Die Brille des Teufels

IV Der Test von Long Fallas

Eine Woche hatten wir hinter uns. Wenn wir uns die Wahrheit gesagt hätten, so hätten wir gesagt: »Lasst uns nach London zurückkehren.«

Soweit waren keine Anzeichen von Sir John anzutreffen. Die Brille informierte mich, dass er in Timbercombe angekommen war und dass ihm Cecilia geschrieben hatte. Aber, seltsam genug, sie schaffte es nicht, mir zu offenbaren, was sie gesagt hatte. Hatte sie es bereits vergessen oder gab es an meiner übernatürlichen Brille irgendwelche bisher unerwarteten Fehler?

Weihnachten stand vor der Tür. Das Wetter war bis jetzt beinahe unveränderlich neblig und nass. Cecilia begann bei ihren Lieblingsbüchern zu gähnen. Meine Mutter wartete mit übermenschlicher Geduld auf Ereignisse. Ich für meinen Teil, der buchstäblich nichts hatte, um sich zu amüsieren, nahm Zuflucht darin, mich an einer ungebührlichen Neugier in den außenliegenden Regionen des Familienkreises zu befriedigen. Auf gut deutsch, ich entdeckte eine nette kleine Näherin, die in Long Fallas arbeitete. Ihr Name war Miss Peskey. Wenn niemand zuschaute, amüsierte ich mich mit Miss Peskey.

Keine Person mit strengen Grundsätzen sei nun alarmiert. Es war ein unschuldiges Flirten meinerseits; und die nette kleine Näherin lehnte es strikt ab, mir die kleinste Ermutigung zu geben. Obwohl sie ein junges Mädchen war, hatte Miss Peskey das Selbstbewusstsein einer reifen Frau. Sie gab mir Zeit, zu sehen, dass sie eine ausgeglichene kleine Figur hatte, weiche blaue Augen und glänzend goldenes Haar; und dann bat sie mich respektvoll mit ihrer süßesten Stimme, sie bei ihrer Arbeit zurückzulassen. Wenn ich versuchte, sie zu überzeugen, mich ein wenig länger bleiben zu lassen, stand sie kleinlaut auf und sagte: »Ich werde mich, höchst unwillig, gezwungen sehen, mich unter die Obhut des Hausmeisters zu begeben.« Einmal versuchte ich, ihre Hand zu nehmen. Sie führte ihr Taschentuch zu ihren Augen und sagte: »Ist es männlich, Sir, ein wehrloses Mädchen zu beleidigen?« In einem Wort: Miss Peskey vereitelte meine Pläne jedes Mal. Die erste Woche hatte ich nicht einmal die Chance, durch die Brille des Teufels auf sie zu schauen.

Am ersten Tag der nächsten Woche klärte sich das Wetter auf und es wurde wunderschön; der Frühling schien zu uns mitten im Winter gekommen zu sein.

Cecilia und ich gingen reiten. Bei unserer Rückkehr begleitete ich, da ich nichts besseres zu tun hatte, die Pferde zurück zu den Ställen und beleidigte natürlich den Stallknecht, der dachte, ich würde ihn »überwachen«. Als ich zum Haus zurückkehrte, kam ich am Fenster des Zimmers im Erdgeschoss vorüber, an der Rückseite des Gebäudes, welches die Näherin bewohnte. Ein umzäunter Hof hielt mich in sicherer Entfernung, aber erlaubte mir zur selben Zeit einen Blick ins Innere des Zimmers. Miss Peskey war nicht allein; meine Mutter war bei ihr. Sie sprachen offensichtlich miteinander, aber kein Wort erreichte meine Ohren. Das machte nichts. Da ich sie durch meine Brille sehen konnte, waren ihre Gedanken für mich sichtbar, bevor sie ihren Weg in Worte fanden.

Meine Mutter sprach – »Nun, meine Liebe, hast du bereits deine Meinung von ihm gebildet?«

Miss Peskey antwortete: »Noch nicht ganz.«

»Du bist wundervoll vorsichtig darin, zu einem Entschluss zu kommen. Wie viel länger wird diese geschickte Vorrichtung von dir andauern?«

»Geben Sie mir zwei Tage, liebe Madam; Ich kann mich nicht entscheiden, bis mir Sir John hilft.«

»Kommt Sir John wirklich hierher?«

»Ich denke, ja.«

»Und haben Sie es veranlasst?«

»Wenn Sie mich netterweise entschuldigen würden, würde ich lieber noch nicht antworten.«

Der Haushälter betrat das Zimmer und rief meine Mutter weg wegen irgendeinem häuslichen Geschäft. Als sie aus der Tür ging, hatte ich Zeit, ihre Gedanken zu lesen, bevor sie draußen war – »Sehr außergewöhnlich, solche Quellen von geschickter Erfindung in solch einem jungen Mädchen zu finden!«

Miss Peskey, welche in mädchenhafter Andacht mit ihrer Arbeit auf ihrem Schoß zurückgelassen wurde, lächelte insgeheim. Ich wandte meine Brille zu ihr und machte eine Entdeckung, welche mich versteinern ließ. Um es geradeheraus zu sagen, die charmante Näherin hatte uns alle (mit Ausnahme meiner Mutter) unter einem angenommenen Namen und Beruf hintergangen. Miss Peskey war keine andere als meine Cousine Zilla, der »Engel der Schule«!

Lassen Sie meiner Mutter Gerechtigkeit widerfahren. Sie war schuldig, der Täuschung zugestimmt zu haben und nicht mehr. Die Erfindung des Tricks und die ganze Verantwortlichkeit der Ausführung lag einzig und allein bei der siebzehnjährigen Miss Zilla.

Ich folgte dem Räderwerk der Gedanken, welche die Fragen meiner Mutter in dem Gehirn dieser jungen Person ausgelöst hatten. Um meine eigene Handlungsweise zu rechtfertigen, muss ich das Ergebnis so kurz berichten, wie ich kann. Haben Sie von den hypnotischen Mädchen gehört? Haben Sie von den mesmerischen Mädchen gehört? Haben Sie von den Mädchen (in den Zeitungen) gehört, welche die niederträchtigsten Angriffe auf unschuldige Männer erdacht haben? Dann klagen Sie meine Brille nicht an, unmögliches Sehvermögen zu entwickeln!

Mein Bericht von Zillas Gedanken, wie sie einander folgten, lautet so:

Erster Gedanke: »Mein kleines Vermögen ist recht und gut; aber ich will Mistress eines großen Haushalts sein und von der Schule wegkommen. Von Alfred, dem guten Kerl, wird berichtet, dass er fünfzehntausend im Jahr bekommt. Darf die Begleiterin seiner Mutter diesen reichen Fisch schnappen, ohne die mindeste Opposition? Nicht dass ich wüsste!«

Zweiter Gedanke: »Wie einfach alte Leute sind! Seine Mutter besucht mich, lädt mich nach Long Fallas ein und erwartet, dass ich Cecilia ausschalte. Männer sind solche Narren (sogar mein Schreiblehrer hat sich in mich verliebt), dass sie nur in Tränen ausbrechen muss und ihn für sich behalten kann. Ich habe ihr einen besseren Weg als einen gerechten Kampf um Alfred vorgeschlagen, abgeleitet von einem Stück, das ich kurz zuvor gelesen hatte. Die alte Mutter stimmte unter Bedingungen zu. »Ich bin sicher, meine Liebe, dass du nichts tun wirst, was für eine junge Lady unschicklich wäre. Gewinne ihn, wie Miss Hardcastle Mr. Marlow für sich gewann in »She Stoops to Conquer«, wenn du willst; aber tu nichts, wodurch du deine Selbstachtung verlierst.« Welch erstaunliche Naivität! Wo ist sie bloß zur Schule gegangen, als sie noch jung war?«

Dritter Gedanke: »Was für ein unglaubliches Glück, dass Cecilias Zofe faul ist und die Näherin in der Dienerhalle speist! Die Zofe hat die Aussicht, vor sechs Uhr morgens aufzustehen, um bereit zu sein, mit dem Diener, der die Hausbesorgungen in Timbercombe macht, in der Kutsche zu fahren. Um eine Nachricht von ihrer Herrin zu Sir John zu bringen und auf eine Antwort zu warten. Die gute kleine Näherin hört dies, lächelt und sagt: ‚Mir ist gleich, wie früh ich aufstehe; Ich werde es für dich mitnehmen und die Antwort zurückbringen.‘«

Vierter Gedanke: »Was für ein Segen es ist, blaue Augen und blonde Haare zu haben. Sir John war ganz hingerissen von mir. Ich dachte dabei, dass er es anstatt Alfred auch tun würde. Glücklicherweise habe ich bereits die naive alte Mutter über ihn ausgefragt. Er ist ein armer Baron. Daran ist keinen Augenblick ein Gedanke zu verschwenden. »My Lady«, ohne einen entsprechenden großen Haushalt! Zu schrecklich! Aber ich bin immer noch fasziniert von ihm. Ich sah ihn zucken, als er den Brief las. »Keine schlechten Neuigkeiten, hoffe ich, Sir«, wagte ich zu sagen. Er schüttelte düster seinen Kopf. »Deine Herrin (er hielt mich natürlich für Cecilias Zofe) verbietet mir, auf Long Fallas vorbeizuschauen.« Ich dachte bei mir, was für eine Heuchlerin Cecilia sein müsste und sagte dies bescheiden zu Sir John, der Form halber. Unsere geheime Absprache ist, dass er morgen nach Long Fallas reiten wird und um halb drei im Gehölz warten wird. Wenn es regnet oder schneit, soll er es am nächsten schönen Tag versuchen. In beiden Fällen wird die arme Näherin einen halben Tag Urlaub erbeten und wird Miss Cecilia dazu bringen, einen kleinen Spaziergang in die richtige Richtung zu unternehmen. Sir John gab mir zwei Sovereigns und einen Kuss beim Abschied. Ich nahm beide Ehrungen mit der geziemendsten Demut an. Er wird für sein Geld etwas bekommen, obwohl er ein armer Baron ist; er wird seine junge Lady im Gehölz antreffen. Und ich kann mir endlich den reichen Fisch schnappen!«

Fünfter Gedanke: »Ärgerlich, diese grausige Arbeit! Es ist schön und gut, geschickt mit einer Nadel umzugehen, aber wie es den Zeigefinger verunstaltet! Es macht nichts, ich muss meinen Teil solange spielen, wie es dauert oder ich werde von der abscheulichsten Frau faul genannt, die ich je getroffen habe – die Haushälterin in Long Fallas!«

Sie fädelte den Faden ein und ich steckte meine Brille zurück in meine Tasche.

Ich denke nicht, dass ich es zu dieser Zeit schon vermutete; aber mir ist jetzt vollends bewusst, daß Septimus Notmans teuflisches Geschenk einen Einfluss auf mich ausübte. Ich war schrecklich kühl, unter Umständen, welche meine rechtschaffene Empörung in den Tagen ohne meine Brille hervorgerufen hätte. Sir John und der Engel; meine Mutter und ihre Familieninteressen; Cecilia und ihr unerkannter Liebhaber – was für ein Netz aus Verschwörung und Täuschung war um mich gewoben worden! Und was für ein vollkommen teuflisches Vergnügen ich daran fand, zu planen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen! Wie ich dies erreichen konnte, stellte sich mir in der einfachsten Form dar. Ich hatte nur meine Mutter auf einen Spaziergang in der nächsten Nachbarschaft des Gehölzes mitzunehmen und die Bloßstellung wäre komplett! Diese Nacht studierte ich das Barometer mit unsagbarer Besorgnis. Die Aussicht auf das Wetter war, wie ich mir nur wünschen konnte.


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