Amors Pfeil



VII

Wenn ich erzähle, dass Parley einer der Zeugen war, die bei dem Prozess befragt wurden, wird man verstehen, dass man ihn von der ernsten Anklage entlastet hatte, ein (in rechtlichen Worten) 'Begünstiger' gewesen zu sein. Er ging so fest von ihrer Unschuld überzeugt wie je nach London. Sie wurde aufgrund unbestreitbarer Beweise für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

Beim Ende des Prozesses war Parley nicht zu seiner Familie zurückgekehrt; er hatte nicht einmal geschrieben. Seine Frau folgte ihm nach London. Er schien sie kaum wiederzuerkennen.

Der eine Gedanke, der Besitz von ihm ergriffen hatte, war der hoffnungslose Gedanke, eine Begnadigung zu erreichen. Er war gegen jeden anderen weltlichen Gesichtspunkt vollkommen gleichgültig. Unkundige Leute hielten ihn für verrückt. Er schrieb an die Zeitungen; er suchte die Regierungsbüros heim; er erkämpfte sich seinen Weg in das Haus des Richters, der dem Prozess vorgesessen hatte. Ein bedeutender Arzt wurde um Rat gefragt. Nach sorgfältiger Untersuchung verkündete er, dass der Patient vollkommen gesund sei.

Durch den Einfluss von Freunden, die mit den städtischen Behörden vertraut waren, wurde dem armen Kerl Zugang zum Gefängnis verschafft, während die Verbrecherin auf die Hinrichtung wartete. Seine Frau hörte, was während dem Gespräch geschah; aber sie war unfähig, es zu wiederholen; mir oder sonst jemand gegenüber. Derselbe unglückselige Schrei entfuhr ihr immer, wenn sie auf dieses Thema angesprochen wurde. »Oh, fragen Sie mich nicht! Fragen Sie mich nicht!«

Am Abend vor der Hinrichtung brach er in einen Anfall hysterischer Schreie aus. Diesem Ausbruch gewaltiger Emotionen folgte ein kataleptischer Anfall. Mehr als achtundvierzig Stunden vergingen, bis er wieder zu Bewusstsein kam. Man fürchtete, er würde seinen Verstand verlieren, als er die Fähigkeit, zu fühlen und zu leiden, wiedererlangt hatte. Seine Genesung hatte kein solches Ergebnis zur Folge.

Am selben Tag sprach er von ihr mit anderen zum ersten und letzten Mal. Er sagte, sehr leise, mit einer bemerkenswerten Ruhe in seinem Gesicht: »Ist sie tot?« Sie antworteten: »Ja.« Er sagte nichts mehr.

Am nächsten Morgen fragte seine Frau, ob er mit ihr wieder nach Schottland zurückgehen könne. Er war durchaus bereit, alles zu tun, was sie wünschte. Zwei oder drei Tage nach ihrer Rückkehr sah ich ihn. Sein graues Haar war vollkommen weiß geworden; Sein Auftreten war gedrückt; sein Gesicht, voll von lebhaftem Ausdruck in vergangenen Tagen, schien in einen Zustand von unveränderlicher Starre gefallen zu sein. Das war alles.

Nach einer Weile fragte ich seine Frau und seine Kinder, ob sie irgendeine Veränderung zum Schlechteren an ihm bemerkt hatten. Außer dass er sehr still war, bemerkten sie keine Veränderung zum Schlechteren. Er war einmal wieder der gute Ehemann und liebe Vater ihrer vergangenen glücklichen Tage. Sprach er je von der Frau? Niemals.

Ich war nicht ganz befriedigt. Einen Monat später fragte mich Mrs. Parley, ob ich dächte, ein Freund von mir, der einer unserer größten lebenden Ärzte war, könne Benjamin helfen. Ich fragte, was mit ihm los sei. »Er scheint schwächer zu werden«, war die bloße Antwort.

Am selben Tag nahm ich meinen Freund mit zu Parleys Haus. Nachdem er mit dem Patient gesprochen und einige Fragen gestellt hatte, bat er um die Erlaubnis, eine vollständige Untersuchung durchzuführen. Die beiden zogen sich zurück. Als sie zurückkamen, war Mrs. Parley natürlich ein wenig beunruhigt. »Ist da irgendetwas, was nicht in Ordnung ist, Sir?« fragte sie. Und zu meinem Erstaunen antwortete der Doktor: »Nichts, was ich feststellen kann.«

Als wir das Haus verlassen hatten, stellte ich ihm die Frage: »Was bedeutet das?«

»Es bedeutet«, antwortete er, »dass der alte Mann im Sterben liegt; und ich kann nicht feststellen, warum.«

Einmal pro Woche besuchte der große Arzt Parley, wobei er sich immer weigerte, ein Honorar zu nehmen; aber ab und zu fragte er um Erlaubnis, einen befreundeten Arzt mitbringen zu dürfen. Eines Tages besuchte er mich und sagte: »Wenn du zu dem alten Polizeioffizier Lebwohl sagen willst, hast du keine Zeit zu verlieren.« Ich ging am selben Tag zu dem Haus. Parley schlief gerade. Einige Stunden später kehrte ich zurück. Parley war tot. Ich fragte, woran er gestorben war und der Doktor sagte: »Wir haben die Erlaubnis der Witwe, eine Obduktion durchzuführen. Warte ein wenig.«

Ich wartete, bis das Begräbnis vorbei war und kehrte dann auf das Thema zurück.

»Welche Entdeckungen habt ihr bei der Obduktion gemacht?«

»Wir haben keine Entdeckungen gemacht.«

»Aber es muss doch einen Grund für seinen Tod gegeben haben?«

»Ich nannte es auf dem Totenschein Altersschwäche«, antwortete mein Freund. »Ein bloßer Vorwand! Die Verfassung des Mannes war einwandfrei; und er war noch nicht einmal siebzig Jahre alt. Ein Leichenbeschauer hat nichts mit Gefühlsfragen zu schaffen. Ein Doktor ist fest dazu verpflichtet, sich in seinem Attest an Tatsachen zu halten, andererseits -«

Er stockte und zog mich außerhalb der Hörweite der Trauernden, die auf dem Friedhof verweilten.

»Erwähne es nicht bei meinen Kollegen«, sagte er. »Wenn es wirklich so etwas gibt – Benjamin Parley ist an gebrochenem Herzen gestorben.«


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