Armadale



Fünftes Kapitel.

Es war nahe an sechs Uhr, als Allan und seine Freunde das Boot verließen, und schon senkte sich der Abend’ geheimnißvoll und still über die Wasserwüste der »Breiten.«

Das Ufer dieser wilden Gegend glich keinem andern Ufer. So fest dasselbe aussah, war doch der Boden des Gartens vor dem Rohrschneider-Häuschen wankender Boden, der sich unter dem Drucke des Fußes hob und senkte und kleine Sümpfe durchsickern ließ. Die Bootsleute, welche die Gäste führten, mahnten sie, sich streng an den Weg zu halten und deuteten durch offene Stellen im Schilfrohr und in den Weidenbüschen auf Rasenflecke, auf welche Fremde zuversichtlich getreten sein würden und wo doch die Erdrinde über der bodenlosen Tiefe von Schlamm und Wasser nicht stark genug war, nur ein Kind zu tragen. Die einsame, mit Theer überzogene Holzhütte stand auf einem Pfahlroste. Am einen Ende des Daches erhob sich ein kleiner hölzerner Thurm, der in der Entenjagdzeit als Luginsland diente. Von dieser Höhe aus schweifte das Auge weit über die Wasser- und Sumpfwüste dahin. Hätte der Schilfschneider sein Boot verloren, so wäre er von allem Verkehr mit Dorf oder Stadt so vollständig abgeschnitten gewesen, als wenn er statt in einer Hütte auf einem Leuchtschiff gewohnt hätte. Weder er noch seine Familie beklagte sich über diese Einsamkeit oder sah darum im geringsten wilder oder übler aus. Seine Frau empfing die Fremden gastlich in einem gemüthlichen kleinen Zimmer, mit einer Balkendecke und mit Fenstern, die den Kajütenfenstern eines Schiffes glichen. Der Vater seiner Frau erzählte Geschichten aus jenen famosen Tagen, wo die Schmuggler in der Nacht vom Meere heraufkamen, mit gedämpften Rudern durch das Netz von Flüssen ruderten, bis sie die einsamen »Breiten« erreichten und, weit außer dem Bereiche der Küstenwächter, ihre Rumfässer ins Wasser senkten. Seine wilden kleinen Kinder spielten Verstecken mit den Gästen, und erstaunt und entzückt über den neuen Anblick von allem, was sie sahen, gingen diese im Hause und auf dem Stückchen festen Landes umher, auf dem das Häuschen stand. Der Einzige, der auf das Vorrücken des Abends achtete, der Einzige, welcher der fliehenden Zeit und der wartenden Pentecosts im Boote gedachte, war der junge Pedgift. Dieser erfahrene Lootse aus den »Breiten« sah heimlich nach seiner Uhr und zog Allan bei der ersten Gelegenheit auf die Seite.

»Ich möchte Sie nicht treiben, Mr. Armadale«, sagte Pedgift junior, »aber es fängt an spät zu werden und außerdem kommt eine Dame in Frage.«

»Eine Dame?« wiederholte Allan.

»Ja, Sir«, erwiderte der junge Pedgift; »eine Dame aus London, nebst einem, erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, Ponywagen und weißem Geschirr.«

»Gerechter Himmel, die Gouvernante!« rief Allan. »Wie! Wir haben sie ganz vergessen.«

»Aengstigen Sie sich nicht, Sir; wir haben noch vollauf Zeit, wenn wir nur sogleich wieder ins Boot steigen. Die Sache steht so, Mr. Armadale. Wie Sie sich erinnern werden, kamen wir überein, unsern Zigeunerthee an der nächsten »Breite«, Hurle Mere, einzunehmen.«

»Ganz recht«, sagte Allan. »Hurle Mere ist die Stelle, wo mein Freund Midwinter uns zu treffen versprochen hat.«

»Hurle Mere ist die Stelle, an der die Erzieherin sich einfinden wird, Sir, wenn der Kutscher meine Instructionen befolgt«, fuhr der junge Pedgift fort. »Wir haben fast eine Stunde zu rudern, um zwischen den engen Gewässern nach Hurle Mere zu kommen, und nach meiner Berechnung miissen wir, wollen wir die Gouvernante und Ihren Freund treffen, in fünf Minuten wieder an Bord sein.«

»Auf keinen Fall dürfen wir meinen Freund verfehlen«, sagte Allan, »und die Gouvernante natürlich ebenso wenig. Ich will’s dem Major sagen.«

Major Milroy war eben im Begriff. den hölzernen Wachtthurm zu ersteigen, um von dort die Aussicht zu genießen. Der stets behilfliche Pedgift erbot sich, ihn zu begleiten und ihm doppelt so schnell alle nothwendige Auskunft über die ganze Gegend zu geben, wie der Schilfschneider dies über die nächste unmittelbare Umgebung hätte thun können.

Allan blieb stiller und gedankenvoller als gewöhnlich vor der Hütte stehen. Sein letztes Gespräch mit dem jungen Pedgift hatte ihn zum ersten Male, seit sie ihre Lustfahrt angetreten, an den Freund erinnert. Es überraschte ihn, daß Midwinter, der sonst so beständig seine Gedanken erfüllte, jetzt so lange diesen fern geblieben war. Wie eine Selbstanklage fiel es ihm auf die Seele, wie er nun des treuen Freundes zu Hause gedachte, der in seinem Interesse und für ihn über den Rechnungsbüchern schwitzte. »Der liebe alte Junge!« dachte Allan. »Wie werde ich mich freuen, ihn an Hurle Mere zu treffen; das Vergnügen des Tages wird nicht vollständig sein, bevor er sich nicht unter uns befindet!«

»Habe ich Recht oder Unrecht, Mr. Armadale wenn ich glaube, daß Sie an Jemanden denken?« fragte eine sanfte Stimme hinter ihm.

Allan wandte sich um und sah die Tochter des Majors neben ihm stehen. Miß Milroy, die eine gewisse zärtliche Unterhaltung hinter dem Wagen nicht vergessen, hatte gesehen, wie ihr Verehrer nachdenklich allein stand und beschlossen, ihm, während ihr Vater und der junge Pedgift auf dem Wachtthurme waren, noch eine Gelegenheit zu geben.

»Sie wissen Alles«, sagte Allan lächelnd. »Ich dachte in der That an Jemanden.«

Miß Milroy warf ihm einen verstohlenen Blick zu, einen Blick sanfter Ermuthigung. Nach dem, was sich an diesem Morgen zwischen ihnen zugetragen, konnte nur ein einziges menschliches Wesen Mr. Armadale’s Gedanken beschäftigen! Es war nur ein Art der Barmherzigkeit, wenn sie ihn alsbald wieder auf das vor wenigen Stunden gestörte Gespräch über das Thema von den Namen brachte.

»Auch ich habe an Jemanden gedacht«, sagte sie, das kommende Geständniß halb herausfordernd und halb zurückweisend »Wenn ich Ihnen den Anfangsbuchstaben des Namens meines Jemand sage, wollen Sie mir dann den Anfangsbuchstaben des Ihrigen mittheilen?«

»Ich will Ihnen alles sagen, was Sie wollen«, erwiderte Allan in höchster Begeisterung.

Noch immer sträubte sie sich kokett wider den Gegenstand, den sie gerade zur Sprache zu bringen wünschte. »Sagen Sie mir Ihren Buchstaben zuerst«, sprach sie leise, den Kopf von ihm abwendend.

Allan lachte. »Mein Anfangsbuchstabe ist M«, sagte er.

Sie zuckte ein wenig zusammen. Seltsam, daß er bei ihrem Familiennamen an sie dachte, anstatt bei ihrem Taufnamen —— doch das machte wenig aus, so lange er nur wirklich an sie dachte.

»Wie heißt Ihr Buchstabe?« fragte Allan. Sie erröthete und lächelte »A, wenn Sie es durchaus wissen wollen«, antwortete sie mit widerstrebendem Flüstern. Sie warf ihm abermals einen verstohlenen Blick zu und verlängerte schwelgerisch ihren Hochgenuß an dem kommenden Geständnisse.

»Wie viele Silben hat der Name?« fragte sie, während sie mit ihrem Sonnenschirme verlegen im Sande zeichnete.

Kein Mann, der nur die mindeste Kenntniß vom weiblichen Geschlechte besessen, würde an Allan’s Stelle die Unvorsichtigkeit begangen haben, ihr die Wahrheit zu sagen. Allan, der ganz und gar nichts von der Frauennatur verstand und unter allen nur erdenklichen Verhältnissen nach rechts und links die Wahrheit sagte, antwortete, als hätte er vor den Gerichtsschranken gestanden.

»Es ist eine Name von drei Silben«, sagte er.

Miß Milroy’s niedergeschlagenen Augen blitzten ihn an.

»Drei!« wiederholte sie im äußersten Erstaunen.

Allan war von einer zu tiefgewurzelten Offenheit, um sich selbst jetzt noch warnen zu lassen, »Ich zeichne mich allerdings im Buchstabieren nicht besonders aus«, sagte er mit seinem leichtherzigen Lächeln. »Aber ich glaube nicht, daß ich einen Fehler begehe, wenn ich Midwinter als einen Namen von drei Silben bezeichne. Ich dachte an meinen Freund — —aber lassen wir meine Gedanken. Sagen Sie mir, wer A ist —— sagen Sie mir, an wen Sie dachten?«

»An den ersten Buchstaben des Alphabets, Mr. Armadale, und ich bitte auf das Bestimmteste, Ihnen nichts weiter sagen zu dürfen.«

Mit dieser vernichtenden Antwort öffnete die Tochter des Majors ihren Sonnenschirm und ging allein nach dem Boote zurück.

Allan stand wie versteinert da. Wenn Miß Milroy ihm eine Ohrfeige gegeben hätte —— und es ist nicht zu leugnen, daß sie im Stillen große Lust hatte, ihre Hand einem solchen Zwecke zu widmen ——, so hätte er kaum verdutzter sein können. »Was, in aller Welt habe ich gethan?« fragte er sich rathlos, während der Major und der junge Pedgift sich zu ihm gesellten und die Drei zusammen nach dem Wasser hinab gingen »Was wird sie nun zunächst zu mir sagen?«

Sie sagte ganz und gar nichts —— sie sah Allan nicht einmal an, als er sich im Boote niederließ. Da saß sie mit ungewöhnlich glänzenden Augen und leuchtenden Wangen und legte die größte Theilnahme für das Befinden des Geistlichen, für Mrs. Pentecost’s Laune, für Mr. Pedgift, für den sie mit Ostentation an ihrer Seite Platz machte, für die Gegend und die Hütte des Schilfschneiders, für Alles und Jeden an den Tag, außer für Allan, den sie noch vor fünf Minuten mit dem größten Vergnügen von der Welt geheirathet haben würde. »Ich werd’s ihm nie verzeihen!« dachte die Tochter des Majors. »An jenes ungezogene Scheusal zu denken, während ich an ihn dachte —— und mich dies fast bekennen zu lassen, ehe ich ihn verstanden hatte! Dem Himmel sei Dank, daß Mr. Pedgift im Boote ist!«

In dieser Gemüthsverfassung machte Miß Neelie sich unverzüglich ans Werk, den jungen Pedgift zu bezaubern und Allan zu vernichten. »O, Mr. Pedgift wie außerordentlich gescheidt und freundlich von Ihnen, uns jene reizende kleine Hütte zu zeigen! Einsam, Mr. Armadale? Ich finde sie durchaus nicht einsam; ich möchte hier lieber wohnen, als irgend sonst wo in der Welt. Was wäre unser Picknick wohl ohne Sie gewesen, Mr. Pedgift? Sie können sich gar nicht denken, wie vortrefflich ich mich amüsiert habe, seit wir ins Boot stiegen. Kühl, Mr. Armadale? Was denken Sie nur, wenn Sie sagen, es sei kühl; es ist der wärmste Abend, den wir noch im ganzen Sommer gehabt haben. Und die Musik, Mr. Pedgift; wie freundlich von Ihnen, Ihre Harmonica mitzubringen! Ob ich Sie wohl auf dem Clavier begleiten könnte? Ich möchte es einmal versuchen. O ja, Mr. Armadale, ich glaube wohl, daß Sie auch dachten, etwas musikalisch zu sein, und ich zweifle nicht, daß Sie sehr gut singen, wenn Sie den Text wissen; aber, um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich habe Moore’s Lieder niemals leiden können und werde sie nimmer leiden mögen.«

So unbarmherzig geschickt handhabte Miß Milroy jene schärfste aller weiblichen Waffen —— die Zunge ——, und so würde sie noch länger fortgefahren haben, wenn Allan nur die erforderliche Eifersucht verrathen oder der junge Pedgift ihr die nothwendige Ermuthigung gegeben hätte. Aber ihr böses Geschick hatte es gefügt, daß sie sich zwei Männer zu Opfern erkoren, die unter den bestehenden Verhältnissen völlig unangreifbar waren. Allan erfreute sich einer zu harmlosen Unkenntniß von allen weiblichen Spitzfindigkeiten und Empfindlichkeiten, um etwas Anderes zu verstehen, als daß die reizende Neelie auf ganz unbegreifliche Weise und ohne die geringste Ursache auf ihn böse war. Der schlaue Pedgift unterwarf sich, wie es einem scharfsichtigen jungen Manne unserer heutigen Generation zukommt, weiblichem Einflusse nur, während er sein eigenes Interesse fortwährend fest im Auge behielt. Gar mancher junge Mann in früheren Zeiten, der doch kein Narr war, hat Alles der Liebe geopfert. Nicht ein Einziger unter Zehntausenden unseres heutigen Geschlechts, die Narren ausgenommen, opfert ihr je einen Heller. Eva’s Töchter erben noch immer die Vorzüge ihrer Mutter und begehen ihrer Mutter Fehler. Aber die Söhne Adam’s unserer Zeit sind Männer, die den berühmten Apfel mit einer Verbeugung und einem »Danke sehr! ich könnte dadurch in Ungelegenheiten gerathen!« zurückgegeben haben würden. Als Allan, überrascht und getäuscht, sich von Miß Milroy entfernte und nach dem Vordertheile des Boots begab, stand der junge Pedgift auch auf und folgte ihm. »Du bist ein sehr hübsches Mädchen«, dachte der pfiffige und verständige junge Mann; »aber ein Client bleibt ein Client, —— und es thut mir leid, Ihnen zu sagen, Miß, daß es nicht angeht.« Unverzüglich machte er sich an die Aufgabe, Allan aufzuheitern, indem er dessen Aufmerksamkeit auf einen neuen Gegenstand lenkte. Im Herbste sollte auf einer der »Breiten" eine Regatta stattfinden, und das Gutachten seines Clienten, als eines ausgezeichneten Schiffers, mußte dem Comité von Nutzen sein. »Es wäre etwas Neues für Sie, eine Segelpartie auf süßem Wasser, Sir, sollt’ ich denken!« sagte er in seiner einschmeichelndsten Weise, und Allan antwortete mit augenblicklicher Theilnahme: »Ganz neu! Bitte, erzählen Sie mir mehr davon.«

Die andere Gesellschaft am entgegengesetzten Ende des Boots schien Mrs. Pentecost’s Zweifel, ob die Heiterkeit der Picknickpartie bis zu Ende vorhalten werde, zu bestätigen. Der natürliche Verdruß der armen Neelie, den Allan’s Ungeschicklichkeit ihr verursacht, war jetzt durch das nagende Bewußtsein der erlittenen Niederlage und Demüthigung bis zu entschiedenem stillen Groll gestiegen. Der Major war in sein gewohntes träumerisches zerstreutes Wesen versunken, sein Geist schwang sich mit den Rädern seines Uhrwerkes einförmig um. Der geistliche Herr barg seine Indigestion noch immer in der Kajüte vor den Blicken der Sterblichen, und seine Mutter saß mit einer zweiten Dosis in Bereitschaft und hielt Wache an der Thür. Frauen in Mrs. Pentecost’s Alter und von ihren Gemüthsanlagen, finden meistens Vergnügen an ihrer eigenen üblen Laune. »Dies also«, seufzte die alte Dame, mit einer Miene sauerer Genugthuung den Kopf hin- und herwiegend, »nennt man eine Lustpartie wie? Acht wie thöricht wir sind, unseren bequemen häuslichen Herd zu verlassen!«

Inzwischen glitt das Boot sanft zwischen den Windungen des Wasserlabyrinths hin, welches zwischen den beiden »Breiten« lag. Rechts und links gab es jetzt keine andere Aussicht, als endlose Reihen von Schilf. Nah und fern ließ sich kein Laut vernehmen, —— nirgendwo erschien eine Spur von bebautem oder bewohntem Boden. »Ein klein wenig öde hier herum, Mr. Armadale«, sagte der ewig heitere Pedgift. »Aber wir haben es eben überstanden. Sehen Sie sich um, Sir! Da sind wir bei Hurle Mere angelangt.«

Das Schilfrohr wich rechts und links zurück und das Boot glitt plötzlich in den weiten Kreis eines Teiches. Die zunächst liegende Hälfte dieses Teiches säumte noch immer das ewige Schilf; um die ferner liegende zeigte sich wieder festes Land, bald als kahle Hügel, bald als grasige Anhöhen über dem Wasser aufragend. An einer Stelle war der Boden zu einer Pflanzung benutzt, und an einer andern standen die Wirthschaftsgebäude eines alten rothen Ziegelhauses neben dem sich, der Gartenmauer entlang laufend, ein schmaler Nebenweg hinzog, der am Teiche endete. Die Sonne sank am klaren Himmel und das Wasser begann schon da, wo es von der Sonne nicht vergoldet ward, die kalte schwarze Farbe der Nacht anzunehmen. Die Einsamkeit, die auf der andern Breite wohlthuend gewesen war, und die Stille, die dort etwas Magisches gehabt hatte, solange der Tag noch auf seiner Höhe stand, waren hier eine Einsamkeit, welche traurig machte —— und eine Stille, die in der Ruhe und Melancholie des sinkenden Tages kalt ans Herz schlug.

Das Boot wurde über den See nach einer Bucht des grünen Ufers gelenkt. Ein paar jener flachen kleinen Nachen, die den »Breiten« eigenthümlich sind, lag in der Bucht, und die Schilfschneider, denen die Fahrzeuge gehörten, kamen, von dem Anblick von Fremden überrascht, hinter einer Ecke der Gartenmauer hervor und glotzten dieselben schweigend an. Kein anderes Lebenszeichen ringsum. Die Schilfschneider hatten keinen Ponywagen gesehen; kein Fremder, weder Mann noch Weib, hatte sich heute noch an dem Ufer des Hurle Mere gezeigt.

Der junge Pedgift warf abermals einen Blick auf seine Uhr und wandte sich zu Miß Milroy. »Mögen Sie nun die Gouvernante vorfinden oder nicht, wenn Sie nach Thorpe-Ambrose zurückkehren«, sagte er, »hier aber können Sie dieselbe nicht mehr erwarten. Sie wissen am besten, Mr. Armadale«, wendete er sich an diesen, »ob« darauf zu rechnen ist, daß Ihr Freund seiner Uebereinkunft mit Ihnen getreu bleibt!«

»Gewiß ist darauf zu rechnen«, erwiderte Allan, indem er mit unverhohlenem Bedauern über Midwinter’s Abwesenheit sich rings umsah.

»Sehr gut«, fuhr Pedgift junior fort. »Wenn wir unser Feuer zum Zigeunerthee auf der offenen Stelle dort anzünden, so wird Ihr Freund uns durch den Rauch auffinden können, Sir. Das ist ein Indianerkniff, um einen Verlorengegangenen auf der Prairie wiederzufinden, Miß Milroy —— und es ist hier fast wild genug zu einer Prairie, nicht wahr?«

Es gibt gewisse Versuchungen, namentlich leichterer Art, denen zu widerstehen nicht im Bereiche der weiblichen Natur liegt. Die Versuchung, die ganze Macht ihres Einflusses als des der einzigen jungen Dame der Gesellschaft geltend zu machen, um Allan’s Vorkehrungen zum Rendezvous mit seinem Freunde über den Haufen zu werfen, war zu groß für die Tochter des Majors. Mit einem Blicke, der ihn hätte niederschmettern sollen —— doch was hätte je einen Advocaten niedergeschmettert? —— wandte sie sich an den lächelnden Pedgift.

»Mir scheint, das da ist der einsamste, ödeste und abscheulichste Platz, den ich je in meinem ganzen Leben gesehen habe!« sagte Miß Neelie. »Wenn Sie darauf bestehen, hier Thee zu machen, Mr. Pedgift, so bereiten Sie keinen für mich. Nein! Ich werde im Boote bleiben, und obgleich ich geradezu verdurste, werde ich doch nichts anrühren, bis wir wieder auf dem andern See sind!«

Der Major öffnete die Lippen, um Einsprache zu erheben. Zur unaussprechlichen Freude seiner Tochter stand jedoch Mrs. Pentecost von ihrem Sitze auf, ehe er noch ein Wort sagen konnte, und fragte, nachdem sie die ganze Landschaft überschaut und darin nichts erspäht hatte, was einem Fuhrwerke glich, voll Entrüstung ob sie den ganzen Weg bis dahin zurück machen müßten, wo sie Mittags die Wagen verlassen hätten. Da sie fand, daß dies in der That beabsichtigt wurde und daß die Wagen wegen der Natur der Umgebungen nicht nach Hurle Mere hätten bestellt werden können, ohne zugleich den ganzen Weg nach Thorpe-Ambrose zurück zu machen, erklärte Mrs. Pentecost augenblicklich, im Interesse ihres Sohnes, daß nichts sie dazu bewegen solle, nach Einbruch der Nacht noch länger auf dem Wasser zu bleiben. »Rufen Sie mir ein Boot!« schrie die alte Dame in großer Aufregung. »Ueberall wo Wasser ist, da ist auch immer ein Nachtnebel, und wo ein Nachtnebel ist, da erkältet sich mein Sohn Samuel jedes mal. Reden Sie mir nicht von Ihrem Mondschein und Ihrem Thee vor —— Sie sind Alle nicht recht bei Sinnen. Hollah! Ihr beiden Männer dort!« rief Mrs. Pentecost den schweigsamen Schilfschneidern am Ufer zu. »Ich gebe Euch Jedem einen Sixpence, wenn Ihr mich und meinen Sohn in Eurem Boote zurückfahrt!«

Ehe der junge Pedgift sich noch ins Mittel legen konnte, beseitigte Allan selbst die Schwierigkeit in vollkommen guter Laune und Geduld.

»Es kann nicht davon die Rede sein, Mrs. Pentecost«, sagte er, »daß Sie in irgendeinem andern Boote zurückfahren, als in dem, in welchem Sie gekommen sind. Da der Ort Ihnen und Miß Milroy mißfällt, so ist nicht die mindeste Nothwendigkeit vorhanden, daß außer mir hier noch irgendwer ans Land geht. Ich aber muß ans Land. Mein Freund Midwinter hat mir noch nie sein Wort gebrochen, und ich kann Hurle Mere nicht verlassen, so lange noch die Möglichkeit existiert, daß er unser Rendezvous einhält. Aber es liegt nicht der geringste Grund vor, daß ich deshalb irgendwie im Wege sein sollte. Sie haben den Major und Mr. Pedgift als Beschützer bei sich, und wenn Sie sogleich umkehren, können Sie noch vor Dunkelwerden zu den Wagen zurückgelangen. Ich will hier noch eine halbe Stunde auf meinen Freund warten —— und dann kann ich Ihnen in einem der Schilfboote folgen.«

»Das ist das Vernünftigste, was Sie heute noch gesagt haben, Mr. Armadale«, bemerkte Mrs. Pentecost, sich in gewaltiger Eile wieder niedersetzend »Sagen Sie ihnen, daß sie sich beeilen!« rief die alte Dame, die Faust gegen die Bootsleute schüttelnd. »Sagen Sie ihnen, daß sie sich beeilen!«

Allan gab die nothwendigen Befehle und stieg ans Land. Der kluge Pedgift suchte, sich fest an seinen Clienten schmiegend, ihm zu folgen.

»Wir können Sie hier nicht allein lassen, Sir«, versicherte er eifrig flüsternd »Lassen Sie den Major nach den Damen sehen und mich bei Ihnen am See bleiben.«

»Nein, nein!« sagte Allan ihn zurückdrängend. »Sie sind Alle in schlechter Stimmung am Bord. Wollen Sie sich mir nützlich machen, so bleiben Sie als guter Gesell da, wo Sie sind, und halten das Ganze im Gange.«

Er winkte mit der Hand und die Leute stießen vom Ufer ab. Alle schwenkten die Hand zum Gruße, nur die Majorstochter nicht, welche das Gesicht unter ihrem Sonnenschirme verbarg. In Neelie’s Augen standen schwere Thränen. Ihr letzter Groll gegen Allan erstarb und ihr Herz flog reuig zu ihm zurück, sowie er das Boot verlassen hatte. »Wie gut er gegen uns Alle ist!« dachte sie, »und welch’ ein elendes Geschöpf ich bin!« Sie stand auf, dem drängenden Impulse ihres Herzens folgend, ihr Unrecht gegen ihn wieder gut zu machen. Sie stand auf und schaute ihm, ohne sich an die Rücksichten der Convenienz zu kehren, mit sehnsüchtigen Blicken und gerötheten Wangen nach, wie er einsam am Ufer stand. »Bleiben Sie nicht lange, Mr. Armadale!« sagte sie mit völliger Nichtachtung dessen, was die Gesellschaft denken würde.

Das Boot war bereits weit ins Wasser hinausgestochen, und trotz Neelie’s Entschlossenheit waren doch ihre Worte mit so leiser Stimme gesprochen, daß sie nicht bis zu Allan’s Ohr dringen konnten. Der einzige Laut, den er hörte, als das Boot am entgegengesetzten Ende des Sees anlangte und langsam zwischen dem Schilf verschwand, waren die Töne der Harmonien. Der unermüdliche Pedgift hielt —— offenbar unter Mrs. Pentecost’s Auspicien —— das Amüsement im Gange, indem er ein Kirchenlied präludirte.

Nun allein, zündete sich Allan eine Cigarre an und ging am Ufer aus und ab. »Sie hätte wohl beim Scheiden ein Wort zu mir sprechen können!« dachte er. »Ich habe Alles nach meinen besten Kräften gethan; ich habe ihr so gut wie gesagt, daß ich sie lieb habe, und so behandelt sie mich jetzt!« Er blieb stehen und schaute zerstreut nach der sinkenden Sonne und auf das schnell dunkelnde Wasser des Sees. Irgendwelche unbegreifliche Gewalt der Scene schlich sich unvermerkt in sein Gemüth und lenkte seine Gedanken von Miß Milroy ab zu seinem Freunde. Er schrak zusammen und sah sich um.

Die Schilfschneider hatten sich wieder in ihr Asyl hinter der Mauer zurückgezogen, kein lebendes Wesen war zu sehen, kein Klang zu hören an dem öden Gestade. Selbst Allan’s Stimmung begann zu sinken. Es war fast eine Stunde über die Zeit, zu der Midwinter am Hurle Mere eiuzutreffen versprochen hatte. Er selbst hatte Alles angeordnet, um zu Fuße nach dem Teiche gelangen zu können, indem er sich von einem Stalljungen von Thorpe-Ambrose auf Nebenwegen und Fußpfaden führen lassen wollte, welche die Entfernung um ein Bedeutendes abkürzen würden. Der Knabe war mit diesen Richtwegen wohl vertraut und Midwinter hielt immer höchft pünktlich Wort. War in Thorpe-Ambrose etwas passiert? War ihm unterwegs ein Unfall zugestoßen? Entschlossen, nicht länger müßig und in Ungewißheit allein zu bleiben, entschloß sich Allan, sich am See landeinwärts zu begeben, in der Hoffnung, so seinem Freunde zu begegnen. Sofort ging er an die Mauerecke und fragte einen der Schilfschneider nach dem Wege nach Thorpe-Ambrose.

Der Mann führte ihn von der Straße ab und deutete auf eine kaum sichtbare Lichtung in den Bäumen der Pflanzung. Nachdem er still gestanden, um noch einen nutzlosen Blick ringsum zu werfen, kehrte Allan dem See den Rücken und schlug die Richtung nach jenen Bäumen ein.

Ein paar Schritte lang lief der Pfad quer durch die Baumpflanzung hin. Dann machte er eine plötzliche Biegung —— und Wasser und offenes Land entschwanden zugleich dem Blicke. Allan folgte dem Rasenpfade vor ihm und sah und hörte nichts, bis er an eine abermalige Biegung des Weges kam. Während er in dieser neuen Richtung dahinschritt, erblickte er unter einem Baume die unklaren Umrisse einer sitzenden menschlichen Gestalt. Zwei Schritte genügten, um ihn die Gestalt erkennen zu lassen. »Midwinter!« rief er erstaunt. »Das da ist nicht die Stelle, wo wir uns treffen wollten! Auf was wartest Du hier?«

Ohne zu antworten, stand Midwinter auf. Das Abend dunkel unter den Bäumen, das sein Gesicht verhüllte, machte sein Schweigen doppelt befremdlich.

Allan setzte seine Fragen ungestüm fort. »Bist Du allein gekommen?« fragte er. »Ich dachte, der Knabe sollte Dich führen.«

Diesmal antwortete Midwinter: »Ich sandte den Knaben zurück, als wir an die Bäume hier gelangten. Er sagte mir, ich sei dem Orte ganz nahe und könne ihn nicht verfehlen.«

»Weshalb bliebst Du hier, als er Dich verließ?« fragte Allan weiter. »Warum bist Du nicht weiter gegangen?«

»Lache mich nicht aus«, erwiderte der Andere, »ich wagte es nicht.«

»Du wagtest es nicht!« wiederholte Allan. Er schwieg einen Augenblick. »O, ich weißt« sagte er dann, indem er fröhlich seine Hand auf Midwinter’s Schulter legte. »Dir bangt noch vor den Milroys. Welche Thorheit, nachdem ich Dir selber gesagt, daß man im Parkhäuschen wieder mit Dir ausgesöhnt ist!«

»An Deine Freunde im Parkhäuschen habe ich nicht gedacht, Allan. Die Wahrheit zu gestehen, bin ich heute kaum mein altes Selbst. Ich fühle mich krank und nervenschwach; jede Kleinigkeit erschreckt mich.« Er schwieg und suchte sich Allans ängstlich forschendem Blicke zu entziehen. »Wenn Du darauf bestehst, es zu wissen«, sagte er leidenschaftlich, »so will ich Dir gestehen, das Grausen jener Nacht am Bord des Wracks hat mich wieder gepackt; ich fühle einen fürchterlichen Druck im Kopfe, eine fürchterliche Beklommenheit im Herzen —— ich fürchte, daß uns etwas zustößt, wenn wir nicht von einander scheiden, ehe der Tag zu Ende ist. Ich kann mein Dir gegebenes Versprechen nicht brechen; um Gotteswillen entbinde Du mich davon und laß mich heim gehen!«

Für Jeden, der Midwinter kannte, war es augensichtlich, daß Gegenvorstellungen vergeblich sein würden. Allan willfahrte ihm. »Komm’ aus diesem dunklen stickigen Holze heraus«, sagte er; »wir wollen darüber reden. Das Wasser und der offene Himmel sind keinen Steinwurf weit von uns entfernt. Ich mag das Holz am Abend nicht leiden. Es macht selbst mich melancholisch. Du hast zu angestrengt über den Rechnungsbüchern gesessen Komm’ und athme frei in der lieben frischen Luft.«

Midwinter blieb stehen, überlegte einen Augenblick und gab plötzlich nach.

»Du hast Recht«, sagte er, »und ich habe, wie immer, Unrecht. Ich verschwende die Zeit und betrübe Dich ganz umsonst. Welche Thorheit von mir, Dich zu bitten, mich zurückgehen zu lassen! Wenn Du ja gesagt hättest!«

»Nun?« fragte Allan.

»Nun«, erwiderte Midwinter, »dann würde schon bei meinem ersten Schritte etwas geschehen, was mich dann verhindert hätte —— weiter nichts. Komm.«

Schweigend schritten sie zusammen auf dem Wege zum See dahin.

Bei der letzten Biegung desselben ging Allan’s Cigarre aus. Während er stehen blieb, um sie wieder anzubrennen, ging Midwinter ihm voran und war der erste, der das offene Land erblickte.

Eben hatte Allan sein Streichhölzchen angezündet, als zu seinem Erstaunen sein Freund wieder um die Biegung auf ihn zukam. Es war noch hell genug, um die Gegenstände in diesem Theile der Baumpflanzung deutlich erkennen zu lassen. Als Midwinter dicht vor ihm stand, fiel Allan das Streichhölzchen aus der Hand.

»Gerechter Gott!« rief er zurückfahrend, »Du siehst wieder gerade so aus wie damals am Bord des Wracks!«

Midwinter erhob die Hand zum Zeichen des Schweigens Die stieren Blicke fest auf Allan’s Gesicht gerichtet, sagte er, seine bleichen Lippen hart an dessen Ohr:

»Du erinnerst Dich, wie ich aussah«, flüsterte er; »entsinnst Du Dich auch dessen, was ich sagte, als Du und der Doctor von dem Traume sprachet?«

»Ich habe den Traum vergessen«, erwiderte Allan. Bei dieser Antwort faßte Midwinter Allan’s Hand und führte ihn um die letzte Windung des Pfades.

»Erinnerst Du Dich seiner jetzt?« fragte er und deutete auf den See.

Die Sonne sank am wolkenlosen Abendhimmel hinab. Unten lagen die Wasser des Sees, von ihren letzten Strahlen roth gefärbt. Das offene Land streckte sich, in bereits melancholischem Dunkel, rechts und links weit dahin, und an dem zunächst liegenden Rande des Teiches, wo vorher Alles einsam gewesen zeigte sich jetzt dem Sonnenuntergange gegenüber eine weibliche Gestalt.

Schweigend standen die beiden Armadales neben einander und blickten auf die einsame Gestalt und die düstere Landschaft.

Midwinter sprach zuerst.

»Deine eigenen Augen haben es gesehen«, sagte er. »Jetzt sieh auch Deine eigenen Worte an.«

Er machte sein Taschenbuch auf, holte die niedergeschriebene Erzählung von dem Traume heraus und hielt sie Allan hin. Seine Finger deuteten auf die Zeilen, welche das erste Traumgesicht schilderten; seine Stimme, die immer leiser und leiser ward, wiederholte die Worte:

»Es kam mir das Bewußtsein, daß man mich in der Dunkelheit allein gelassen hatte.

»Ich wartete.

»Das Dunkel verschwand und zeigte mir —— wie in einem Bilde —— einen großen einsamen Teich, der von offenen Gefilden umgeben war. Ueber dem am fernsten liegenden Rande sah ich den wolkenlosen Abendhimmel roth, glühend im Sonnenuntergange.

»An dem zunächst liegenden Rande des Teiches stand der Schatten eines Weibes.«

Er schwieg und ließ die Hand, die das Geschriebene hielt, herabsinken. Die andere Hand wies auf die einsame Gestalt, welche, der untergehenden Sonne gegenüber, ihnen den Rücken kehrend, dastand.

»Dort«, sagte er, »steht das lebendige Weib anstatt des Schattens! Dort spricht die erste der Traumwarnungen zu Dir und zu mir! Laß uns noch ferner beisammen bleiben —— und die zweite Gestalt, die dann an der Stelle des Schattens steht, wird die meine sein.«

Selbst Allan fühlte sich durch die fürchterliche Gewißheit der Ueberzeugung zum Schweigen gebracht, mit der Midwinter sprach.

Während der hierauf folgenden Pause bewegte sich die Gestalt am Teiche und schritt langsam am Ufer hin. Allan trat völlig aus den Bäumen hervor und gewann dadurch eine weitere Aussicht. Der erste Gegenstand, dem seine Blicke begegneten, war der Ponywagen von Thorpe-Ambrose.

Mit einem Lachen der Erleichterung wandte er sich nach Midwinter um. »Was Du für Unsinn geschwatzt hast!« sagte er. »Und welchen Unsinn« ich angehört habe! Es ist die Gouvernante, die endlich eingetroffen ist.«

Midwinter erwiderte nichts. Allan faßte ihn am Arm und versuchte ihn fortzuziehen. Er machte sich indeß jählings los und faßte Allan mit beiden Händen —— indem er ihn von der Gestalt am See zurückhielt, wie er ihn von der Kajütenthür auf dem Verdeck des Holzschiffes zurückgehalten. Die Anstrengung war abermals vergeblich. Allan befreite sich wiederum ebenso leicht von ihm, wie er es dazumal gethan hatte.

»Einer von uns muß mit ihr sprechen«, sagte er; »und wenn Du’s nicht willst, so will ich es thun.«

Er hatte nur wenige Schritte dem See zu gethan, als er eine leise Stimme ihm einmal nur, ein einziges Mal »Lebewohl« zurufen hörte, oder zu hören glaubte. Mit einem Gefühl von Befremden und Unruhe blieb er stehen und sah sich um.

»Warst Du das, Midwinter?« fragte er.

Keine Antwort erfolgte. Nachdem er noch einen Augenblick gezögert, ging er wieder in das Holz. Midwinter war fort.

Er blickte nach dem Teiche zurück, unschlüssig in dieser neuen Verlegenheit, was er zunächst thun solle. Inzwischen hatte die einsame Gestalt ihre Richtung verändert: sie hatte sich umgewandt und nahte sich den Bäumen. Offenbar war Allan entweder gesehen oder gehört worden. Es war unmöglich, ein Weib in dieser hilflosen Lage und an einem so einsamen Orte unbeschützt zu lassen. Zum zweiten Male trat denn Allan aus den Bäumen hervor ihr entgegen.

Als er ihr nahe genug war, um ihr Gesicht sehen zu können, blieb er in überwältigendem Erstaunen stehen. Der plötzliche Anblick ihrer Schönheit, wie sie lächelte und ihn fragend anschaute, machte die Bewegung in seinen Gliedern und die Worte aus seinen Lippen erstarren. Ein unbestimmter Zweifel überkam ihn, ob das wirklich die Gouvernante sei.

Er ermannte sich jedoch und nannte, ein paar Schritte näher tretend, seinen Namen. »Darf ich fragen«, fügte er hinzu, »ob ich das Vergnügen habe ——?«

Unbefangen und anmuthig kam ihm die Dame auf halbem Wege entgegen.

»Major Milroy’s Gouvernante«, sagte sie; »Miß Gwilt.«


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