IV

»Meine Mutter starb, als ich noch ein Säugling war«, begann er. »Mein Vater war, solange ich mich erinnern kann, immer hart zu mir. Mir wurde erzählt, ich sei ein merkwürdiges Kind mit meinen eigenen seltsamen Gewohnheiten. Mein Vater haßte an den Persönlichkeiten und Gewohnheiten der Personen, die um ihn herum waren, alles, was kräftig ausgeprägt war und alles, was nicht gewöhnlich war. Er selbst lebte nach Regeln; und er beschloß, daß sein Sohn seinem Beispiel folgen sollte. Ich wurde in der Schule strenger Disziplin ausgesetzt, und ich wurde später im College sorgfältig beobachtet. Wenn ich auf mein früheres Leben zurückblicke, kann ich keine Spuren von Glück erkennenen und finde keine Anzeichen von Zuneigung. Eine traurige Ergebenheit in ein hartes Schicksal, ein müdes Wandern über unfreundliche Straßen - das ist meine Lebensgeschichte, im Alter von zehn bis zwanzig Jahren.

Ich verbrachte einen Herbsturlaub an den Seen von Cumberland; und dort traf ich zufällig eine französische Dame. Das Ergebnis dieses Treffens entschied mein ganzes späteres Leben.
Sie bekleidete die Stelle eines Kinderfräuleins im Haus eines wohlhabenden Engländers. Ich hatte häufig Gelegenheit, sie zu sehen. Es machte uns in der Gesellschaft des anderen Spaß. Ihre geringe Erfahrung war seltsamerweise wie die meine. Zwischen uns herrschte eine perfekte Harmonie von Denken und Fühlen. Wir liebten uns, oder dachten zumindest, wir liebten uns. Ich war noch keine einundzwanzig und sie war noch nicht achtzehn, als ich sie bat, meine Frau zu werden.

Ich kann meine Torheit jetzt verstehen und darüber lachen oder mich darüber beklagen, zu was mich meine Laune gerade treibt. Und doch muß ich mich bemitleiden, wenn ich auf mich in dieser Zeit zurückschaue - ich war so jung, so hungrig nach ein wenig Zuneigung, so müde meines einsamen Lebens ohne Freunde. Nun, alles in der Welt ist relativ. Ich würde bald diesem Leben ohne Freunde nachtrauern, schmerzlich nachtrauern, so unglücklich es auch war.
Der Arbeitgeber des armen Mädchens entdeckte unsere Verbindung durch seine Frau. Er setzte sich sofort mit meinem Vater in Verbindung.
Mein Vater hatte nur ein Wort zu sagen - er bestand darauf, daß ich ins Ausland gehe und es ihm zu überlassen, mich von meiner absurden Verpflichtung während meiner Abwesenheit zu entbinden. Ich antwortete ihm, daß ich in ein paar Monaten alt genug war und ich fest entschlossen war, das Mädchen zu heiraten. Er gab mir drei Tage, um diesen Entschluß zu überdenken. Ich blieb bei meinem Entschluß. Eine Woche später wurde ich von zwei Ärzten für geisteskrank erklärt; und wurde von meinem Vater in eine Irrenanstalt gesteckt.

War es eine Tat der Geisteskrankheit von dem Sohn eines Gentleman mit großen Erwartungen, einem Kinderfräulein die Heirat vorzuschlagen? Ich muß schon sagen, der Himmel ist mein Zeuge, ich weiß von keiner anderen von mir begangenen Tat, die meinen Vater und die Ärzte berechtigen könnte, mich in Gewahrsam zu nehmen.
Ich war drei Jahre in dieser Irrenanstalt. Es wurde amtlich berichtet, daß mir die Luft nicht zuträglich war. Ich wurde für weitere zwei Jahre in eine andere Irrenanstalt in einem entlegenen Teil Englands gebracht. Die besten fünf Jahre meines Lebens wurde ich mit Verrückten zusammengetrieben - und mein Verstand hat es überlebt. Den Eindruck, den ich auf Sie, auf Ihren Vater, auf Ihren Bruder und auf alle Ihre Freunde mache, ist, daß ich ebenso vernünftig bin wie der Rest meiner Mitmenschen. Dränge ich zu einer übereilten Folgerung, wenn ich von mir behaupte, daß ich ein gesunder Mensch bin und schon immer war?

Am Schluß dieser fünf Jahre willkürlicher Gefangenschaft in einem freien Land, zum Glück für mich - Ich schäme mich, es zu sagen, aber ich muß die Wahrheit sagen - zum Glück für mich starb mein erbarmungsloser Vater. Seine Treuhänder, denen ich nun übergeben wurde, hatten etwas Mitleid mit mir. Sie konnten die Verantwortung, mir meine Freiheit ganz zu gewähren, nicht übernehmen. Aber sie gaben mich in die Obhut eines Chirurgen, der mich in seinen privaten Landsitz aufnahm und der mir freie Bewegung in der frischen Luft erlaubte.

Ein Jahr dieser neuen Lebensweise stellte den Chirurgen zufrieden, und es stellte jeden zufrieden, der das geringste Interesse an mir hatte, so daß ich vollkommen dazu bereit war, meine Freiheit zu genießen. Ich wurde von allen Beschränkungen befreit und mir wurde erlaubt, bei einem meiner nahen Verwandten zu leben, in genau demselben Landstrich, wo sich mein unheilvolles Treffen mit dem französischen Mädchen sechs Jahre zuvor ereignet hatte.«


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