Amors Pfeil



III

Dies war das Gespräch mit der Ehefrau. Mein Gespräch mit dem Ehemann erzeugte ein Ergebnis, auf welches ich in gewissem Grad vorbereitet war. Es überzeugte mich, dass irgendeine Einmischung meinerseits schlimmer als nutzlos sein würde.

Ich hatte bestimmte Ansprüche auf Parleys Dankbarkeit und Respekt, welche er bisher mit tiefempfundener Aufrichtigkeit anerkannt hatte. Als wir nun von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen, sah ich – bevor ein Wort zwischen uns gefallen war – eines eindeutig: mein Einfluss über ihn war verloren.

Um Mrs. Parleys willen konnte ich mir selbst nicht erlauben, schon zu Anfang entmutigt zu sein.

»Ihre Frau war gestern in großer Verzweiflung bei mir«, sagte ich.

Seine Stimme sagte mir, dass er heftig gelitten hatte – und immer noch litt. Ich bemerkte ebenso, dass die durch das Alter gezeichneten Falten in seinem Gesicht tiefer geworden waren. Er fühlte offensichtlich, dass er als ein Mann vor mir stand, der sich in seinem hohen Alter selbst zugrunde gerichtet hatte. Andererseits war es aber auch deutlich, dass er entschlossen war, mich zu täuschen, sollte ich versuchen, sein Geheimnis zu lüften.

Meine einzige Chance, den richtigen Eindruck zu erzeugen, lag darin, an sein Selbstwertgefühl zu appellieren, wenn noch ein solches in ihm vorhanden war.

»Nehmen Sie nicht an, dass ich zwischen Ihnen und Ihrer Frau vermitteln werde«, fuhr ich fort. »Bei dem wenigen, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, werde ich den guten Ruf berücksichtigen, welchen Sie immer unterhalten haben, nicht nur unter Ihren eigenen Freunden, sondern auch unter Personen wie mir selbst, die über sie gestellt sind durch den Zufall der Geburt oder der Stellung.«

»Sie sind sehr nett, Sir. Ich versichere Ihnen, ich fühle -«

Er stockte. Ich wartete, um ihn fortfahren zu lassen. Er schlug seine Augen vor mir nieder. Er schien Angst davor zu haben, der guten Regung zu folgen, die ich in ihm geweckt hatte. Ich versuchte es noch einmal.

»Ohne zu wiederholen, was Mrs. Parley zu mir sagte«, fuhr ich fort, »mag ich Ihnen erzählen, zu welchem Schluss ich selbst gelangt bin. Man wird Ihnen nur gerecht, wenn man annimmt, dass Ihre Frau durch den Augenschein fälschlicherweise getäuscht wurde. Werden Sie zu ihr zurückgehen und sie davon überzeugen, dass sie sich geirrt hat?«

»Sie würde mir nicht glauben, Sir.«

»Werden Sie wenigstens den Versuch wagen?«

Er schüttelte hartnäckig den Kopf. »Völlig nutzlos« antwortete er. »Das Temperament meiner Frau -«

Ich unterbrach ihn hier.

»Tragen Sie dem Temperament Ihrer Frau Rechnung«, sagte ich, »und vergessen Sie nicht, dass Sie Ihren Töchtern Rücksichtnahme schulden. Ersparen Sie ihnen die Scham und die Qual, ihren Vater und ihre Mutter feindselig gegeneinander zu sehen.«

Seine Miene änderte sich: ich hatte etwas gesagt, was ihn zuversichtlich werden ließ.

»Sagte meine Frau irgendetwas zu Ihnen über unsere Mädchen?« fragte er.

»Ja.«

»Was hat sie gesagt?«

»Sie hielt Sie für nachlässig gegenüber Ihren Töchtern.«

»Noch etwas, Sir?«

»Sie sagte, Sie hätten einst zugestimmt, dass die Mädchen eine gute Gouvernante haben sollten; aber sie denkt nun, Sie seien gleichgültig ob der besten Interessen Ihrer Kinder.«

Er erhob eine seiner Hände mit einer theatralischen Übertreibung dieser Geste, die ich noch nie bei ihm erlebt hatte.

»Das hat sie gesagt, oder? Nun, Herr Landvogt, urteilen Sie selbst, was die Klagen meiner Frau über mich wert sind! Ich habe heute eine Gouvernante für unsere Kinder eingestellt.«

Ich sah ihn an.

Ein weiteres Mal schlug er die Augen vor mir nieder.

»Weiß Mrs. Parley, was Sie getan haben?« fragte ich nach.

»Sie soll es wissen«, antwortete er laut, fast schon unverschämt, »wenn ich nach Hause komme.«

»Ich bin Ihnen verbunden, dass Sie hierher gekommen sind, Mr. Parley. Lassen Sie mich Sie nicht länger aufhalten.«

»Bedeutet das, dass Sie missbilligen, was ich getan habe, Sir?«

»Ich äußere keine Meinung.«

»Bedeutet das, Sie zweifeln am Charakter der Gouvernante?«

»Es bedeutet, dass ich bedaure, Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet zu haben, hierher zu kommen – und dass ich nichts mehr zu sagen habe.«

Er ging zur Tür – öffnete sie – zögerte – und kam zu mir zurück.

»Ich bitte Sie um Entschuldigung, Sir, wenn ich in irgendeiner Weise grob mit Ihnen gesprochen habe. Sie werden vielleicht verstehen, dass ich in Gedanken etwas aufgewühlt bin.« Er dachte nach und nahm aus seiner Tasche die Schnupftabakdose, die seine Frau erwähnt hatte. »Ich habe die Angewohnheit, zu schnupfen, aufgegeben, Sir. Sie ist liederlich und – und nicht gut für die Gesundheit. Aber ich fühle mich nicht weniger geehrt durch Ihr Geschenk. Ich werde es dankbar würdigen, solange ich lebe.«

Er wandte seinen Kopf ab – aber nicht schnell genug, um die Tränen zu verstecken, die seine Augen füllten. Für einen Augenblick hatte alles, was das beste und wahrhaftigste in Benjamin Parleys Natur war, sich zum Ausdruck gebracht. Aber der Teufel, der von ihm Besitz ergriffen hatte, war nicht auszutreiben. Er war tief beschämt ob der guten Regung, die ihm zur Ehre gereicht hatte. »Die Sonne ist sehr hell heute morgen«, murmelte er verwirrt, »meine Augen sind ziemlich schlecht, Sir. Ich wünsche Ihnen guten Morgen.«


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