein Hindernis für unsere Vereinigung und eine Person, die daran interessiert war, das meiste aus diesem Hindernis zu machen. Das Hindernis war Zilla. Die interessierte Person war meine Mutter. Zilla war ihre Nichte – die Tochter ihres älteren Bruders. Die Eltern des Mädchens waren in Indien gestorben und sie war in die Schule in England geschickt worden, unter der Fürsorge ihres Onkels und Vormunds. Ich hatte sie nie gesehen und kaum etwas von ihr gehört, bis sie die Frage stellte, ob sie die Weihnachtsferien (in dem Jahr, als Septimus Notman starb) in unserem Haus verbringen konnte.

»Ihr Onkel hat keine Einwände«, sagte meine Mutter, »und ich werde mehr als glücklich sein, sie zu sehen. Ein äußerst interessantes Geschöpf, wie ich gehört habe. So liebenswert und so gut, dass sie sie in der Schule Engel nannten. Ich sage nichts über ihr nettes kleines Vermögen oder den hohen militärischen Rang, den ihr Vater bekleidete. Du kümmerst dich nicht um solche Dinge. Aber oh, Alfred, es würde mich so glücklich machen, wenn du dich in Zilla verlieben würdest und sie heiratest!«

Drei Tage zuvor hatte ich Cecilia meinen Antrag gemacht und er wurde angenommen – vorbehaltlich der Zustimmung meiner Mutter. Ich hielt dies für eine gute Möglichkeit, meinen Fall klar darzulegen und ich sprach mich aus. Nie zuvor hatte ich meine Mutter so schockiert und enttäuscht gesehen – wütend über Cecilia, enttäuscht über mich. »Eine Frau ohne einen Farthing Mitgift; eine Frau, die genauso alt war wie ich; eine Frau, die Vorteil aus ihrer Stellung im Haus gezogen hatte, um mich misszuleiten und mich zu täuschen!« und so weiter.

Cecilia wäre sicherlich weggeschickt worden, hätte ich nicht erklärt, dass ich es in diesem Fall als meine Pflicht ansah, sie auf der Stelle zu heiraten. Meine Mutter kannte mein Temperament und unterließ es, Cecilia irgendeinen Vorwurf zu machen. Cecilia ihrerseits zeigte, was man einen angemessenen Stolz nennt; sie lehnte es ab, meine Frau zu werden, bis meine Mutter sie als Schwiegertochter akzeptierte. Sie sah sich als Märtyrerin; und ich sah mich als einen furchtbar behandelten Mann. Im Vertrauen gesagt fürchte ich, dass wir das Leben unserer guten Mutter unerträglich machten – sie war gezwungen, die erste zu sein, die nachgab. Es war selbstverständlich, dass wir im Frühling heiraten sollten. Es verstand sich ebenso von selbst, dass Zilla bitter enttäuscht war, ihren Ferienbesuch bei uns absagen zu müssen. »Sie hat sich so darauf gefreut, dich zu sehen, armes Kind«, sagte meine Mutter zu mir. »Aber ich wagte wirklich nicht, sie unter den gegenwärtigen Umständen zu fragen. Sie ist so frisch, so unschuldig, Cecilia so unendlich in persönlichen Vorzügen überlegen, dass ich nicht weiß, was passieren könnte, wenn du sie nun sehen würdest. Du bist eine ehrliche Seele, Alfred; aber du und Zilla sollten lieber Fremde bleiben – du könntest deine rasche Heirat bereuen.« Es ist unnötig, zu sagen, dass ich mich nach diesen Worten danach sehnte, Zilla zu sehen; während ich zur selben Zeit niemals für einen Augenblick von der Treue zu Cecilia abkam.

So war meine Lage an dem denkwürdigen Tag, als Septimus Notman starb und mich als Besitzer der Brille des Teufels zurückließ.

III Der Test der Brille

Die erste Person, der ich begegnete, als ich zum Haus zurückkehrte, war unser Butler. Er traf mich in der Halle, mit einer gezahlten Rechnung in der Hand, da ich ihn ausgeschickt hatte, diese zu begleichen. Der Betrag war nahe hundert Pfund und ich hatte sofort bezahlt. »Gibt es keinen Rabatt?« fragte ich, als ich die Rechnung betrachtete.

»Die Firmen erwarten Bargeld, Sir, und rechnen dementsprechend ab.«

Er sah so ehrbar aus, als er diese Antwort gab, er hatte so viele Jahre für uns gedient, dass ich ein unwiderstehliches Verlangen fühlte, die Brille des Teufels an dem Butler auszuprobieren, bevor ich es wagte, durch sie auf die Damen meiner Familie zu schauen. Unser ehrenwerter alter Diener würde so einen exzellenten Test abgeben.

»Ich fürchte, meine Sehkraft verlässt mich«, sagte ich.

Mit dieser außerordentlich einfachen Erklärung setzte ich die Brille auf und schaute auf den Butler.

Die Halle wirbelte um mich herum; auf mein Ehrenwort: ich zittere und mir wird kalt, während ich jetzt davon schreibe. Septimus Notman hatte die Wahrheit gesprochen!

In einem Moment wurde das scheußliche Herz des Butlers sichtbar – ein fettes Organ, welches ich durch die Gläser der höllischen Brille sah. Die Gedanken in ihm waren für mich klar lesbar in diesen Worten: »Denkt mein Herr wirklich, dass ich ihm die fünf Prozent Rabatt gebe? Abscheuliche Gemeinheit, in die Nebeneinkünfte des Butlers einzugreifen.«

Ich nahm meine Brille ab und steckte sie in meine Tasche.

»Du bist ein Dieb«, sagte ich zu dem Butler. »Du hast das Abschlagsgeld dieser Rechnung – fünf Pfund bis auf einen Schilling oder zwei – in deiner Tasche. Pack deine Sachen, du verlässt meinen Dienst.«

»Morgen, Sir, wenn es Ihnen beliebt«, antwortete der Butler entrüstet. »Nachdem ich Ihrer Familie fünfundzwanzig Jahre gedient habe, ist, ein Dieb genannt zu werden, wo ich nur meine Nebeneinkünfte genommen habe, eine Beleidigung, Mr. Alfred, die ich nicht verdient habe.« Er führte sein Taschentuch zu seinen Augen und verließ mich.

Es war richtig, dass er uns für ein Vierteljahrhundert gedient hatte; es war ebenso richtig, dass er seine Nebeneinkünfte behalten hatte und etwas darüber geflunkert hatte. Aber er hatte seine ausgleichenden Tugenden. Als ich ein Kind war, durfte ich oft auf seinem Knie reiten und er hatte mir oft ein Getränk aus Wein und Wasser stibitzt. Sein Kellerbuch war immer ehrlich geführt worden; und seine Frau gab selbst zu, dass er ein Musterehemann war. Zu anderen Zeiten hätte ich mich all dessen erinnert, ich hätte gefühlt, dass ich voreilig gewesen war und ihn um Entschuldigung gebeten. Zu dieser Zeit konnte ich nicht das geringste Mitleid für ihn empfinden, und ich wankte für keinen Augenblick in meinem Entschluss, ihn wegzuschicken. Was für eine Veränderung war über mich gekommen?

Die Tür zur Bücherei wurde geöffnet und ein alter Schul- und Collegefreund von mir schaute heraus. »Ich dachte mir, dass ich deine Stimme in der Halle höre«, sagte er. »Ich habe eine Stunde auf dich gewartet.«

»Irgendwas sehr wichtiges?« fragte ich, indem ich mit ihm zur Bücherei zurückging.

»Nichts von der mindesten Wichtigkeit für dich«, antwortete er bescheiden.

Ich brauchte keine weitere Erklärung. Mehr als einmal hatte ich ihm schon Geld geliehen, und früher oder später hatte er es mir immer zurückgezahlt. »Ein weiteres kleines Darlehen?« fragte ich, gefällig lächelnd.

»Ich schäme mich wirklich, dich wieder zu fragen, Alfred. Aber wenn du mir fünfzig Pfund leihen könntest? – Lies einfach diesen Brief...«

Er machte irgend einen Spaß, der ihm durch die bloße Anwesenheit der Brille in den Sinn gekommen war. Ich war zu sehr beschäftigt, um seinen Sinn für Humor zu würdigen. Was hatte er gerade zu mir gesagt? Er hatte gesagt: »Ich schäme mich, dich wieder zu fragen.« Und was hatte er gedacht, als er sprach? Er hatte gedacht: »Wenn irgend jemand eine Milchkuh zur Verfügung hat, wer außer einem Narren würde daraus keinen Vorteil ziehen?«

Ich gab ihm den Brief zurück (von einem Anwalt, drohende »Verhandlungen«) und ich sagte in meinem härtesten Ton: »Es ist nicht zweckmäßig, dir diesmal gefällig zu sein.«

Wie vom Donner gerührt starrte er mich an. »Ist das ein Witz, Alfred?« fragte er.

»Sehe ich aus, als würde ich spaßen?«

Er nahm seinen Hut. »Es gibt nur eine Entschuldigung für dich«, sagte er. »Deine gesellschaftliche Stellung ist zu viel für dein schwaches Gehirn – dein Geld ist dir in den Kopf gestiegen. Guten Morgen.«

Ich stand bei ihm in Schuld für alle Arten von Liebesdiensten auf der Schule und auf dem College. Er war ein ehrbarer Mann und ein treuer Freund. Wenn die eigene ärgerliche Wahrnehmung seiner eigenen nahen Gedanken ihn ungerechterweise geringschätzig gegenüber reichen Leuten werden ließ, war das ein Fehler (in meinem Fall ein ärgerlicher Fehler), kein Zweifel. Aber wer ist perfekt? Und was sind für mich schon fünfzig Pfund? Das ist es, was ich damals gefühlt haben sollte, bevor er Zeit gefunden hatte, zur Tür zur kommen. Wie die Dinge aber lagen, ließ ich ihn gehen und fand, dass ich gut mit einem Anhänger fertig geworden wäre, der mich nur wegen meines Geldes schätzte.

Nachdem ich nun frei war, die Damen zu besuchen, zog ich die Glocke und fragte, ob meine Mutter daheim war. Sie war in ihrem Boudoir. Und wo war Miss Cecilia? Ebenfalls im Boudoir.

Als ich den Raum betrat, traf ich Besucher auf dem Weg und setzte mit dem Versuch der Brille aus, bis sie gegangen waren. Gerade als sie gingen, kündigte ein donnerndes Klopfen an der Tür noch mehr Besucher an. Dieses Mal kamen wir glücklicherweise mit keinen schlimmeren Folgen als dem Austausch der Karten davon. Wir hatten tatsächlich zwei Minuten für uns. Ich nutzte die Gelegenheit, meine Mutter daran zu erinnern, dass ich verfassungsmäßig nicht in der Lage für die Belange der Gesellschaft sei und dass ich ebenso dachte, wir könnten unser Haus für eine halbe Stunde oder so für uns haben. »Lass nach unten schicken«, sagte ich, »dass du nicht daheim bist.«

Meine Mutter – prachtvoll in ihrer alten Borte, mit ihrem bewundernswert aufgemachten grauen Haar und ihrem fein fallenden Rock von purpurner Seide – schaute über die Feuerstelle nach Cecilia, groß, verdrossen und wunderschön, mit lieblichen braunen Augen, opulentem schwarzen Haar, einem warm-blassen Teint und einem amberfarbenen Kleid – und sagte zu mir: »Du vergisst Cecilia. Sie mag Gesellschaft.«

Cecilia schaute meine Mutter mit einer Miene verdrossener Überraschung an. »Was für ein außerordentlicher Irrtum!« antwortete sie. »Ich hasse Gesellschaft.«

Meine Mutter lächelte – zog die Klingel – und gab den Befehl – Nicht zu Hause. Ich holte meine Brille hervor. Es gab einen Schrei der Entrüstung ob derer scheußlichen Hässlichkeit. Ich gab die Schuld meinem Augenarzt und wartete, was zwischen den beiden Damen vorfallen würde. Meine Mutter sprach. Somit schaute ich auf meine Mutter.

[Ich schreibe zuerst ihre Worte und als nächstes in Klammern ihre Gedanken.]

»Du hasst also Gesellschaft, meine Liebe? Sicherlich hast du deine Meinung erst neulich geändert?« (»Ihr ist egal, wie sie lügt, wenn sie nur Alfred gefällig sein kann. Falsche Kreatur.«)

[Ich schreibe Cecilias Antwort in der gleichen Weise.]

»Entschuldigung; ich habe nicht im mindesten meine Meinung geändert – ich hatte nur Angst, sie auszusprechen. Ich hoffe, ich habe niemanden gekränkt, indem ich es jetzt tat.« (»Sie kann nicht ohne Geschwätz leben, und dann denkt sie, ich kann es auch nicht. Eigennütziges armes Wesen!«)

Was ich von meiner Mutter zu denken begann, schäme ich mich zu schreiben. Was ich von Cecilia dachte, mag in zwei Worten gesagt werden. Ich war mehr als je darauf erpicht, den »Engel der Schule« zu sehen, die gute und liebliche Zilla.

Meine Mutter verhinderte weitere Beobachtungen. »Nimm diese scheußliche Brille ab, Alfred, oder lass uns mit unseren Besuchern allein. Ich sage nicht, dass deine Sehkraft nicht abnehmen kann, ich sage nur: Wechsle deinen Augenarzt.«

Ich nahm die Brille ab, um so bereitwilliger, da ich begann, mich wirklich vor ihr zu fürchten. Das Gespräch der Damen ging weiter.

»Das ist ein sehr seltsames Geständnis, meine Liebe«, sagte meine Mutter zu Cecilia. »Darf ich fragen, welchen Grund eine so junge Lady haben kann, Gesellschaft zu hassen?«

»Nur den Grund, mich selbst zu verwirklichen«, antwortete Cecilia. »Wenn ich ein wenig mehr von modernen Sprachen wüsste, und wenn ich ein wenig mehr als ein kläglicher Amateur darin wäre, mit Wasserfarben zu malen, würdest du mich als Frau für Alfred werter halten. Aber Gesellschaft ist immer im Weg, wenn ich mein Buch aufklappe oder meine Pinsel zur Hand nehme. In London hatte ich keine Zeit für mich und ich kann es wirklich nicht verhehlen, das leichtfertige Leben ist nicht nach meinem Geschmack.«

Ich hielt dies (man erinnere sich, dass meine Brille in meiner Tasche war) für sehr gut und schön gesprochen. Meine Mutter schaute mich an. »Ich stimme mit Cecilia vollkommen überein«, sagte ich, dem Blick entgegnend. »Von morgens bis abends können wir in London keine fünf Minuten für uns haben.« Ein weiteres Klopfen an der Straßentür leistete seinen lauten Beitrag zu meinen Ansichten, wie ich sie ausgesprochen hatte. »Wir wagen es nicht einmal, aus dem Fenster zu sehen«, bemerkte ich, »aus Angst, die Gesellschaft könne im selben Moment hinaufschauen und sehen, dass wir zu Hause sind.«

Meine Mutter lächelte. »Ihr seid sicherlich zwei bemerkenswerte junge Leute«, sagte sie, mit einem Anflug von satirischer Hingabe – und zögerte einen Moment, als wenn ihr ein Gedanke gekommen wäre, welcher der Überlegung mehr als gewöhnlich wert war. Wenn ihr Auge nicht auf mir in diesem Moment geruht hätte, ich glaube, ich hätte meine Brille aus meiner Tasche geholt. »Ihr stimmt beide so gründlich darin überein, die Gesellschaft nicht zu mögen und London zu verachten«, fuhr sie fort, »dass ich es als eine gute Mutter für meine Pflicht halte, euer Leben mehr in Einklang mit eurem Geschmack zu bringen, wenn ich kann. Du beklagst dich, Alfred, dass du nie fünf Minuten für Cecilia übrig hast, Cecilia beklagt sich, dass sie ständig in der lobenswerten Anstrengung unterbrochen wird, ihren Geist zu erweitern. Ich biete euch beiden an, den ganzen Tag für euch zu haben, Woche für Woche, für die nächsten drei Monate. Wir werden den Winter in Long Fallas verbringen.«

Long Fallas war unser Landsitz. Dort gab es kein Jagdrevier; Schießen war nicht erlaubt; der Ort war sieben Meilen von Timbercombe Stadt und Bahnhof entfernt; und unser nächster Nachbar war ein junger ritueller Kirchenmann, der im Dorf dafür bekannt war, dass er sich selbst zu Tode hungerte. Ich lehnte den außergewöhnlichen Vorschlag meiner Mutter ohne einen Augenblick zu zögern ab. Cecilia nahm ihn mit der bereitwilligsten und süßesten Unterwerfung an.

Dies war unsere erste offene Meinungsverschiedenheit. Selbst ohne die Brille konnte ich sehen, dass meine Mutter dies als ein gutes Zeichen deutete. Sie hatte unserer Heirat im Frühling zugestimmt, ohne dabei im mindesten von der Meinung abzuweichen, dass die engelgleiche Zilla die richtige Frau für mich war. »Macht es zwischen euch aus, meine Lieben«, sagte sie, und verließ ihren Stuhl, um sich an ihre Arbeit zu machen. Cecilia erhob sich sofort, um ihr die Arbeit zu sparen.

In dem Moment, als ihre Rücken mir zugewandt waren, setzte ich die schreckliche Brille auf. Gibt es so etwas in der Anatomie wie die Rückenansicht eines Herzens? Wenn man durch die Brille des Teufels schaut, gibt es so etwas auf jeden Fall. Die intimen Gedanken meiner Mutter stellten sich mir wie folgt dar: »Wenn sie nicht durch und durch krank aufeinander werden während eines Winters in Long Fallas, gebe ich das gesamte Wissen der menschlichen Natur auf. Er wird Zilla schon noch heiraten.« Cecilias Ansichten erklärten sich einfach erkennbar in diesen Worten: »Seine Mutter erwartet völlig, dass ich Nein sage. So scheußlich auch die Aussicht darauf ist, werde ich sie enttäuschen, indem ich Ja sage.«

»So scheußlich auch die Aussicht darauf ist« war in meinen Gedanken ein sehr empörender Ausdruck, wenn ich überlegte, dass ich persönlich in dieser Aussicht mit eingeschlossen war. Der schelmische Test meiner Mutter für unsere Zuneigung zueinander offenbarte sich mir nun in dem Licht eines vernünftigen Verfahrens. In der Einsamkeit von Long Fallas sollte ich Gewissheit erlangen, ob Cecilia mich wegen meines Geldes wegen oder wegen mir selbst heiraten wollte. Ich verbarg die Brille und sagte danach nichts mehr. Aber später, als meine Mutter den Salon, gekleidet um auszugehen, betrat, lauerte ich ihr auf, ganz willens nach Long Fallas zu gehen. Cecilia kam ebenso zum Ausgehen angezogen herein. Als sie von meiner Meinungsänderung unterrichtet wurde, sah sie so unwiderstehlich lieblich aus wie nie. »Was für eine glückliche Zeit wir haben werden«, sagte sie und sie lächelte, als ob sie es wirklich so meinte...

Sie gingen weg zu ihrer Feier. Ich war in der Bibliothek, als sie zurückkamen. Als ich den Wagen vor der Tür halten hörte, ging ich in die Halle hinaus und wurde plötzlich auf dem Weg zu den Damen von der Stimme eines Mannes aufgehalten: »Vielen Dank; mein Haus ist hier in der Nähe.« Die Stimme meiner Mutter folgte: »Ich werde Sie wissen lassen, wenn wir aufs Land gehen, Sir John. Sie werden rüberreiten und uns besuchen?« »Mit dem größten Vergnügen. Gute Nacht, Miss Cecilia.« Es gab keinen Zweifel ob des Tones, in dem diese letzten vier Worte gesprochen wurden. Sir Johns Akzent drückte unbeschreibliche Zärtlichkeit aus. Ich zog mich wieder zur Bibliothek zurück.

Meine Mutter kam herein, gefolgt von ihrer charmanten Begleiterin.

»Es gibt neue Komplikationen«, sagte sie. »Cecilia will nicht nach Long Fallas gehen.« Ich fragte warum. Cecilia antwortete, ohne mich anzuschauen: »Oh, ich habe meine Meinung geändert.« Sie drehte sich weg, um meiner Mutter ihren Pelzmantel abzunehmen. Ich befragte augenblicklich meine Brille und erhielt meine Antwort in diesen geheimnisvollen Worten: »Sir John geht nach Timbercombe.«

Sehr kurz, und dennoch mehr als eine Interpretation andeutend. Eine kleine Frage machte die Tatsachen klarer. Sir John war einer der Gäste beim Abendessen gewesen und er und Cecilia hatten sich die Hand wie alte Freunde gegeben. Auf Anfrage meiner Mutter wurde er ihr vorgestellt. Er hatte einen solch ausgezeichneten Eindruck hinterlassen, dass sie ihn einen Teil seines Heimweges in ihrem Wagen mitnahm. Sie hatte ebenso entdeckt, dass er dabei war, einen Verwandten zu besuchen, welcher in Timbercombe lebte (das ich, glaube ich, bereits als die nächstgelegene Stadt erwähnt habe). Eine weitere kurze Gelegenheit mit der Brille vervollständigte meine Entdeckungen. Sir John hatte Cecilia (erfolglos) einen Heiratsantrag gemacht und wollte, immer noch beharrlich in sie verliebt, nur eine günstige Gelegenheit, um ihr wieder einen Antrag zu machen. Der ausgezeichnete Eindruck, den er auf meine Mutter gemacht hatte, war nun vollkommen verständlich.

Wenn sie nicht willens war, ihrem zurückgewiesenen Liebhaber diese andere Gelegenheit zu geben, schreckte Cecilia dann vor Sir John oder sich selbst zurück? Meine Brille unterrichtete mich, dass sie sich ganz bewusst dieser Frage nicht stellte, nicht mal in ihren Gedanken.

Unter diesen Umständen wurde der Test einer schrecklichen Winterresidenz in Long Fallas in meinen Augen mehr wert als je. Selbstbewusst könnte Cecilia erfolgreich den Schein wahren und andere Leute täuschen, doch mich konnte sie nicht täuschen. Aber in Verbindung mit Sir John gab es eine Chance, dass sie offen den wahren Zustand ihrer Gefühle verleugnen würde. Wenn ich wirklich der bevorzugte Mann war, würde sie mir natürlich lieber sein als je. Wenn nicht (mit herstellbareren Beweisen als der Brille des Teufels, um mich zu überzeugen), brauchte ich nicht zu zögern, um die Verlobung aufzulösen.

»Der zweite Entschluss ist nicht immer der beste, liebe Cecilia«, sagte ich. »Tu mir einen Gefallen. Lass es uns mit Long Fallas versuchen und wenn wir den Ort ganz unerträglich finden, lass uns nach London zurückkehren.«

Cecilia schaute mich an und zögerte – schaute meine Mutter an und stimmte Long Fallas mit der süßesten Miene zu. Je mehr sich die beiden Damen insgeheim uneins waren, desto besser schienen sie sich zu verstehen.

Wir fuhren erst drei Tage später aufs Land. Um den Anfang zu machen, war das Zusammenpacken eine schwierige Angelegenheit und meine Mutter verlängerte den Aufschub, indem sie ihre Nichte in der Schule auf dem Land besuchte. Sie hielt den Besuch vor Cecilia selbstverständlich geheim. Aber sogar, wenn wir allein waren und ich sie nach Zilla fragte, musste ich mich mit einer nur sehr kurzen Antwort begnügen. Sie hob nur ihre Augen gen Himmel und sagte: »Vollkommen liebenswert!«

IV Der Test von Long Fallas

Eine Woche hatten wir hinter uns. Wenn wir uns die Wahrheit gesagt hätten, so hätten wir gesagt: »Lasst uns nach London zurückkehren.«

Soweit waren keine Anzeichen von Sir John anzutreffen. Die Brille informierte mich, dass er in Timbercombe angekommen war und dass ihm Cecilia geschrieben hatte. Aber, seltsam genug, sie schaffte es nicht, mir zu offenbaren, was sie gesagt hatte. Hatte sie es bereits vergessen oder gab es an meiner übernatürlichen Brille irgendwelche bisher unerwarteten Fehler?

Weihnachten stand vor der Tür. Das Wetter war bis jetzt beinahe unveränderlich neblig und nass. Cecilia begann bei ihren Lieblingsbüchern zu gähnen. Meine Mutter wartete mit übermenschlicher Geduld auf Ereignisse. Ich für meinen Teil, der buchstäblich nichts hatte, um sich zu amüsieren, nahm Zuflucht darin, mich an einer ungebührlichen Neugier in den außenliegenden Regionen des Familienkreises zu befriedigen. Auf gut deutsch, ich entdeckte eine nette kleine Näherin, die in Long Fallas arbeitete. Ihr Name war Miss Peskey. Wenn niemand zuschaute, amüsierte ich mich mit Miss Peskey.

Keine Person mit strengen Grundsätzen sei nun alarmiert. Es war ein unschuldiges Flirten meinerseits; und die nette kleine Näherin lehnte es strikt ab, mir die kleinste Ermutigung zu geben. Obwohl sie ein junges Mädchen war, hatte Miss Peskey das Selbstbewusstsein einer reifen Frau. Sie gab mir Zeit, zu sehen, dass sie eine ausgeglichene kleine Figur hatte, weiche blaue Augen und glänzend goldenes Haar; und dann bat sie mich respektvoll mit ihrer süßesten Stimme, sie bei ihrer Arbeit zurückzulassen. Wenn ich versuchte, sie zu überzeugen, mich ein wenig länger bleiben zu lassen, stand sie kleinlaut auf und sagte: »Ich werde mich, höchst unwillig, gezwungen sehen, mich unter die Obhut des Hausmeisters zu begeben.« Einmal versuchte ich, ihre Hand zu nehmen. Sie führte ihr Taschentuch zu ihren Augen und sagte: »Ist es männlich, Sir, ein wehrloses Mädchen zu beleidigen?« In einem Wort: Miss Peskey vereitelte meine Pläne jedes Mal. Die erste Woche hatte ich nicht einmal die Chance, durch die Brille des Teufels auf sie zu schauen.

Am ersten Tag der nächsten Woche klärte sich das Wetter auf und es wurde wunderschön; der Frühling schien zu uns mitten im Winter gekommen zu sein.

Cecilia und ich gingen reiten. Bei unserer Rückkehr begleitete ich, da ich nichts besseres zu tun hatte, die Pferde zurück zu den Ställen und beleidigte natürlich den Stallknecht, der dachte, ich würde ihn »überwachen«. Als ich zum Haus zurückkehrte, kam ich am Fenster des Zimmers im Erdgeschoss vorüber, an der Rückseite des Gebäudes, welches die Näherin bewohnte. Ein umzäunter Hof hielt mich in sicherer Entfernung, aber erlaubte mir zur selben Zeit einen Blick ins Innere des Zimmers. Miss Peskey war nicht allein; meine Mutter war bei ihr. Sie sprachen offensichtlich miteinander, aber kein Wort erreichte meine Ohren. Das machte nichts. Da ich sie durch meine Brille sehen konnte, waren ihre Gedanken für mich sichtbar, bevor sie ihren Weg in Worte fanden.

Meine Mutter sprach – »Nun, meine Liebe, hast du bereits deine Meinung von ihm gebildet?«

Miss Peskey antwortete: »Noch nicht ganz.«

»Du bist wundervoll vorsichtig darin, zu einem Entschluss zu kommen. Wie viel länger wird diese geschickte Vorrichtung von dir andauern?«

»Geben Sie mir zwei Tage, liebe Madam; Ich kann mich nicht entscheiden, bis mir Sir John hilft.«

»Kommt Sir John wirklich hierher?«

»Ich denke, ja.«

»Und haben Sie es veranlasst?«

»Wenn Sie mich netterweise entschuldigen würden, würde ich lieber noch nicht antworten.«

Der Haushälter betrat das Zimmer und rief meine Mutter weg wegen irgendeinem häuslichen Geschäft. Als sie aus der Tür ging, hatte ich Zeit, ihre Gedanken zu lesen, bevor sie draußen war – »Sehr außergewöhnlich, solche Quellen von geschickter Erfindung in solch einem jungen Mädchen zu finden!«

Miss Peskey, welche in mädchenhafter Andacht mit ihrer Arbeit auf ihrem Schoß zurückgelassen wurde, lächelte insgeheim. Ich wandte meine Brille zu ihr und machte eine Entdeckung, welche mich versteinern ließ. Um es geradeheraus zu sagen, die charmante Näherin hatte uns alle (mit Ausnahme meiner Mutter) unter einem angenommenen Namen und Beruf hintergangen. Miss Peskey war keine andere als meine Cousine Zilla, der »Engel der Schule«!

Lassen Sie meiner Mutter Gerechtigkeit widerfahren. Sie war schuldig, der Täuschung zugestimmt zu haben und nicht mehr. Die Erfindung des Tricks und die ganze Verantwortlichkeit der Ausführung lag einzig und allein bei der siebzehnjährigen Miss Zilla.

Ich folgte dem Räderwerk der Gedanken, welche die Fragen meiner Mutter in dem Gehirn dieser jungen Person ausgelöst hatten. Um meine eigene Handlungsweise zu rechtfertigen, muss ich das Ergebnis so kurz berichten, wie ich kann. Haben Sie von den hypnotischen Mädchen gehört? Haben Sie von den mesmerischen Mädchen gehört? Haben Sie von den Mädchen (in den Zeitungen) gehört, welche die niederträchtigsten Angriffe auf unschuldige Männer erdacht haben? Dann klagen Sie meine Brille nicht an, unmögliches Sehvermögen zu entwickeln!

Mein Bericht von Zillas Gedanken, wie sie einander folgten, lautet so:

Erster Gedanke: »Mein kleines Vermögen ist recht und gut; aber ich will Mistress eines großen Haushalts sein und von der Schule wegkommen. Von Alfred, dem guten Kerl, wird berichtet, dass er fünfzehntausend im Jahr bekommt. Darf die Begleiterin seiner Mutter diesen reichen Fisch schnappen, ohne die mindeste Opposition? Nicht dass ich wüsste!«

Zweiter Gedanke: »Wie einfach alte Leute sind! Seine Mutter besucht mich, lädt mich nach Long Fallas ein und erwartet, dass ich Cecilia ausschalte. Männer sind solche Narren (sogar mein Schreiblehrer hat sich in mich verliebt), dass sie nur in Tränen ausbrechen muss und ihn für sich behalten kann. Ich habe ihr einen besseren Weg als einen gerechten Kampf um Alfred vorgeschlagen, abgeleitet von einem Stück, das ich kurz zuvor gelesen hatte. Die alte Mutter stimmte unter Bedingungen zu. »Ich bin sicher, meine Liebe, dass du nichts tun wirst, was für eine junge Lady unschicklich wäre. Gewinne ihn, wie Miss Hardcastle Mr. Marlow für sich gewann in »She Stoops to Conquer«, wenn du willst; aber tu nichts, wodurch du deine Selbstachtung verlierst.« Welch erstaunliche Naivität! Wo ist sie bloß zur Schule gegangen, als sie noch jung war?«

Dritter Gedanke: »Was für ein unglaubliches Glück, dass Cecilias Zofe faul ist und die Näherin in der Dienerhalle speist! Die Zofe hat die Aussicht, vor sechs Uhr morgens aufzustehen, um bereit zu sein, mit dem Diener, der die Hausbesorgungen in Timbercombe macht, in der Kutsche zu fahren. Um eine Nachricht von ihrer Herrin zu Sir John zu bringen und auf eine Antwort zu warten. Die gute kleine Näherin hört dies, lächelt und sagt: ‚Mir ist gleich, wie früh ich aufstehe; Ich werde es für dich mitnehmen und die Antwort zurückbringen.‘«

Vierter Gedanke: »Was für ein Segen es ist, blaue Augen und blonde Haare zu haben. Sir John war ganz hingerissen von mir. Ich dachte dabei, dass er es anstatt Alfred auch tun würde. Glücklicherweise habe ich bereits die naive alte Mutter über ihn ausgefragt. Er ist ein armer Baron. Daran ist keinen Augenblick ein Gedanke zu verschwenden. »My Lady«, ohne einen entsprechenden großen Haushalt! Zu schrecklich! Aber ich bin immer noch fasziniert von ihm. Ich sah ihn zucken, als er den Brief las. »Keine schlechten Neuigkeiten, hoffe ich, Sir«, wagte ich zu sagen. Er schüttelte düster seinen Kopf. »Deine Herrin (er hielt mich natürlich für Cecilias Zofe) verbietet mir, auf Long Fallas vorbeizuschauen.« Ich dachte bei mir, was für eine Heuchlerin Cecilia sein müsste und sagte dies bescheiden zu Sir John, der Form halber. Unsere geheime Absprache ist, dass er morgen nach Long Fallas reiten wird und um halb drei im Gehölz warten wird. Wenn es regnet oder schneit, soll er es am nächsten schönen Tag versuchen. In beiden Fällen wird die arme Näherin einen halben Tag Urlaub erbeten und wird Miss Cecilia dazu bringen, einen kleinen Spaziergang in die richtige Richtung zu unternehmen. Sir John gab mir zwei Sovereigns und einen Kuss beim Abschied. Ich nahm beide Ehrungen mit der geziemendsten Demut an. Er wird für sein Geld etwas bekommen, obwohl er ein armer Baron ist; er wird seine junge Lady im Gehölz antreffen. Und ich kann mir endlich den reichen Fisch schnappen!«

Fünfter Gedanke: »Ärgerlich, diese grausige Arbeit! Es ist schön und gut, geschickt mit einer Nadel umzugehen, aber wie es den Zeigefinger verunstaltet! Es macht nichts, ich muss meinen Teil solange spielen, wie es dauert oder ich werde von der abscheulichsten Frau faul genannt, die ich je getroffen habe – die Haushälterin in Long Fallas!«

Sie fädelte den Faden ein und ich steckte meine Brille zurück in meine Tasche.

Ich denke nicht, dass ich es zu dieser Zeit schon vermutete; aber mir ist jetzt vollends bewusst, daß Septimus Notmans teuflisches Geschenk einen Einfluss auf mich ausübte. Ich war schrecklich kühl, unter Umständen, welche meine rechtschaffene Empörung in den Tagen ohne meine Brille hervorgerufen hätte. Sir John und der Engel; meine Mutter und ihre Familieninteressen; Cecilia und ihr unerkannter Liebhaber – was für ein Netz aus Verschwörung und Täuschung war um mich gewoben worden! Und was für ein vollkommen teuflisches Vergnügen ich daran fand, zu planen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen! Wie ich dies erreichen konnte, stellte sich mir in der einfachsten Form dar. Ich hatte nur meine Mutter auf einen Spaziergang in der nächsten Nachbarschaft des Gehölzes mitzunehmen und die Bloßstellung wäre komplett! Diese Nacht studierte ich das Barometer mit unsagbarer Besorgnis. Die Aussicht auf das Wetter war, wie ich mir nur wünschen konnte.

V Die Wahrheit im Gehölz

Am nächsten Tag schien die Sonne freundlich und ein milder Wind lud alle ein, auszugehen. Ich hatte keinen weiteren Gebrauch der Brille an diesem Morgen gemacht: mein Vorhaben war, sie in meiner Tasche zu behalten, bis die Unterhaltung im Gehölz vorbei war. Soll ich den Grund gestehen? Es war einfach Angst – Angst davor, weitere Entdeckungen zu machen und die meisterliche Selbstbeherrschung zu verlieren, von welcher der ganze Erfolg meines Plans abhing.

Wir aßen um ein Uhr Mittag. Waren Cecilia und Zilla bereits zu einem geheimen Einverständnis bezüglich des Gesprächs im Gehölz gekommen? Um dies herauszufinden, fragte ich Cecilia, ob sie Lust hätte, nachmittags reiten zu gehen. Sie lehnte meinen Vorschlag ab – sie wollte eine Zeichnung fertigzeichnen. Ich hatte ausreichend Antwort erhalten.

»Cecilia beschwert sich, dass dein Benehmen seit kurzem kalt gegen sie geworden ist«, sagte Mutter, als wir allein zusammen waren.

Meine Gedanken verweilten bei dem Brief von Cecilia an Sir John. Würde irgendein Mann so schnell Zillas Vorschlag, Cecilia nicht beim Wort zu nehmen, angenommen haben, wenn nicht etwas vorgefallen war, was ihn dazu ermutigte? Ich traute mir nur zu, meiner Mutter sehr kurz zu antworten: »Cecilia verhält sich anders gegenüber mir« war meine ganze Antwort.

Meine Mutter war offensichtlich erfreut über dieses mögliche Missverständnis zwischen uns. »Ah«, sagte sie. »Wenn Cecilia doch nur Zillas süße Gemütsart hätte.«

Das war ein klein wenig mehr, als ich ertragen konnte – aber ich ertrug es. »Wirst du mit mir in den Außenanlagen spazieren gehen, Mama?« fragte ich.

Meine Mutter nahm die Einladung so fröhlich an, dass ich wirklich denke, dass ich mich hätte schämen sollen – wenn ich nicht die vergiftende Brille in meiner Tasche gehabt hätte. Wir hatten uns gerade bereit gemacht, kurz nach zwei Uhr wegzugehen, als wir ein schüchternes Klopfen an der Tür hörten. Die engelhafte Näherin erschien und bat um einen halben Tag Urlaub. Meine Mutter wurde tatsächlich rot! Alte Gewohnheiten hafteten an den Mitgliedern der letzten Generation. »Was ist los?« sagte sie in leisem, unsicherem Ton. »Darf ich ins Dorf gehen, Ma'am, um ein paar kleine Dinge zu kaufen?« »Sicher.« Die Tür schloss sich wieder. »Jetzt zum Gehölz«, dachte ich. »Beeil dich, Mama«, sagte ich, »das beste vom Tag ist bald vorbei. Und denk daran – zieh deine dicksten Stiefel an.«

Auf einer Seite des Gehölzes waren die Gärten. Die andere Seite wurde von einem hölzernen Zaun eingeschlossen. Ein Fußweg, der teils auf dem Weg neben dem Zaun verlief, durchkreuzte das Gras darunter und bot eine Abkürzung zwischen dem nächsten Parktor und den Zimmern der Diener. Dies war der sichere Ort, den ich ausgewählt hatte. Wir konnten alles bestens hören – obwohl der dicht gepflanzte Feuerdorn die Sicht versperrte. Ich hatte »dicke Stiefel« vorgeschlagen, weil es keine andere Möglichkeit gab, das Geräusch unserer Tritte auf dem weichen Gras zu dämpfen. An seinem entfernteren Ende schloss das Gehölz an die Straße zum Haus hinauf.

Die Überraschung meiner Mutter ob des Ortes, welchen ich für unseren Spaziergang ausgewählt hatte, wäre in Worten ebenso wie in Blicken ausgedrückt worden, wenn ich sie nicht mit einer flüsternden Warnung davon abgehalten hätte: »Sei vollkommen leise«, sagte ich, »und horch. Ich habe einen Grund dafür, dich hierher zu bringen.«

Die Worte waren kaum über meine Lippen gekommen, als wir die Stimmen von Cecilia und der Näherin im Gehölz hörten.

»Warte eine Minute«, sagte Cecilia, »du musst etwas genauer sein, bevor ich zustimme, noch weiter zu gehen. Wie kamst du dazu, den Brief zu Sir John zu bringen anstatt meiner Zofe?«

»Nur um ihr einen Gefallen zu tun, Miss. Ihr ging es nicht gut und sie konnte sich nicht vorstellen, den ganzen Weg nach Timbercombe laufen zu können. Ich kann keine guten Nadeln im Dorf kaufen und ich war froh, dass ich die Möglichkeit hatte, in die Stadt zu gehen.«

Es gab eine Pause. Cecilia dachte vermutlich nach. Meine Mutter begann blass zu werden.

Cecilia fuhr fort. »Es gibt nichts in Sir Johns Antwort auf meinen Brief«, sagte sie, »das mich dazu bringt, anzunehmen, dass er einer Unhöflichkeit schuldig sei. Ich habe immer geglaubt, er wäre ein Gentleman. Kein Gentleman würde sich mit Gewalt in meine Gegenwart bringen, wenn ich ihm ausdrücklich geschrieben habe, mich zu meiden. Bitte, wie weißt du, dass er dazu entschlossen ist, die Abweisung nur von meinen Lippen zu hören?«

»Die Gefühle eines Gentlemans nehmen manchmal überhand, Miss. Sir John war äußerst erschüttert –«

Cecilia unterbrach sie. »In meinem Brief war nichts, was ihn erschüttern konnte«, erwiderte sie.

»Er war erschüttert. Und er hat gesagt: »Ich kann die Antwort nicht auf diesem Weg hinnehmen – Ich muss und werde sie sehen.« Und dann bat er mich, Euch heute spazierenzuführen und nichts darüber zu sagen, so dass er Euch überraschen konnte. Er ist so wahnsinnig in Euch verliebt, Miss, dass er ganz außer sich ist. Ich habe wirklich Angst davor, was passieren könnte, wenn Ihr nicht seine Enttäuschung irgendwie erleichtern könnt. Wie irgendeine Lady einen solch hübschen Gentleman so grausam behandeln kann, übersteigt mein armes Urteilsvermögen!«

Cecilia nahm die Vertraulichkeit, die in diesen letzten Worten angedeutet wurde, sofort übel. »Du bist nicht dazu aufgefordert worden, dein Urteil abzugeben«, wies sie sie zurecht. »Du kannst zurück zum Haus gehen.«

»Sollte ich nicht lieber zuerst Sir John sehen, Miss?«

»Sicher nicht. Du und Sir John haben bereits genug voneinander gesehen.«

Es gab eine weitere Pause. Meine Mutter stand neben mir und hielt meinen Arm, blass und zitternd. Keiner von uns konnte sprechen. Meine eigenen Gedanken waren besonders aufgewühlt. Entweder war Cecilia ein Monster der Täuschung oder sie hatte so weit gehandelt und gesprochen, wie es eine treue und hochgeborene Frau getan hätte. Das entfernte Geräusch von Pferdehufen auf dem Parkweg unterrichtete uns, dass der kritische Augenblick nahe war. In der nächsten Minute hörte das Geräusch auf. Sir John war wahrscheinlich abgestiegen und band sein Pferd am Eingang des Gehölzes fest. Nach einer Weile hörten wir Cecilias Stimme wieder, weiter weg von uns. Wir folgten der Stimme. Das Gespräch, welches mein zukünftiges Schicksal entscheiden sollte, hatte begonnen.

»Nein, Sir John; Sie müssen mir meine Frage zuerst beantworten. Gibt es irgendetwas in meinem Brief – gab es irgendetwas in meinem Verhalten, als wir uns in London trafen – was dies rechtfertigt?«

»Liebe rechtfertigt alles, Cecilia!«

»Sie sollen mich nicht Cecilia nennen, bitte. Haben Sie mir keine ehrlichere Antwort zu geben?«

»Haben Sie kein Mitleid mit einem Mann, der nicht ohne Sie leben kann? Gibt es wirklich nichts an mir und meinem Titel, welches ich gegen die vollkommen unbedeutende Person setzen kann, mit welcher sie sich so rasch verlobt haben? Es wäre eine Beleidigung, anzunehmen, dass sein Reichtum Sie versucht hat. Was kann in Ihren Augen sein Vorzug sein? Seine eigenen Freunde können nicht mehr zu seinen Gunsten sagen, als dass er ein gutmütiger Narr ist. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf; Frauen geraten oft in Verlobungen, die sie später bereuen. Bleiben Sie sich selbst gerecht! Bleiben Sie dem Adel ihres Charakters treu – und seien Sie der Engel, der unser beider Leben glücklich macht, bevor es zu spät ist!«

»Sind Sie fertig, Sir John?«

Es gab einen Moment der Stille. Es war unmöglich, ihren Tonfall falsch aufzufassen – Sir Johns Redefluss kam zu einem totalen Stillstand.

»Bevor ich Ihnen antworte«, fuhr Cecilia fort, »habe ich zuerst etwas zu sagen. Das Mädchen, welches meinen Brief zu Ihnen brachte, war nicht meine Zofe, wie Sie vielleicht angenommen hatten. Sie ist mir eine Fremde; und ich verdächtige sie, eine hinterhältige Kreatur zu sein, um damit ihre eigenen Zwecke zu erfüllen. Ich habe Schwierigkeiten damit, einer Person von Ihrer Stellung die gemeine Täuschung zu unterstellen, die meinen Brief in Worten beantwortet, welche mich dazu bringen, Ihnen zu vertrauen und mich dann auf diese Weise zu überraschen. Mein Bote ist (wie ich glaube) unverschämt genug, Ihnen diesen Verlauf vorzuschlagen. Habe ich Recht? Ich erwarte eine Antwort, Sir John, die in ihrer Aufrichtigkeit Ihnen und Ihrem Titel gleichkommt. Habe ich Recht?«

»Sie haben Recht, Miss Cecilia. Bitte verachten Sie mich nicht. Die Versuchung, Sie noch einmal zu ersuchen –«

»Ich werde so offen mit Ihnen sprechen, Sir John, wie Sie mit mir gesprochen haben. Sie liegen gänzlich falsch darin, anzunehmen, dass es möglich für mich ist, meine Verlobung zu bereuen. Der Mann, dessen falsche Freunde ihn in Ihrer Wertschätzung herabgesetzt haben, ist der einzige Mann, den ich liebe und der einzige Mann, den ich heiraten werde. Und ich bitte Sie zu verstehen, dass, wenn er sein ganzes Vermögen morgen verlieren würde, ich ihn übermorgen heiraten würde, wenn er mich fragen würde. Muss ich noch mehr sagen? Oder werden Sie mich mit dem Verständnis eines Gentleman behandeln und gehen?«

Ich erinnere mich nicht, ob er noch etwas sagte oder nicht, bevor er ging. Ich weiß nur, dass sie gingen. Bitten Sie mich nicht zu gestehen, was ich fühlte. Bitten Sie mich nicht zu beschreiben, was meine Mutter fühlte. Wechseln wir den Schauplatz und setzen wir die Erzählung zu einer späteren Stunde des Tages fort.

VI Das Ende der Brille

Ich stellte mir selbst eine Frage, welche ich hier wiederholen will. Was verdanke ich der Brille des Teufels?

Zum ersten verdankte ich meiner Brille, alle Fehler bei den Personen um mich herum zu sehen und keine Vorzüge. Zum zweiten machte ich die Entdeckung, dass, wenn wir mit unseren Mitmenschen glücklich und in Eintracht leben wollen, wir auf das beste in ihnen achten müssen und nicht auf das schlechteste. Nachdem ich diese Schlussfolgerungen gezogen hatte, traute ich meiner Sicht ohne Sehhilfe und machte mich daran, herauszufinden, was mir der Teufel nicht geholfen hatte, in den beiden Personen zu entdecken, die mir am liebsten sind – meine Mutter und Cecilia.

Ich begann mit Cecilia, indem ich meiner Mutter Zeit ließ, um sich von dem Schock, der sie befallen hatte, zu erholen.

Es war unmöglich, zu gestehen, was ich durch die Brille gesehen hatte oder was ich am Gehölzzaun gehört hatte. Als ich mit Cecilia sprach, konnte ich nur mein kaltes Verhalten der Eifersucht auf den bloßen Namen »Sir John« zuschreiben und bat sie, mich für ein augenblickliches Misstrauen der treusten und charmantesten aller Frauen zu entschuldigen. Wir saßen zusammen auf dem Sofa. Zum ersten Mal seit unserer Verlobung legte sie ihren Arm um meinen Hals und küsste mich, ohne zu warten, als erstes geküsst zu werden.

»Ich bin nicht sehr überzeugend«, sagte sie weich; »und ich denke nicht, Alfred, dass du je gewusst hast, wie verrückt ich nach dir bin. Mein Liebling, als Sir John und ich uns wieder bei dieser Dinnerparty trafen, war ich dir so treu, dass ich mir selbst nicht einmal erlaubte, von ihm zu denken. Deine arme Mutter hat mich damit geärgert, da sie zu zweifeln schien, dass ich mir in der Nähe von Timbercombe treu bleiben konnte, oder ich wäre nie einverstanden gewesen, nach Long Fallas zu gehen. Du erinnerst dich, dass sie Sir John einlud, herüberzureiten und uns zu sehen. Ich schrieb ihm und unterrichtete ihn von meiner Verlobung mit dir und sagte ihm so deutlich es ging, dass, wenn er zu diesem Haus kommen würde, nichts mich bewegen könnte ihn zu sehen. Ich hatte allen Grund anzunehmen, dass er meine Motive verstehen und respektieren würde –«

Sie machte eine Pause. Die prächtige Farbe in ihrem lieblichen Gesicht errötete. Ich lehnte es ab, dass sie sich aufregte, indem sie ein Wort davon sagte, was im Gehölz passierte. Sehen Sie zurück, wenn Sie es vergessen haben und sehen Sie, wie vollkommen die Brille darin versagte, mir die höheren und edleren Gründe zu zeigen, welche sie ermuntert hatten. Die kleinen oberflächlichen Ärgernisse und Misstrauen stellte sie in vollkommener Perfektion dar; aber der wahre Grund für jeden Gedanken, der hinter der Oberfläche in meiner Mutter und meiner versprochenen Frau versteckt war, war vollkommen unsichtbar für sie.

»Sollen wir morgen zurück nach London gehen?« fragte ich.

»Bist du es müde, mit mir hier zu sein, Alfred?«

»Ich bin es müde, auf den Frühling zu warten, mein Engel. Ich werde mit dir leben, wo immer du willst, wenn du nur zustimmen wirst, die Verwandlung, welche dich zu meiner Frau macht, zu beschleunigen. Wirst du zustimmen?«

»Wenn deine Mutter mich fragt. Bedränge sie nicht, Alfred.«

Aber ich bedrängte sie. Nach dem, was wir im Gehölz gehört hatten, konnte ich in das Herz meiner Mutter schauen (ohne Sehhilfe) und mich sicher fühlen, dass der edlere Teil ihrer Natur mein Vertrauen darin rechtfertigen würde. Sie war nicht nur bereit, »Cecilia auf der Stelle zu fragen«, sie war eifrig, arme Seele, zu gestehen, wie vollkommen falsch sie bezüglich des Kindes ihres Bruders in ihrem natürlichen Interesse gelegen hatte. Fest entschlossen, das Geheimnis meiner Entdeckung ihrer Nichte zu wahren, lehnte ich es ab, sie zu hören, wie ich es abgelehnt hatte, Cecilia zu hören. Wusste ich nicht, ohne es gesagt zu bekommen, wie einfach es für Zilla wäre, meine unschuldige Mutter zu blenden und irrezuführen? Ich fragte nur, ob »die Näherin noch im Haus sei«. Die Antwort war durch und durch eindeutig: »Sie ist jetzt gerade am Bahnhof und sie wird nie wieder irgend ein Haus von mir betreten.«

Am nächsten Morgen kehrten wir nach London zurück.

Ich hielt einen kurzen Plausch mit dem Bahnhofsvorsteher in Timbercombe. Sir John hatte seine Freunde in der Stadt am vorigen Tag verlassen. Er und Zilla hatten sich auf dem Bahnsteig getroffen, als sie auf den Zug nach London warteten. Sie war ihm in den Raucherwaggon gefolgt. Gerade als der Bahnhofsvorsteher dabei war, dem Zug das Abfahrtssignal zu geben, öffnete Sir John die Tür mit einem starken Ausdruck des Abscheus und nahm Zuflucht in einem anderen Waggon. Sie hatte den Baron als letzte Möglichkeit probiert, und auch er war ihr durch die Finger geschlüpft. Was machte das Zilla schon aus? Sie hatte eine Menge Zeit vor sich und sie gehörte zu der Art Personen, die niemals darin fehlschlagen, das beste aus ihren Vorteilen zu machen. Später sah ich die Ankündigung ihrer Heirat mit einem bekannten Schmied, ein Mann mit einigen Millionen, mit dazugehörigem Haushalt. Bravo, Zilla! Selbst mit bloßem Auge kann man deine edleren Motive erkennen.

Ein paar Tage, bevor ich ein verheirateter Mann wurde, war ich Gast bei einem Dinner eines Junggesellenfreundes und ich traf Sir John. Es wäre lächerlich gewesen, das Zimmer zu verlassen; ich verlangte von meinem Gastgeber nur, dass er meinen Namen geheimhalte. Ich setzte mich neben den Baron und er weiß bis heute nicht, wer sein »sehr angenehmer Tischnachbar« war.

Anstatt unsere Flitterwochen im Ausland zu verbringen, gingen Cecilia und ich zurück nach Long Fallas. Wir fanden den Ort selbst im Winter entzückend.

Nahm ich die Brille des Teufels mit?

Nein.

Warf ich sie weg oder habe ich sie in kleine Stücke zerbrochen?

Weder noch. Ich erinnerte mich daran, was Septimus Notman mir erzählt hatte. Der einzige Weg, sie loszuwerden, ist sie einem anderen Mann zu geben.

Und welchem anderen Mann gab ich sie?

Ich hatte nicht vergessen, was mein Rivale von mir im Gehölz gesagt hatte. Ich gab die Brille des Teufels Sir John.

VII Worte des Herausgebers an den Leser

Haben wir keine befriedigende Erklärung des übernatürlichen Elements in der Geschichte? Wie kam diese in die Hände des Herausgebers? Waren weder Name noch Adresse auf dem Manuskript?

Es war eine Adresse darauf, wenn Sie es wissen müssen. Aber ich weigere mich, sie zu erwähnen.

Angenommen, die Adresse war eine Irrenanstalt? Was würden Sie dazu sagen?

Ich würde sagen, ich denke, Sie sind ein Kritiker und ich habe die Ehre, Ihnen einen guten Morgen zu wünschen.


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