Sechzigstes KapitelCHAPTER LI - WHAT NEXT?
Was sollte sie mit diesem schrecklichen Geheimnis tun? WHAT should she do with the terrible secret?
Der Polizei davon Mitteilung machen! Aber dem stand zweierlei entgegen. Erstens konnte sich die Pflegerin sehr leicht geirrt haben, als sie annahm, ihr Patient sei tot, und zweitens kam ihr der fürchterliche Gedanke, dass sie bis zu dem vorhergegangenen Tage die Pflegerin des Kranken gewesen sei, seine einzige Pflegerin bei Tag und Nacht. Was konnte den Doktor verhindern, die Schuld, ihn vergiftet zu haben, auf sie zu wälzen? Nein! Der Mann war den ganzen Morgen allein gelassen worden; am Tag vorher war jedes Anzeichen vorhanden gewesen, dass er wieder gesund werden würde. Sie hätte also bekennen müssen, dass sie sich versteckt hatte. Wie lange war sie in dem Versteck gewesen, und warum hatte sie sich versteckt? War es nicht geschehen, nachdem sie den Mann vergiftet hatte und die nahenden Schritte des Doktors hörte? Da sie selbstverständlicherweise mit den Giften und ihren Wirkungen wenig vertraut war, so schien es ihr, als ob die Tatsachen in dieser Zusammenstellung gegen sie sprächen. Deshalb beschloss sie, den Tag über ruhig in Paris zu bleiben und am Abend mit dem Dampfschiff von Dieppe aus nach England überzufahren. Die ersten, denen sie alles, was sie gehört und gesehen hatte, entdecken wollte, sollten Mrs. Vimpany und Mr. Mountjoy sein, und was sie dann ihrer Herrin sagen sollte, das sollten ihr die anderen raten. She ought to inform the police. But there were two objections. First, the nurse may have been mistaken in supposing her patient to be dead. She herself had no choice but to escape as she did. Next, the dreadful thought occurred to her that she herself until the previous day had been the man's nurse--his only nurse, day and night. What was to prevent the doctor from fixing the guilt of poisoning upon herself? Nay; it would be his most obvious line of action. The man was left alone all the morning; the day before he had shown every sign of returning strength; she would have to confess that she was in hiding. How long had she been there? Why was she in hiding? Was it not after she had poisoned the man and when she heard the doctor's footstep? Naturally ignorant of poisons and their symptoms, it seemed to her as if these facts so put together would be conclusive against her. Therefore, she determined to keep quiet in Paris that day and to cross over by the night boat from Dieppe in the evening. She would at first disclose everything to Mrs. Vimpany and to Mountjoy. As to what she would tell her mistress she would be guided by the advice of the others.
Sie kam sicher in London an und fuhr geradenwegs in das Hotel, in welchem Hugh Mountjoy wohnte, da sie vorhatte, zuerst ihm die ganze Geschichte mitzuteilen. She got to London in safety and drove straight to Mr. Mountjoy's hotel, proposing first to communicate the whole business to him.
Sie fand aber in seinem Wohnzimmer nur Mrs. Vimpany. But she found in his sitting-room Mrs. Vimpany herself.
»Wir dürfen ihn nicht aufwecken, was Sie auch für Nachrichten bringen mögen. Seine volle Wiederherstellung hängt einzig und allein von vollständiger Ruhe ab. Hier,« - sie zeigte auf den Kaminsims - »hier liegt ein Brief von Mylady. Ich fürchte, ich weiß nur zu gut, was er enthält.« "We must not awake him," she said, "whatever news you bring. His perfect recovery depends entirely on rest and quiet. There"--she pointed to the chimneypiece--"is a letter in my lady's handwriting. I am afraid I know only too well what it tells him."
»Was soll er enthalten?« "What does it tell?"
»Heute morgen war ich in ihrer Wohnung,« fuhr Mrs. Vimpany fort, »aber sie war nicht mehr da.« "This very morning," Mrs. Vimpany went on, "I called at her lodging. She has gone away."
»Nicht mehr da? Mylady war fort? Ja, wohin kann sie denn gegangen sein?« "Gone away? My lady gone away? Where is she gone?"
»Nun, wohin glauben Sie wohl, dass sie gegangen sein wird?« "Where do you think she is most likely to have gone?"
»Doch nicht etwa zu ihrem Gatten? Nur nicht zu ihm, es wäre schrecklich! Es wäre noch viel schrecklicher, als Sie sich denken können.« "Not?--oh!--not to her husband? Not to him!--oh! this is more terrible--far more terrible--than you can imagine."
»Sie werden mir nachher erzählen, warum das jetzt um so viel schrecklicher ist als früher. Inzwischen habe ich herausbekommen, dass dem Kutscher befohlen war, nach dem Bahnhof zu fahren. Das ist alles, was ich weiß. Ich hege indessen nicht den geringsten Zweifel, dass sie zu ihrem Gatten zurückgegangen ist. Sie befand sich immer in einer tief niedergeschlagenen Stimmung, seitdem sie nach England gekommen war. Mr. Mountjoy ist auch diesmal so liebenswürdig wie immer gegen sie gewesen, aber er war doch nicht imstande, ihren Kummer zu verscheuchen. Ob sie sich nun wirklich nach ihrem Gatten gesehnt hat, oder ob sie - ich kann das zwar kaum glauben - den Mann, welchen sie verloren, mit dem Mann, den sie geheiratet hat, verglich, das weiß ich nicht. Ich weiß nur das eine, dass sie, seitdem sie aus Frankreich kam, unglücklich gewesen ist, und glaube, sie hat sich immer darüber Vorwürfe gemacht, dass sie ihren Gatten ohne hinreichende Gründe verlassen hat.« "You will tell me why it is now so much more terrible. Meantime, I find that the cabman was told to drive to Victoria. That is all I know. I have no doubt, however, but that she has gone back to her husband. She has been in a disturbed, despondent condition ever since she arrived in London. Mr. Mountjoy has been as kind as usual: but he has not been able to chase away her sadness. Whether she was fretting after her husband, or whether--but this I hardly think--she was comparing the man she had lost with the man she had taken--but I do not know. All I do know is that she has been uneasy ever since she came from France, and what I believe is that she has been reproaching herself with leaving her husband without good cause."
»Hinreichende Gründe?« wiederholte Fanny. »O, gnädiger Gott, wenn sie nur wüsste! Es sind Gründe genug vorhanden, um hundert Gatten zu verlassen.« "Good cause!" echoed Fanny. "Oh! good gracious! If she only knew, there's cause enough to leave a hundred husbands."
»Nichts schien sie aufzuheitern,« fuhr Mrs. Vimpany fort, ohne die Unterbrechung zu beachten. »Ich fuhr mit ihr hinaus auf das Gut, um ihr früheres Kammermädchen, Rhoda Bennet, zu besuchen. Die Gesundheit des Mädchens ist wieder zurückgekehrt; sie steht im Begriff, sich mit dem Bruder des Pächters zu verheiraten. Lady Harry war sehr freundlich mit ihr und sagte ihr die liebenswürdigsten Dinge; sie zog sogar einen der hübschesten Ringe von ihrem Finger und gab ihn dem Mädchen. Aber ich konnte sehen, dass es sie große Anstrengung kostete, Teilnahme zu heucheln. Ihre Gedanken weilten während der ganzen Zeit bei ihrem Gatten. Ich war schon seit langem fest davon überzeugt, dass es in dieser Weise endigen würde, und ich bin daher auch nicht im mindesten überrascht; aber was wird Mr. Mountjoy sagen, wenn er den Brief öffnet?« "Nothing seemed to rouse her," Mrs. Vimpany continued, without regarding the interruption. "I went with her to the farm to see her former maid, Rhoda. The girl's health is re-established; she is engaged to marry the farmer's brother. Lady Harry was kind, and said the most pleasant things; she even pulled off one of her prettiest rings and gave it to the girl. But I could see that it was an effort for her to appear interested--her thoughts were with her husband all the time. I was sure it would end in this way, and I am not in the least surprised. But what will Mr. Mountjoy say when he opens the letter?"
»Zurück zu ihrem Gatten?« wiederholte Fanny. »O mein Gott, was sollen wir dann tun?« "Back to her husband!" Fanny repeated. "Oh! what shall we do?"
»Ich verstehe nicht recht den Zusammenhang Ihrer gesteigerten Befürchtungen. Was hat sich denn neuerdings ereignet?« "Tell me what you mean. What has happened?"
»Ich muss es Ihnen erzählen; ich dachte, ich würde es zuerst Mr. Mountjoy mitteilen können, aber ich muss es Ihnen jetzt sagen, obgleich - obgleich -« Sie hielt inne. "I must tell you. I thought I would tell Mr. Mountjoy first: but I must tell you, although--" She stopped.
»Obgleich es meinen Gatten betrifft. Kehren Sie sich nicht daran und erzählen Sie mir ruhig alles, was Sie wissen.« "Although it concerns my husband. Never mind that consideration--go on."
Fanny berichtete nun die ganze Geschichte von Anfang an. Fanny told the story from the beginning.
Als sie geendet hatte, sah Mrs. Vimpany ängstlich nach der Tür des Schlafzimmers. When she had finished, Mrs. Vimpany looked towards the bedroom door.
»Gott sei Dank,« sagte sie, »dass Sie diese Geschichte mir anstatt Mr. Mountjoy erzählt haben. Jedenfalls bitte ich Sie inständigst, ihn ja nichts von alledem wissen zu lassen. Wir können jetzt gar nichts tun. Nur Sie müssen sogleich wieder fort. Mr. Mountjoy darf Sie nicht hier finden, er darf Ihre Geschichte nicht hören. Wenn er erfährt, was sich ereignet hat, und wenn er dann noch den Brief von Lady Harry liest, dann wird ihn niemand und nichts davon abhalten können, ihr nach Passy zu folgen. Er wird sofort begreifen, dass sie jedenfalls in diese verbrecherische Gemeinschaft verstrickt wird, und er wird sich der größten Gefahr aussetzen bei dem erfolglosen Versuch, sie zu retten. Er ist zu schwach, um die Reise ertragen zu können, er ist viel zu schwach für die heftigen Erregungen, welche dann noch folgen werden, und vor allem viel zu schwach, um es mit meinem Gatten aufnehmen zu können.« "Thank God!" she said, "that you told this story to me instead of to Mr. Mountjoy. At all events, it gives me time to warn you not to tell him what you have told me. We can do nothing. Meantime, there is one thing you must do--go away. Do not let Mr. Mountjoy find you here. He must not learn your story. If he hears what has happened and reads her letter, nothing will keep him from following her to Passy. He will see that there is every prospect of her being entangled in this vile conspiracy, and he will run any risk in the useless attempt to save her. He is too weak to bear the journey--far too weak for the violent emotions that will follow; and, oh! how much too weak to cope with my husband--as strong and as crafty as he is unprincipled!
»Was sollen wir aber dann um Gottes willen anfangen?« "Then, what, in Heaven's name, are we to do?"
»Alles, alles lieber, als dulden, dass Mr. Mountjoy sich zwischen Lord Harry und seine Frau stellt.« "Anything--anything--rather than suffer Mr. Mountjoy, in his weak state, to interfere between man and wife."
»Ja, ja, aber solch ein Mann! Mrs. Vimpany, Lord Harry war zugegen, als der Däne vergiftet wurde; er wusste, dass der Mann vergiftet wurde; er saß in seinem Stuhl, sein Gesicht war leichenblass, aber er sagte nichts. Ich habe es kaum über mich gewinnen können, nicht hervorzuspringen und dem Doktor das Glas aus der Hand zu schlagen. Lord Harry aber sagte nichts.« "Yes--yes--but such a man! Mrs. Vimpany, he was present when the Dane was poisoned. He knew that the man was poisoned. He sat in the chair, his face white, and he said nothing. Oh! It was as much as I could do not to rush out and dash the glass from his hands. Lord Harry said nothing."
»Liebe Fanny, begreifen Sie nicht, was Sie tun sollen?« "My dear, do you not understand what you have got to do?"
Fanny gab keine Antwort. Fanny made no reply.
»Bedenken Sie - mein Gatte - Lord Harry - keiner von ihnen weiß, dass Sie zugegen waren. Sie können daher ohne jedes Bedenken nach Passy zurückkehren, und dann werden Sie, was sich immer auch ereignen mag, zur Hand sein, um Mylady zu schützen. Bedenken Sie nur, Sie können als ihr Kammermädchen immer bei ihr sein, in ihrem Zimmer, bei Nacht, überall und zu jeder Zeit, während Mr. Mountjoy nur hie und da das könnte, und außerdem noch der Gefahr ausgesetzt wäre, mit ihrem Gatten Streit zu bekommen.« "Consider--my husband---Lord Harry--neither of them knows that you were present. You can return with the greatest safety; and then whatever happens, you will be at hand to protect my lady. Consider, again, as her maid, you can be with her always--in her own room; at night; everywhere and at all times; while Mr. Mountjoy could only be with her now and then, and at the price of not quarrelling with her husband."
»Das wäre er!« sagte Fanny. "Yes," said Fanny.
»Und Sie sind kräftig und gesund, während Mr. Mountjoy schwach und krank ist.« "And you are strong, and Mr. Mountjoy is weak and ill."
»Sie meinen also, dass ich nach Passy zurückkehren soll?« "You think that I should go back to Passy?"
»Sofort, ohne jeden Aufschub. Lady Harry reiste vergangene Nacht ab; fahren Sie heute abend, sie wird Sie dann vierundzwanzig Stunden nach Ihrer Ankunft bei sich haben.« "At once, without the delay of an hour. Lady Harry started last night. Do you start this evening. She will thus have you with her twenty-four hours after her arrival."
Fanny stand auf. Fanny rose.
»Ich werde gehen,« sagte sie. »Wenn mich auch schon der bloße Gedanke an eine Rückkehr in dieses schreckliche Haus zu dem furchtbaren Mann schreckt, so werde ich dennoch gehen. Mrs. Vimpany, ich weiß, dass es von keinem Nutzen sein wird. Was sich in Zukunft ereignet, das wird sich ereignen, ohne dass es in meiner Gewalt steht, es zu befördern oder es zu verhindern. Ich bin fest überzeugt, dass meine Reise ganz nutzlos sein wird. Aber ich werde abreisen, ja, ich werde heute abend noch nach Passy abreisen.« "I will go," she said. "It terrifies me even to think of going back to that awful cottage with that dreadful man. Yet I will go. Mrs. Vimpany, I know that it will be of no use. Whatever is going to happen now will happen without any power of mine to advance or to prevent. I am certain that my journey will prove useless. But I will go. Yes, I will go this evening."
Dann gab sie das Versprechen, so bald wie möglich zu schreiben, wenn sie etwas Wichtiges mitzuteilen hätte, und ging fort. Then, with a final promise to write as soon as possible--as soon as there should be anything to communicate--Fanny went away.
Mrs. Vimpany horchte, allein gelassen, nach dem Schlafzimmer, aber es ließ sich darin kein Laut vernehmen. Mr. Mountjoy schlief noch. Wenn er kräftig genug wäre, dann würde es hinreichend Zeit sein, um ihm mitzuteilen, was geschehen war. Sie saß nachdenklich da. Selbst wenn man den schlechtesten Gatten von der Welt hat und seinen Charakter ganz und gar kennt, so ist es doch höchst peinlich, eine solche Geschichte von ihm zu hören, wie sie Fanny ihr soeben erzählt hatte. Mrs. Vimpany, alone, listened. From the bedroom came no sound at all. Mr. Mountjoy slept still. When he should be strong enough it would be time to let him know what had been done. But she sat thinking--thinking--even when one has the worst husband in the world, and very well knows his character, it is disagreeable to hear such a story as Fanny had told that wife this morning.


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