Der letzte Postkutscher

Der letzte Postkutscher! Allen außer einem Eisenbahnaktionär gehen diese Worte mit einem Unheil verheißenden, traurigen Ton ins Ohr. Trotz unserer angeborenen Verehrung der Wunder der Technik werden uns die Herzen schwer, wenn wir daran denken, nie wieder das süßriechende Gebinde, die untadeligen Spitzstiefel und die schönen weißen Kniehosen zu erblicken; einst so bekannt wie die Anzüge der Burschenschaften. Bei all unserem Respekt für schnelles und geschäftsmäßiges Reisen, so lernen wir doch ein Gefühl kennen, fast ähnlich Abscheu, wenn wir auf unsere Plätze mit einer Klingel gewiesen werden, von einem Kerl mit einem Abzeichen auf seiner Schulter, anstatt dass wir die fröhlichen Rufe hören:

»Also dann, Gentlemen« und indem wir von einem kurzen und einweisenden Gespräch mit einer Person rötlichen Teints in einem staubfreien olivgrünen Rock und einem prismenförmig ausgestülpten Taschentuch aufgeheitert werden. Wozu brauchen wir Rauch? Hatten wir nicht die Zigarre des Postkutschers, wenn wir seine Form und Erscheinung betrachten wollten? Wer wäre so unvernünftig, sich nach Dampf zu sehnen, wenn er ihn an einem kühlen Herbstmorgen einatmen konnte, natürlich entstanden hinter vier Pferden? Wer! Leider, wehe! Wir können die Fragen stellen und die Antworten am Ende des Kapitels finden und werden doch den verdrehten Geschmack der jetzigen Generation nicht ändern können; wir wissen, dass der Versuch nutzlos ist und wir geben in besorgter und philosophischer Resignation auf und fahren, unerschrocken von dem möglichen spöttischen Lächeln der Eisenbahndirektoren mit der Wiedergabe eines

Traumes

fort. Mich dünkte, ich ging eines Herbstabends, um die Ankunft einer Postkutsche zu beobachten. Ich ging weiter, aber keine solche erschien vor meinen Augen. Ich versuchte es auf vielen alten öffentlichen Straßen – sie waren nun mit Gras überwachsen und sumpfig – oder geschändet von der scheußlichen Anwesenheit eines »Bahnhofs«. Ich lenkte meine Schritte zu einer bekannten Raststätte. Sie war verlassen und still oder in anderen Worten: »Zu vermieten«. Ich schaute mich in der »Wirtsstube« um: kein Bierkrug schmückte die vergammelnden Tische und keine Pfeife lag verstreut in den wilden und schönen Abgeschiedenheiten der einst zahlreichen »Winkel«. Sie war verlassen und nutzlos; die Stimme des Reisenden klang nicht mehr von ihren Wänden und das fröhliche Horn der Wache schreckte nicht mehr die schläfrigen wenigen auf, die sich einst um ihre einladende Tür versammelt hatten. Der kalte Kamin und der breite veraltete Kaminsims zeigten nur ein Plakat – die Abfahrtszeiten einer angrenzenden Eisenbahn; überragt von einer Darstellung dieser Motoren der Zerstörung, in eintöniger, miefiger Lithographie.

Ich ging in den Hof. Wo war der Stallknecht mit seinen ungestützten Röcken und seinen hochgekrempelten Hemdärmeln? Wo war der Stalljunge mit seinem Strohbündel und seinem Hafersieb? Wo waren die koketten Stuten und die großen Blutspferde? Wo war der Futtertrog und die Stalltür? Alles weg – alles verschwunden: die Gebäude verwahrlosten und wackelten – was hat ein Stall für einen Nutzen für einen Heizer? Der Stallknecht und der Stalljunge waren weg – was für eine Kameradschaft konnte einer von ihnen mit einem Heizkessel pflegen? Den Gasthof gab es nicht mehr! Der am weitesten entfernte Misthaufen in einer Ecke war von Staub und alten Ziegeln bedeckt und der Hahn, der Stolz des Umlands, krähte nicht mehr auf der baufälligen und unansehnlichen Wand. Ich dachte, dass es möglich war, dass er vor dem Herbeisehnen von Eisenbahngesellschaften zufrieden gewesen war; und ich setzte mich wieder auf eine kaputte Wanne, um mich meinen traurigen Gedanken hinzugeben, die die Sicht vor mir in mir hervorrief.

Ich weiß nicht, wie lange ich in Gedanken versunken war. Es gab keinen pflichtbewussten Ober, der mich fragte: »Was wünschen Sie zu bestellen?« Kein Zimmermädchen, das albern lächelnd sprach: »Hier entlang, Sir« – nicht einmal eine streunende Katze, die Bekanntschaft mit meinen Waden suchte – oder ein Pferdehuf, der mir auf meine Zehen trat. Da war nichts, was meine elende Träumerei störte und ich verdammte die Eisenbahnen ohne Unterschied und Ausnahme.

Das entfernte Geräusch langsamer und schleichender Fußtritte erweckte endlich meine Aufmerksamkeit. Ich schaute nach dem entfernten Ende des Hofs. Himmel! Ein Postkutscher schritt auf dessen unkrautbewachsenem, verschlissenen Pflaster entlang.

Es gab keinen Zweifel – er trug den niedergekrönten, breitkrempigen, weißbraunen, ordentlich abgebürsteten Hut; das umfangreiche karierte Halstuch; den weitläufig umwickelten Mantel; die weißen Cordhosen; und schließlich die unsterblichen Stiefel. Aber ach! Die Wade, die diese einst ausgefüllt hatte, war verschwunden; sie schepperten schwer auf dem Steinboden, anstatt dass sie überall wo er hinging, laut und fest knarrten. Seine Weste, die offensichtlich einst fast bis zum Platzen gefüllt war, hing in losen, unbequemen Falten über seine ausgemergelte Brust: große Falten ruinierten die einstige Schönheit der Angepasstheit seines Mantels: und sein Gesicht war ganz von Falten durchfurcht, anstatt von fröhlicher Ausgelassenheit gezeichnet. Der Geist der Brüderlichkeit war von ihm gegangen – er war nur noch die Kleidung eines Postkutschers.

Er ging einige Zeit vor und zurück, ohne seinen Kopf zu drehen, mal den einen, mal den anderen Weg, außer ab und zu in den verlassenen Stall zu blicken oder sorgenvoll auf die Peitsche in seiner Hand zu blicken: zuletzt drang der Ton eines ankommenden Zuges an sein Ohr!

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und erhob langsam und düster seine geballte Faust in Richtung des Tons und schaute – und mit welchem Blick! Er verkündete der mächtigsten Dampfmaschine auf der Eisenbahnstrecke Vernichtung, der Blick verspottete den Rauch und verhöhnte wütend blitzend den größten Bahnhof, der je gebaut wurde; es war ein schrecklich aussagekräftiger Blick – die konzentrierte Kraft von Wut und tödlicher Feindschaft aller Postkutscher gegenüber dem rauchenden Beförderungsmittel.

Zu meiner äußersten Verwunderung und um zu gestehen, nicht ohne dass ich mich dabei fürchtete, wandte er plötzlich seinen Blick auf meinen Unterschlupf und ging auf mich zu.

»Es ist die Eisenbahn«, sagte er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen.

»Ja«, sagte ich einigermaßen betreten.

»Verflucht sei sie!« gab der aufgeregte Postkutscher zurück. Es war etwas unerklärlich Schreckliches in diesen Worten; und ich gestehe, dass ich eine starke Überzeugung hatte, dass es in den Zeitungen am nächsten Morgen von Nachrichten über schreckliche Zugunglücke in allen Spalten nur so wimmeln würde.

»Ich hab mein Äußerstes getan, sie daran zu hindern«, sagte der Postkutscher milde. »Ich war der letzte, der aufgegeben hat, Tag für Tag hatte ich Verluste und trotzdem arbeitete ich weiter; ich war entschlossen, meine Pflicht zu erfüllen und ich fuhr mit meiner Postkutsche am letzten Tag mit einem alten Menschen und einer Reisetasche drinnen, drei kleinen Jungen und sieben kolossalen leeren Handkoffern draußen. Ich war verbissen darauf, der Eisenbahn einen letzten Tritt zu verpassen und vor ihr mit ein paar Fahrgästen anzugeben. Also nahm ich meine Frau und meine Kinder mit, weil niemand sonst mitfahren wollte, danach gaben wir auf. Jedoch als ich das letzte Mal auf der Straße fuhr, ging ich nicht und zeigte allen eine leere Kutsche – die Kutsche war nicht voll, aber auch nicht leer, wir waren bereit mitzumachen bis zum letzten!«

Ein grimmiges Lächeln des Triumphs erhellte die Gesichtszüge des entthronten Postkutschers, als er dieser Erklärung Luft machte. Er fasste mich am Knopfloch und führte mich ins Haus.

»Der Hauswirt war ein ernster Mensch«, sagte er; »er sagte früher immer, dass er nur wünschte, ein Eisenbahnkomitee würde in seinem Haus speisen, und er würde alle vergiften und auswandern; und er würde es auch getan haben!«

Ich wagte nicht, dies zu bezweifeln, also fuhr der Postkutscher fort.

»Ich habe jede Stunde mit ihm zusammen meine Pfeife an diesem Kamin geraucht, habe die Anzeigen in der Times und die Polizeiberichte in dieser Nische dort gelesen, bis ich eingeschlafen bin. Ich bin in diesem Zimmer hin und her gelaufen, wobei ich alle möglichen Dinge über die Eisenbahn sagte und ich strotzte vor Glück. Außerhalb dieser Tür dort wurde ich mit dem Dank von Damen überhäuft, da ich nie jemanden auf ihre Hutschachteln treten ließ. Die Zimmermädchen lächelten und die Hunde bellten, wo immer ich auch hinging – aber das ist jetzt alles vorbei – der arme Kerl, der dieses Haus besaß, kauft jetzt Fahrkarten am Bahnhof und die Zimmermädchen machen brühend heißen Tee hinter einem Mahagonischalter für Leute, die keine Zeit haben, ihn zu trinken!«

Als der Postkutscher diese Worte sprach, überzog ein Hohnlächeln seine fahle Wange und er führte mich zurück in den Hof; die Erscheinung desselben war doppelt traurig unter den schwachen Strahlen des Mondlichts, welches hier und da durch die zerfallenen Mauern des Stalls drangen. Eine Eule hatte ihre Behausung an der Stelle aufgeschlagen, wo sich einst der Stallknecht an der grotesken Majestät riesiger Bilder der Gewinner aller Pferderennen seit den ersten Tagen von Epsom erfreut hatte. Der Nachtvogel flog langsam hinfort bei unserem Näherkommen und mein Begleiter deutete mit düsterer Miene auf einige faule, wurmige Holzstücke, den letzten Überresten des Dachbodens des Stalls.

»Er war ein guter Freund von mir, der Stallknecht«, sagte der Kutscher, »aber er hat diese eisenbahnbefallene Welt verlassen – sein Leben wurde vom Zug beendet.«

Auf meine ernsthafte Bitte, mehr zu hören, fuhr er fort.

»Als dieser Ort hier ruiniert war und aufgegeben wurde, ging er, da er noch nie zuvor die Eisenbahn gesehen hatte, hinab, um einen Blick darauf zu werfen, und als er mit seinen Ellbogen an der Wand lehnte und wünschte, dass er die Stallungen all dieser Dampfmaschinen hätte (er wäre ihnen gerecht geworden!), was sah er da: nur, dass eins seiner Pferde, welche durch die Eisenbahn arbeitslos geworden waren, gerade dort entlangspazierte, wo der Zug kam. Bill sprang hinab und gerade, als er es wegführen wollte, kam der Zug und fuhr über sein Bein und schnitt das Pferd entzwei – »Tom«, sagte er zu mir, als wir ihn holen kamen; »Ich gehe mit elf Meilen die Stunde zur letzten Station, bei der es etwas für mich zu tun gibt. Ich habe immer meine Pflicht mit den Pferden erfüllt; das habe ich immer und ich tue es auch jetzt – begrabe das arme Pferd und mich außerhalb des Lärms der Eisenbahn. Wir holten die Ärzte herbei, aber er sprach nie wieder, der arme Bill! Armer Bill!«

Diese letzte Erinnerung schien zu viel für den Postkutscher zu sein, er wrang meine Hand und stapfte unversehens zur entferntesten Ecke des Hofes.

Ich achtete darauf, ihn nicht zu stören und betrachtete ihn vorsichtig von fern.

Zuerst war der Ausdruck seines Gesichts niedergeschlagen; aber nach und nach kamen ihm andere Gedanken verdrängend in den Sinn und verhüllten sein leidgeprüftes Antlitz. Armer Kerl, ich konnte sehen, dass er wieder in Gedanken der Heißgeliebte der Damen war und der Geehrte der Zimmermädchen: eine schwache Reflektion der leutseligen, aber hoheitsvollen Haltung, die für seinen Beruf notwendig war, huschte gelegentlich über seine zusammengekniffenen, geschwächten Gesichtszüge: und erhellten den kalten, traurigen Ausdruck seines Gesicht.

Ich schaute noch immer, als es dunkler und dunkler wurde, jedoch war das Gesicht des Postkutschers für keinen Augenblick vor mir verborgen. Derselbe künstliche Ausdruck von Wohlgefallen wie zuvor charakterisierte seine Züge. Plötzlich hörte ich ein seltsames, unnatürliches Geräusch durch die Luft herangetragen kommen. Es schien wie das entfernte Trampeln von Pferden; und nun wieder, wie das Rumpeln einer schwer beladenen Kutsche entlang einer öffentlichen Straße. Ein schwaches, kränkliches Licht breitete sich über dem Teil des Himmels aus, woher das Geräusch stammte; und nach einer Weile erschien eine voll besetzte Postkutsche in den Wolken, mit an jedem Rad einem angeschnallten Eisenbahndirektor und einem Heizer zwischen jedem Gebiss der vier Pferde.

Anstatt Gepäck besetzten Teile von zerbrochenen Zügen und rote Teppichtaschen, die mit anderen Erinnerungen an Eisenbahnunglücke gefüllt waren, die Gepäckablage. Mutige Passagiere schienen die einzigen Inhaber der äußeren Plätze zu sein. Vorne saß Julius Caesar und Mrs. Hannah Moore ; und hinter ihnen Sir Joseph Banks und Mrs. Brownrigge . Von all den Drinsitzenden konnte ich, bedaure ich zu sagen, nichts sehen.

Auf dem Bock saß ein kleiner Mann mit wuscheligem Haar und mit einem langen eisengrauen Backenbart; gekleidet in einen Mantel aus der Haut eines Lokomotivführers, mit Handschuhen aus der Haut der Eisenbahnpolizei. Er zog sich herauf gegenüber meinem Freund und indem er sich tief verbeugte, bewegte er ihn zum Bocksitz.

Ein Schimmer von unsagbarer Freude strahlte aus des Postkutschers Zügen, als er behende auf seinen Platz sprang, die Zügel in die Hand nahm und mit einem herzlichen »Gute Nacht« sich einem imaginären Gasthaus, voll von Leuten, zuwendend, die Pferde laufen ließ.

Weg fuhren sie! Mein Freund knallte immer wieder voller Befriedigung mit der Peitsche, als er mit der gespenstischen Kutsche in die Luft davonfuhr. Und unter dem Gekreische der Eisenbahndirektoren an den Rädern entschwand das Ächzen von James Watt, das Signalhorn der Wache und das gewaltige Fluchen der unsichtbaren drinnen, rasend schnell meinen Augen.


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