In der Dämmerstunde

Die Erzählung der französischen Gouvernante von Schwester Rose



Zweiter Teil

Erstes Kapitel

Fünf Jahre sind seitdem vorüber gegangen, dass Herr Lomaque vor dem Hochzeitshaus seine Betrachtungen anstellte. Große Veränderungen waren in der Welt vorgegangen, die größten an dem politischen Himmel Frankreichs.

Was vor fünf Jahren nur ein Ausstand war, war nun zur Revolution herangewachsen, die mächtig Throne, Ansehen und Reichtümer erschüttert hatte. Der Resident jener Zeit hieß Schrecken; sein blutigstes Kleid trug er im Jahre 1794.

Herr Lomaque war auch nicht mehr Gutsverwalter, sondern er war öffentlicher Beamter geworden und saß eben in seinem Dienstzimmer. Es war gerade wieder so ein prächtiger Sommerabend als damals an den Ufern der Seine. Die Fenster des Zimmers standen offen und der Abendwind wehte sanft in das Zimmer. Jedoch Lomaque atmete so schwer, als drücke die Mittags-schwüle auf ihn, sein Gesicht blickte zuweilen ängstlich durch das Fenster auf die Straße.

Die Zeit war zwar ernst genug, eines Mannes Gesicht traurig zu machen. Denn wer konnte in jener Schreckenszeit wohl sicher sein, dass ihm nicht jeder neue Morgen Verrat, Gefangenschaft, Tod bringen würde? Doch Lomaque hatte andere Sorgen. Vor ihm auf dem alten Schreibtische lagen große Stöße Papier; eben hatte er einige Bogen aufgenommen und gelesen, was er las führte seine Gedanken nach dem Landhaus an dem Ufer der Seine zurück.

Schneller als Jedermann es erwartet, hatten sich die politischen Verhältnisse umgestaltet, aber noch schneller waren die Veränderungen für die Privatverhältnisse unserer Bekannten aus dem ersten Teile dieser Erzählung umgestaltet worden. Der Gemahl Rosa’s bemühte sich nicht lange, seiner jungen Frau seinen wahren Charakter zu verbergen. Erst wurde er rücksichtslosen dann vernachlässigte er sie, dann folgten kleine Beleidigungen, die schließlich in Grobheiten übergingen. Die Arme wäre ohne ihres Bruders selbstverleugnende Liebe sicher elend und hilflos geworden.

Als die öffentliche Sicherheit gefährdet war, fand Danville noch andere Beschäftigungen, als sein junges Weib zu quälen, denn er fürchtete, dass er durch die Ansichten seiner Mutter den Revolutionsmännern in die Hände fallen würde. Die alte Dame war ihren Ansichten treu geblieben und durch alle Schrecken der Tage war sie überzeugt, dass die Zeit des alten Regiments wiederkehren würde.

Jahre gingen so vorüber und Danville sah besorgt in die Zukunft. Es war dies eine Zeit, wo der Bruder den Bruder fürchtete. Da man Danville als ränkevoll kannte, so war er als verdächtig bezeichnet; er hätte dies zwar nur den unbedachten und hochmütigen Äußerungen seiner Mutter zuschreiben sollen, allein er glaubte, dass Lomaque es sei, der ihn verdächtigte, und der Gutsverwalter wurde entlassen.

In früheren Zeiten würde ein solches Opfer des Zornes ruiniert gewesen sein, jetzt aber nahm die Commune freudig die entlassenen Diener der großen Herren in ihren Dienst. Lomaque war arm, verschwiegen, nicht zu gewissenhaft, ein sehr guter Patriot, besaß Ehrgeiz und den Heldenmut der Katze; mit diesen Eigenschaften ausgerüstet, ging er nach Paris und hatte auch das Glück, bald einen Posten bei der geheimen Polizei zu finden. Inzwischen mäßigte sich der Ärger und der Zorn Danville’s und er beschloss, seinen alten Verwalter zurückzurufen; allein es war zu spät. Lomaque war nun schon in der Lage, dass er seines Herrn Misstrauen damit vergelten konnte, dessen Haupt unter die Guillotine zu bringen. Danville erhielt anonyme Briefe, welche ihn warnten, keine Zeit zu verlieren, um seinen Patriotismus an den Tag zu legen; ferner möge er seiner unvorsichtigen Mutter Schweigen gebieten, wenn sie nicht ihr Leben verlieren wollte.

Danville wusste sehr gut, dass es zu seiner eigenen Rettung, wie für die seiner Mutter, nur den einzigen Weg gebe, sie aus Frankreich zu schicken.

Wahrscheinlich hätte die Alte ihr Leben eher zehn Mal hingegeben, als auszuwandern, aber ihren Sohn liebte sie doch viel zu sehr, als dass sie den Mut gehabt hätte, ihn auch in Gefahr zu bringen und sie beschloss auf seinen Vorschlag, zu emigrieren, einzugehen; allein sie wollte wissen, was ihr Sohn nun über sich beschlossen habe.

Er zeigte ihr einen Brief, aus welchem sie ersah, dass er Robespierre seine Dienste anbot, um sich als Patriot zu dokumentieren Dies genügte der alten Frau und sie reiste nun getröstet, über Marseille in Begleitung einer Dienerin ins Ausland.

Die Absendung dieses Briefes nach Paris war eigentlich nur ein Art der Großprahlerei Danville’s und es traf ihn wie ein Donnerschlag als die Antwort eintraf, er werde in Folge seines Anerbietens nach Paris gerufen, um seinen Dienst unter der gegenwärtigen Regierung anzutreten. Da galt es nun zu gehorchen, denn es war kein anderer Ausweg mehr möglich. Er ging also nach der Hauptstadt und nahm seine Frau mit sich an den Hauptherd der Gefahren.

Mit Louis Trudaine war er in offener Feindschaft und je mehr jener sich um seine Schwester beunruhigte, je mehr belustigte Danville sich. Treu seiner Liebe und Freundschaft, folgte ihr aber auch ihr Bruder nach Paris. Die Tage der Schreckenszeit halfen denn aber auch den Geschwistern wieder zur Vereinigung. Danville trat seinen neuen Posten sehr ängstlich an, umso mehr da er bald erfuhr, dass es eine Beamtenstelle der geheimen Polizei sei, wo auch Lomaque als Chef-Agent angestellt war. Robespierre kannte seine Leute, er wusste, Danville hatte Geld und Platzkenntnisse, und so musste er sich sehr nützlich machen können, wenn er wirklich ein so guter Patriot war, wie er zu sein vorgab. Außerdem wurden gewöhnlich entlassene Privatbeamte im Dienste der Regierung über ihre ehemaligen Prinzipale gesetzt, denn wer konnte sie wohl besser kontrollieren, als die, welche Gelegenheit gehabt hatten, die Schwächen ihrer Brotherren zu studieren? —

Immer dunkler und trüber wurde das Gesicht Lomaque’s, den wir vor seinem Schreibpulte in der Amtsstube verließen, als er über die fünf vergangenen Jahre nachdachte.—

Der benachbarte Kirchturm zeigte die siebente Abendstunde an und entriss ihn seinem Nachdenken. Er ordnete die Papiere vor sich, blickte dann nach der Tür, als erwarte er, dass Jemand eintrete; da aber alles still bliebe nahm er dasselbe Papier noch einmal in die Hand, welches er vorhin schon so lange geblickt hatte. Die wenigen Zeilen waren in Ziffern geschrieben und lauteten:

»Sie sind benachrichtigt, dass Ihr Oberaufseher Danville die Erlaubnis erhielt, in Lyon einige Geschäfte zu ordnen und dass er erst in ein oder zwei Tagen zurückerwartet wird. Während seiner Abwesenheit beschleunigen Sie die Angelegenheit Trudaine’s und halten Sie sich in Bereitschaft, zu handeln. Jetzt lassen Sie Alles, bis Sie wieder Etwas von mir gehört hoben. Sollten Sie etwas Besonderes über Danville wissen, so senden Sie es mir in meine Wohnung. Ihren Original-Brief habe ich verbrannt.« —

Hier endigte die Schrift. Lomaque steckte das Papier in seine Tasche und seufzte. Das war ein seltenes Zeichen bei ihm.

Plötzlich hörte er Jemand an der Tür und es erschienen acht bis zehn Mann von der »Neuen französischen Inquisition«, die sich längs der Mauer aufstellten.

Lomaque winkte Zweien von ihnen und sagte: »Picard, und Magloire setzen Sie sich an das Schreibpult. Ich bedarf Ihrer, wenn die Anderen abgefertigt sein werden.« Dann händigte er den anderen Männern Pakete, Briefe und verschiedene Papiere ein, die diese schweigend nahmen und sich dann empfahlen. Uneingeweihte hätten vielleicht angenommen, dass es Rechnungen seien, die zum Einkassieren übergeben wurden. Wer konnte auch glauben, dass diese Stückchen Papier Arrest-Befehle, Denunziationen, Todeswarnungen und ähnliche schreckliche Dinge enthielten?

»Nun,« sagte Lomaque, indem er sich zu den zwei Männern wandte, »haben Sie die bewussten Notizen erhalten?« die Männer bejahten »Sie, Picard, sind mit Trudaine’s Privatangelegenheiten betraut. Lesen Sie zuerst.«

Picard zog ein Blatt aus seiner Tasche und las: »Einzelnes über Louis Trudaine, verdächtigt durch den öffentlichen Beamten Danville der Feindschaft der heiligen Sache der Freiheit und der Verachtung der Volkssouveränität. 1. Die verdächtigte Person ist nun überwacht und ihre Handlungen werden aufgezeichnet Louis Trudaine ist zwei Mal in der Nacht gesehen worden, wie er von seinem eigenen Hause nach einem Hause in der Rue der Cléry ging. In der ersten Nacht hatte er Geld bei sich, in der zweiten Papiere. — Er kehrte stets ohne das Mitgebrachte nach Hause zurück. Diese Handlungen sind von einem Manne beobachtet worden, der im Haushalte Trudaine’s angestellt ist, ein Diener aus der Zeit der Tyrannen. Wir können uns dieses Menschen bedienen, die Handlungen Trudaine’s zu überwachen, denn er ist ein guter Patriot. 2. Das Haus in der Rue de Cléry ist zahlreich bewohnt, die Bewohner sind jedoch nicht genug kontrolliert Man kann die Personen, welche Trudaine besucht, nicht so leicht ermitteln, wenn man nicht einer Arrest-Befehl zur Seite hat. 3. Ein solcher Befehl schüchtert die Bewohner jenes Hauses ein und macht sie aufmerksam auf ihre Nachbarn. 4. Der Bürger Danville verlässt Paris für einige Zeit und der Dienst, Trudaine zu überwachen, ist nun von dem Unterzeichneten in die Hände Magloire’s, seines Kameraden gelegt.«

Die Unterschrift lautete: »Picard. Unterschrieben und beglaubigt. Lomaque.«

Nachdem er dieses gelesen, legte der Polizei-Agent das Papier auf den Tisch vor sich. Da er keine weiteren Befehle erhielt, stand er auf und ging hinaus. Lomaque wechselte dabei nicht einen Zug in seinem Gesicht; ja, er klopfte noch immer gleichmäßig mit seinen Fingern leise auf den Schreibtisch vor sich, als er fast mechanisch dem andern Agenten zu lesen befahl. Dieser trug mit trockenem Geschäftston das Folgende vor:

»Einzelnes in der Angelegenheit Trudaine’s. Der Bürger Agent ist beauftragt, Trudaine zu überwachen und meldet 1., dass Trudaine noch einen dritten geheimnisvollen Besuch in der Rue de Cléry machte. Die Maßregeln, welche getroffen wurden, setzten uns in den Stand, noch eine zweite Person zu verdächtigem es ist dies die Schwester Trudaine’s, die Gattin des Bürger-Beamten Danville’s.«

»Armes verlorenes Geschöpf!« seufzte Lomaque und lehnte sich in seinen Armsessel zurück. Magloire war nicht daran gewöhnt, dass seine Berichte von Seufzern begleitet wurden, und er blickte höchst erstaunt in die Höhe. »Gehen Sie weiter, Magloire!« rief Lomaque plötzlich erzürnt. »Wer, zum Teufel! hieß Sie inne halten?« »Ich lese, Bürger!« entgegnete der Polizei-Agent und fuhr fort: .

»Es ist bei Trudaine, wo die Gattin Danville’s geheime Unterredungen mit ihrem Bruder hat. Dieselben geschehen in flüsterndem Tone, man kann also Einiges überhören. Die Schwester muss indes gewarnt sein, denn die Zusammenkünfte finden erst in neuerer Zeit in der Rue de Cléry statt, sie geht stets erst nach ihrem Bruder in ihre eigene Wohnung zurück. 3. Während die sorgfältigsten Maßregeln genommen sind, das Haus in der Rue de Cléry zu überwachen, haben wir in Erfahrung gebracht, dass sein Besuch zu einem Gastwirte Namens Dubois, der in jener Straße in dem bezeichneten Hause im vierten Stocke wohnt, geht. Als Trudaine dort anwesend war, konnte man nicht durch irgend einen Vorwand in das Zimmer der Eheleute eindringen. Ein Polizei-Agent ist beordert, den Platz zu bewachen. 4. Der Gastwirt ist arretiert Er behauptet, nichts über seine Mieter zu wissen. Jedoch ist es verdächtig, dass Bürger und Bürgerin Dubois falsche Reisepässe haben. Wahrscheinlich wollten sie aus Frankreich entfliehen. 5. Trudaine und seine Schwester stehen unter fortwährender Polizeiaufsicht. Der Unterzeichnete erwartet weitere Befehle.

Magloire.

Unterzeichnet: Lomaque.«

Nachdem der Beamte gelesen, legte er das Schriftstück auf den Tisch nieder; da er aber auch vergeblich auf weitere Befehle gewartet hatte, wie sein Vorgänger, stand er ebenfalls schweigend von dem Stuhle auf. »Wenn Bürger Danville nach Paris zurückkommt, wird er sehr überrascht sein, dass er durch die Denunziation seines Schwagers auch gleichzeitig seine eigene Frau in Gefahr brachte?« bemerkte Magloire, noch an der Tür

»Freund Magloire, Ihre Bemerkung klingt wie eine Frage,« sagte Lomaque; »aber merken Sie sich, ich beantworte niemals solche Fragen. Wenn Sie genau wissen wollen, warum Bürger Danville seinen Schwager und somit auch sein Weib anzeigte, so gibt dies eine vortreffliche Beschäftigung für Sie, Bürger, nach Ihren Dienststunden.«

»Ist sonst noch Etwas zu befehlen?« fragte der Beamte.

»Nein, dienstlich nichts mehr, aber ich habe doch Etwas für Sie in Bereitschaft. Setzen Sie sich an das andere Schreibpult Ich habe Sie recht gern, nur fragen Sie nicht!«

Während der Bürger Beamte dieser Aufforderung Folge leistete, zog Lomaque sein Notizbuch hervor und las darin mit Aufmerksamkeit.

Es trug die Überschrift: »Privat-Instruktionen bezüglich Danville’s«, und lautete:

»Der Unterzeichnete lebte lange in dem Hause Danville’s und gibt die Beweggründe an, welche Danville zu der Denunziation seines Schwagers und seiner eigenen Frau geleitet haben mögen. Tatsachen sind: Louis Trudaine widersetzte sich erst, dass Danville seine Schwester heirate; die Hochzeit fand indes doch statt. Danach machte es sich der Bruder zur Aufgabe, das Glück seiner Schwester zu bewachen; er blieb stets in ihrer Nähe. Er ist ein Mann von seltener Entschlossenheit, Geduld und Langmut Er gab seinem Schwager nie Gelegenheit zur Unzufriedenheit oder zum Streite. Er legte ihm im Allgemeinen nie Etwas in den Weg, noch war er ihm bei Unternehmungen hinderlich: deshalb ist also uns begreiflich, weshalb Danville seinen Schwager anklagte. Die Angelegenheit ist also sehr geheimnisvoll«

Lomaque las diese Zeilen bis zu seiner eigenen Unterschrift. Sie waren der Inhalt jenes Papiers, welches er fortlegte, als die Beamten eingetreten waren. Er hatte das Ganze auf ein neues Stück Papier übertragen und wollte es eben siegeln, als an die Tür geklopft wurde. »Herein!« rief er erzürnt, und es nahte sich ihm ein Mann im Arbeiterkleide, welcher ganz und gar mit Staub bedeckt war. Er sagte Lomaque einige Worte leise ins Ohr und ging wieder. Lomaque öffnete noch einmal das Geschriebene und schrieb unter die Unterschrift: »Ich erfahre soeben, dass Danville schon in dieser Nacht hierher zurückkehrt.«

Dann siegelte er den Brief und übergab ihn Magloire. Der Polizei-Agent sah auf die Adresse und verließ das Zimmer. Sie war an »Robespierre, Rue Saint-Honore.«

Als Lomaque allein war, ging er auf und ab und biss sich an den Fingernägeln, dann sagte er: »Danville kommt diese Nacht zurück und die Krisis mit ihm! Trudaine und seine Schwester sind als Verschwörer bezeichnet. Alles was man sieht und hört, soll als schädlich verdächtigt sein.« — Wieder ging er ein paar Mal das Zimmer auf und ab, endlich blieb er an dem offenen Fenster stehen und hielt folgendes Selbstgespräch: »Jetzt sind es gerade fünf Jahre, dass ich mit Trudaine auf jener Bank an den Ufern der Seine saß und dass Schwester Rose dem alten Lomaque Kaffee warm stellte. — Nein, die Beiden kann ich nicht verdächtigen, vielleicht muss ich sie gerade festnehmen lassen? Ach, ich wünschte, diese Geschichte wäre in eine andere Hand als in die meinige gekommen, ich möchte Einiges darum geben.«

Dann kehrte er wieder zu seinem Schreibtisch zurück und begrub sich unter seine Schriften, bald lesend, bald denkend, wie Jemand, der seine eigenen Gedanken los sein möchte, so trieb er es eine Stunde und biss dabei von Zeit zu Zeit in ein Stück trockenes Brot: endlich wurde es dunkler in dem Zimmer.

»Vielleicht haben wir diese Nacht wieder keine Ruhe,« sagte der alte Mann und klingelte nach Licht. Es wurde gebracht. Magloire kehrte auch zurück und hielt ein dreieckiges Briefchen, welches eher einem Liebesbrief glich, als einem Verhaftsbefehl, und ein kleines versiegeltes Päckchen in seiner Hand. Lomaque öffnete; es war mit Robespierres Unterschrift versehen und enthielt in Ziffernschrift die Worte:

»Verhaften Sie Trudaine und seine Schwester diesen Abend und bewachen Sie Danville, wenn er zurück kommt. Ich fürchte, er ist ein lasterhafter Mensch und von allen Übeln hasse ich das Laster am meisten,« »Noch Etwas zu tun für diese Nacht?« fragte Magloire.

»Nur eine Arretierung! Versammeln Sie Ihre Leute, und wenn Sie bereit sind, so lassen Sie einen Wagen vorfahren,« antwortete Lomaque.

»Kaum sind wir nun eben einen Augenblick ruhig bei dem Abendessen, da kommt schon wieder Etwas! Der Teufel hole die Aristokraten! Sie sind so sehr auf die Guillotine bedacht, dass sie nicht einmal einen ehrlichen Menschen seine Mahlzeit einnehmen lassen,« murmelte der Polizei-Agent.

Lomaque machte für sich die Bemerkung: »Jetzt bleibt keine Wahl übrig: Sein Vater rettete den meinigen; er selbst behandelte mich stets als seinesgleichen, und seine Schwester erzeigte mir die Aufmerksamkeit, als wäre ich ein Edelmann gewesen.« —

Er ging zu dem Schreibpulte, zog eine Flasche Ligueur hervor und stärkte sich.

»Ich werde mit dem Alter weichherziger, das merke ich,« sagte er, »Mut! Was sein muss, muss sein! Und wenn ich meinen Kopf wagen sollte, ich kann sie nicht arretieren!«

»Die Kutsche ist bereit!« hieß es.

»Nun, ich gehe!« so tröstete sich der Chef der heimlichen Polizei-Agenten von Paris selbst; blies sein Licht aus und verließ das Zimmer.


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