In der Dämmerstunde

Die Erzählung der Nonne: Gabriels Hochzeit



Viertes Kapitel.

Während Gabriel an Geist und Körper litt, wurde die Bretagne von einem großen öffentlichen Übel heimgesucht, welches den Schmerz des Einzelnen weit überragte.

Die französische Revolution hatte eben ihren Höhepunkt erreicht. Die Männer, welche an der Spitze der Republik standen, hatten mit kühner Hand die alte beglückende Religion auslöschen wollen. Sie hatten die Symbole des Glaubens zerstört oder zerstören lassen. Die Soldaten der Republik waren schon auf dem Weg zu der Bretagne; die Befehlshaber hatten den Auftrag, Alles zu zerstören, was an das Christentum erinnere.

Die rauen Männer führten die Befehle ihrer Vorgesetzten nur zu pünktlich aus. Kirchen wurden zerstört, Altäre umgestürzt und Kapellen entweiht. Überall aber wurden die Kreuze total vernichtet. Die entsetzliche Guillotine tötete sowohl in den Dörfern der Bretagne wie in Paris. Frauen, Kinder und Priester, die im Gebet betroffen wurden, wurden hingerichtet. Die Zügellosigkeit waltete in ihrer furchtbarsten Gestalt überall verheerend, vernichtend, Unglück bringend.

Aber trotzdem, dass rohe Menschenkinder das Christentum mit Füßen traten, sprießte es wie frisches Grün unter diesen grausamen Füßen wieder hervor, die Menschen neu stärkend und kräftigend.

Die Beorderten der Republik waren gekommen, die Bretagne zu einer Abtrünnigen der Kirche zu machen und sie verließen sie — als eine Märtyrin. Die Bretagne blieb der Mutter Kirche treu bis in den Tod.

Während dieser entsetzlichen Zeit blieb Gabriel eines Abends außergewöhnlich lange bei Perrine in dem Häuschen ihres Vaters. Er war jetzt oft bei seiner Braut. Der Aufenthalt bei dem Pächter entschädigte ihn allein für die raue Behandlung, die er in der väterlichen Hütte erlitt.

Gerade als er sich entfernen wollte, winkte ihm der Vater seiner Braut und bedeutete ihn, dass er noch mit ihm zu sprechen habe.

Die Männer setzten sich an den Kamin und der alte Mann sagte zu seiner Tochter:

»Mein Kind, lass uns jetzt allein. Ich habe mit Gabriel zu sprechen. Gehe zu Deiner Mutter in das andere Zimmer!«

Vater Bonan fragte Gabriel, ob er seine Braut noch immer so zärtlich liebe wie früher, da eine seltsame Veränderung in seinem ganzen Wesen sich kundgebe.

Gabriel antwortete treu und offen, dass seine Liebe dieselbe geblieben sei.

Vater Bonan glaubte ihm dies auch, forschte aber weiter. — Endlich erklärte er dem jungen Manne, dass er schon seit einiger Zeit die begründete Furcht hege, auch ein Opfer der religiösen Verfolgung zu werden, denn er habe gehört, dass sein Name mit auf der Liste derjenigen verzeichnet stehe, die dem alten christlichen Glauben treu geblieben seien und deshalb sterben müssten. »Mein Kind fuhr Vater Bonan fort, »würde ohne Stütze bleiben, wenn ich in dieser Zeit urplötzlich von ihr gerissen würde; darum gedenke ich Euch nun schleunigst zu verbinden. — Komme morgen wieder, ich werde dann bereits den Hochzeitstag festsetzen können,« schloss Bonan.

Auf dem Wege zu seiner Behausung drückte Gabriel sein Geheimnis mehr als je. Er ging mit sich zu Rate, ob es nicht besser sei, dem alten Bonan das Ganze zu entdecken, damit dieser nicht zu spät bereuen möge, ihm die Tochter gegeben zu haben. Doch, durfte er seinem Vater dies auch antun? —

Als er die Fischerhütte erreicht hatte, fand er Francois nicht mehr zu Hause. Er hatte seinen Kindern gesagt, dass er erst am nächsten Morgen nach neun Uhr zurückkommen würde.

Gabriel ging des Morgens wieder zu dem Pächterhause und er war nun fest entschlossen, dem Vater Perrine’s nichts zu sagen, weil dieser Zweifel hegen würde für das zukünftige Glück seines Kindes.

Gabriel reichte dem Alten die Hand und harrte ängstlich darauf, welcher Tag für seine Vermählung mit Perrine festgestellt werden würde.

»Es bleibt uns nur eine kurze Frist zur Wahl,« sagte Vater Bonan, »denn ich habe heute erfahren, dass die Zerstörer unserer heiligen Stätten und Symbole dieser Gegend jetzt nahen. Da mein Name den Schrecklichen schon bekannt ist, so werden sie nicht zögern, mich zu töten, darum will ich mein Kind schnell versorgen. Diesen Abend soll des Priesters Segenshand Euch verbinden. Ihr sollt getraut werden nach allen Vorschriften unserer heiligen Religion, bevor die Umsturzmänner unsere friedliche Gegend betreten. Höre jetzt aufmerksam zu, Gabriel, ich will Dir sagen, wo die Trauung stattfinden soll. Doch ich muss vorher noch Etwas berichten. Nicht lange vor der Zeit der Kirchenzerstörung in der Bretagne, wurde ein sehr würdiger und frommer Priester, gewöhnlich Vater Paulus genannt, in einem der nördlichen Distrikte der Bretagne angestellt. Er erwarb sich das Vertrauen und die Verehrung s einer Pfarrkinder in einem so hohen Grade, dass er weit über seinen Kirchensprengel hinaus rühmlich bekannt war. Seitdem jedoch die religiösen Verfolgungen ausgebrochen waren, wurde der Name noch berühmten denn er scheute weder Gefahren noch den Tod und stand den Menschen, die nach den Tröstungen der Kirche Verlangen hegten, mit der größten Uneigennützigkeit bei. Wo Not und Gefahr am ärgsten waren, fand man den unerschrockenen gottesfürchtigen Mann. Da er bisher den Gefahren so glücklich entronnen war, fing das abergläubische Volk an, ihn als ein etwas überirdisches Wesen zu betrachten. Es gab auch wirklich nichts Ehrwürdigeres als den Vater Paulus mit seinem freundlich milden, ruhigen Gesicht, seinem schwarzen Priesterkleid und dem weißen Kruzifix von Elfenbein in seiner Hand.

»Nachdem der Priester eines Morgens noch in einer zertrümmerten Kirche eine Messe gelesen hatte und kaum durch schnelle Flucht dem Tode entgangen war, da die Männer der Republik nach ihm fahndeten, war er verschwunden, seine Freunde forschten weit und breit nach ihm, aber sie hörten nichts mehr von dem frommen Mann.

»Schwere Tage waren über die Bretagne gekommen und der Priester wurde als tot betrauert.

»Eines Tages erblickten Fischer an der nördlichen Küste ein leichtes Fahrzeug; es gab ein Zeichen, dass es landen wolle. Sie kamen dem Schiff zu Hilfe und entdeckten zu ihrer freudigsten Überraschung den Vater Paulus auf dem Verdeck.

»Der Priester war zu seinen Pfarrkindern zurückgekehrt, da er aber nicht auf dem Lande predigen durfte, hatte er ihnen auf dem Schiffe einen neuen Altar aufgerichtet. Vater Paulus und noch ein Priester hatten ihrer Gemeinde auf der See eine neue Kirche erbaut; dort konnten die Kinder getauft, die Ehen gesegnet und die Toten ihre Weihe erhalten. Das heilige Schiff unterhielt sich durch Zeichen mit der frommen Gemeinde auf dem Lande und trieb Segen spendend von Distrikt zu Distrikt.«

An dem Morgen, als Gabriel zu dem Pächterhause ging, hatte das Schiff eben sein Zeichen aufgesteckt — Die Bewohner wussten, dass sie der Abend auf dem Schiffe zu einem Gottesdienste vereinigen werde.

Vater Bonan wünschte deshalb, dass die Trauung nun auch heute auf dem Schiffe stattfinden sollte.

Am Abend setzten sich Vater Bonan, seine Frau, das Brautpaar, alle Geschwister Gabriels und alle Bekannte, mit Ausnahme von Francois Sarzeau, zu dem Schiffe in Bewegung.

Es war seit langer Zeit der schönste Abend.

Der Himmel war blau und die See ruhig wie ein Spiegel, die Leute warteten sehnsüchtig auf das Nahen des Schiffes; man sah es langsam kommen. — Die großen Wellen schienen unten auf dem Sande zu schlafen und ihre kleinen Schwestern schaukelten das Schiff sanft herüber. — Der Mond stand hoch am Himmel, die wunderbare Ruhe beleuchtend, als das Schiff die Anker auswarf.

Auf dem Schiffe riefen leise Glockenklänge die Gläubigen herbei. Die Boote der Gemeinde nahten sich dem Schiffe, die Leute stiegen hinauf.

Die Lampe am Altar vermischte ihren roten Schein mit dem gelben Mondlicht.

Zwei Priester im Ornate erwarteten die kleine Gemeinde. Ein dritter Priester empfing die Ankommenden. Wer ihn auch nicht früher gekannt hatte, musste an seinem unzertrennlichen Begleiter, dem elfenbeinernen Kruzifix, sogleich in ihm den Chef der Christen in der Bretagne erkennen, den guten, unermüdlichen Vater Paulus.

Gabriel hatte sich den viel geliebten Mann gewiss bejahrter vorgestellt und wunderte sich, dass er nur ein wenig älter als er selbst war.

Das milde Gesicht des Priesters war so vertrauenerweckend, dass die kleinen Kinder sich gleich zu ihm begaben und Jung und Alt strömte ihm freudig zu.

Niemand sah es diesem ruhigen, zufriedenen Gesicht an, welch großen Gefahren Vater Paulus schon ausgesetzt gewesen war.

An seiner Stirn hatte er eine kaum geheilte Säbel-wunde. Er hatte diese Wunde vor dem Altar erhalten und man würde ihn getötet haben, wenn ihn nicht einige Bauern aus den Händen der Soldaten der Republik errettet hätten.

Der Gottesdienst begann. Seit der Zeit, wo die ersten christlichen Gemeinden sich in Höhlen und Katakomben verstecken mussten, ihrem Gott zu dienen, seit der Zeit der Heidenverfolgungen gegen die Christen war wohl nie feierlicher und gläubiger gebetet worden, als auf dem Schiffe.

Es war weder Pracht noch Herrlichkeit durch Menschen hier hergebracht, nur die Natur schien in ihrer erhabenen Schönheit den Tempel zu umgeben, wo Gott angebetet. Sein Dach war der weite Himmel, der glänzende Mond und die zahllosen Sterne seine Leuchte. Die heilige Ruhe der Nacht allein bildete die Mauern dieser Stätte.

Alle die hier zusammengekommen waren, gaben sich ruhig und glücklich dieser Andachtsstunde hin; nur Gabriels Herz blieb nicht frei von Unruhe, er blickte bald auf seine Braut, bald auf ihren Vater, dann wieder auf Vater Paulus. Oft seufzte er tief und schwer. Als er niederkniete um mit der Gemeinde zu beten, fühlte er tief und schwer, dass er seine unruhigen Gedanken durch die heilige Beichte hätte mildern können. — Er weinte still vor sich hin, obgleich er sich bemühte den Tränenstrom aufzuhalten, floss er reich und voll über seine bleichen Wangen. Perrine sah ihn ängstlich an, aber es war unmöglich jetzt zu ihm zu sprechen.

Plötzlich fühlte Gabriel wie eine Hand leicht seine Schulter berührte. Er blickte auf, Vater Paulus stand neben ihm. Er bat ihn, ihm zu folgen und führte ihn dann zu einer Kabine des Schiffes und verschloss die Tür sorgfältig.

»Sie haben Etwas auf dem Herzen,« sagte der Priester ruhig. »Ich möchte Sie davon befreien. Wollen Sie mir es mitteilen?«

Als Gabriel die freundlichen Worte vernahm und das einnehmende Gesicht des Priesters beobachtete, schien es, als bewege sich schon die Last von seiner Seele.

Er beichtete dem Priester Wort für Wort, was er an dem Todtenbette des Großvaters vernommen hatte.

Kaum hatte er ausgesprochen, da fragte ihn der Priester nach Namen und Wohnung.

Während Gabriel noch sprach, legte Paulus seine Hände über das Kreuz und schien selbst inbrünstig zu beten.

Als Gabriel den »Kaufmannstisch« beschrieben und von seines Vaters Benehmen nach dem Tode des Großvaters gesprochen hatte, fragte er den Priester, ob er glaube, dass es keine große Sünde sei, dass er doch immer aufs Neue Zweifel an der Rechtschaffenheit seines Vaters hege.

»Blicken Sie mich jetzt an und hören Sie!« sagte der Priester. »Ich kann alle Ihre Zweifel lösen: Ihr Vater ist des Verbrechens wirklich schuldig, aber der Mann, der getötet werden sollte, lebt! Ich kann es beweisen.«

Gabriels Herz schlug laut und eine erstarrende Kälte kam über ihn als er sah, wie Vater Paulus seinen Hals entblößte.

In diesem Augenblick verstummte der Gesang der Gemeinde. Es betete ein Einzelner. — Der Priester löste die Halsbedeckung und zeigte dem jungen Mann eine kaum noch sichtbare Stichwunde. Er wollte sprechen, aber drinnen ertönte das Glöcklein; die heilige Messe hatte ihren Höhepunkt erreicht. Der Priester hob eben das hochwürdige Gut in die Höhe. Die heilige Hostie glänzte über der demütig knienden Gemeinde. Der Priester legte seinen Arm um den Jüngling und beide knieten nieder.

Weiter empfand Gabriel nichts. — Er kam erst wieder zur Besinnung als der Mann, den sein Vater hatte töten wollen, ihm kaltes Wasser ins Gesicht sprengte, um ihn wieder zum Leben zu erwecken.

Drinnen sang die Gemeinde das Agnus Dei: »O Du Lamm Gottes, das Du hinweg nimmst die Sünden der Welt, schenke uns den Frieden.

»Sehen Sie mich an, ohne Furcht, Gabriel!« sagte der Priester. »Ich wünsche nicht Unrecht zu rächen. Ich übertrage die Sünden der Väter nicht auf die Kinder. Hören Sie was ich Ihnen Seltsames mitzuteilen habe. Ich habe hier eine heilige Mission zu erfüllen, in welcher Sie mich unterstützen sollen.«

Gabriel wollte kniend die Hände des Priesters küssen, aber dieser wies ihn zu dem Kreuz und sagte! »Kniet dort nieder, nicht aber vor mir, dem schwachen Sterblichen! Nicht vor mir Eurem Freunde! Ja, Gabriel, ich will Ihr Freund sein, weil ich glaube, dass Gott es so gefügt hat.«

»Der Gottesdienst naht seinem Ende, ich muss schnell sein. Der Verirrte den Sie mir zuführen sollen, muss noch vor dem Grauen des Tages benachrichtigt werden. Jetzt hören Sie:

»Das Geständnis Ihres Großvaters ist wahr, Wort für Wort! Ich nahte mich an jenem Abend Ihrer Hütte und suchte dort ein Nachtlager. Ich bereitete mich in jener Zeit zu meinem Stande vor; nachdem meine Studien vollendet waren, machte ich eine Fußreise durch die Bretagne Als ich Ihren Vater vor seiner Tür erblickte, hatte ich mich vom rechten Wege verirrt und war sehr müde geworden.

»Jetzt nehmen Sie Ihren Mut zusammen, Gabriel, aber ich muss Ihnen Alles sagen. Ich erinnere mich an Nichts was von der Zeit meines Einschlafens geschehen ist, bis ich unter dem Stein, den Sie den Kaufmannstisch nennen, erwachte. Als ich meine Augen öffnete, sah ich den mächtigen Stein über mir und an jeder Seite von mir Männer, die meine Taschen durchsuchten. Da sie nichts Wertvolles fanden, wollten sie mich liegen lassen, wo ich lag. Ich nahm meine Kraft zusammen und bat sie, mich gegen künftigen guten Lohn an einen Ort zu bringen, wo ich geheilt werde könnte. Sie prüften meine Kleider und die Wäsche, die ich trug und sprachen dann heimlich mit einander. Endlich sagte der Eine: Nun, wir werden es wagen! Dann trugen sie mich in ein kleines Boot und brachten mich nach Paimboeuf, wo ich dann auch ärztliche Hilfe fand.

»Ich erfuhr von den Männern, dass sie Schmuggler seien und dass sie ihre geschmuggelten Waren stets unter dem Druiden-Stein verbargen. Sie sagten mir, dass sie mich mit der Schnittwunde ohnmächtig gefunden hätten und dass nur die Kühle der Nacht mich vor dem sicheren Tode bewahrt habe.

»Noch langer Krankheit kam ich nach Paris und trat mein Priesteramt dort an; aber ich hegte den Wunsch, hier in der Bretagne angesiedelt zu werden. Wissen Sie warum, Gabriel?«

Gabriel antwortete zwar nicht, aber er wusste wohl warum.

»Ich wusste sehr wohl, durch wen mein Leben in Gefahr gekommen war, aber ich teilte den Vorfall Niemandem mit, selbst nicht meinen Freunden, denn ich wünschte nicht, dass irdische Justiz den Mann richten sollte, der mich hatte töten wollen. Ich trachtete allein darnach, ihn einst zur Reue und zur Buße zu bewegen, sobald ich Gelegenheit dazu finden würde.

»Mein Wille war jedoch von meiner Pflicht abhängig; es brach diese schwere Zeit auf die Kirche und ihre Gemeinde ein. Ich ging zwar in die Bretagne, doch musste ich zunächst an andern Orten wirken.

»Jetzt bin ich nun hier, Gabriel, mein Werk kann beginnen. Sie müssen mich in die Hütte zu Ihrem Vater führen, sobald der Gottesdienst vorüber sein wird.«

Er hielt Gabriel seine Hand hin, als gerade der Priester seinen Segen sprach. Vater Paulus öffnete die Tür der Kabine. Als sie die Stufen hinabstiegen, begegnet ihnen Vater Bonan. Der alte Mann blickte besorgt auf seinen Schwiegersohn und sagte dem Priester einige Worte ins Ohr. Vater Paulus antwortete in demselben Tone.

»Er hat mich gefragt, ob vielleicht ein Hindernis für die Ehe eingetreten ist. Ich antwortete ihm mit »nein«, denn Sie haben mir ja Ihr Geheimnis als Beichte anvertraut und das Geheimnis bleibt nur unter uns,« sagte der gute Priester. »Vergessen Sie nicht, wohin Sie mich nach der Trauung führen sollen. Doch wo ist Perrine?«

Das junge Mädchen kam. Der Priester legte ihre Hand in die Gabriels und sagte: das Paar möge ihn nur an dem Altar erwarten.

Eine Stunde war seitdem vergangen. Der Gottesdienst war lange vorüber, die Boote waren ans Land zurückgekehrt. Das Schiff ankerte aber noch, denn Pater Paulus war nicht an Bord; es erwartete ihn ein Boot am Strande. Der Priester hatte das Schiff mit Gabriel allein verlassen.

Dieser hatte seine Geschwister unter der Aufsicht seiner jungen Frau gelassen, während er und Paulus schweigend der Fischerhütte zuschritten. Der Priester hielt sein weißes Kreuz gegen die Brust. Sie hatten die Tür der Hütte erreicht.

»Klopfen Sie an und erwarten Sie mich hier!« sagte Paulus.

Die Tür wurde geöffnet. In dem lieblichen Mondschein, wie vor Jahren, stand jetzt Francois Sarzeau vor dem Manne, dessen blutenden Körper er einst über diese Türschwelle fortgetragen hatte.

Er erkannte ihn nicht.

Pater Paulus trat vor und nahm seinen Hut ab.

Francois blickte ihn entsetzt an und trat einige Schritte zurück, dann stand er bewegungslos und sprachlos still. Die ruhige klare Stimme des Priesters sagte: »Ich bringe Euch eine Botschaft des Friedens und der Vergebung von Eurem Gast!« Er zeigte dabei auf die Stelle, wo er verwundet worden war.

Gabriel sah, dass sein Vater am ganzen Körper zitterte. Sein Mund zuckte, als wenn er sprechen wollte, aber der ganze Mann schien erstarrt zu sein.

Gabriel musste sein Gesicht fort-wenden, aber er hörte, dass der Priester sagte: »Wartet, ich komme zurück!« — Paulus trat näher an Francois heran.

Nun trat wieder banges Schweigen ein. Er hörte nur den Namen Gottes ausrufen, dann wurde die Hütte geschlossen und Gabriel wartete allein draußen vor der Tür.

Gabriel näherte sich dem Fenster.

Er sah, dass der Priester das Kruzifix erhoben hielt, aber er wünschte nichts weiter zu hören und zu sehen; was er gehört hatte, trieb ihn weit fort von dem Fenster.

Nach einer Weile näherte er sich wieder der Tür; weil er etwas Schweres hatte zur Erde fallen hören. Er hörte nur das laute Beten des Priesters.

Einige Minuten später hörte er lautes Wehklagen und eine zweite Stimme. Er lauschte noch eine ganze Zeit. Endlich öffnete sich die Tür und Vater Paulus erschien und führte Francois Sarzeau an seiner Hand. Der Fischer erhob seine Augen nicht zu seinem Sohne, er weinte bitterlich und blickte nicht um sich, sondern folgte der Hand die ihn führte blindlings wie ein kleines Kind.

»Gabriel,« sagte der Priester, »Gott hat meine Handlung hier gesegnet! Ich sage dies zu Ihrem Trost. Ihr Vater wünscht, dass ich Ihnen sage, dass er Ihnen wirklich einst auf dem Wege zu dem Kaufmannstische gefolgt ist, und dass er später die Entdeckung machte, dass kein Beweis seines Verbrechens mehr zu finden war. —

»Ferner soll ich Ihnen, auf Ihres Vaters Wunsch, mitteilen, dass er vorher in meiner und nun auch in Ihrer Gegenwart verspricht, dass er, sobald die Verfolgung der Kirche aufhören wird, — und sie wird aufhören! mit seiner ganzen Kraft und mit der größten Bereitwilligkeit, alle die Kreuze an den Wegen wieder aufrichten wird, welche die Rohheit der Soldaten hier umstürzte, und dass er ferner Gutes ausüben will, wo er es nur vermag!

»Ich habe jetzt Alles getan, was in meiner Macht stand, und jetzt sage ich Euch Lebewohl und nehme das angenehme Bewusstsein mit mir, dass ich Vater und Sohn versöhnt habe. Gott segne Euch und stärke Euch zu guten Werken!«

Der Priester nahm ihre Hände und drückte sie warm, dann ging er der Küste zu.

Gabriel wagte nicht zu sprechen, aber er legte seinen Arm um den Hals seines Vaters.

Beide hielten sich umschlungen und blickten dann lange auf die See, wo das Schiff mit dem frommen Manne dahin segelte.

Dann gingen sie zusammen in ihre Hütte.


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