Memoiren eines Adoptivsohns

II Seine Kindheit und sein frühes Leben

Wenn ein Junge unter Zeichen geboren wird, welche seine Eltern dazu verleiten, anzunehmen, dass der geistliche Teil von ihm von einem Kurs höllischen Unterrichts irgendwo beansprucht wird, während der leibliche Teil von ihm sicher zu Hause ist, was werden sein Vater und seine Mutter mit ihm tun? Sie müssen das beste tun, was sie können – was genau das war, was Poulailler und seine Frau mit dem Helden dieser Seiten taten.

Zuerst ließen sie ihn sofort taufen. Es wurde mit Schrecken beobachtet, dass dabei sein kindliches Gesicht von Grimassen entstellt wurde, und dass seine kindliche Stimme mit einem übernatürlich rüstigen Ton brüllte, als der Priester ihn berührte. Das erste, worum er bat, als er lernte zu sprechen, war »Bratfisch«; und der erste Ort, wo er hin wollte, als er gehen gelernt hatte, war der teuflische Turm auf dem Felsen. »Er wird nichts lernen«, sagte der Lehrer, als er alt genug war, zur Schule zu gehen. »Verdresch ihn«, sagte Poulailler; und der Lehrer drosch ihn. »Er wird nicht zu seiner Erstkommunion kommen«, sagte der Priester. »Verprügel ihn«, sagte Poulailler; und der Priester verprügelte ihn. Das Obst des Bauern wurde gestohlen; das nachbarliche Kaninchengehege wurde entvölkert; Wäscheleinen wurden aus den Gärten gestohlen und Netze wurden am Strand zerrissen. »Der Teufel hole Poulaillers Jungen«, lautete die öffentliche Meinung. »Der Teufel hat ihn bereits«, lautete Poulaillers Antwort. »Und doch ist er ein gutaussehender Junge«, sagte Madame Poulailler. Und das war er – so groß, so stark, so gutaussehend, wie ein junger Kerl in ganz Frankreich nur gefunden werden konnte. »Lass uns für ihn beten«, sagte Madame Poulailler. »Lass ihn uns verprügeln«, sagte ihr Ehemann. »Unser Sohn wurde verprügelt, bis alle Stöcke in der Nachbarschaft zerbrochen waren«, flehte seine Mutter. »Wir werden es als nächstes mit dem Seilende versuchen müssen«, erwiderte sein Vater; »er wird zur See gehen und in einer Umgebung von Prügeln leben. Unser Sohn wird Schiffsjunge werden.« Für Poulailler junior war alles einerlei; er wusste genauso gut wie sein Vater, wer ihn adoptiert hatte; er war sich von Kindheit an instinktiv über das Interesse des Teufelsfischers an seinem Wohlergehen bewusst; er kümmerte sich um keine irdische Wissenschaft; und er wurde mit zehn Jahren Schiffsjunge.

Nach zwei Jahren mit dem Seilende (welches völlig wirkungslos angewandt worden war), beraubte das Subjekt dieser Memoiren seinen Kapitän und rannte in einem englischen Hafen davon. London wurde die nächste Szene seiner Abenteuer. Mit zwölf Jahren überzeugte er die Gesellschaft in der Metropole, dass er der im Stich gelassene Sohn eines französischen Herzogs war.

Nachdem britische Güte blindlings für ihn vier Jahre lang gesorgt hatte, öffnete sie ihre Augen und kam ihm auf die Schliche, als er sechzehn war; darauf kehrte er nach Frankreich zurück und trat als Trommler in die Armee ein. Mit achtzehn desertierte er und hatte darauf eine Begegnung mit Zigeunern. Er legte Karten, er zauberte, er tanzte auf dem Hochseil, er schauspielerte, er verkaufte Quacksalbereien, er änderte wieder seinen Sinn und kehrte zur Armee zurück. Hier verliebte er sich in die Marketenderin seines neuen Regiments. Der Oberstabsfeldwebel, der unter derselben reizenden Schwäche litt, ärgerte sich über dessen Aufmerksamkeiten der Dame gegenüber. Poulailler setzte sich (vielleicht ungerechterweise) durch, indem er den Offizier ohrfeigte. Von beiden Seiten blitzten die Schwerter auf und Poulaillers Klinge durchbohrte das empfindliche Herz des Oberstabsfeldwebels. Die Grenze war ganz in der Nähe. Poulailler wischte sein Schwert ab und überschritt sie.

In Abwesenheit wurde er zum Tode verurteilt. Wenn die Gesellschaft uns dazu verdammt hat, zu sterben, welchen Glaubens wir auch sind, wie werden wir diese Ehrbezeugung erwidern? Indem wir die Gesellschaft dazu verdammen, uns am Leben zu lassen – oder, in anderen Worten, mit beiden Händen zu rauben, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Poulaillers Schicksal war nun besiegelt. Er wurde als der größte Dieb seiner Zeit erwählt; und wenn das Schicksal ihn dazu aufrief, seinen Platz in der Welt einzunehmen, schritt er vor und setzte sich. Sein bisheriges Leben war lediglich das eines jungen Spitzbuben gewesen; nun war es daran, seinem teuflischen Adoptivvater Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und die Verhältnisse auf die eines ausgewachsenen Räubers auszudehnen.

Seine ersten Raubzüge wurden in Deutschland durchgeführt. Sie zeigten eine solche Neuheit von Kombination, solchen Wagemut, solche Gewandtheit und, sogar in seinen gemeingefährlichsten Momenten, solch unwiderstehliche Fröhlichkeit und gute Laune, dass eine Bande sinnesverwandter Geister sich in kurzer Zeit um ihn versammelte. Als Oberbefehlshaber der Diebesarmee geriet seine Beliebtheit bei ihr nie ins Wanken. Seine Schwächen – und welcher berühmte Mann hat keine? – waren drei an der Zahl. Erste Schwäche: er war in übertriebener Weise dem Reiz des schwachen Geschlechts erlegen. Zweite Schwäche: er war allzu gern auf lebensgefährliche Streiche aus. Dritte Schwäche (geerbt von seinem Adoptivvater): sein Appetit war bezüglich Bratfisch unersättlich. Was die Verdienste angeht, die gegen diese Nachteile entgegengesetzt werden können, wurde einiges schon bemerkt, andere werden sofort erwähnt werden. Man lasse sich an dieser Stelle nur sagen, dass er einer der bestaussehenden Männer seiner Zeit war, dass er sich hervorragend kleidete und dass er der überschwenglichsten Großzügigkeit fähig war, wo immer auch eine hübsche Frau im Spiel war – man lasse dies zu Beginn verstanden sein: und möge nun mit der Geschichte seines letzten Raubzugs in Deutschland, bevor er nach Frankreich zurückkehrte, beginnen. Dieses Abenteuer ist etwas mehr als ein bloßes Beispiel seiner Handwerksmethoden; es erwies sich in der Zukunft als das verhängnisvolle Ereignis seines Lebens.

Am Montag der Woche hatte er auf der Hochstraße angehalten und einen italienischen Adligen – den Marquis Petrucci von Siena – all seiner Wertsachen und Papiere beraubt. Am Dienstag war er bereit, einen weiteren Schlag auszuführen. Postiert auf der Spitze eines steilen Hügels, beobachtete er die Straße, die sich auf der einen Seite den Gipfel hochwand, während seine Gefolgsleute sich auf der Straße niedergelassen hatten, die auf der anderen Seite wieder hinunterführte. Die Beute, die in diesem Fall erwartet wurde, war die Reisekutsche des Barons De Kirbergen (mit einer großen Geldsumme darin).

Schon lange vorher nahm Poulailler die Kutsche von weitem am Fuße des Hügels wahr und ihr voraus zwei Damen zu Fuß, die die Erhebung hinaufstiegen. Es waren des Barons Töchter – Wilhelmina, eine blonde Schönheit; Frederica, eine Brünette – beide lieblich, beide würdevoll, beide zart, beide jung. Poulailler schlenderte den Hügel hinunter, um die bezaubernden Reisenden zu treffen. Er erblickte sie, verneigte sich, stellte sich vor und verliebte sich auf der Stelle in Wilhelmina. Beide reizvollen Mädchen gaben in der einfachsten Weise zu, dass das Eingesperrtsein in der Kutsche sie nervös und unruhig gemacht habe und dass sie den Hügel hinaufspazierten, um das Heilmittel nicht allzu anstrengender sportlicher Betätigung zu probieren. Poulaillers Herz war gerührt und Poulaillers Großzügigkeit zum schwachen Geschlecht war gerade noch rechtzeitig erwachsen. Mit einer höflichen Entschuldigung den Damen gegenüber rannte er über eine Abkürzung zurück zu dem Hinterhalt auf der anderen Seite des Hügels, wo seine Männer postiert waren.

»Gentlemen!« schrie der edle Dieb, »im reizenden Namen von Wilhelmina de Kirbergen ersuche ich euch: lasst die Kutsche des Barons passieren!«

Die Bande war nicht willens; die Bande murrte. Poulailler kannte sie. Vergeblich hatte er an ihre Herzen appelliert; jetzt appellierte er an ihre Taschen.

»Gentlemen!« fuhr er fort, »entschuldigt mich für meine kurze Fehleinschätzung eurer Gefühle. Hier ist die Hälfte meines Anteils am Eigentum von Marquis Petrucci. Wenn ich es unter euch aufteile, werdet ihr die Kutsche dann passieren lassen?«

Die Bande kannte den Wert des Geldes und akzeptierte die Bedingungen. Poulailler eilte den Hügel hinauf zurück und kam am Gipfel gerade rechtzeitig an, um den jungen Damen in die Kutsche zu helfen.

»Ein reizender Mann!« sagte die blonde Wilhelmina zur brünetten Frederica, als sie davonfuhren. Unschuldige Seele! Was würde sie gesagt haben, wenn sie gewusst hätte, dass ihre persönlichen Vorzüge das Eigentum ihres Vaters gerettet hatten? Würde sie den reizenden Mann jemals wiedersehen? Ja; sie würde ihn am nächsten Tag sehen; und mehr als das, das Schicksal sollte sie zukünftig fest mit dem Leben und dem Schicksal des Räubers verbinden. Poulailler vertraute die Aufsicht über die Bande seinem Oberleutnant an, folgte der Kutsche zu Pferd und stellte den Ort der Residenz des Barons noch in dieser Nacht fest. Am nächsten Morgen klopfte ein superb angekleideter Fremder an die Tür.

»Wen darf ich melden, Sir?« fragte der Diener.

»Den Marquis Petrucci von Siena«, antwortete Poulailler, »wie befinden sich die jungen Damen nach ihrer Reise?«

Der Marquis wurde hereingeführt und dem Baron vorgestellt. Der Baron war natürlich hocherfreut, einen anderen Adligen zu empfangen; Miss Wilhelmina war insgeheim glücklich, den reizenden Mann wiederzusehen; Miss Frederica freute sich zärtlich für ihre Schwester. Da Poulailler nicht die Art hatte, Zeit zu verlieren, wo seine Zuneigung im Spiel war, drückte Poulailler seine Gefühle dem geliebten Wesen noch an diesem Abend aus. Am nächsten Morgen hatte er ein Gespräch mit dem Baron, bei welchem er die Papiere hervorholte, die ihn als den Marquis auswiesen. Nichts konnte das Gemüt des besorgten Vaters mehr beruhigen – die zwei Edelmänner umarmten sich. Sie lagen sich noch in den Armen, als ein zweiter Fremder an die Tür klopfte.

»Wen darf ich melden, Sir?« fragte der Diener.

»Den Marquis Petrucci von Siena«, antwortete der Fremde.

»Unmöglich!« rief der Diener, »Seine Lordschaft ist bereits im Haus.«

»Führe mich hinein, Halunke!« schrie der Besucher.

Der Diener unterwarf sich und die beiden Marquis standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Poulailler verlor nicht im mindesten die Fassung; er war zuerst zum Haus gekommen und er hatte die Papiere.

»Du bist der Bandit, der mich beraubt hat!« rief der echte Petrucci.

»Du bist betrunken, verrückt oder ein Hochstapler!« erwiderte der falsche Petrucci scharf.

»Schickt nach Florenz, wo man mich kennt!« rief einer der Marquis, an den Baron gewandt.

»Schickt unbedingt nach Florenz!« wiederholte der andere, sich ebenfalls an den Baron wendend.

»Gentlemen«, antwortete der noble Kirbergen, »Ich werde mir die Ehre erweisen, Ihren Rat anzunehmen« und er sandte dementsprechend nach Florenz.

Bevor der Bote zehn Meilen auf seiner Reise zurückgelegt hatte, hatte Poulailler zwei private Worte mit der zierlichen Wilhelmina gewechselt und das Paar brannte zusammen aus der baronialen Residenz in dieser Nacht durch. Einmal mehr überschritt das Subjekt dieser Memoiren die Grenze und betrat wieder Frankreich. Da sie keinerlei Interesse an den Vorzügen des ländlichen Lebens hatten, ließ er sich unverzüglich mit dem geliebten Wesen in Paris nieder. In dieser superben Stadt erlebte er seine seltsamsten Abenteuer, feierte seine kühnsten Erfolge, beging seine gewaltigsten Raube und in einem Wort, ließ sich und seinem höllischen Patron die vollste Gerechtigkeit im Wesen des vom Teufelsfischer adoptierten Sohnes widerfahren.


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