Zwei Schicksalswege

Ein RückblickTHE PROSPECT DARKENS.
Ich erhielt von Frau van Brandt, drei Tage nachdem ich mit meiner Mutter in Torquay angekommen war, eine Antwort auf meinen Brief. Sie benachrichtigte mich im Eingange, dass van Brandt allerdings in Freiheit gesetzt worden sei, aber unter Umständen, die sie mit der quälenden Vermutung erfüllten, dass meinerseits dabei Opfer gebracht worden seien, zu denen ich mich nun nicht bekennen wollte. Dann lautete der Brief weiter:THREE days after my mother and I had established ourselves at Torquay, I received Mrs. Van Brandt's answer to my letter. After the opening sentences (informing me that Van Brandt had been set at liberty, under circumstances painfully suggestive to the writer of some unacknowledged sacrifice on my part), the letter proceeded in these terms:
»Die Anstellung, die Herr van Brandt nun erhalten hat, sichert uns, wenn auch kein üppiges, so doch ein behagliches Auskommen. Vor mir liegt nun, seit meine Lebenssorgen begannen, zum ersten Male wieder ein friedliches Leben, da ich, nicht um meinetwillen, aber für mein Kind hoffe, dass unter einem fremden Volke die falsche Stellung, in der ich mich befinde, ein Geheimnis bleiben wird. Damit muss ich mir genügen lassen, denn ein Glück, wie es manchen Frauen beschieden ist, darf ich, wage ich nicht zu erstreben."The new employment which Mr. Van Brandt is to undertake secures to us the comforts, if not the luxuries, of life. For the first time since my troubles began, I have the prospect before me of a peaceful existence, among a foreign people from whom all that is false in my position may be concealed--not for my sake, but for the sake of my child. To more than this, to the happiness which some women enjoy, I must not, I dare not, aspire.
»Wir reisen morgen früh von England nach dem Kontinent ab. Soll ich Ihnen sagen, in welchem Teile von Europa ich meine neue Heimat finden werde?"We leave England for the Continent early tomorrow morning. Shall I tell you in what part of Europe my new residence is to be?
Nicht doch! Sie würden mir wiederum schreiben und ich würde Ihnen antworten. Der einzige, armselige Dank, den ich dem guten Engel meines Lebens aber abstatten kann, ist, dass ich ihn lehre, mich zu vergessen. Mit welchem Rechte dürfte ich den Platz in Ihrer Achtung wohl behaupten, dessen ich mich bemächtigt habe. Sie werden einst einer Frau Ihr Herz geben, die dessen würdiger ist, als ich. Lassen Sie mich aus Ihrem Leben verschwinden und gedenken Sie meiner nur noch gelegentlich, wenn Sie sich an glückliche Tage erinnern, die nie wiederkehren werden."No! You might write to me again; and I might write back. The one poor return I can make to the good angel of my life is to help him to forget me. What right have I to cling to my usurped place in your regard? The time will come when you will give your heart to a woman who is worthier of it than I am. Let me drop out of your life--except as an occasional remembrance, when you sometimes think of the days that have gone forever.
Mir wird der Rückblick in die Vergangenheit einigermaßen zum Troste gereichen. Seit ich Sie kennen lernte bin ich besser geworden und so lange ich lebe, werde ich dessen gedenken."I shall not be without some consolation on my side, when I too look back at the past. I have been a better woman since I met with you. Live as long as I may, I shall always remember that.
Ja! Vom Anfang bis ans Ende ist der Einfluss, den Sie auf mich ausgeübt haben, ein günstiger gewesen. Wenn ich au zugeben muss, dass es für mich ein Unrecht war Sie zu lieben - und mehr noch, Ihnen dieses Gefühl zu gestehen, - so war diese Liebe doch rein, und ich habe wenigstens aufrichtig gestrebt, ihrer Herr zu werden. Mein Herz fühlt sich, abgesehen davon, durch das sympathische Gefühl, das uns vereint, beglückt. Nun da wir so weit getrennt sind und uns wahrscheinlich nie wiedersehen werden, darf ich Ihnen bekennen, was ich bisher nie eingestand, dass meine innersten Eingebungen mich immer, wenn ich ihnen rückhaltlos Gehör gab, auf Sie zu verweisen schienen. Wenn mein Gemüt einmal wirklich Frieden gefunden hatte, und ich mit aufrichtig reuigem Herzen zu beten vermochte, so überkam mich das Gefühl, als führte ein geheimer Zug uns näher und näher zu einander und seltsamerweise geschah das immer nur, wenn ich von van Brandt getrennt war, wie ich auch dann nur jene Träume von Ihnen hatte. Es hat mir in solchen Zeiten, ob denkend oder träumend, immer geschienen, als wären Sie mir viel näher bekannt, als wenn wir uns dann wirklich leiblich gegenüber standen. Ich möchte wissen ob es doch ein Dasein vor diesem jetzigen, bewussten gibt? Ob wir einst in einer anderen Sphäre vor tausenden von Jahren treue Gefährten waren? Müßige Vermutungen! Ich will mir daran genügen lassen, dass ich so glücklich war Sie zu kennen, ohne das Wie oder Warum zu ergründen."Yes! The influence that you have had over me has been from first to last an influence for good. Allowing that I have done wrong (in my position) to love you, and, worse even than that, to own it, still the love has been innocent, and the effort to control it has been an honest effort at least. But, apart from this, my heart tells me that I am the better for the sympathy which has united us. I may confess to you what I have never yet acknowledged--now that we are so widely parted, and so little likely to meet again--whenever I have given myself up unrestrainedly to my own better impulses, they have always seemed to lead me to you. Whenever my mind has been most truly at peace, and I have been able to pray with a pure and a penitent heart, I have felt as if there was some unseen tie that was drawing us nearer and nearer together. And, strange to say, this has always happened (just as my dreams of you have always come to me) when I have been separated from Van Brandt. At such times, thinking or dreaming, it has always appeared to me that I knew you far more familiarly than I know you when we meet face to face. Is there really such a thing, I wonder, as a former state of existence? And were we once constant companions in some other sphere, thousands of years since? These are idle guesses. Let it be enough for me to remember that I have been the better for knowing you--without inquiring how or why.
Leben Sie wohl, mein geliebter Wohltäter, mein einziger Freund! Mein Kind sendet Ihnen einen Kuss und die Mutter zeichnet sich, als Ihre dankbare und getreue "Farewell, my beloved benefactor, my only friend! The child sends you a kiss; and the mother signs herself your grateful and affectionate
M. van Brandt.«M. VAN BRANDT."
Es erschien mir damals höchst wunderbar, dass mich diese Zeilen, als ich sie zum ersten Male las, wiederum an die Prophezeiungen der Dame Dermody aus meiner Knabenzeit erinnerten. Die vorausgesagten, sympathischen Bande, die mich an Mary knüpfen sollten, fesselten mich ja nun wirklich, aber an eine Fremde, die ich zufällig in einer späteren Lebenszeit kennen gelernt hatte! Drang ich aber dennoch nicht weiter vor, da meine Gedanken doch einmal diese Richtung einschlugen? Brachten sie mich keinen Schritt vorwärts? Nein, selbst jetzt überkam mich noch keine Ahnung von der Wahrheit.When I first read those lines, they once more recalled to my memory--very strangely, as I then thought--the predictions of Dame Dermody in the days of my boyhood. Here were the foretold sympathies which were spiritually to unite me to Mary, realized by a stranger whom I had met by chance in the later years of my life! Thinking in this direction, did I advance no further? Not a step further! Not a suspicion of the truth presented itself to my mind even yet.
War meine eigene, schwerfällige Auffassungsgabe daran Schuld? Hätte jemand anderes in meiner Lage entdeckt, was mir noch verborgen blieb?Was my own dullness of apprehension to blame for this? Would another man in my position have discovered what I had failed to see?
Ich blicke auf die Verkettung der Ereignisse zurück, die sich durch meine Erzählung ziehen, und frage mich selbst, worin sollte für mich oder irgend einen Anderen die Möglichkeit liegen, eine Übereinstimmung zwischen dem Kinde, welches Mary Dermody war, und der Frau, die ich als Frau van Brandt kannte, zu finden? War in unseren Zügen noch etwas übrig geblieben, was uns bei unserem Begegnen an dem schottischen Flusse an unsere Jugenderscheinungen erinnern konnte? Wir hatten uns in der Zwischenzeit vom Knaben und Mädchen zum Manne und Weibe entwickelt und keine äußere Spur verriet, dass wir der George und die Mary aus früheren Tagen waren. Wie unser Aussehn uns über einander täuschte, so taten es auch unsere Namen.I look back along the chain of events which runs through my narrative, and I ask myself, Where are the possibilities to be found (in my case, or in the case of any other man) of identifying the child who was Mary Dermody with the woman who was Mrs. Van Brandt? Was there anything left in our faces, when we met again by the Scotch river, to remind us of our younger selves? We had developed, in the interval, from boy and girl to man and woman: no outward traces were discernible in us of the George and Mary of other days. Disguised from each other by our faces, we were also disguised by our names.
Ihre Scheinehe hatte ihren Zunamen verändert, das Testament meines Stiefvaters den meinen. Ihr Taufname war einer der gebräuchlichsten Frauennamen, und der meine war weit entfernt zu den gewählteren Männernamen zu gehören. Betrachtet man nun die verschiedenen Gelegenheiten wo wir uns sahen, so waren sie niemals geeignet, ein jeder Erkennen zu ermöglichen, wie es im ruhigen Gespräch geschehen konnte. Wir waren uns überhaupt nur vier Mal begegnet, das eine Mal auf der Brücke, dann in Edinburgh und zwei Mal noch in London. Die überwältigenden Sorgen und Interessen des Augenblicks hatten bei allen diesen Gelegenheiten ihre Gedanken, wie die meinen in Anspruch genommen und ihre, wie meine Worte beeinflusst. Wann hätten die Ereignisse, die uns zusammenführten, uns Ruhe und Muße genug gelassen, um gemächlich auf unser Leben zurückzublicken und die Gegenwart ruhig mit unseren Jugenderinnerungen zu vergleichen? Niemals! Der Lauf der Ereignisse hatte uns vom Beginn bis zum Ende von jedem Resultate weiter und weiter entfernt, das auch nur zu einer Vermutung der Wahrheit hätte führen können. Als sie mir bei ihrer Abreise von England schrieb und während ich ihren Brief las, konnten wir beide nur annehmen, dass wir uns am Flusse dort zuerst gesehen hatten, und dass nun unsere Lebenswege auseinander gingen und wir für immer getrennt waren.Her mock-marriage had changed her surname. My step-father's will had changed mine. Her Christian name was the commonest of all names of women; and mine was almost as far from being remarkable among the names of men. Turning next to the various occasions on which we had met, had we seen enough of each other to drift into recognition on either side, in the ordinary course of talk? We had met but four times in all; once on the bridge, once again in Edinburgh, twice more in London. On each of these occasions, the absorbing anxieties and interests of the passing moment had filled her mind and mine, had inspired her words and mine. When had the events which had brought us together left us with leisure enough and tranquillity enough to look back idly through our lives, and calmly to compare the recollections of our youth? Never! From first to last, the course of events had borne us further and further away from any results that could have led even to a suspicion of the truth. She could only believe when she wrote to me on leaving England--and I could only believe when I read her letter--that we had first met at the river, and that our divergent destinies had ended in parting us forever.
Nun ich in späteren Tagen ihren Abschiedsbrief im Lichte meiner gereiften Erfahrung wieder lese, sehe ich erst ein, wie wunderbar Dame Dermodys Glaube an die Einheit des Bandes, das unsere verwandten Geister verknüpfte, durch den Erfolg gerechtfertigt worden ist.Reading her farewell letter in later days by the light of my matured experience, I note how remarkably Dame Dermody's faith in the purity of the tie that united us as kindred spirits was justified by the result.
Nur wenn meine anerkannte Mary von van Brandt getrennt war, also mit anderen Worten, nur wenn sie ein reiner Geist war, geschah es, dass sie meinen Einfluss wohltuend auf ihr Leben wirken fühlte, und dass ihre Erscheinung mit mir in ihrer sichtbaren und vollkommen ähnlichen Gestalt verkehrte. Und wo träumte ich meinerseits je von ihr als in Schottland, und wo fühlte ich im wachen Zustande die geheimnisvolle Mahnung ihrer Gegenwart als auf Shetland? Immer also nur dann, wenn meine Herz sich ihr und Anderen am innigsten erschloss, wenn mein Geist am freiesten von den bitteren Zweifeln und den selbstsüchtigen Bestrebungen war, die die Gottheit in uns erniedrigen. Dann, aber eben nur dann war meine Übereinstimmung mit ihr jene vollendete Sympathie, die, unerreicht von Zufällen und Wechseln, von den Täuschungen und Versuchungen dieses Lebens, die Treue hält.It was only when my unknown Mary was parted from Van Brandt--in other words, it was only when she was a pure spirit--that she felt my influence over her as a refining influence on her life, and that the apparition of her communicated with me in the visible and perfect likeness of herself. On my side, when was it that I dreamed of her (as in Scotland), or felt the mysterious warning of her presence in my waking moments (as in Shetland)? Always at the time when my heart opened most tenderly toward her and toward others--when my mind was most free from the bitter doubts, the self-seeking aspirations, which degrade the divinity within us. Then, and then only, my sympathy with her was the perfect sympathy which holds its fidelity unassailable by the chances and changes, the delusions and temptations, of mortal life.


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