In der Dämmerstunde

Die Erzählung der Nonne: Gabriels Hochzeit



Fünftes Kapitel.

In Frankreich hörte bald nach den Ereignissen, die im letzten Kapitel erzählt wurden, das Schreckensregiment auf und mit ihm endigte auch die Verfolgung der Christen in der Bretagne.

Unter den verschiedenen Vorschlägen, die von dem Parlamente zur Verbesserung der Verhältnisse in der Bretagne gemacht wurden, befand sich einer, der die Wiederherstellung der Kreuze an den öffentlichen Wegen, Landstraßen u.s.w. Befürwortete. Es war nachgewiesen, dass sich die Zahl der vernichteten Kreuze auf Tausend belief und dass die bloße Anschaffung des Holzes zu denselben, der jetzt so zu Grunde gerichteten Bevölkerung sehr schwer fallen dürfte.

Während die Verhandlung darüber noch schwebte, hatte sich bei der Regierung Jemand gemeldet, die Arbeit der Kreuzherstellung zu übernehmen. —

Als Gabriel mit seinen Geschwistern die Fischerhütte verlassen hatte, um ferner im Hause seines Schwiegervaters zu wohnen, verließ auch Francois Sarzeau seine alte Wohnung, um das Versprechen zu erfüllen, welches er Vater Paulus gegeben hatte. Monate lang hatte er schon an seiner Besserung gearbeitet, ohne zu ermüden, hatte Gutes getan, wo er es nur vermochte und Hilfe geleistet, ohne Lohn dafür zu beanspruchen.

Er wanderte Meilen weit und demütigte sich selbst so, dass er um Holz bettelte zu einem einfachen Kreuz. Niemand hörte ihn klagen oder sich über die Mühseligkeiten beschweren.

Trockenes Brot und Wasser, welches er sich auch erbetteln musste, bildeten seine Nahrung, aber er war damit zufrieden.

Die Nachbarn glaubten, sein Leben würde durch ein Wunder verlängert werden, bis er die ganze Bretagne von einem Ende bis zum anderen durchreist und überall die Kreuze wieder aufgerichtet haben würde. — Dies sollte sich jedoch nicht bestätigen.

An einem kalten Herbstabende hatte man ihn, wie gewöhnlich, bei seiner Arbeit gesehen. Er richtete eins seiner selbst fabrizierten Kreuze auf, wo die Revolution ein solch heiliges Symbol in Splitter geschlagen hatte. Am Morgen danach fand man den Mann tot unter dem Kreuze, das er selbst geschnitzt hatte.

Man begrub ihn an der Stelle, und der Priester, der die Stätte weihte, erlaubte, Gabriel eine Grabschrift auf das Kreuz zu setzen. Zuerst kam der Name des Toten und diesem folgten die Worte: »Betet für die Ruhe seiner Seele. Er starb als ein Büßender und bei dem Ausüben guter Werke.«

Zuweilen hörte Gabriel Etwas über Vater Paulus durch Briefe, die er an die Bewohner des Pächterhauses richtete.

Sein letztes Schreiben war aus Rom und Paulus meldete darin, dass die Dienste, welche er der Kirche in der Bretagne geleistet habe, zu seinen Oberen nach Rom berichtet worden wären, und dass er nun durch sie an die Spitze einer Mission gestellt sei, welche den christlichen Glauben unter den Heiden verbreiten sollte.

Er nahm nun Abschied von seinen Bekannten in dieser Welt, denn es war sicher anzunehmen, dass die Priester, welche dieser Mission beitraten, ihr Leben wagen mussten, um für das Christentum zu ernten. — Er sandte Francois Sarzeau, Gabriel und der ganzen Familie seinen Segen und ein letztes Lebewohl.

Der Brief hatte ein Postskriptum für Perrine, welches diese oft mit Tränen in den Augen las. Es war des Priesters Wunsch, dass, wenn sie einst Kinder haben würde, so möchte sie dieselben beten lehren, dass das Werk unter den Heiden gefördert werden möge.

Des Priesters Bitte ist nie vergessen worden. Als Perrine ihr erstes Kind das erste Gebet lehrte, lallte dieses auf den Knien der Mutter ihr nach: »Gott segne und schütze Vater Paulus!«

Mit diesen Worten schloss die Nonne ihre Erzählung, dann zeigte sie auf das hölzerne Kreuz und sagte zu mir: »Es ist dies eins der Kreuze, welche der reuige Sünder verfertigte. Dasselbe wurde vor einigen Jahren so verwittert gefunden, dass es nicht länger an seinem alten Platze bleiben konnte. Ein Priester aus der Bretagne schenkte es einer unserer Nonnen. Wundern Sie sich nun noch darüber, dass die Mutter Priorin es eine Reliquie nennt?«

»Nein!« antwortete ich. »Im Gegenteil, ich finde, dass die Frau Priorin den besten Namen für das hölzerne Kreuz erfand, den es für dasselbe geben konntet.«


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