In der Dämmerstunde

Die Erzählung des Professors von der gelben Maske



Viertes Kapitel.

Signor Andrea d’Arbino suchte seinen Freund Fabio vergeblich durch alle Räume, bis er endlich auch auf den Korridor kam, wo er Fabio allein und in einer tiefen Ohnmacht auf dem Boden liegend fand. d’Arbino wollte die Gäste nicht mit diesem Vorfall bekannt machen und er ging nach dem Vorzimmer, um sich nach einer Hilfe umzusehen. Kavalier Finello ließ sich gerade seinen Mantel umgeben, um sich zu entfernen.

Die beiden Herren trugen Fabio in das Vorzimmer, dessen Fenster sie öffneten. Ein Diener wurde nach Eiswasser ausgeschickt. Diese leichten Hilfsmittel brachten Fabio zu sich selbst zurück. — Er blickte seine Freunde verwirrt an.

»Ich fand Sie ohnmächtig im Korridor,« sagte d’Arbino, »was ist Ihnen begegnet? War die Hitze zu groß?«

Fabio schien seine Gedanken zu sammeln, dann zeigte er auf den Diener. —

Die Herren schickten ihn hinaus.

»Es war nicht die Hitze,« sagte Fabio mit schwerer Stimme, »ich sah — das Gesicht meiner verstorbenen Gattin hinter der gelben Maske!«

»Wirklich!«

»Ja, wirklich! Es war das Gesicht der Toten!«

»Wirklich, Ihrer Gattin?«

»Ja,« fuhr Fabio fort, »ich sah sie nicht, wie sie in den Tagen strahlender Jugend und Schönheit aussah; nicht wie sie auf ihrem Krankenbett aussah, sondern so, wie sie in ihrem Sarg lag!«

»Graf! Graf! Sammeln Sie Ihre Gedanken. Es ist gewiss nur Ihre lebhafte Phantasie, die Ihnen das vorspiegelt?«

»Ersparen Sie mir Weiteres! Ich bin entschlossen, das Geheimnis zu ergründen. Wollen Sie mir dazu behilflich sein? Meine Kraft allein dürfte jetzt kaum dazu ausreichen!«

»Wir werden Ihnen getreu beistehen,« sagten die Herren, die jedoch nicht daran zu glauben schienen, was Fabio ihnen mitgeteilt hatte. Sie hielten es wahrscheinlich nur für eine Fieberphantasie.

»Was wünschen Sie, dass wir jetzt zunächst tun?« fragte Finello.

»Die Gestalt muss durch dieses Zimmer gekommen sein« fragen wir zunächst den Diener, ob er Etwas von ihr gesehen hat.«

Der Diener verneinte es.

Die beiden Herren fragten alle Diener, keiner von ihnen hatte die gelbe Maske gesehen.

Zuletzt wurde der Portier gefragt, und dieser berichtete, dass vor einer halben Stunde eine gelb gekleidete Dame fortgefahren sei.

»Kennen Sie vielleicht den Kutscher?« fragte man ihn.

»O gewiss, er ist ein alter Freund von mir, ein sogenannter Miethskutscher.«

»Und wissen Sie, wo er wohnt?«

»Ja, sehr genau!«

»Gut, so lassen Sie gefälligst einen Andern hier Ihren Posten versehen und führen Sie uns zu dem Manne.«

Der Portier führte die drei Herren durch einige Straßen und zeigte Ihnen endlich das Haus und den Stall, wo der Kutscher eben seine Pferde hinein führte.

d’Arbino reichte dem Manne etwas Geld und fragte:

»Sie fuhren eben eine Dame in gelben Kleidern von dem Balle nach Hause, wohin brachten Sie sie?«

»Ja, Herr, ich war für den ganzen Abend gemietet, ich fuhr sie zu dem Balle und zurück.«

»Wo, wo wohnt sie?«

»An einem sehr sonderbaren Orte,« antwortete der alte Kutscher, »auf dem Kirchhofe von Campo Santo.«

Fabio stand zwischen den Herren; als er dies hörte, stieß er einen Schreckensschrei aus und stützte sich auf seine Freunde.

»Und wohin fuhren Sie jetzt die Dame?« fragte d’Arbino.

»Zu derselben Stätte,« entgegnete der Kutscher.

Fabio ließ seine Freunde los und sank auf seine Knie; es sah aus, als wenn er beten wollten.

»Warum ist er wieder so bewegt?« fragte Finello.

»Du weißt ja, antwortete d’Arbino, »dass er hinter der gelben Maske das Gesicht seiner verstorbenen Frau erblickt hat.« —

»Ja! Aber weiter!«

»Diese ruht auf dem Friedhof von Campo Santo.


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