Der Wahnsinnige / Mad Monkton
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In der Grafschaft Durham liegt die Abtei Wincot, welche früher ein Kloster, seit der Reformation aber, und bis vor ungefähr dreißig Jahren, im Besitze der Familie Monkton war. Diese Familie stand, so lange ich denken kann, in der ganzen Umgegend im Rufe der Ungeselligkeit. Sie machte keine Besuche und empfing keine, ausgenommen von meinem Vater und einer mit ihrer Tochter in der Nähe wohnenden verwitweten Dame.
| THE Monktons of Wincot Abbey bore a sad character for want of sociability in our county. They never went to other people's houses, and, excepting my father, and a lady and her daughter living near them, never received anybody under their own roof.
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Diese Zurückgezogenheit entsprang nicht sowohl aus Stolz, als vielmehr aus Furcht. Seit mehreren Generationen nämlich wurde die Familie von dem schweren Leiden erblichen Irrsinns heimgesucht. Alle Mitglieder derselben vermieden es deshalb so viel als möglich, sich in die Öffentlichkeit zu mischen, um nicht der Beobachtung ausgesetzt zu sein. Man erzählt sich eine Grausen erregende Geschichte von schweren Verbrechen, welche zwei Monktons, nahe Anverwandte, in früher Vorzeit verübt haben sollen, und seit denen das erste Erscheinen des Irrsinns sich datiert. Ohne diese hier zu wiederholen,- sei nur bemerkt, dass sich von Zeit zu Zeit fast jede Art von Geistesstörung, besonders aber sogenannte Monomanie, d. h. die Krankheit fixer -Ideen, in der Familie zeigte. Die Kenntnis dieser Verhältnisse verdanke ich meinem Vater.
| Proud as they all certainly were, it was not pride, but dread, which kept them thus apart from their neighbors. The family had suffered for generations past from the horrible affliction of hereditary insanity, and the members of it shrank from exposing their calamity to others, as they must have exposed it if they had mingled with the busy little world around them. There is a frightful story of a crime committed in past times by two of the Monktons, near relatives, from which the first appearance of the insanity was always supposed to date, but it is needless for me to shock any one by repeating it. It is enough to say that at intervals almost every form of madness appeared in the family, monomania being the most frequent manifestation of the affliction among them. I have these particulars, and one or two yet to be related, from my father.
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Zur Zeit meiner Jugend bestand die in der Abtei wohnende Familie Monkton noch aus drei Gliedern, nämlich aus Mr. Monkton, seiner Frau und einem einzigen Sohne und Erben. Außer ihnen lebte nur noch ein Individuum, das diesen Namen trug — ein jüngerer Bruder Mr. Monktons, Stephan genannt. Er war unverheiratet und besaß ein schönes Gut in Schottland, aber weilte fast immer auf dem Kontinente, und stand im Rufe eines schamlosen Wüstlings. Die in Wincot residierende Familie stand mit ihm in keinem größerem Verkehr als mit ihren Nachbarn, das heißt, in gar keinem.
| At the period of my youth but three of the Monktons were left at the Abbey--Mr. and Mrs. Monkton and their only child Alfred, heir to the prope rty. The one other member of this, the elder branch of the family, who was then alive, was Mr. Monkton's younger brother, Stephen. He was an unmarried man, possessing a fine estate in Scotland; but he lived almost entirely on the Continent, and bore the reputation of being a shameless profligate. The family at Wincot held almost as little communication with him as with their neighbors.
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Wie bereits erwähnt, waren mein Vater und eine Dame mit ihrer Tochter, die einzigen Bevorzugten, welche in der Abtei Zutritt fanden. Meines Vaters Bekanntschaft mit Mr. Monkton rührte aus ihrem gemeinschaftlichen Schul- und Universitätsbesuche her, und auch im späteren Leben hatte der Zufall sie in so nahe Berührungen gebracht, dass ihr vertrautes Verhältnis sich daraus leicht erklären ließ. Woher sich die Freundschaft mit Mrs. Elmsly, der eben erwähnten Dame, datierte, ist mir nicht genau bekannt. Ihr verstorbener Gatte war, wenn ich nicht irre, ein entfernter Verwandter der Mrs. Monkton, und mein Vater der Vormund ihrer minderjährigen Tochter. Außer diesen Umständen müssen jedoch noch andere, mir nicht bekannte mitwirkend gewesen sein; denn aus ihnen allein ließe sich das sehr intime Verhältnis nicht erklären, in welchem Mr. Elmsly zu der Familie stand. Eine Folge dieses vertrauten Umganges war, dass Alfred Monkton und Ada Elmsly Neigung zu einander gewannen.
| I have already mentioned my father, and a lady and her daughter, as the only privileged people who were admitted into Wincot Abbey.
My father had been an old school and college friend of Mr. Monkton, and accident had brought them so much together in later life that their continued intimacy at Wincot was quite intelligible. I am not so well able to account for the friendly terms on which Mrs. Elmslie (the lady to whom I have alluded) lived with the Monktons. Her late husband had been distantly related to Mrs. Monkton, and my father was her daughter's guardian. But even these claims to friendship and regard never seemed to me strong enough to explain the intimacy between Mrs. Elmslie and the inhabitants of the Abbey. Intimate, however, they certainly were, and one result of the constant interchange of visits between the two families in due time declared itself: Mr. Monkton's son and Mrs. Elmslie's daughter became attached to each other.
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Ich hatte nicht oft Gelegenheit, die junge Dame zu sehen, und erinnere mich nur, dass sie damals ein zartes, sanftes, liebenswürdiges Mädchen war, dessen Äußeres und Charakter in direktem Gegensatze zu dem Alfred Monktons zu stehen schienen. Vielleicht war es gerade diese Verschiedenheit, was gegenseitige Liebe in ihnen erweckte. Diese Neigung wurde von den beiderseitigen Eltern bald entdeckt und nicht missbilligt. In allen wesentlichen Beziehungen, mit alleiniger Ausnahme des Vermögens, stand die Familie Elmsly den Monktons gleich; und der Mangel des Vermögens bei der Braut konnte bei Alfred, dem Erben von Wincot, der nach dem Ableben seines Vaters ein Einkommen von jährlich dreißigtausend Pfund überkam, von keinem Gewichte sein. Obgleich daher die jungen Leute noch nicht das erforderliche Alter erreicht hatten, um eine ehrliche Verbindung schließen zu können, legten die Eltern doch ihrer Verlobung kein Hindernis in den Weg, und willigten ein, dass die Vermählung vollzogen werde, sobald Alfred die Volljährigkeit erreicht habe. Allein außer ihnen war auch die Einwilligung meines Vaters, als Vormundes von Ada Elmsly, erforderlich. Er wusste, dass das in der Familie erbliche Übel sich vor längeren Jahren bei Mrs. Monkton, welche ihrem Gatten nahe verwandt war, gezeigt hatte. Durch geschickte ärztliche Behandlung war es zwar nicht zum völligen Ausbruche gekommen, und man versicherte allgemein, dass die Krankheit — wie es bezeichnender Weise genannt wurde — völlig geheilt worden sei; allein mein Vater ließ sich dadurch nicht täuschen, denn er kannte den heimlichen Sitz des Übels zu wohl. Mit Schrecken dachte er an die Möglichkeit, dass es früher oder später bei den Kindern der einzigen Tochter seines verstorbenen Freundes wieder ausbrechen könne, und versagte deshalb seine Einwilligung zu der ehelichen Verbindung.
| I had no opportunities of seeing much of the young lady; I only remember her at that time as a delicate, gentle, lovable girl, the very opposite in appearance, and apparently in character also, to Alfred Monkton. But perhaps that was one reason why they fell in love with each other. The attachment was soon discovered, and was far from being disapproved by the parents on either side. In all essential points except that of wealth, the Elmslies were nearly the equals of the Monktons, and want of money in a bride was of no consequence to the heir of Wincot. Alfred, it was well known, would succeed to thirty thousand a year on his father's death.
Thus, though the parents on both sides thought the young people not old enough to be married at once, they saw no reason why Ada and Alfred should not be engaged to each other, with the understanding that they should be united when young Monkton came of age, in two years' time. The person to be consulted in the matter, after the parents, was my father, in his capacity of Ada's guardian. He knew that the family misery had shown itself many years ago in Mrs. Monkton, who was her husband's cousin. The illness, as it was significantly called, had been palliated by careful treatment, and was reported to have passed away. But my father was not to be deceived. He knew where the hereditary taint still lurked; he viewed with horror the bare possibility of its reappearing one day in the children of his friend's only daughter; and he positively refused his consent to the marriage engagement.
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Die Folge davon war, dass der bisher zwischen ihm und den beiden Familien Monkton und Elmsly bestandene freundliche Verkehr aufhörte. Diese Spannung hatte erst kurze Zeit gedauert, als Mrs. Monkton starb. Ihr Gatte, der sie innig liebte und ihren Verlust sehr schmerzlich empfand, zog sich eine sehr heftige Erkältung während des Leichenbegängnisses zu, vernachlässigte diese, und folgte nach wenigen Monaten der Vorangegangenen in das Grab, wodurch Alfred alleiniger Herr der Abtei Wincot und ihrer ausgedehnten Ländereien wurde.
| The result was that the doors of the Abbey and the doors of Mrs. Elmslie's house were closed to him. This suspension of friendly intercourse had lasted but a very short time when Mrs. Monkton died. Her husband, who was fondly attached to her, caught a violent cold while attending her funeral. The cold was neglected, and settled on his lungs. In a few months' time he followed his wife to the grave, and Alfred was left master of the grand old Abbey and the fair lands that spread all around it.
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Nach diesem letzten Trauerfall war Mrs. Elmsly, Adas Mutter, so undelikat, einen wiederholten Versuch zu machen, die Einwilligung meines Vaters zu der gewünschten Verbindung zu erlangen. Er verweigerte sie jedoch noch bestimmter als vorher. Mehr als ein Jahr verstrich hierauf, und der Zeitpunkt näherte sich, da Alfred seine Volljährigkeit erlangte. Ich kam damals von der Universität nach Hause, um die Ferien in der Familie zu verleben, und machte einige Versuche, meine frühere Bekanntschaft mit dem jungen Monkton wieder anzuknüpfen; allein er wich ihnen aus, und wenn gleich mit großer Höflichkeit, doch in solcher Weise, dass von einer Wiederholung keine Rede sein konnte. Das Gefühl der Kränkung, das ich unter anderen Umständen in Folge dieser Zurückweisung empfunden haben würde, konnte nicht aufkommen, weil meine Familie von einem schweren Unglücksfalle heimgesucht wurde. Schon seit mehreren Monaten war mein Vater leidend gewesen, und gerade in dieser Zeit, kurz nach meiner Heimkehr von der Universität, traf mich und meine Geschwister der harte Schlag seines Todes.
| At this period Mrs. Elmslie had the indelicacy to endeavor a second time to procure my father's consent to the marriage engagement. He refused it again more positively than before. More than a year passed away. The time was approaching fast when Alfred would be of age. I returned from college to spend the long vacation at home, and made some advances toward bettering my acquaintance with young Monkton. They were evaded--certainly with perfect politeness, but still in such a way as to prevent me from offering my friendship to him again. Any mortification I might have felt at this petty repulse under ordinary circumstances was dismissed from my mind by the occurrence of a real misfortune in our household. For some months past my father's health had been failing, and, just at the time of which I am now writing, his sons had to mourn the irreparable calamity of his death.
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Dieses Ereignis machte Ada, in Gemäßheit des väterlichen Testamentes, für die Zukunft nur vom Willen ihrer Mutter abhängig, und das Verhältnis zwischen Alfred und Ada wurde daher sogleich wieder angeknüpft. Nach erfolgter Bekanntmachung der Verlobung kamen Mrs. Elmslys nähere Freunde und gratulierten, aber wagten auch, da ihnen die Gerüchte über das in der Familie Monkton herrschende erbliche Leiden bekannt waren, ihren Glückwünschen einige Andeutungen und Fragen, den Gemütszustand des Sohnes betreffend, beizufügen. Mrs. Elmsly gab jedoch auf diese höflichen Winke stets nur eine sehr entschiedene Antwort. Sie räumte die Existenz jener Gerüchte ein, aber erklärte sie für schändliche Verleumdungen. Das erbliche Leiden, worauf ihre Freunde anspielten, versicherte sie, sei bereits seit mehreren Generationen aus der Familie ganz verschwunden; Alfred sei das beste, gütigste und geistig gesündeste aller menschlichen Wesen; er liebe die Zurückgezogenheit und die Wissenschaften, und Ada sympathisiere mit seinem Geschmacke und habe, durch keinen fremden Einfluss bestimmt, ihre Wahl frei und unabhängig getroffen. Sollten mehr dergleichen Andeutungen getan werden, fügte sie hinzu, so müsse sie dieselben als Beleidigungen für sich selbst ansehen, deren Mutterliebe in Zweifel zu ziehen grausam und kränkend sei.
| This event, through some informality or error in the late Mr. Elmslie's will, left the future of Ada's life entirely at her mother's disposal. The consequence was the immediate ratification of the marriage engagement to which my father had so steadily refused his consent. As soon as the fact was publicly announced, some of Mrs. Elmslie's more intimate friends, who were acquainted with the reports affecting the Monkton family, ventured to mingle with their formal congratulations one or two significant references to the late Mrs. Monkton and some searching inquiries as to the disposition of her son.
Mrs. Elmslie always met these polite hints with one bold form of answer. She first admitted the existence of these reports about the Monktons which her friends were unwilling to specify distinctly, and then declared that they were infamous calumnies. The hereditary taint had died out of the family generations back. Alfred was the best, the kindest, the sanest of human beings. He loved study and retirement; Ada sympathized with his tastes, and had made her choice unbiased; if any more hints were dropped about sacrificing her by her marriage, those hints would be viewed as so many insults to her mother, whose affection for her it was monstrous to call in question.
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Solche Erwiderungen brachten die Leute zwar zum Schweigen, aber überzeugten sie nicht. Man begann nicht mit Unrecht zu vermuten, dass Mrs. Elmsly ein weltlich gesinntes, habsüchtiges Weib sei, das ihre Tochter nur vorteilhaft verheiraten und als die reichste Besitzerin in der Grafschaft sehen wolle, ohne sich um die Folgen zu kümmern.
| This way of talking silenced people, but did not convince them. They began to suspect, what was indeed the actual truth, that Mrs. Elmslie was a selfish, worldly, grasping woman, who wanted to get her daughter well married, and cared nothing for consequences as long as she saw Ada mistress of the greatest establishment in the whole county.
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Es schien jedoch, als wenn irgendein böses Verhängnis tätig wäre, um die Erreichung dieses großen, von Mrs. Elmsly erstrebten Zieles zu vereiteln. Kaum war das erste der unglücklichen Verbindung entgegenstehende Hindernis durch den Tod meines Vaters beseitigt worden, so zeigte sich ein neues in den Befürchtungen, welche durch Adas leidenden Gesundheitszustand veranlasst wurden. Die besten Ärzte wurden zu Rat gezogen, und ihre Meinungen vereinigten sich dahin, dass die Heirat verschoben werden, und Miss Elmsly England verlassen und längere Zeit in einem milderen Klima — wenn ich nicht irre, im südlichen Frankreich — wohnen müsse. So kam es, dass Ada und ihre Mutter wenige Wochen vor dem Tage, an welchem Alfred seine Volljährigkeit erreichte, England verließen, und die Verbindung, wie es allgemein hieß, auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
| It seemed, however, as if there was some fatality at work to prevent the attainment of Mrs. Elmslie's great object in life. Hardly was one obstacle to the ill-omened marriage removed by my father's death before another succeeded it in the shape of anxieties and difficulties caused by the delicate state of Ada's health. Doctors were consulted in all directions, and the result of their advice was that the marriage must be deferred, and that Miss Elmslie must leave England for a certain time, to reside in a warmer climate--the south of France, if I remember rightly. Thus it happened that just before Alfred came of age Ada and her mother departed for the Continent, and the union of the two young people was understood to be indefinitely postponed.
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Die Nachbarn waren neugierig, was Alfred unter diesen Umständen tun werde — ob er seiner Braut folgen, oder die Türen der Abtei öffnen, und ihre Abwesenheit und die Verschiebung seiner Heirat in rauschenden Vergnügungen zu vergessen suchen werde. Er tat jedoch keins von beidem, sondern blieb ruhig in der Abtei, und setzte das sonderbare, einsame Leben fort, wie es sein Vater geführt hatte. Sein einziger Gesellschafter war der alte katholische Priester, der Alfreds Lehrer von dessen frühester Jugend an gewesen war. Als der Tag seiner Volljährigkeit kam, fand auch nicht die geringste Festlichkeit statt. Mehrere nachbarliche Familien hatten zwar beschlossen, die ihnen von seinem Vater durch dessen Zurückgezogenheit bewiesene Vernachlässigung zu vergessen, und luden ihn zu sich ein; allein diese Einladungen wurden von Alfred auf die höflichste Weise abgelehnt. Andere gingen noch weiter und kamen, um ihm in der Abtei selbst Besuche abzustatten; aber sie wurden an der Tür von den Dienstboten unter den artigsten Verbeugungen abgewiesen. Ein so abstoßendes Benehmen musste verletzen, und die Leute begannen endlich, sobald der Name Alfred Monkton genannt wurde, den Kopf geheimnisvoll zu schütteln, auf das erbliche Familienleiden anzuspielen und ihre Verwunderung darüber auszudrücken, womit der junge Mann sich Monate lang in dem einsamen alten Hause die Zeit vertreiben könne.
| Some curiosity was felt in the neighborhood as to what Alfred Monkton would do under these circumstances. Would he follow his lady-love? would he go yachting? would he throw open the doors of the old Abbey at last, and endeavor to forget the absence of Ada and the postponement of his marriage in a round of gayeties? He did none of these things. He simply remained at Wincot, living as suspiciously strange and solitary a life as his father had lived before him. Literally, there was now no companion for him at the Abbey but the old priest--the Monktons, I should have mentioned before, were Roman Catholics--who had held the office of tutor to Alfred from his earliest years. He came of age, and there was not even so much as a private dinner-party at Wincot to celebrate the event. Families in the neighborhood determined to forget the offense which his father's reserve had given them, and invited him to their houses. The invitations were politely declined. Civil visitors called resolutely at the Abbey, and were as resolutely bowed away from the doors as soon as they had left their cards. Under this combination of sinister and aggravating circumstances people in all directions took to shaking their heads mysteriously when the name of Mr. Alfred Monkton was mentioned, hinting at the family calamity, and wondering peevishly or sadly, as their tempers inclined them, what he could possibly do to occupy himself month after month in the lonely old house.
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Die richtige Antwort auf diese Frage zu finden war nicht leicht. Von dem alten Priester ließ sich keine Auskunft erlangen, da er ein äußerst vorsichtiger Mann war, und seine höflichen und weitschweifigen Erwiderungen stets so einzurichten wusste, dass sich daraus nichts entnehmen ließ. Die Haushälterin war ein zu finsteres, abstoßendes altes Weib, als dass man sich ihr überhaupt hätte nähern können, und die wenigen übrigen Dienstboten hatten zu lange in der Familie gelebt, um nicht schweigen gelernt zu haben. Die einzigen Personen also, von denen sich einige Auskunft erlangen ließ, waren die auf dem Hofe beschäftigten Arbeiter; allein ihre Mitteilungen lauteten sehr unbestimmt. Manche von ihnen wollten den »jungen Herrn« im Bibliothekzimmer, mit Haufen staubiger Papiere in den Händen, haben auf- und abgehen sehen. Andere hatten sonderbare Töne in den unbewohnten Teilen der Abtei gehört, und ihn beim Aufblicken wahrgenommen, wie er bemüht gewesen, die Fenster zu öffnen, als wolle er Licht und Luft in die seit Jahren unbewohnten Räume einlassen; oder sie hatten ihn auf der gefährlichen Spitze irgendeines alten, verfallenen Turmes stehen sehen, der seit Menschengedenken von niemand bestiegen worden, und nach allgemeinem Volksglauben von den Geistern der Mönche bewohnt war, die früher dort gehaust hatten. Derartige Beobachtungen und Gerüchte dienten natürlich dazu, die schon herrschende Meinung zu befestigen, dass der junge Monkton denselben Weg gehe, den seine Voreltern gegangen, das heißt, irrsinnig geworden sei.
| The right answer to this question was not easy to find. It was quite useless, for ex ample, to apply to the priest for it. He was a very quiet, polite old gentleman; his replies were always excessively ready and civil, and appeared at the time to convey an immense quantity of information; but when they came to be reflected on, it was universally observed that nothing tangible could ever be got out of them. The housekeeper, a weird old woman, with a very abrupt and repelling manner, was too fierce and taciturn to be safely approached. The few indoor servants had all been long enough in the family to have learned to hold their tongues in public as a regular habit. It was only from the farm-servants who supplied the table at the Abbey that any information could be obtained, and vague enough it was when they came to communicate it.
Some of them had observed the "young master" walking about the library with heaps of dusty papers in his hands. Others had heard odd noises in the uninhabited parts of the Abbey, had looked up, and had seen him forcing open the old windows, as if to let light and air into the rooms supposed to have been shut close for years and years, or had discovered him standing on the perilous summit of one of the crumbling turrets, never ascended before within their memories, and popularly considered to be inhabited by the ghosts of the monks who had once possessed the building. The result of these observations and discoveries, when they were communicated to others, was of course to impress every one with a firm belief that "poor young Monkton was going the way that the rest of the family had gone before him," which opinion always appeared to be immensely strengthened in the popular mind by a conviction--founded on no particle of evidence--that the priest was at the bottom of all the mischief.
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Das bisher Erzählte habe ich meistens nur aus den Mitteilungen anderer entnommen, der jetzt folgende Teil beruht auf meinen eigenen Wahrnehmungen.
| Thus far I have spoken from hearsay evidence mostly. What I have next to tell will be the result of my own personal experience.
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II | II |
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Ungefähr fünf Monate später, nachdem Alfred Monkton die Volljährigkeit erreicht hatte, verließ ich die Universität und beschloss, sowohl zu meiner Belehrung als Erholung einige Zeit fremde Länder zu besuchen.
| ABOUT five months after Alfred Monkton came of age I left college, and resolved to amuse and instruct myself a little by traveling abroad.
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Als ich England verließ, lebte der junge Monkton noch in seiner abgeschlossenen Zurückgezogenheit auf der Abtei und erlag, der allgemeinen Meinung zufolge, immer mehr und mehr dem erblichen Leiden der Familie. In Betreff Miss Elmslys sagte das Gerücht, dass sie sich durch den Aufenthalt im Auslande bedeutend erholt und bereits mit ihrer Mutter den Heimweg nach England angetreten habe, um ihr früheres Verhältnis zu dem Erben von Wincot wieder anzuknüpfen. Noch ehe sie jedoch anlangten, hatte ich meine Reise schon begonnen. Ich durchwanderte halb Europa ohne Plan, bis mich endlich der Zufall auch-nach Neapel führte. Dort traf ich einen alten Schulfreund, welcher Attaché bei der englischen Gesandtschaft war, und dort nahmen die merkwürdigen, Alfred Monkton so nahe berührenden Begebenheiten ihren Anfang, welche ich in den nachfolgenden Zeilen schildern will.
| At the time when I quitted England young Monkton was still leading his secluded life at the Abbey, and was, in the opinion of everybody, sinking rapidly, if he had not already succumbed, under the hereditary curse of his family. As to the Elmslies, report said that Ada had benefited by her sojourn abroad, and that mother and daughter were on their way back to England to resume their old relations with the heir of Wincot. Before they returned I was away on my travels, and wandered half over Europe, hardly ever planning whither I should shape my course beforehand. Chance, which thus led me everywhere, led me at last to Naples. There I met with an old school friend, who was one of the attaches at the English embassy, and there began the extraordinary events in connection with Alfred Monkton which form the main interest of the story I am now relating.
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An einem schönen Morgen, als ich mit meinem Freunde, dem Attaché, in den Gärten der Villa Reale umher schlenderte, begegneten wir einem jungen, einsam gehenden Manne, welcher meinen Begleiter grüßte. Ich glaubte diese dunklen, glühenden Augen, die fahlen Wangen und den ängstlich suchenden Blick schon gesehen zu haben, und Alfred Monkton in ihm zu erkennen, und war im Begriffe, meinen Freund darüber zu befragen, als er mir unaufgefordert die gewünschte Auskunft gab.
| I was idling away the time one morning with my friend the attache in the garden of the Villa Reale, when we were passed by a young man, walking alone, who exchanged bows with my friend.
I thought I recognized the dark, eager eyes, the colorless cheeks, the strangely-vigilant, anxious expression which I remembered in past times as characteristic of Alfred Monkton's face, and was about to question my friend on the subject, when he gave me unasked the information of which I was in search.
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»Es ist Alfred Monkton«, sagte er, »er ist in demselben Teile von England zu Hause wie Sie. Kennen Sie ihn nicht?«
| "That is Alfred Monkton," said he; "he comes from your part of England. You ought to know him."
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»Nur entfernt«, erwiderte ich. »Er war mit Miss Elmsly verlobt, als ich ihn zum letzten Male in der Nähe von Wincot sah. Ist er schon mit ihr vermählt?«
| "I do know a little of him," I answered; "he was engaged to Miss Elmslie when I was last in the neighborhood of Wincot. Is he married to her yet?"
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»Nein; es sollte auch nie-geschehen, denn er ist, wie alle seine Vorfahren — wahnsinnig.«
| "No, and he never ought to be. He has gone the way of the rest of the family--or, in plainer words, he has gone mad."
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»Wahnsinnig?« rief ich. »Doch ich kann mich nach den Gerüchten, die ich schon in England über ihn gehört habe, eigentlich nicht wundern.«
| "Mad! But I ought not to be surprised at hearing that, after the reports about him in England."
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»Ich urteile nicht nach den Gerüchten, sondern nach dem, was er in meiner Gegenwart und im Angesichte von Hunderten gesagt und getan hat. Sie müssen davon gehört haben.«
| "I speak from no reports; I speak from what he has said and done before me, and before hundreds of other people. Surely you must have heard of it?"
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»Nie.·Seit Monaten habe ich von England durchaus keine Nachrichten erhalten, und ebenso wenig hier, in Neapel, Neuigkeiten erfahren.«
| "Never. I have been out of the way of news from Naples or England for months past."
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»So muss ich Ihnen eine sonderbare Geschichte erzählen. Es wird Ihnen bekannt sein, dass Alfred Monkton einen Oheim und Bruder seines Vaters namens Stephan Monkton hatte. Dieser Oheim duellierte sich vor einiger Zeit in den päpstlichen Staaten mit einem Franzosen und wurde erschossen. Die Sekundanten und der Franzose, welcher unverletzt geblieben war, entflohen, wie man vermutet, in verschiedenen Richtungen. Die näheren Umstände des Duells hörten wir hier erst einen Monat später, als nämlich ein französisches Journal einen Bericht darüber brachte, welcher den hinterlassenen Papieren eines der dabei beteiligten und bald darauf in Paris verstorbenen Sekundanten entnommen war. Es ergab sich daraus die Art und Weise, in der das Duell vor sich gegangen und beendet worden, aber weiter nichts. Der andere Sekundant und der Gegner, der Franzose, waren spurlos verschwunden, und alle bisher an gestellten Nachforschungen blieben fruchtlos. Man weiß daher nichts weiter, als dass Stephan Monkton im Duelle erschossen wurde — ein Ereignis, das niemand sehr beklagen wird, da ein größerer Schuft als er nie auf Erden gelebt hat. Allein, wie dies geschehen, und wohin sein Leichnam gebracht worden ist, sind Fragen, über denen ein bis jetzt noch unaufgeklärtes Dunkel schwebt.«
| "Then I have a very extraordinary story to tell you. You know, of course, that Alfred had an uncle, Stephen Monkton. Well, some time ago this uncle fought a duel in the Roman States with a Frenchman, who shot him dead. The seconds and the Frenchman (who was unhurt) took to flight in different directions, as it is supposed. We heard nothing here of the details of the duel till a month after it happened, when one of the French journals published an account of it, taken from the papers left by Monkton's second, who died at Paris of consumption. These papers stated the manner in which the duel was fought, and how it terminated, but nothing more. The surviving second and the Frenchman have never been traced from that time to this. All that anybody knows, therefore, of the duel is that Stephen Monkton was shot; an event which nobody can regret, for a greater scoundrel never existed. The exact place where he died, and what was done with the body are still mysteries not to be penetrated."
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»Aber was hat alles dies mit Alfred Monkton zu tun?«
| "But what has all this to do with Alfred?"
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»Nur Geduld, Sie werden es gleich hören. Was glauben Sie, das Alfred tat, sobald die Nachricht vom Tode seines Oheims nach England gelangte? Er verschob seine bereits nahe bevorstehende Vermählung mit Miss Elmsly und kam hierher, um die Grabstätte seines schuftigen Oheims aufzusuchen. Er hat erklärt, nicht eher nach England und zu seiner Braut zurückkehren zu wollen, als bis er den Leichnam gefunden habe und mit sich nach England führen könne, um ihn in der Monktonschen Gruft beizusetzen. Er hat hier sein Geld verschwendet, die Polizei nutzlos gequält, sich seit drei Monaten dem Gelächter aller preisgegeben, und ist der Erreichung seines Zweckes jetzt noch ebenso fern als je. Keinem Menschen will er einen Beweggrund für diese seltsame Handlungsweise angeben. Man mag über ihn lachen, oder ihm vernünftige Vorstellungen machen, Alles ist vergeblich. Jetzt eben, als wir ihm begegneten, war er wieder auf dem Wege zum Polizeiminister, um neue Agenten durch den ganzen Kirchenstaat zu senden, die den Ort entdecken sollen, an dem sein Oheim den Tod gefunden hat. Das Sonderbarste bei der ganzen Sache ist aber, dass er dessenungeachtet versichert, die unbegrenzteste Liebe für Miss Elmsly zu empfinden, und sich wegen der Trennung von ihr unaussprechlich unglücklich zu fühlen — eine Trennung, die er sich freiwillig auferlegt hat, um die Überreste eines Elenden aufzusuchen, der ein Schandfleck für die Familie war, und den er kaum ein paarmal in seinem Leben gesehen hat. Denken Sie nur! Von allen »verrückten Monktons«, wie sie in England genannt werden, ist Alfred der Verrückteste, und macht hier den Hauptgegenstand unserer Unterhaltung aus. Wenn ich aber an das arme, verlassene Mädchen in England denke, so fühle ich mich mehr geneigt ihn zu verachten, als über ihn zu lachen.«
| "Wait a moment, and you will hear. Soon after the news of his uncle's death reached England, what do you think Alfred did? He actually put off his marriage with Miss Elmslie, which was then about to be celebrated, to come out here in search of the burial-place of his wretched scamp of an uncle; and no power on earth will now induce him to return to England and to Miss Elmslie until he has found the body, and can take it back with him, to be buried with all the other dead Monktons in the vault under Wincot Abbey Chapel. He has squandered his money, pestered the police, and exposed himself to the ridicule of the men and the indignation of the women for the last three months in trying to achieve his insane purpose, and is now as far from it as ever. He will not assign to anybody the smallest motive for his conduct. You can't laugh him out of it or reason him out of it. When we met him just now, I happen to know that he was on his way to the office of the police minister, to send out fresh agents to search and inquire through the Roman States for the place where his uncle was shot. And, mind, all this time he professes to be passionately in love with Miss Elmslie, and to be miserable at his separation from her. Just think of that! And then think of his self-imposed absence from her here, to hunt after the remains of a wretch who was a disgrace to the family, and whom he never saw but once or twice in his life. Of all the 'Mad Monktons,' as they used to call them in England, Alfred is the maddest. He is actually our principal excitement in this dull opera season; though, for my own part, when I think of the poor girl in England, I am a great deal more ready to despise him than to laugh at him."
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»Sie kennen also die Elmslysche Familie?«
| "You know the Elmslies then?"
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»Genau. Erst vor wenigen Tagen erhielt ich von meiner Mutter aus England einen Brief in Betreff Adas, welche sie besucht hatte. Alle Freunde der Familie sind empört über diesen Narrenstreich, und dringen in sie, das Verhältnis abzubrechen. Selbst ihre Mutter, so schmutzig und hochmütig sie ist, hat es des öffentlichen Anstandes halber für notwendig erachtet, auf die Seite der übrigen Verwandten zu treten, und sich ihren Wünschen anzuschließen; allein das brave Mädchen will ihn nicht aufgeben. Sie nimmt seine Tollheit in Schutz, versichert, dass er ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit einen guten Grund für sein abenteuerliches Unternehmen angegeben habe, und dass sie zuversichtlich hoffe, noch recht glücklich mit ihm zu werden. Mit einem Worte, sie liebt ihn von ganzem Herzen und schenkt ihm volles Vertrauen. Durch nichts lässt sie sich wankend machen und ist fest entschlossen, ihm ihr Leben zu opfern.«
| "Intimately. The other day my mother wrote to me from England, after having seen Ada. This escapade of Monkton's has outraged all her friends. They have been entreating her to break off the match, which it seems she could do if she liked. Even her mother, sordid and selfish as she is, has been obliged at last, in common decency, to side with the rest of the family; but the good, faithful girl won't give Monkton up. She humors his insanity; declares he gave her a good reason in secret for going away; says she could always make him happy when they were together in the old Abbey, and can make him still happier when they are married; in short, she loves him dearly, and will therefore believe in him to the last. Nothing shakes her. She has made up her mind to throw away her life on him, and she will do it."
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»Weshalb gerade — opfern? So seltsam sein Benehmen auch erscheint, kann er doch einen Grund dazu haben, den wir nicht zu entdecken vermögen. Ist denn eine Störung in seinem Geiste erkennbar, wenn er von gewöhnlichen Gegenständen spricht?«
| "I hope not. Mad as his conduct looks to us, he may have some sensible reason for it that we cannot imagine. Does his mind seem at all disordered when he talks on ordinary topics?"
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»Nicht im Geringsten; wenn man ihn überhaupt zum Reden bringen kann, was nicht leicht ist und nicht häufig geschieht, so spricht er wie ein vernünftiger, gebildeter Mann. Berühren Sie nicht den Gegenstand, welcher ihn hierher geführt hat, und er wird Ihnen als der sanfteste, ruhigste Mensch erscheinen. Sobald man aber auch nur im Entferntesten jenes Vagabunden, seines Oheims, erwähnt, so zeigt sich die Familienkrankheit augenblicklich. Vor einigen Tagen fragte ihn eine Dame scherzweise, ob er jemals den Geist seines Oheims gesehen habe. Als Erwiderung sah er sie mit wahrhaft teuflischen Blicken an und sagte, dass er und sein Oheim ihre Frage gemeinschaftlich beantworten würden, wenn sie auch aus der Hölle kommen müssten, um es zu tun. Wir lachten über seine-Antwort, allein die Dame war von seinen Blicken so erschreckt worden, dass sie in Ohnmacht sank. Jeder andere Mann würde wegen eines solchen Betragens aus der Gesellschaft verwiesen worden sein, allein der »verrückte Monkton«, wie wir ihn getauft haben, genießt in den Kreisen von Neapel das Privilegium des Wahnsinns, weil er ein Engländer, ein hübscher Mann ist, und jährlich dreißigtausend Pfund zu verzehren hat. Überall, wohin er geht, hofft er jemanden zu finden, der ihm das Geheimnis des Ortes enthüllen kann, an dem das Duell stattgefunden hat. Sobald Sie ihm vorgestellt werden, wird er Sie augenblicklich fragen, ob Ihnen nichts davon bekannt sei. Aber hüten Sie sich wohl, auf den Gegenstand näher einzugehen, wenn es nicht in Ihrer Absicht liegt, sich davon zu überzeugen, dass er wirklich wahnsinnig ist. In diesem Falle dürfen Sie nur von seinem Oheim zu reden anfangen, und der Erfolg wird Sie vollständig befriedigen.«
| "Not in the least. When you can get him to say anything, which is not often, he talks like a sensible, well-educated man. Keep silence about his precious errand here, and you would fancy him the gentlest and most temperate of human beings; but touch the subject of his vagabond of an uncle, and the Monkton madness comes out directly. The other night a lady asked him, jestingly of course, whether he had ever seen his uncle's ghost. He scowled at her like a perfect fiend, and said that he and his uncle would answer her question together some day, if they came from hell to do it. We laughed at his words, but the lady fainted at his looks, and we had a scene of hysterics and hartshorn in consequence. Any other man would have been kicked out of the room for nearly frightening a pretty woman to death in that way; but 'Mad Monkton,' as we have christened him, is a privileged lunatic in Neapolitan society, because he is English, good-looking, and worth thirty thousand a year. He goes out everywhere under the impression that he may meet with somebody who has been let into the secret of the place where the mysterious duel was fought. If you are introduced to him he is sure to ask you whether you know anything about it; but beware of following up the subject after you have answered him, unless you want to make sure that he is out of his senses. In that case, only talk of his uncle, and the result will rather more than satisfy you."
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Wenige Tage nach dieser Unterredung mit dem Attaché traf ich Monkton in einer Abendgesellschaft. Als er meinen Namen nennen hörte, überzog hohe Röte sein Gesicht. Er ergriff meinen Arm, führte mich in eine Ecke des Zimmers, und bat mich wegen der Kälte, mit der er früher meine Annäherung zurückgewiesen hatte, um Verzeihung, nannte seine Handlungsweise eine nicht zu entschuldigende Undankbarkeit, und sprach mit einer Glut und inneren Bewegung, die mich in Erstaunen setzten. Sein nächstes Wort enthielt, wie mein Freund mir vorher gesagt hatte, die Frage nach dem Orte des geheimnisvollen Duells.
| A day or two after this conversation with my friend the attache, I met Monkton at an evening party.
The moment he heard my name mentioned, his face flushed up; he drew me away into a corner, and referring to his cool reception of my advance years ago toward making his acquaintance, asked my pardon for what he termed his inexcusable ingratitude with an earnestness and an agitation which utterly astonished me. His next proceeding was to question me, as my friend had said he would, about the place of the mysterious duel.
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Während er davon sprach, ging eine merkwürdige Veränderung mit ihm vor. Statt mir in das Gesicht zu blicken, wie er bisher getan hatte, schweiften seine Augen umher und richteten sich dann mit fast wildem Ausdrucke auf die leere Wand vor uns. Ich war zur See von Spanien nach Neapel gekommen, und sagte ihm kurz, dass ich aus diesem Grunde unvermögend sei, die geringste Auskunft zu geben. Er verfolgte den Gegenstand auch nicht weiter, und meines Freundes Warnung gedenkend, lenkte ich das Gespräch auf andere Dinge. Sogleich fielen seine Blicke wieder auf mich und blieben in dieser Richtung, so lange wir in der Ecke des Zimmers miteinander sprachen.
| An extraordinary change came over him while he interrogated me on this point. Instead of looking into my face as they had looked hitherto, his eyes wandered away, and fixed themselves intensely, almost fiercely, either on the perfectly empty wall at our side, or on the vacant space between the wall and ourselves, it was impossible to say which. I had come to Naples from Spain by sea, and briefly told him so, as the best way of satisfying him that I could not assist his inquiries. He pursued them no further; and, mindful of my friend's warning, I took care to lead the conversation to general topics. He looked back at me directly, and, as long as we stood in our corner, his eyes never wandered away again to the empty wall or the vacant space at our side.
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Er war zwar immer mehr geneigt zu hören, als selbst zu sprechen, allein wenn er sprach, ließ seine Rede auch nicht die leisesten Spuren von Irrsinn erkennen. Er hatte viel und gründlich gelesen, und besaß die glückliche Gabe, das auf diese Weise erlangte Wissen bei jedem Gegenstande der Unterhaltung zur Anwendung zu bringen, ohne dass er dadurch prahlerisch erschien. Sein ganzes Wesen und Benehmen stand im direktesten Widerspruch mit dem Spottnamen »verrückter Monkton«. Er war ruhig, zurückhaltend, und in seinem ganzen Tun und Treiben so sanft, dass ich ihn zuweilen fast hätte weibisch nennen mögen. Wir hatten am ersten Abende unseres Zusammentreffens eine lange Unterhaltung, sahen uns später öfter, und ließen keine Gelegenheit vorübergehen, das angeknüpfte Band des Vertrauens zu befestigen. Ich sah, dass er sich zu mir hingezogen fühlte, und ungeachtet alles dessen, was ich über sein Betragen gegen Miss Elmsly gehört hatte, und des Verdachtes, zu dem die Geschichte seiner Familie sowohl wie sein eigenes Benehmen Veranlassung gab, begann ich die mir geschenkte Zuneigung in demselben Grade zu erwidern. Wir machten manchen Spazierritt in der Umgegend, und ruderten oft zusammen längs der schönen Ufer der Bai von Neapel. Wenn sich nicht zwei auffallende, mir unerklärliche Erscheinungen in seinem Wesen gezeigt hätten, so würde ich mich im Umgange mit ihm so wohl gefühlt haben, als wenn er mein Bruder gewesen wäre.
| Though more ready to listen than to speak, his conversation, when he did talk, had no trace of anything the least like insanity about it. He had evidently read, not generally only, but deeply as well, and could apply his reading with singular felicity to the illustration of almost any subject under discussion, neither obtruding his knowledge absurdly, nor concealing it affectedly. His manner was in itself a standing protest against such a nickname as "Mad Monkton." He was so shy, so quiet, so composed and gentle in all his actions, that at times I should have been almost inclined to call him effeminate. We had a long talk together on the first evening of our meeting; we often saw each other afterward, and never lost a single opportunity of bettering our acquaintance. I felt that he had taken a liking to me, and, in spite of what I had heard about his behavior to Miss Elmslie, in spite of the suspicions which the history of his family and his own conduct had arrayed against him, I began to like "Mad Monkton" as much as he liked me. We took many a quiet ride together in the country, and sailed often along the shores of the Bay on either side. But for two eccentricities in his conduct, which I could not at all understand, I should soon have felt as much at my ease in his society as if he had been my own brother.
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Die eine dieser Erscheinungen bestand darin, dass sich zuweilen jener sonderbare Ausdruck in seinen Augen zeigte, den ich am ersten Abende bemerkt hatte, als er mich über das Duell befragte. Er pflegte dann, gleichviel wovon wir sprachen, oder wo wir uns befanden, seine Augen plötzlich von mir abzuwenden, und bald auf diese, bald auf jene Seite zu richten, aber immer dahin, wo nichts zu sehen war, und stets mit demselben stieren, fast wilden Blicke. Das sah dem Wahnsinn so ähnlich, dass ich mich scheute, ihn darüber zu befragen, und mich stellte, als wenn ich es nicht bemerkte.
| The first of these eccentricities consisted in the reappearance on several occasions of the odd expression in his eyes which I had first seen when he asked me whether I knew anything about the duel. No matter what we were talking about, or where we happened to be, there were times when he would suddenly look away from my face, now on one side of me, now on the other, but always where there was nothing to see, and always with the same intensity and fierceness in his eyes. This looked so like madness--or hypochondria at the least--that I felt afraid to ask him about it, and always pretended not to observe him.
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Die andere Sonderbarkeit in seinem Wesen war die, dass er nie von den über den Zweck seiner Reise in Neapel umgehenden Gerüchten, nie von Miss Elmsly und seinem Leben in der Abtei mit mir sprach. Dies setzte nicht bloß mich, sondern auch diejenigen in Erstaunen, welche unseren vertrauten Umgang beobachteten und deshalb nicht anders glaubten, als dass ich Mitwisser aller seiner Geheimnisse sei. Allein die Zeit war nahe, da er selbst alle Schleier lüften und mir Dinge mitteilen sollte, von denen ich bis dahin noch keine Ahnung hatte.
| The second peculiarity in his conduct was that he never referred, while in my company, to the reports about his errand at Naples, and never once spoke of Miss Elmslie, or of his life at Wincot Abbey. This not only astonished me, but amazed those who had noticed our intimacy, and who had made sure that I must be the depositary of all his secrets. But the time was near at hand when this mystery, and some other mysteries of which I had no suspicion at that period, were all to be revealed.
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Eines Abends traf ich ihn auf einem großen Balle, den ein russischer Edelmann gab. Ich hatte das Empfangszimmer, den Ballsaal und auch das Spielzimmer verlassen, und mich in ein kleines, an dem einen Ende des Palastes gelegenes Gemach zurückgezogen, welches eine Art Gewächshaus bildete, und mit chinesischen Lampen sehr hübsch erleuchtet war. Niemand befand sich darin, als ich eintrat. Die Aussicht auf das Meer, welches im bezaubernden italienischen Mondlichte vor mir lag, war so reizend, dass ich lange am Fenster stehen blieb, das schöne Bild betrachtend und der aus dem Ballsaale herüberklingenden Musik lauschend, bis ich unwillkürlich einem anderen Gedankenzuge folgte. Ich weilte im Geiste bei meinen Blutsverwandten in England, als ich plötzlich dicht hinter mir meinen Namen von einer leisen, sanften Stimme rufen hörte.
| I met him one night at a large ball, given by a Russian nobleman, whose name I could not pronounce then, and cannot remember now. I had wandered away from reception-room, ballroom, and cardroom, to a small apartment at one extremity of the palace, which was half conservatory, half boudoir, and which had been prettily illuminated for the occasion with Chinese lanterns. Nobody was in the room when I got there. The view over the Mediterranean, bathed in the bright softness of Italian moonlight, was so lovely that I remained for a long time at the window, looking out, and listening to the dance-music which faintly reached me from the ballroom. My thoughts were far away with the relations I had left in England, when I was startled out of them by hearing my name softly pronounced.
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Mich umblickend, sah ich Monkton vor mir stehen. Todesblässe bedeckte sein Gesicht, und seine Augen waren wieder mit jenem sonderbaren Ausdrucke von mir ab und auf die Seite gerichtet.
| I looked round directly, and saw Monkton standing in the room. A livid paleness overspread his face, and his eyes were turned away from me with the same extraordinary expression in them to which I have already alluded.
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»Ist es Ihnen nicht unangenehm, wenn wir den Ball heute früh verlassen?« fragte er, ohne mich anzusehen.
| "Do you mind leaving the ball early to-night?" he asked, still not looking at me.
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»Keineswegs«, erwiderte ich. »Kann ich etwas für Sie tun? Sind Sie unwohl?«
| "Not at all," said I. "Can I do anything for you? Are you ill?"
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»Nein, wenigstens ist es nicht der Rede wert. Aber wollen Sie heute Abend noch in meine Wohnung kommen?«
| "No--at least nothing to speak of. Will you come to my rooms?"
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»Sogleich, wenn Sie es wünschen.«
| "At once, if you like."
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»Nein, nicht sogleich. Ich muss zwar augenblicklich nach Hause gehen, aber kommen Sie erst in einer halben Stunde. Sie waren noch nie dort, doch werden Sie meine Wohnung leicht finden, denn sie ist ganz nahe. Nehmen Sie diese Karte mit meiner Adresse. Ich muss Sie heute Abend noch sprechen; mein Leben hängt davon ab. Bitte, kommen Sie — kommen Sie ja nach einer halben Stunde!«
| "No, not at once. I must go home directly; but don't you come to me for half an hour yet. You have not been at my rooms before, I know, but you will easily find them out; they are close by. There is a card with my address. I must speak to you to-night; my life depends on it. Pray come! for God's sake, come when the half hour is up!"
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Ich versprach pünktlich zu sein, worauf er sogleich fortging. Jedermann kann sich leicht denken, in welcher Unruhe und Spannung ich die zu erwartende Zeit nach einer solchen Äußerung zubrachte. Ehe noch die halbe Stunde ganz abgelaufen war, suchte ich bereits den Ausweg.
| I promised to be punctual, and he left me directly.
Most people will be easily able to imagine the state of nervous impatience and vague expectation in which I passed the allotted period of delay, after hearing such words as those Monkton had spoken to me. Before the half hour had quite expired I began to make my way out through the ballroom.
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Auf der Treppe begegnete mir mein Freund, der Attaché.
| At the head of the staircase my friend, the attache, met me.
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»Wie? Sie gehen schon fort?« fragte er.
| "What! going away already?" Said he.
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»Ja, und zu einem sonderbaren Zwecke. Ich begebe mich in Monktons Wohnung, in Folge seiner ausdrücklichen Einladung.«
| "Yes; and on a very curious expedition. I am going to Monkton's rooms, by his own invitation."
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»Wie, was? Bei meiner Ehre, Sie sind ein verwegener Mensch! Sie wagen es, mit dem »verrückten Monkton« in seiner Wohnung allein zu sein, wenn der Vollmond am Himmel steht?«
| "You don't mean it! Upon my honor, you're a bold fellow to trust yourself alone with 'Mad Monkton' when the moon is at the full."
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»Er ist krank, der Arme. Ich halte ihn nicht für so verrückt, wie Sie es tun.«
| "He is ill, poor fellow. Besides, I don't think him half as mad as you do."
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»Wir wollen darüber nicht streiten, aber merken Sie sich, was ich sage. Er hat Sie dahin, wo noch niemand Zutritt gefunden hat, gewiss nicht ohne besondere Absicht eingeladen. Ich sage Ihnen vorher, Sie werden heute Abend etwas sehen oder hören, was Sie vielleicht in Ihrem ganzen übrigen Leben nicht wieder vergessen.«
| "We won't dispute about that; but mark my words, he has not asked you to go where no visitor has ever been admitted before without a special purpose. I predict that you will see or hear something to-night which you will remember for the rest of your life."
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Wir trennten uns. Als ich an das Portal von Monktons Hause klopfte, fielen mir die letzten Worte meines Freundes wieder ein; und obgleich ich darüber lachte, als er sie sprach, so regte sich doch die Ahnung in mir, dass sie in Erfüllung gehen sollten.
| We parted. When I knocked at the courtyard gate of the house where Monkton lived, my friend's last words on the palace staircase recurred to me, and, though I had laughed at him when he spoke them, I began to suspect even then that his prediction would be fulfilled.
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Der öffnenden Portier führte mich bis zu dem Stockwerke, in welchem sich Monktons Zimmer befanden. Er musste mich gehört haben, denn er rief mir zu, noch ehe ich klopfen konnte.
| THE porter who let me into the house where Monkton lived directed me to the floor on which his rooms were situated. On getting upstairs, I found his door on the landing ajar. He heard my footsteps, I suppose, for he called to me to come in before I could knock.
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Ich trat ein und sah ihn am Tische sitzen, mit mehreren Briefen in der Hand, die er zusammenzubinden bemüht war. Sein Gesichtsausdruck erschien mir ruhiger als vorher, obgleich die Leichenblässe noch nicht ganz verschwunden war. Er dankte mir dafür, dass ich kam, lud mich zum Sitzen ein, wiederholte, dass er mir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen habe, und brach dann plötzlich ab, augenscheinlich in Verlegenheit, wie er fortfahren solle. Ich suchte ihn durch die Versicherung zu beruhigen, dass er, wenn ihm mein Rat oder Beistand irgendwie von Nutzen sein sollte, über mich und meine Zeit völlig zu verfügen habe.
| I entered, and found him sitting by the table, with some loose letters in his hand, which he was just tying together into a packet. I noticed, as he asked me to sit down, that his express ion looked more composed, though the paleness had not yet left his face. He thanked me for coming; repeated that he had something very important to say to me; and then stopped short, apparently too much embarrassed to proceed. I tried to set him at his ease by assuring him that, if my assistance or advice could be of any use, I was ready to place myself and my time heartily and unreservedly at his service.
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Während dieser Worte bemerkte ich, dass sich seine Augen wieder von meinem Gesichte abwandten — langsam, gleichsam Zoll für Zoll, bis sie auf einem gewissen Punkte haften blieben, und zwar mit demselben stieren Blicke, der mich schon früher oft erschreckt hatte. Dieses Mal aber veränderte sich der ganze Ausdruck seines Gesichtes so, wie ich es noch nie zuvor gesehen. Er saß vor mir wie ein Mensch im Starrkrampfe.
| As I said this I saw his eyes beginning to wander away from my face--to wander slowly, inch by inch, as it were, until they stopped at a certain point, with the same fixed stare into vacancy which had so often startled me on former occasions. The whole expression of his face altered as I had never yet seen it alter; he sat before me looking like a man in a death-trance.
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»Sie sind sehr gütig«, sagte er langsam und leise, nicht an mich gerichtet, sondern dahin, wo seine starren Blicke gefesselt waren. »Ich weiß, Sie können mir helfen, aber —«
| "You are very kind," he said, slowly and faintly, speaking, not to me, but in the direction in which his eyes were still fixed. "I know you can help me; but--"
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Er hielt inne; sein Gesicht wurde noch bleicher als vorher, und kalter Schweiß brach daraus hervor. Vergeblich versuchte er fortzufahren, sagte einige Worte, und stockte wieder. Ernstlich beunruhigt stand ich auf, um ihm etwas Wasser von einer auf dem Seitentische stehenden Flasche zu holen. Sobald ich dies jedoch tat, sprang er gleichfalls auf. Alles, was ich bisher über seine Geisteskrankheit gehört hatte, kam mir plötzlich in das Gedächtnis, und unwillkürlich trat ich einige Schritte zurück.
| He stopped; his face whitened horribly, and the perspiration broke out all over it. He tried to continue--said a word or two--then stopped again. Seriously alarmed about him, I rose from my chair with the intention of getting him some water from a jug which I saw standing on a side-table.
He sprang up at the same moment. All the suspicions I had ever heard whispered against his sanity flashed over my mind in an instant, and I involuntarily stepped back a pace or two.
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»Halt!« rief er, sich schnell wieder setzend; »sorgen Sie nicht für mich! Bleiben Sie sitzen. Ich wollte nur — wenn es Ihnen recht ist — eine kleine Veränderung machen, ehe wir weiter reden. Ist es Ihnen nicht unangenehm, in einem helleren Lichte zu sitzen?«
| "Stop," he said, seating himself again; "don't mind me; and don't leave your chair. I want--I wish, if you please, to make a little alteration, before we say anything more. Do you mind sitting in a strong light?"
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»Nicht im Geringsten.«
| "Not in the least."
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Ich hatte mich bisher im Schatten seiner Studierlampe, der einzigen Beleuchtung des Zimmers, befunden. Nach meiner Antwort stand er wieder auf, ging in das anstoßende Gemach und brachte eine große Lampe herbei, nahm dann zwei Lichter von dem Seitentische, sowie zwei andere vom Kaminsimse, und stellte sie zu meiner Verwunderung sämtlich so, dass sie gerade zwischen uns standen. Dann versuchte er sie anzuzünden. Seine Hand zitterte jedoch so sehr, dass er mir das Geschäft überlassen musste. Auf sein Verlangen nahm ich auch den Schirm von der Studierlampe ab, nachdem ich die größere Lampe und die vier Lichter angezündet hatte.
| I had hitherto been seated in the shade of his reading-lamp, the only light in the room.
As I answered him he rose again, and, going into another apartment, returned with a large lamp in his hand; then took two candles from the side-table, and two others from the chimney piece; placed them all, to my amazement, together, so as to stand exactly between us, and then tried to light them. His hand trembled so that he was obliged to give up the attempt, and allow me to come to his assistance. By his direction, I took the shade off the reading-lamp after I had lit the other lamp and the four candles.
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Als wir unter dieser vermehrten Lichtmasse wieder einander gegenüber saßen, schien eine ruhigere und bessere Stimmung bei ihm zurückzukehren, und er sprach von nun an ohne fernere Unterbrechung oder Stockung.
| When we sat down again, with this concentration of light between us, his better and gentler manner began to return, and while he now addressed me he spoke without the slightest hesitation.
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»Es ist unnütz, zu fragen«, begann er, »ob Sie die hier über mich herrschenden Gerüchte gehört haben, denn ich weiß im voraus, dass sie zu Ihrer Kenntnis gelangt sind. Ich habe nur die Absicht, Ihnen eine vernünftige Erklärung meines Betragens zu geben, welches diese Gerüchte veranlasst hat. Bisher ist das Geheimnis außer mir nur einer Person bekannt gewesen; jetzt will ich es auch Ihnen anvertrauen, und zwar zu einem besonderen Zwecke, den Sie sogleich erfahren werden. Erst muss ich Ihnen jedoch umständlich erzählen, worin die große Schwierigkeit besteht, die mich nach immer von England entfernt hält. Ich bedarf Ihres Rates und Beistandes und, um nichts zu verhehlen, auch der Versicherung Ihrer Nachsicht und freundlichen Teilnahme, ehe ich wagen darf, Sie zum Mitwisser meines traurigen Geheimnisses zu machen. Werden Sie mir diesen scheinbaren Mangel an Vertrauen zu Ihrem geraden, offenen Charakter — diese scheinbare Undankbarkeit für Ihr freundliches Entgegenkommen verzeihen?«
| "It is useless to ask whether you have heard the reports about me," he said; "I know that you have. My purpose to-night is to give you some reasonable explanation of the conduct which has produced those reports. My secret has been hitherto confided to one person only; I am now about to trust it to your keeping, with a special object which will appear as I go on. First, however, I must begin by telling you exactly what the great difficulty is which obliges me to be still absent from England. I want your advice and your help; and, to conceal nothing from you, I want also to test your forbearance and your friendly sympathy, before I can venture on thrusting my miserable secret into your keeping. Will you pardon this apparent distrust of your frank and open character--this apparent ingratitude for your kindness toward me ever since we first met?"
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Ich bat ihn, nicht von diesen Dingen zu reden, und in seinen Mitteilungen fortzufahren.
| I begged him not to speak of these things, but to go on.
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»Sie wissen«, sagte er darauf, »dass ich hier bin, um den Leichnam meines Oheims Stephan aufzufinden und ihn mit mir nach England zu führen; und es wird Ihnen auch bekannt sein, dass mir dies bis jetzt noch nicht gelungen ist. Lassen Sie für jetzt unbeachtet, was Ihnen in einem solchen Vorhaben sonderbar und unerklärlich erscheinen mag, und lesen Sie diesen mit roter Tinte angestrichenen Zeitungsartikel. Es ist die einzige Auskunft, die ich bis jetzt über das unglückliche Duell, in welchem mein Oheim gefallen ist, habe erlangen können, und ich möchte gern hören, welchen Weg Sie, nach Durchlesung dieses Artikels, als den zweckmäßigsten vorschlagen würden.«
| "You know," he proceeded, "that I am here to recover the body of my Uncle Stephen, and to carry it back with me to our family burial-place in England, and you must also be aware that I have not yet succeeded in discovering his remains. Try to pass over, for the present, whatever may seem extraordinary and incomprehensible in such a purpose as mine is, and read this newspaper article where the ink-line is traced. It is the only evidence hitherto obtained on the subject of the fatal duel in which my uncle fell, and I want to hear what course of proceeding the perusal of it may suggest to you as likely to be best on my part."
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Er reichte mir eine alte französische Zeitung. Der Inhalt dessen, was ich darin las, ist jetzt, nach langen Jahren, meinem Gedächtnisse noch so gegenwärtig, dass ich alle darin enthaltenen Tatsachen und Umstände, insoweit sie für den Leser von Interesse find, getreu wiedergeben kann.
| He handed me an old French newspaper. The substance of what I read there is still so firmly impressed on my memory that I am certain of being able to repeat correctly at this distance of time all the facts which it is necessary for me to communicate to the reader.
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Der Artikel begann mit einer Schilderung des großen Aufsehens, welchen der zwischen dem Grafen St. Lo und einem Engländer, Stephan Monkton, stattgehabte Zweikampf allgemein erregt hatte. Dann ließ sich der Schreiber über das geheimnisvolle Dunkel aus, welches über dem ganzen Hergange schwebte, und äußerte die Hoffnung, dass die Veröffentlichung eines gewissen Mannskriptes, auf das sich seine einleitenden Bemerkungen bezogen, dazu dienen möchte, mehr Licht über das eigentliche Sachverhältnis zu verbreiten. Das erwähnte Manuskript hatte sich unter den nachgelassenen Papieren eines gewissen Foulon vorgefunden, welcher Monktons Sekundant beim Duelle gewesen, und kurze Zeit nachher in Paris, seiner Heimat, plötzlich gestorben war. Die Schrift war unbeendigt und brach gerade da ab, wo der Leser am meisten eine Fortsetzung gewünscht hätte. Kein Grund ließ sich hierfür auffinden, und ebenso wenig war, trotz aller Nachforschungen, eine andere Schrift über denselben Gegenstand unter den Papieren des Verstorbenen zu entdecken.
| The article began, I remember, with editorial remarks on the great curiosity then felt in regard to the fatal duel between the Count St. Lo and Mr. Stephen Monkton, an English gentleman. The writer proceeded to dwell at great length on the extraordinary secrecy in which the whole affair had been involved from first to last, and to express a hope that the publication of a certain manuscript, to which his introductory observations referred, might lead to the production of fresh evidence from other and better-informed quarters. The manuscript had been found among the papers of Monsieur Foulon, Mr. Monkton's second, who had died at Paris of a rapid decline shortly after returning to his home in that city from the scene of the duel. The document was unfinished, having been left incomplete at the very place where the reader would most wish to find it continued. No reason could be discovered for this, and no second manuscript bearing on the all-important subject had been found, after the strictest search among the papers left by the deceased.
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Hierauf folgte das Dokument selbst. Es war eine zwischen Foulon, dem Sekundanten Mr. Stephan Monktons, und Dalville, dem des Grafen St. Lo, getroffene Übereinkunft, und enthielt eine Spezifikation aller zur Ausführung des Duells gemachten Vorbereitungen. Datiert war es von »Neapel, den 22. Februar« und in sieben Paragraphen eingeteilt.
| The document itself then followed.
It purported to be an agreement privately drawn up between Mr. Monkton's second, Monsieur Foulon, and the Count St. Lo's second, Monsieur Dalville, and contained a statement of all the arrangements for conducting the duel. The paper was dated "Naples, February 22d," and was divided into some seven or eight clauses.
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Der erste beschrieb die Veranlassung zum Streite — eine für beide Teile schmachvolle, deren Erwähnung hier unnötig ist. Der zweite Paragraph sagte, der Geforderte habe Pistolen als die im Kampfe zu gebrauchende Waffe erwählt, und der Forderer seinerseits eine so kurze Schussweite verlangt, dass schon durch die ersten beiden Schüsse eine Entscheidung erfolgen müsse; weshalb die Sekundanten, den tödlichen Ausgang vorhersehend, für nötig erachtet hätten, das Duell gegen jedermann geheim zu halten, und den Ort des Kampfes selbst nicht den Duellanten vorher mitzuteilen. Es wurde hierbei bemerkt, dass diese scheinbar übertriebene Vorsicht deshalb notwendig sei, weil der Papst erst kurze Zeit vorher an die übrigen italienischen Mächte dringende Aufforderungen erlassen habe, gegen den neuerdings zunehmenden Unfug des Zweikampfes die strengsten gesetzlichen Strafen zur Anwendung zu bringen.
| The first clause described the origin and nature of the quarrel--a very disgraceful affair on both sides, worth neither remembering nor repeating. The second clause stated that, the challenged man having chosen the pistol as his weapon, and the challenger (an excellent swordsman), having, on his side, thereupon insisted that the duel should be fought in such a manner as to make the first fire decisive in its results, the seconds, seeing that fatal consequences must inevitably follow the hostile meeting, determined, first of all, that the duel should be kept a profound secret from everybody, and that the place where it was to be fought should not be made known beforehand, even to the principals themselves. It was added that this excess of precaution had been rendered absolutely necessary in consequence of a recent address from the Pope to the ruling powers in Italy commenting on the scandalous frequency of the practice of dueling, and urgently desiring that the laws against duelists should be enforced for the future with the utmost rigor.
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Der dritte Paragraph enthielt die Regeln; nach denen das Duell stattfinden sollte. Nachdem die Pistolen auf dem Platze geladen worden waren, sollten die Kämpfer in der Entfernung von zwanzig Schritten gegen einander aufgestellt werden und wegen des ersten Schusses losen. Derjenige, welcher ihn erhielt, durfte dann zehn Schritte vorgehen und seine Pistole abschießen. Fehlte er, oder machte er den Gegner nicht kampfunfähig, so konnte Letzterer seinerseits die noch übrigen zehn Schritte vorgehen und seine Waffe dicht vor der Brust des Feindes entladen. Diese Bedingungen mussten eine Entscheidung nach den ersten beiden Schüssen zur Folge haben, und die Kämpfer sowohl wie die Sekundanten verpflichteten sich, nicht davon abzugehen.
| The third clause detailed the manner in which it had been arranged that the duel should be fought.
The pistols having been loaded by the seconds on the ground, the combatants were to be placed thirty paces apart, and were to toss up for the first fire. The man who won was to advance ten paces marked out for him beforehand--and was then to discharge his pistol. If he missed, or failed to disable his opponent, the latter was free to advance, if he chose, the whole remaining twenty paces before he fired in his turn. This arrangement insured the decisive termination of the duel at the first discharge of the pistols, and both principals and seconds pledged themselves on either side to abide by it.
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Der vierte Paragraph erwähnte, dass die Sekundanten übereingekommen seien, den Kampfplatz außerhalb des neapolitanischen Staates zu suchen, und sich in der Wahl ganz von den Umständen leiten zu lassen. Die übrigen Abteilungen waren den zu beobachtenden Vorsichtsmaßregeln gewidmet, um Entdeckung zu verhüten. Die Kämpfer und Sekundanten sollten getrennt Neapel verlassen, mehrmals die Wagen wechseln, und in einem an der Landstraße von Neapel nach Rom gelegenen Posthause zusammentreffen. Sie sollten ferner Zeichenbücher, Farbenkasten und Feldstühle mit sich führen, als wenn sie Künstler wären, die Skizzen sammeln wollten und sich endlich nach dem Kampfplatze zu Fuß begeben. Das waren die allgemeinen Sicherheitsmaßregeln. Noch andere folgten, welche sich auf die Erleichterung des Fliehens der Überlebenden bezogen, und den Schluss dieses seltsamen Dokumentes bildeten. Unterzeichnet war es nur mit den Anfangsbuchstaben der Namen beider Sekundanten.
| The fourth clause stated that the seconds had agreed that the duel should be fought out of the Neapolitan States, but left themselves to be guided by circumstances as to the exact locality in which it should take place. The remaining clauses, so far as I remember them, were devoted to detailing the different precautions to be adopted for avoiding discovery. The duelists and their seconds were to leave Naples in separate parties; were to change carriages several times; were to meet at a certain town, or, failing that, at a certain post-house on the high road from Naples to Rome; were to carry drawing-books, color boxes, and camp-stools, as if they had been artists out on a sketching-tour; and were to proceed to the place of the duel on foot, employing no gui des, for fear of treachery. Such general arrangements as these, and others for facilitating the flight of the survivors after the affair was over, formed the conclusion of this extraordinary document, which was signed, in initials only, by both the seconds.
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Dicht unter denselben befand sich der Anfang einer Schilderung, welche, wie es schien, eine genaue Beschreibung des Duells geben sollte. Sie war von Paris datiert und in der Handschrift des verstorbenen Foulon.
| Just below the initials appeared the beginning of a narrative, dated "Paris," and evidently intended to describe the duel itself with extreme minuteness. The hand-writing was that of the deceased second.
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Er drückte in der Einleitung die Vermutung uns, dass Umstände eintreten könnten, unter denen ein genauer, von einem Augenzeugen herrührender Bericht über den zwischen St. Lo und Monkton stattgehabten Zweikampf von großer Wichtigkeit sein würde. Als einer der Sekundanten wolle er hiermit die Erklärung niederlegen, dass das Duell unter strenger Beobachtung der vorher festgesetzten Bedingungen ausgeführt worden sei, und beide Kämpfer sich als Männer von Mut und Ehre benommen hätten. Nach dieser Vorrede erzählte Foulon, dass der Zweikampf drei Tage nach Abfassung der oben erwähnten schriftlichen Übereinkunft an einem durch den Zufall bestimmten Orte stattgefunden habe; allein weder der Name desselben, noch die Gegend, in der er gelegen, wurde erwähnt. Nachdem beide Kämpfer, den Bestimmungen gemäß, ihre Plätze eingenommen hatten, und dem Grafen St. Lo der erste Schuss durch das Los zugefallen war, ging derselbe zehn Schritte vor und schoss seinem Gegner durch den Leib. Mr. Monkton wankte noch sieben oder acht Schritte vorwärts und schoss seine Pistole ab, ohne jedoch zu treffen, worauf er tot zu Boden sank. Foulon, der Berichterstatter, riss hierauf ein Blatt Papier aus seinem Taschenbuche, vermerkte darauf mit kurzen Worten die Art und Weise, in der Monkton um das Leben gekommen war, und heftete den Zettel an die Kleider des Toten- Diese Prozedur, heißt es in der Erzählung, sei mit Rücksicht auf den Plan nötig gewesen, der Behufs sicherer Unterbringung des Leichnams von den Parteien vorher beraten und gefasst worden war. Worin jedoch dieser Plan bestand, und was mit dem Leichnam geschah, ergab sich aus der Erzählung nicht, denn gerade an dieser Stelle brach sie plötzlich ab.
| Monsieur Foulon, tire gentleman in question, stated his belief that circumstances might transpire which would render an account by an eyewitness of the hostile meeting between St. Lo and Mr. Monkton an important document. He proposed, therefore, as one of the seconds, to testify that the duel had been fought in exact accordance with the terms of the agreement, both the principals conducting themselves like men of gallantry and honor (!). And he further announced that, in order not to compromise any one, he should place the paper containing his testimony in safe hands, with strict directions that it was on no account to be opened except in a case of the last emergency.
After thus preamble, Monsieur Foulon related that the duel had been fought two days after the drawing up of the agreement, in a locality to which accident had conducted the dueling party. (The name of the place was not mentioned, nor even the neighborhood in which it was situated.) The men having been placed according to previous arrangement, the Count St. Lo had won the toss for the first fire, had advanced his ten paces, and had shot his opponent in the body. Mr. Monkton did not immediately fall, but staggered forward some six or seven paces, discharged his pistol ineffectually at the count, and dropped to the ground a dead man. Monsieur Foulon then stated that he tore a leaf from his pocketbook, wrote on it a brief description of the manner in which Mr. Monkton had died, and pinned the paper to his clothes; this proceeding having been rendered necessary by the peculiar nature of the plan organized on the spot for safely disposing of the dead body. What this plan was, or what was done with the corpse, did not appear, for at this important point the narrative abruptly broke off.
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Dies war alles, was das Zeitungsblatt enthielt. Als ich es an Alfred zurückgab, war er zu aufgeregt, um sprechen zu können; allein er machte mir ein Zeichen, das er mit Spannung erwarte, was ich ihm sagen werde. Die Folgen waren nicht vorauszusehen, die eine unvorsichtige Äußerung von meiner Seite haben konnte. Ich hielt es deshalb für geraten, ihn erst sorgfältig über verschiedene Punkte zu befragen, ehe ich mit meiner Meinung hervorzutreten wagte.
| A foot-note in the newspaper merely stated the manner in which the document had been obtained for publication, and repeated the announcement contained in the editor's introductory remarks, that no continuation had been found by the persons intrusted with the care of Monsieur Foulon's papers. I have now given the whole substance of what I read, and have mentioned all that was then known of Mr. Stephen Monkton's death.
When I gave the newspaper back to Alfred he was too much agitated to speak, but he reminded me by a sign that he was anxiously waiting to hear what I had to say. My position was a very trying and a very painful one. I could hardly tell what consequences might not follow any want of caution on my part, and could think at first of no safer plan than questioning him carefully before I committed myself either one way or the other.
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»Wollen Sie mir erlauben, Ihnen einige Fragen vorzulegen, bevor ich meinen Rat erteile?« sagte ich.
| "Will you excuse me if I ask you a question or two before I give you my advice?" said I.
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Er nickte ungeduldig.
| He nodded impatiently.
"Yes, yes--any questions you like."
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»Sind Sie zu irgendeiner Zeit häufig in der Gesellschaft Ihres Oheims gewesen?«
| "Were you at any time in the habit of seeing your uncle frequently?"
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»Ich habe ihn kaum zweimal in meinem Leben gesehen, und nur in meiner Kindheit.«
| "I never saw him more than twice in my life--on each occasion when I was a mere child."
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»Dann können Sie also keine persönliche Anhänglichkeit für ihn gehabt haben?«
| "Then you could have had no very strong personal regard for him?"
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»Anhänglichkeit für ihn? Ich würde mich deren geschämt haben, denn er machte unserer Familie überall nur Schande.«
| 'Regard for him! I should have been ashamed to feel any regard for him. He disgraced us wherever he went."
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»Darf ich Sie fragen, ob Sie besondere, auf die Verhältnisse Ihrer Familie sich beziehende Gründe haben, aus denen Sie so eifrig bemüht sind, seine Überreste aufzufinden?«
| "May I ask if any family motive is involved in your anxiety to recover his remains?"
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»Es sind allerdings solche vorhanden — aber wozu die Frage?«
| "Family motives may enter into it among others--but why do you ask?"
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»Weil ich gehört habe, dass Sie die Dienste der hiesigen Polizei in Anspruch nehmen, und ich deshalb wissen möchte, ob Sie den Behörden Ihre dringenden persönlichen Gründe für den ungewöhnlichen Zweck Ihres Hierseins angegeben haben, um sie vielleicht dadurch zu größerem Eifer anzuspornen.«
| "Because, having heard that you employ the police to assist your search, I was anxious to know whether you had stimulated their superiors to make them do their best in your service by giving some strong personal reasons at headquarters for the very unusual project which has brought you here."
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»Ich gebe keine Gründe; ich bezahle die mir geleisteten Dienste, und werde zur Anerkennung meiner Freigebigkeit überall mit der schändlichsten Nachlässigkeit behandelt. Als ein Fremder in diesem Lande und nur unvollkommen mit der Sprache bekannt, kann ich mir nicht selbst helfen. Die Behörden, hier sowohl wie in Rom, geben sich den Schein, als wollten sie mir Beistand leisten und die gewünschten Nachforschungen veranlassen; aber sie tun nichts. Man beleidigt mich und lacht mir fast gerade ins Gesicht.«
| "I give no reasons. I pay for the work I want done, and, in return for my liberality, I am treated with the most infamous indifference on all sides. A stranger in the country, and badly acquainted with the language, I can do nothing to help myself. The authorities, both at Rome and in this place, pretend to assist me, pretend to search and inquire as I would have them search and inquire, and do nothing more. I am insulted, laughed at, almost to my face."
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»Halten Sie es nicht für möglich —- beachten Sie wohl, ich bin weit entfernt, das Verfahren der Polizei zu billigen — halten Sie es nicht für möglich, dass die Behörden darüber Zweifel hegen, ob es Ihnen mit diesen Nachforschungen wirklich Ernst sei?«
| "Do you not think it possible--mind, I have no wish to excuse the misconduct of the authorities, and do not share in any such opinion myself--but do you not think it likely that the police may doubt whether you are in earnest?"
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»Ob es mir Ernst sei?« rief er aufspringend und sich mit wilden Blicken mir gegenüber stellend. »Nicht Ernst? Sie glauben auch, es sei mir nicht Ernst damit — ich sehe es, obgleich Sie es nicht sagen! — Halt! ehe Sie ein Wort weiter reden, sollen Ihre Augen Sie überzeugen. Kommen Sie herein —- nur eine Minute!«
| "Not in earnest!" he cried, starting up and confronting me fiercely, with wild eyes and quickened breath. "Not in earnest! You think I'm not in earnest too. I know you think it, though you tell me you don't. Stop; before we say another word, your own eyes shall convince you. Come here--only for a minute--only for one minute!"
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Ich folgte ihm in sein anstoßendes Schlafgemach. An der einen Seite desselben stand eine mindestens sieben Fuß lange Kiste von rohem Holze.
| I followed him into his bedroom, which opened out of the sitting-room. At one side of his bed stood a large packing-case of plain wood, upward of seven feet in length.
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»Öffnen Sie den Deckel und blicken Sie hinein«, sagte er, »während ich das Licht halte.«
| "Open the lid and look in," he said, "while I hold the candle so that you can see."
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Ich folgte seiner Anweisung und gewahrte, zu meinem nicht geringen Erstaunen einen bleiernen Sarg darin stehen, welcher mit dem Monktonschen Wappen prächtig verziert war, und eine Inschrift in gotischen Buchstaben mit dem Namen »Stephan Monkton«, der Angabe seines Alters und Art seines Todes trug.
| I obeyed his directions, and discovered to my astonishment that the packing-case contained a leaden coffin, magnificently emblazoned with the arms of the Monkton family, and inscribed in old-fashioned letters with the name of "Stephen Monkton," his age and the manner of his death being added underneath.
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»Ich halte diesen Sarg in Bereitschaft für ihn«, flüsterte mir Alfred ins Ohr. »Sieht das so aus, als wenn es mir nicht Ernst wäre?«
| "I keep his coffin ready for him," whispered Alfred, close at my ear. "Does that look like earnest?"
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Es kam mir wie völliger Wahnsinn vor, so dass ich mich scheute, ihm gleich zu antworten.
| It looked more like insanity--so like that I shrank from answering him.
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»Ja, ja, ich sehe, Sie sind überzeugt«, fuhr er fort. »Wir können jetzt in das Zimmer zurückkehren und ohne Rückhalt miteinander beraten.«
| "Yes! yes! I see you are convinced," he continued quickly; "we may go back into the next room, and may talk without restraint on either side now."
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Als wir unsere Sitze wieder einnahmen, rückte ich, ohne es zu beachten, meinen Stuhl etwas vom Tische ab. Meine Verwirrung war so groß und ich fühlte mich so ratlos rücksichtlich dessen, was ich zunächst sagen oder tun sollte, dass ich vergaß, welchen Platz er mir angewiesen hatte, als die Lichter angezündet wurden. Er aber bemerkte und rügte es augenblicklich.
| On returning to our places, I mechanically moved my chair away from the table. My mind was by this time in such a state of confusion and uncertainty about what it would be best for me to say or do next, that I forgot for the moment the position he had assigned to me when we lit the candles. He reminded me of this directly.
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»Bitte, rücken Sie nicht vom Tische ab«, sagte er mit ängstlichem Tone, »bleiben Sie im Lichte sitzen. Ich will Ihnen sogleich sagen, weshalb ich es so sehr wünsche; aber erst geben Sie mir Ihren Rat und Beistand in meiner schwierigen, bedrängten Lage. Sie wissen, ich habe Ihr Versprechen.«
| "Don't move away," he said, very earnestly; "keep on sitting in the light; pray do! I'll soon tell you why I am so particular about that. But first give me your advice; help me in my great distress and suspense. Remember, you promised me you would."
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Ich machte eine gewaltsame Anstrengung, meine Gedanken zu sammeln, und es gelang mir. In seiner Gegenwart die Sache anders als mit vollem Ernste zu behandeln, wäre nicht bloß nutzlos, sondern auch grausam gegen ihn gewesen.
| I made an effort to collect my thoughts, and succeeded. It was useless to treat the affair otherwise than seriously in his presence; it would have been cruel not to have advised him as I best could.
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»Sie wissen«, sagte ich deshalb, »dass der Zweikampf drei Tage nach Abfassung jener schriftlichen Übereinkunft außerhalb des neapolitanischen Staates stattgefunden hat. Dieser Umstand hat Sie wahrscheinlich zu dem Schlusse geführt, dass die Nachforschungen wegen des Kampfplatzes nur im römischen Gebiete veranlasst werden müssten, nicht wahr?«
| "You know," I said, "that two days after the drawing up of the agreement at Naples, the duel was fought out of the Neapolitan States. This fact has of course led you to the conclusion that all inquiries about localities had better be confined to the Roman territory?"
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»Allerdings. Soweit sie überhaupt geschehen, sind sie nur auf dieses Gebiet beschränkt worden. Wenn ich der Polizei glauben darf, so haben die ausgesendeten Agenten ihre Nachforschungen, unter Zusicherung einer bedeutenden Belohnung für denjenigen, der den Kampfplatz entdecken würde, längs der ganzen Straße von Neapel nach Rom angestellt. Außerdem haben sie — so ist mir wenigstens gesagt worden — überall Personalbeschreibungen der Duellanten und Sekundanten verbreitet, einen besonderen Agenten zur Verfolgung der Nachforschungen von dem in der Übereinkunft als Sammelplatz bezeichneten Posthause aus bestellt, und endlich durch Korrespondenz mit ausländischen Behörden den Aufenthalt des Grafen St. Lo und des Sekundanten Dalville zu ermitteln versucht; allein alle diese Bemühungen, wenn sie überhaupt wirklich gemacht worden sind, haben sich als fruchtlos erwiesen.«
| "Certainly; the search, such as it is, has been made there, and there only. If I can believe the police, they and their agents have inquired for the place where the duel was fought (offering a large reward in my name to the person who can discover it) all along the high road from Naples to Rome. They have also circulated--at least so they tell me--descriptions of the duelists and their seconds; have left an agent to superintend investigations at the post-house, and another at the town mentioned as meeting-points in the agreement; and have endeavored, by correspondence with foreign authorities, to trace the Count St. Lo and Monsieur Dalville to their place or places of refuge. All these efforts, supposing them to have been really made, have hitherto proved utterly fruitless."
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»Meine Ansicht ist«, erwiderte ich nach kurzer Überlegung, »dass alle Nachforschungen auf der Landstraße und in der Nähe von Rom vergeblich sein müssen. Das Auffinden der Überreste Ihres Oheims ist jedenfalls gleichbedeutend mit der Entdeckung des Kampfplatzes; denn die beim Duelle Beteiligten werden sich schwerlich einer Entdeckung ausgesetzt und den Leichnam weit mit sich genommen haben. Alles, was wir zu suchen haben, ist also der Platz. Lassen Sie uns überlegen. Die Gesellschaft wechselte mehrere Male die Wagen, reiste getrennt zu zweien, machte ohne Zweifel große Umwege, hielt sich des Scheines halber in jenem Posthause auf, und ging vielleicht eine bedeutende Strecke zu Fuß. Alle diese Vorsichtsmaßregeln kosteten jedenfalls viel Zeit, und ließen ihnen deshalb wenig Zeit, um in drei Tagen eine wirklich große Entfernung zurücklegen zu können. Ich glaube daher, dass das Duell an irgendeinem Orte in der Nähe der neapolitanischen Grenze stattfand; und wenn ich der beauftragte Polizeibeamte gewesen wäre, so würde ich meine Nachforschungen nur längs derselben, in der Richtung von Osten nach Westen, bis zu den einsamen Bergen der Abruzzen verfolgt haben. Das ist meine Meinung von der Sache. Was sagen Sie dazu?«
| "My impression is," said I, after a moment's consideration, "that all inquiries made along the high road, or anywhere near Rome, are likely to be made in vain. As to the discovery of your uncle's remains, that is, I think, identical with the discovery of the place where he was shot; for those engaged in the duel would certainly not risk detection by carrying a corpse any distance with them in their flight. The place, then, is all that we want to find out. Now let us consider for a moment. The dueling-party changed carriages; traveled separately, two and two; doubtless took roundabout roads; stopped at the post-house and the town as a blind; walked, perhaps, a considerable distance unguided. Depend upon it, such precautions as these (which we know they must have employed) left them very little time out of the two days--though they might start at sunrise and not stop at night-fall--for straightforward traveling. My belief therefore is, that the duel was fought somewhere near the Neapolitan frontier; and, if I had been the police agent who conducted the search, I should only have pursued it parallel with the frontier, starting from west to east till I got up among the lonely places in the mountains. That is my idea; do you think it worth anything?"
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Sein Gesicht wurde purpurrot.
| His face flushed all over in an instant.
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»Das ist eine himmlische Eingebung!« rief er. »Keinen Tag dürfen wir verlieren; augenblicklich muss dieser Plan ausgeführt werden· Aber der Polizei dürfen wir ihn nicht anvertrauen. Morgen früh will ich selbst ausbrechen, und Sie —«
| "I think it an inspiration!" he cried. "Not a day is to be lost in carrying out our plan. The police are not to be trusted with it. I must start myself to-morrow morning; and you--"
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Er hielt plötzlich inne, sein Gesicht wurde bleich, ein tiefer Seufzer hob seine Brust, die Augen nahmen wieder den starren, leeren Blick an, und alle seine Züge jenen leichenhaften Ausdruck.
| He stopped; his face grew suddenly pale; he sighed heavily; his eyes wandered once more into the fixed look at vacancy; and the rigid, deathly expression fastened again upon all his features.
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»Ich muss Ihnen mein Geheimnis mitteilen, ehe ich weiter von morgen spreche«, fuhr er mit schwacher Stimme fort. »Wollte ich länger zögern, Ihnen alles zu entdecken, so würde ich mich Ihrer mir bisher bewiesenen Güte und Ihres ferneren Beistandes unwürdig zeigen, auf den ich meine letzte Hoffnung baue.«
| "I must tell you my secret before I talk of to-morrow," he proceeded, faintly. "If I hesitated any longer at confessing everything, I should be unworthy of your past kindness, unworthy of the help which it is my last hope that you will gladly give me when you have heard all."
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Ich bat ihn, zu warten, bis er ruhiger geworden sei, und das Sprechen ihm nicht so schwer werde; allein er beachtete meine Worte nicht. Langsam und mit innerem Kampfe wandte er sich von mir ab, neigte den Kopf über den Tisch und stützte ihn in die Hand. Das Paket Briefe, mit dem ich ihn bei meinem Eintreten beschäftigt gesehen hatte, lag gerade unter seinen Augen. Starr darauf hinabblickend, begann er seine Mitteilungen.
| I begged him to wait until he was more composed, until he was better able to speak; but he did not appear to notice what I said. Slowly, and struggling as it seemed against himself, he turned a little away from me, and, bending his head over the table, supported it on his hand. The packet of letters with which I had seen him occupied when I came in lay just beneath his eyes. He looked down on it steadfastly when he next spoke to me.
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III | III |
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»Wenn ich nicht irre«, sagte er, »sind Sie in unserer Grafschaft geboren, und kennen daher vielleicht auch eine alte Prophezeiung in Betreff unserer Familie?«
| "You were born, I believe, in our county," he said; "perhaps, therefore, you may have heard at some time of a curious old prophecy about our family, which is still preserved among the traditions of Wincot Abbey?"
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»Ich habe allerdings eine solche gehört«, erwiderte ich, »allein die Worte, in denen sie ausgedrückt ist, sind mir unbekannt. Bezog sie sich nicht auf das Erlöschen Ihrer Familie, oder etwas Ähnliches?«
| "I have heard of such a prophecy," I answered, "but I never knew in what terms it was expressed. It professed to predict the extinction of your family, or something of that sort, did it not?"
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»Keine Nachforschungen«, fuhr er fort, »haben sie bis zur Zeit ihres Ursprungs verfolgen können. Unsere Familiennachrichten enthalten nichts darüber. Alle Dienstboten und Insassen haben sie von ihren Vätern und Großvätern gehört. Auch die Mönche , denen wir im Besitze der Abtei zur Zeit Heinrich des Achten folgten, müssen auf irgendeine Weise Kenntnis davon erlangt haben; denn ich selbst fand die aus alter Zeit herrührenden Verse, in denen sie ausgedrückt sind, auf dem leeren Blatte eines Klostermannskriptes geschrieben. Sie lauten folgendermaßen:
| "No inquiries," he went on, "have traced back that prophecy to the time when it was first made; none of our family records tell us anything of its origin. Old servants and old tenants of ours remember to have heard it from their fathers and grandfathers. The monks, whom we succeeded in the Abbey in Henry the Eighth's time, got knowledge of it in some way, for I myself discovered the rhymes, in which we know the prophecy to have been preserved from a very remote period, written on a blank leaf of one of the Abbey manuscripts. These are the verses, if verses they deserve to be called:
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»Wenn ein Platz in Wincots Gruft
| When in Wincot vault a place
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Leer steht und in freier Luft,
| Waits for one of Monkton's race--
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Grablos unterm weiten Himmel,
| When that one forlorn shall lie
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Wie im wilden Kriegsgetümmel
| Graveless under open sky,
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Das erschlagne Opfer liegt;
| Beggared of six feet of earth,
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Wenn dem Herrn so vieler Seelen
| Though lord of acres from his birth--
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Wen’ge Schaufeln Erde fehlen —-
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Dann wird’s sein ein sich‘res Zeichen,
| That shall be a certain sign
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Dass vom Tageslicht muss weichen
| Of the end of Monkton's line.
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Monktons altes, reiches Haus.
| Dwindling ever faster, faster,
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Welken bis zum letzten Erben
| Dwindling to the last-left master;
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Wird es sinken, fallen, sterben
| From mortal ken, from light of day,
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Und für immer löschen aus.«
| Monkton's race shall pass away."
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»Die Prophezeiung ist, wie die alten Orakel, unbestimmt genug«, versetzte ich, als ich sah, dass er auf eine Erwiderung von mir wartete.
| "The prediction seems almost vague enough to have been uttered by an ancient oracle," said I, observing that he waited, after repeating the verses, as if expecting me to say something.
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»Bestimmt oder unbestimmt, sie wird sich erfüllen«, antwortete er. »Ich bin jetzt der letzte Erbe — der Letzte in der älteren Linie unserer Familie, auf den sich die Prophezeiung bezieht; und der Platz für Stephan Monktons Leichnam in der Gruft von Wincot ist noch leer. Widersprechen Sie mir nicht, ich habe noch mehr zu sagen. Lange vorher, ehe wir zum Besitze der Abtei gelangten, als meine Vorfahren noch in dem ehemals nahe gelegenen Schlosse wohnten, dessen Ruinen jetzt sogar verschwunden sind, war unsere Familiengruft bereits unter der Kirche der Abtei.· Ob in jener frühen Zeit die Prophezeiung schon bekannt war und gefürchtet wurde, weiß ich zwar nicht, allein gewiss ist, dass alle Monktons, gleichviel, ob sie auf dem Schlosse, in der Abtei, oder auf der kleineren Besitzung in Schottland wohnten, ohne Rücksicht auf Gefahren und Kosten in der Gruft der Abtei beerdigt wurden. In jenen alten, kriegerischen Zeiten wurden selbst die Leichname meiner im Auslande gefallenen Vorfahren um jeden Preis, und oft nur gegen schweres Lösegeld und nach blutigen Kämpfen, wiedererlangt, um in Wincot beigesetzt zu werden. Dieser Aberglaube, wenn Sie die Sage so nennen wollen, ist bis auf den heutigen Tag nicht erloschen. Seit Jahrhunderten ist die Reihenfolge der Toten in unserer Gruft nie unterbrochen worden. Meines Oheims Platz ist der erste, welcher leer steht, und seine Geisterstimme ist es, die nach Ruhe schreit und mich verfolgt. So genau, als wenn ich es selbst gesehen hätte, weiß ich, dass sein Leichnam unbeerdigt auf der Stelle liegen geblieben ist, auf der er fiel.«
| "Vague or not, it is being accomplished," he returned. "I am now the 'last-left master'--the last of that elder line of our family at which the prediction points; and the corpse of Stephen Monkton is not in the vaults of Wincot Abbey. Wait before you exclaim against me. I have more to say about this. Long before the Abbey was ours, when we lived in the ancient manor-house near it (the very ruins of which have long since disappeared), the family burying-place was in the vault under the Abbey chapel. Whether in those remote times the prediction against us was known and dreaded or not, this much is certain: every one of the Monktons (whether living at the Abbey or on the smaller estate in Scotland) was buried in Wincot vault, no matter at what risk or what sacrifice. In the fierce fighting days of the olden time, the bodies of my ancestors who fell in foreign places were recovered and brought back to Wincot, though it often cost not heavy ransom only, but desperate bloodshed as well, to obtain them. This superstition, if you please to call it so, has never died out of the family from that time to the present day; for centuries the succession of the dead in the vault at the Abbey has been unbroken--absolutely unbroken--until now. The place mentioned in the prediction as waiting to be filled is Stephen Monkton's place; the voice that cries vainly to the earth for shelter is the spirit-voice of the dead. As surely as if I saw it, I know that they have left him unburied on the ground where he fell!"
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Ehe ich ein Wort entgegnen konnte, stand er langsam auf und deutete mit dem Finger nach der leeren Stelle, auf die seine Augen gerichtet waren.
| He stopped me before I could utter a word in remonstrance by slowly rising to his feet, and pointing in the same direction toward which his eyes had wandered a short time since.
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»Ich weiß, was Sie sagen wollen«, rief er mit lautem, scharfem Tone. »Sie wollen mich fragen, wie ich so wahnsinnig sein könne, an eine alberne Prophezeiung zu glauben, die in einem unwissenden Zeitalter erdacht worden ist, um abergläubische Menschen zu erschrecken. Ich erwidere aber darauf« — und bei diesen Worten fiel seine Stimme bis zum Flüstern herab — »dass ich daran glaube, weil Stephan Monkton in diesem Augenblicke dort vor mir steht.«
| "I can guess what you want to ask me," he exclaimed, sternly and loudly; "you want to ask me how I can be mad enough to believe in a doggerel prophecy uttered in an age of superstition to awe the most ignorant hearers. I answer" (at those words his voice sank suddenly to a whisper), "I answer, because Stephen Monkton himself stands there at this moment confirming me in my belief."
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Was es war — ob der Schrecken, den sein Gesicht ausdrückte und der sich mir mitteilte, oder die sich mir plötzlich aufdrängende Überzeugung von seinem Wahnsinn, woran ich bisher immer noch gezweifelt hatte — ich weiß es nicht, allein ich fühlte mich von einem kalten Schauer überlaufen und hatte nicht den Mut, nach der Stelle hinzublicken, auf die er noch immer deutete.
| Whether it was the awe and horror that looked out ghastly from his face as he confronted me, whether it was that I had never hitherto fairly believed in the reports about his madness, and that the conviction of their truth now forced itself upon me on a sudden, I know not, but I felt my blood curdling as he spoke, and I knew in my own heart, as I sat there speechless, that I dare not turn round and look where he was still pointing close at my side.
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»Ich sehe dort«, fuhr er flüsternd wie vorher, fort, »die Gestalt eines finsteren, sonnverbrannten Mannes mit unbedecktem Kopfe. Die eine Hand hält eine Pistole und hängt an der Seite herab, während er mit der anderen ein blutiges Taschentuch vor den Mund hält. Der Todeskampf verzerrt seine Züge, allein ich erkenne sie dennoch als die des Mannes, der mich, als ich noch ein Kind war, zweimal dadurch erschreckte, dass er mich in seine Arme nahm. Ich fragte damals meine Wärterin, wer der schwarzbraune Mann sei, und erfuhr von ihr, dass es mein Oheim, Stephan Monkton, war. So deutlich, als wenn er noch lebte, sehe ich ihn an Ihrer Seite stehen, mit dem gebrochenen Blicke seiner großen, dunklen Augen; und so habe ich ihn seit dem Augenblicke seines Todes unaufhörlich gesehen. In der Heimat sowohl wie im Auslande, wachend oder schlafend, Nacht und Tag, steht er ortwährend vor mir!«
| "I see there," he went on, in the same whispering voice, "the figure of a dark-complexioned man standing up with his head uncovered. One of his hands, still clutching a pistol, has fallen to his side; the other presses a bloody handkerchief over his mouth. The spasm of mortal agony convulses his features; but I know them for the features of a swarthy man who twice frightened me by taking me up in his arms when I was a child at Wincot Abbey. I asked the nurses at the time who that man was, and they told me it was my uncle, Stephen Monkton. Plainly, as if he stood there living, I see him now at your side, with the death-glare in his great black eyes; and so have I ever seen him, since the moment when he was shot; at home and abroad, waking or sleeping, day and night, we are always together, wherever I go!"
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Seine flüsternde Stimme war fast unhörbar geworden, als er die letzten Worte sprach. Nach der Richtung und dem Ausdrucke seiner Augen zu schließen, musste ich vermuten, dass er mit der Erscheinung rede. Ich glaube, wenn ich sie selbst gesehen hätte, so würde ihr Anblick mir weniger schrecklich gewesen sein als der seinige. Meine Nerven waren heftig erschüttert, und ein geheimes Grauen vor ihm in seinem jetzigen Gemütszustande, beschlich mich, so dass ich unwillkürlich mehrere Schritte zurückwich.
| His whispering tones sank into almost inaudible murmuring as he pronounced these last words. From the direction and expression of his eyes, I suspected that he was speaking to the apparition. If I had beheld it myself at that moment, it would have been, I think, a less horrible sight to witness than to see him, as I saw him now, muttering inarticulately at vacancy. My own nerves were more shaken than I could have thought possible by what had passed. A vague dread of being near him in his present mood came over me, and I moved back a step or two.
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Er bemerkte es augenblicklich.
| He noticed the action instantly.
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»O gehen Sie nicht fort — bitte, gehen Sie nicht fort!« rief er. »Habe ich Sie erschreckt? Glauben Sie mir noch nicht? Oder blenden Sie vielleicht die Lichter? Ich bat Sie, im hellen Glanze derselben zu sitzen, nur deshalb, weil ich es nicht ertragen konnte, den düsteren Schein auf Sie fallen zu sehen, der im Halbdunkel stets das Phantom umgibt. Bitte — verlassen Sie mich nicht!«
| "Don't go! pray--pray don't go! Have I alarmed you? Don't you believe me? Do the lights make your eyes ache? I only asked you to sit in the glare of the candles because I could not bear to see the light that always shines from the phantom there at dusk shining over you as you sat in the shadow. Don't go--don't leave me yet!"
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Es lag bei diesen Worten eine so außerordentliche Rat- und Hilflosigkeit in seinen Zügen, dass ich mich von Mitleid ergriffen fühlte, und dadurch meine Fassung wieder gewann. Meinen vorigen Platz wieder einnehmend, erklärte ich, so lange bei ihm bleiben zu wollen, als er es wünsche.
| There was an utter forlornness, an unspeakable misery in his face as he spoke these words, which gave me back my self-possession by the simple process of first moving me to pity. I resumed my chair, and said that I would stay with him as long as he wished.
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»Dank, tausend Dank! Sie sind die Geduld und Güte selbst«, sagte er mit dem ihm gewöhnlich eigenen sanften Wesen, und kehrte auf seinen Sitz zurück. »Nachdem ich jetzt das erste Bekenntnis des mich nach allen Orten hin verfolgenden Elends überstanden habe, werde ich Ihnen alles Übrige, was ich noch zu sagen habe, ruhiger mitteilen können. Wie erwähnt, kam mein Oheim Stephan« — beim Aussprechen dieses Namens wandte er schnell den Kopf und blickte vor sich auf den Tisch — »zweimal nach der Abtei Wincot, und erschreckte mich bei beiden Gelegenheiten. Er nahm mich zwar nur auf seinen Arm und sprach mit mir — für ihn, ohne Zweifel, sehr freundlich — aber dessenungeachtet erschreckte er mich entsetzlich. Vielleicht war es nur seine große Gestalt, das dunkelbraune Gesicht und der dicke, schwarze Bart, was mich in Furcht setzte; vielleicht aber war es auch —- und das glaube ich eher — ein anderer sonderbarer Einfluss auf mich, den ich weder damals verstand, noch jetzt erklären kann. Wie dem auch sei, ich träumte noch lange von ihm, nachdem er schon fort war, und glaubte ihn immer, wenn ich mich allein im Dunkeln befand, hinter mir her schleichen zu hören. Die Dienstboten merkten dies bald und pflegten mich mit dem Oheim Stephan in Furcht zu jagen, wenn ich eigensinnig oder ungezogen war. Diese Furcht, dieser Abscheu blieb unverändert, auch als ich heran wuchs. Wenn meine Eltern seinen Namen erwähnten, horchte ich jedesmal, ohne zu wissen weshalb, mit der größten Spannung, und konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass ihm etwas Schreckliches zugestoßen sei, oder mir begegnen werde. Dieses Gefühl verfolgte mich unaufhörlich und wurde erst dann verdrängt, als ich mich nach dem Tode meiner Eltern in der Abtei allein befand. Dann trat an seine Stelle eine nicht zu bezähmende Neugierde, den Ursprung jener alten Prophezeiung über das Erlöschen unseres Geschlechtes zu ermitteln. Hören Sie, was ich sage?«
| "Thank you a thousand times. You are patience and kindness itself," he said, going back to his former place and resuming his former gentleness of manner. "Now that I have got over my first confession of the misery that follows me in secret wherever I go, I think I can tell you calmly all that remains to be told. You see, as I said, my Uncle Stephen" he turned away his head quickly, and looked down at the table as the name passed his lips--"my Uncle Stephen came twice to Wincot while I was a child, and on both occasions frightened me dreadfully. He only took me up in his arms and spoke to me--very kindly, as I afterward heard, for him--but he terrified me, nevertheless. Perhaps I was frightened at his great stature, his swarthy complexion, and his thick black hair and mustache, as other children might have been; perhaps the mere sight of him had some strange influence on me which I could not then understand and cannot now explain. However it was, I used to dream of him long after he had gone away, and to fancy that he was stealing on me to catch me up in his arms whenever I was left in the dark. The servants who took care of me found this out, and used to threaten me with my Uncle Stephen whenever I was perverse and difficult to manage. As I grew up, I still retained my vague dread and abhorrence of our absent relative. I always listened intently, yet without knowing why, whenever his name was mentioned by my father or my mother--listened with an unaccountable presentiment that something terrible had happened to him, or was about to happen to me. This feeling only changed when I was left alone in the Abbey; and then it seemed to merge into the eager curiosity which had begun to grow on me, rather before that time, about the origin of the ancient prophecy predicting the extinction of our race. Are you following me?"
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»Ich folge jedem Worte mit gespannter Aufmerksamkeit.«
| "I follow every word with the closest attention."
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»Sie müssen wissen, dass ich einige Bruchstücke jener Verse, welche die Prophezeiung enthalten, zuerst in einem alten Buche der Bibliothek fand. Auf der gegenüber stehenden Seite war ein roher alter Holzschnitt aufgeklebt, einen dunkelhaarigen Mann vorstellend, der, soweit meine Erinnerung reichte, die auffallendste Ähnlichkeit mit meinem Oheim Stephan hatte. Als ich meinen Vater, der damals schon seinem Tode nicht mehr fern war, darüber befragte, wusste er entweder nichts, oder wollte nichts wissen; und als ich später die Prophezeiung noch einmal gegen ihn zur Sprache brachte, wurde er verdrießlich und ging schnell auf einen andern Gegenstand über. Nicht besser erging es mir mit dem alten Kaplan Wenn ich ihn darum befragte, so sagte er, jener Holzschnitt sei mehrere Jahrhunderte vor der Geburt meines Oheims gemacht worden, und nannte die Prophezeiung Unsinn. In dem letzten Punkte pflegte ich ihm zu widersprechen, und fragte, weshalb wir Katholiken, welche glauben, dass die Macht, Wunder zu verrichten, auch jetzt noch bei gewissen besonders begünstigten Personen gefunden werde, nicht ebenso wohl an die Gabe der Prophezeiung glauben wollten. Er ließ sich jedoch nie auf einen Streit mit mir ein, sondern sagte mir, ich solle meine Zeit nicht mit solchen Torheiten verlieren, und meine Phantasie, die ohnedies zu lebhaft sei, lieber unterdrücken als noch mehr erregen. Ein solcher Rat diente natürlich nur dazu, meine Neugierde noch mehr anzuspornen. Ich beschloss, den ältesten und unbewohnten Teil der Abtei zu durchforschen und zu versuchen, ob ich nicht vielleicht in alten Chroniken oder Familiennachrichten einigen Aufschluss über jenen Holzschnitt und den Ursprung der Prophezeiung erlangen könne. Haben Sie jemals einen Tag in den seit langer Zeit unbewohnten Gemächern eines alten Hauses zugebracht?«
| "You must know, then, that I had first found out some fragments of the old rhyme in which the prophecy occurs quoted as a curiosity in an antiquarian book in the library. On the page opposite this quotation had been pasted a rude old wood-cut, representing a dark-haired man, whose face was so strangely like what I remembered of my Uncle Stephen that the portrait absolutely startled me. When I asked my father about this--it was then just before his death--he either knew, or pretended to know, nothing of it; and when I afterward mentioned the prediction he fretfully changed the subject. It was just the same with our chaplain when I spoke to him. He said the portrait had been done centuries before my uncle was born, and called the prophecy doggerel and nonsense. I used to argue with him on the latter point, asking why we Catholics, who believed that the gift of working miracles had never departed from certain favored persons, might not just as well believe that the gift of prophecy had never departed, either? He would not dispute with me; he would only say that I must not waste time in thinking of such trifles; that I had more imagination than was good for me, and must suppress instead of exciting it. Such advice as this only irritated my curiosity. I determined secretly to search throughout the oldest uninhabited part of the Abbey, and to try if I could not find out from forgotten family records what the portrait was, and when the prophecy had been first written or uttered. Did you ever pass a day alone in the long-deserted chambers of an ancient house?"
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»Nie; denn eine solche Einsamkeit wäre durchaus nicht nach meinem Geschmacke.«
| "Never! such solitude as that is not at all to my taste."
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»Ach, welches Leben das war, als ich meine Nachforschungen begann! Ich möchte es noch einmal durchleben! Welche sonderbaren Entdeckungen ich machte! In welcher Richtung ich auch suchte, überall fand ich etwas, das mich weiter lockte. Schreckliche Bekenntnisse geheimer Verbrechen, haarsträubende Beweise von Schandtaten, die kein Auge je entdeckt als die meinigen, kamen jetzt an das Licht. Endlich fand ich das Buch, welches den Mönchen gehört hatte, mit der ganzen Prophezeiung. Dieser Erfolg spornte mich an, noch weiter in den Familiennachrichten zu forschen. Bisher hatte ich noch nichts entdeckt, was auf die Identität jenes geheimnisvollen Holzschnittes Bezug hatte; allein die sich mir unwillkürlich aufdrängende Überzeugung von der Ähnlichkeit desselben mit meinem Oheime Stephan sagte mir auch, dass letzterer in näherer Beziehung zu der Prophezeiung stehen und mehr darüber wissen müsse, als irgendein anderer. Ich konnte jedoch nicht in Korrespondenz mit ihm treten, weil mir sein Aufenthaltsort unbekannt war, und mich deshalb auch nicht davon überzeugen, inwieweit meine Idee richtig oder unrichtig sei, bis endlich der Tag kam, an dem meine Zweifel durch den schrecklichen, sichtbaren Beweis, der auch in diesem Augenblicke und in diesem Zimmer vor meinen Augen steht, für immer beseitigt wurden.«
| "Ah! what a life it was when I began my search. I should like to live it over again. Such tempting suspense, such strange discoveries, such wild fancies, such inthralling terrors, all belonged to that life. Only think of breaking open the door of a room which no living soul had entered before you for nearly a hundred years; think of the first step forward into a region of airless, awful stillness, where the light falls faint and sickly through closed windows and rotting curtains; think of the ghostly creaking of the old floor that cries out on you for treading on it, step as softly as you will; think of arms, helmets, weird tapestries of by-gone days, that seem to be moving out on you from the walls as you first walk up to them in the dim light; think of prying into great cabinets and iron-clasped chests, not knowing what horrors may appear when you tear them open; of poring over their contents till twilight stole on you and darkness grew terrible in the lonely place; of trying to leave it, and not being able to go, as if something held you; of wind wailing at you outside; of shadows darkening round you, and closing you up in obscurity within--only think of these things, and you may imagine the fascination of suspense and terror in such a life as mine was in those past days."
(I shrank from imagining that life: it was bad enough to see its results, as I saw them before me now.)
"Well, my search lasted months and months; then it was suspended a little; then resumed. In whatever direction I pursued it I always found something to lure me on. Terrible confessions of past crimes, shocking proofs of secret wickedness that had been hidden securely from all eyes but mine, came to light. Sometimes these discoveries were associated with particular parts of the Abbey, which have had a horrible interest of their own for me ever since; sometimes with certain old portraits in the picture-gallery, which I actually dreaded to look at after what I had found out. There were periods when the results of this search of mine so horrified me that I determined to give it up entirely; but I never could persevere in my resolution; the temptation to go on seemed at certain intervals to get too strong for me, and then I yielded to it again and again. At last I found the book that had belonged to the monks with the whole of the prophecy written in the blank leaf. This first success encouraged me to get back further yet in the family records. I had discovered nothing hitherto of the identity of the mysterious portrait; but the same intuitive conviction which had assured me of its extraordinary resemblance to my Uncle Stephen seemed also to assure me that he must be more closely connected with the prophecy, and must know more of it than any one else. I had no means of holding any communication with him, no means of satisfying myself whether this strange idea of mine were right or wrong, until the day when my doubts were settled forever by the same terrible proof which is now present to me in this very room."
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Er schwieg einen Augenblick, und sah mich scharf und misstrauisch an, fragte, ob ich alles, was er bisher gesagt habe, glaube, und fuhr dann fort, nachdem ich, um ihn zu beruhigen, eine bejahende Versicherung gegeben hatte:
| He paused for a moment, and looked at me intently and suspiciously; then asked if I believed all he had said to me so far. My instant reply in the affirmative seemed to satisfy his doubts, and he went on.
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»An einem schönen Februarabend stand ich in einem der öden Zimmer des westlichen Turmes am Fenster und betrachtete den Untergang der Sonne. Ehe das Gestirn ganz verschwand, kam eine kaum zu beschreibende Empfindung über mich. Ich sah und hörte nichts mehr. Diese Bewusstlosigkeit trat ganz plötzlich ein, und doch war es keine Ohnmacht; denn ich sank nicht zu Boden, sondern blieb regungslos auf meinem Platze stehen. Ich möchte diesen Zustand fast, wenn es überhaupt möglich wäre, eine zeitweilige Trennung der Seele vom Körper nennen; allein, wie gesagt, er lässt sich nicht schildern. Nennen Sie ihn deshalb wie Sie wollen —- vielleicht Starrkrampf — genug, ich blieb in völliger Bewusstlosigkeit, geistig und körperlich tot, am Fenster stehen, bis die Sonne verschwunden war. Dann kam ich wieder zur Besinnung, und als ich meine Augen aufschlug, stand die Erscheinung Stephan Monktons mir gerade so gegenüber, wie sie in diesem Momente neben Ihnen vor mir steht.«
| "On a fine evening in February I was standing alone in one of the deserted rooms of the western turret at the Abbey, looking at the sunset. Just before the sun went down I felt a sensation stealing over me which it is impossible to explain. I saw nothing, heard nothing, knew nothing. This utter self-oblivion came suddenly; it was not fainting, for I did not fall to the ground, did not move an inch from my place. If such a thing could be, I should say it was the temporary separation of soul and body without death; but all description of my situation at that time is impossible. Call my state what you will, trance or catalepsy, I know that I remained standing by the window utterly unconscious--dead, mind and body--until the sun had set. Then I came to my senses again; and then, when I opened my eyes, there was the apparition of Stephen Monkton standing opposite to me, faintly luminous, just as it stands opposite me at this very moment by your side."
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»Geschah dies, ehe Sie die Nachricht von dem in Italien stattgehabten Duell erhielten?«
| Was this before the news of the duel reached England?" I asked.
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»Vierzehn Tage vorher. Selbst als ich die Nachricht erhielt, wusste ich immer noch nicht, an welchem Tage das Duell stattgefunden hatte. Dies erfuhr ich erst durch das in jener französischen Zeitung veröffentlichte Dokument. Sie werden sich erinnern, dass es vom 22. Februar datiert, und dass in dem Nachtrage gesagt war, der Zweikampf habe drei Tage später stattgehabt. Als ich an jenem Abende das Phantom zum ersten Male sah, schrieb ich Tag und Monat nieder. Es war der 25. Februar.
| "Two weeks before the news of it reached us at Wincot. And even when we heard of the duel, we did not hear of the day on which it was fought. I only found that out when the document which you have read was published in the French newspaper. The date of that document, you will remember, is February 22d, and it is stated that the duel was fought two days afterward. I wrote down in my pocketbook, on the evening when I saw the phantom, the day of the month on which it first appeared to me . That day was the 24th of February.
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Er schwieg wieder, erwartend, dass ich etwas sagen werde. Allein was konnte ich zu einer solchen Mitteilung sagen? Was sollte ich davon denken?
| He paused again, as if expecting me to say something. After the words he had just spoken, what could I say? what could I think?
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»Selbst während des ersten Schreckens beim Anblicke der Erscheinung«, fuhr er fort, »dachte ich an die Prophezeiung, und kam zu der Überzeugung, dass das Phantom mir meinen eigenen Tod verkünde. Dennoch beschloss ich, sobald ich mich etwas erholt hatte, die Wirklichkeit dessen, was ich zu sehen glaubte, genauer zu prüfen, und mir Gewissheit darüber zu verschaffen, ob ich von meiner erhitzten Phantasie getäuscht worden sei oder nicht. Ich verließ den Turm, aber das Phantom folgte mir; ich ließ den Empfangsaal glänzend erleuchten, allein auch dort stand die Erscheinung vor mir. Ich ging in den Park; sie war auch im hellen Lichte der Sterne sichtbar. Endlich verließ ich die Abtei und reiste mehrere Meilen weit an das Seeufer — aber der finstere Mann, mit dem vom Todeskampfe verzerrten Gesichte, war mein steter Begleiter. Nunmehr kämpfte ich gegen dieses Verhängnis nicht länger an, sondern kehrte nach der Abtei mit dem Entschlusse zurück, mich meinem Schicksale zu fügen. Aber auch das sollte nicht sein. Ich hegte eine Hoffnung, die mir teurer war als das Leben, und besaß einen Schatz, mehr wert als alles andere in der Welt. Der Gedanke an die Möglichkeit, ihn zu verlieren, erfüllte mich mit Schrecken. Aber das Phantom stand als ein warnendes Hindernis zwischen mir und ihm, und meine süßeste Hoffnung wurde eine Quelle des bittersten, unerträglichsten Elends für mich. Vielleicht haben Sie gehört, dass ich mit einer jungen Dame verlobt war?«
| "Even in the first horror of first seeing the apparition," he went on, "the prophecy against our house came to my mind, and with it the conviction that I beheld before me, in that spectral presence, the warning of my own doom. As soon as I recovered a little, I determined, nevertheless, to test the reality of what I saw; to find out whether I was the dupe of my own diseased fancy or not. I left the turret; the phantom left it with me. I made an excuse to have the drawing-room at the Abbey brilliantly lighted up; the figure was still opposite me. I walked out into the park; it was there in the clear starlight. I went away from home, and traveled many miles to the sea-side; still the tall dark man in his death agony was with me. After this I strove against the fatality no more. I returned to the Abbey, and tried to resign myself to my misery. But this was not to be. I had a hope that was dearer to me than my own life; I had one treasure belonging to me that I shuddered at the prospect of losing; and when the phantom presence stood a warning obstacle between me and this one treasure, this dearest hope, then my misery grew heavier than I could bear. You must know what I am alluding to; you must have heard often that I was engaged to be married?"
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»O ja, häufig; auch bin ich selbst mit Miss Elmsly entfernt verwandt.«
| "Yes, often. I have some acquaintance myself with Miss Elmslie."
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»Sie können sich keine Vorstellung davon machen, welche Opfer sie mir gebracht hat — was ich seit Jahren für sie empfunden habe.«
| "You never can know all that she has sacrificed for me--never can imagine what I have felt for years and years past"
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Seine Stimme bebte, und Tränen traten ihm in die Augen. Nach einer Pause fuhr er fort:
| --his voice trembled, and the tears came into his eyes--
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»Ich getraue mir nicht davon zu sprechen; der Gedanke an die verflossenen schönen Stunden in der Abtei bricht mir fast das Herz. Lassen Sie mich zum Hauptgegenstande unseres Gespräches zurückkehren. Ich beobachtete gegen jedermann strenge Verschwiegenheit über die entsetzliche Erscheinung, welche mich fortwährend und überall verfolgte, denn ich kannte das in der Umgegend verbreitete lächerliche Gerücht, dass in meiner Familie ein erblicher Wahnsinn herrsche und auch auf mich übergegangen sei, und fürchtete deshalb, ihm durch Eröffnungen von meiner Seite noch mehr Nahrung zu geben. Obgleich das Phantom mir fortwährend gegenüber stand, und stets entweder an der Seite desjenigen, mit dem ich sprach, oder zwischen mir und ihm erschien, so wusste ich doch anderen den Gegenstand zu verbergen, auf den sich meine Blicke gezwungen richteten. Nur gegen Ada konnte ich meine Verschwiegenheit nicht bewahren. Der für unsere Verbindung festgesetzte Tag nahte heran.«
| "but I dare not trust myself to speak of that; the thought of the old happy days in the Abbey almost breaks my heart now. Let me get back to the other subject. I must tell you that I kept the frightful vision which pursued me, at all times and in all places, a secret from everybody, knowing the vile reports about my having inherited madness from my family, and fearing that an unfair advantage would be taken of any confession that I might make. Though the phantom always stood opposite to me, and therefore always appeared either before or by the side of any person to whom I spoke, I soon schooled myself to hide from others that I was looking at it except on rare occasions, when I have perhaps betrayed myself to you. But my self-possession availed me nothing with Ada. The day of our marriage was approaching."
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Er schwieg und begann von neuem zu beben. Ich wartete ruhig, bis er sich wieder gesammelt hatte und seine Rede fortsetzen konnte.
| He stopped and shuddered. I waited in silence till he had controlled himself.
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»Denken Sie sich«, sagte er, »was ich dabei gelitten haben muss, diese scheußliche Erscheinung immer vor mir zu sehen, selbst wenn ich mit meiner Braut sprach—ihr sanftes, engelgleiches Gesicht neben den verzerrten Zügen des Phantoms. Zuletzt konnte ich es nicht mehr ertragen, und entdeckte ihr das Geheimnis. Sie bat, flehte — ja, sie bestand darauf, alles zu wissen, und ich verschwieg daher nichts und überließ es ihr, das Verhältnis mit mir abzubrechen. Ich sprach die Abschiedsworte und dachte an den Tod — von meiner eigenen Hand. Sie mochte es ahnen und verließ seit jenem Augenblicke nicht mehr meine Seite, bis ihr sanfter Einfluss den finsteren Gedanken verdrängt hatte. Ohne sie lebte ich jetzt nicht mehr; ohne sie würde ich nie den Plan gefasst haben, der mich hierher geführt hat.«
| "Think," he went on, "think of what I must have suffered at looking always on that hideous vision whenever I looked on my betrothed wife! Think of my taking her hand, and seeming to take it through the figure of the apparition! Think of the calm angel-face and the tortured specter-face being always together whenever my eyes met hers! Think of this, and you will not wonder that I betrayed my secret to her. She eagerly entreated to know the worst--nay, more, she insisted on knowing it. At her bidding I told all, and then left her free to break our engagement. The thought of death was in my heart as I spoke the parting words--death by my own act, if life still held out after our separation. She suspected that thought; she knew it, and never left me till her good influence had destroyed it forever. But for her I should not have been alive now; but for her I should never have attempted the project which has brought me here."
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»Wollen Sie damit sagen, dass Sie auf Miss Elmslys Veranlassung nach Neapel gekommen sind?« fragte ich erstaunt.
| "Do you mean that it was at Miss Elmslie's suggestion that you came to Naples?" I asked, in amazement.
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»Ihre Vorstellungen leiteten mich allerdings zu diesem Plan«, erwiderte er. »Solange ich glaubte, dass das Phantom mir nur als Verkünder des nahen Erlöschens meiner Familie und meines eigenen Todes erschienen sei, gewährte mir ihre Versicherung, dass keine Macht sie von mir trennen solle, und dass sie nur mir leben und alle Prüfungen mit mir ertragen wolle, keinen Trost, sondern erhöhte nur das Gefühl meines Elendes. Allein anders wurde es, als wir mehr über die Erscheinung sprachen — als sie mir zeigte, dass deren Sendung eher einen guten als bösen Zweck habe, und dass die Warnung mir zum Nutzen gereichen könne. Diese Vorstellung erweckte jene Idee in mir, aus der ich neue Lebenshoffnung schöpfte; der Gedanke drängte sich mir auf, dass höhere Mächte mir die Weisung zu diesem Unternehmen erteilten. In diesem Glauben lebe ich; ohne ihn würde ich sterben. Sie lachte nie darüber, sie nannte ihn nie Wahnsinn. Verstehen Sie mich recht! Die Erscheinung, die mich seitdem nie verlassen hat und in diesem Augenblicke an Ihrer Seite steht, warnt mich, dem Unglück, das meiner Familie droht, dadurch vorzubeugen, dass ich den unbeerdigten Leichnam aufsuche und in ein Grab lege. Irdische Liebe und irdische Rücksichten müssen vor einer solchen Weisung verstummen. Das Phantom wird mich nicht eher verlassen, als bis ich den Leichnam bestattet habe, der nach seiner Gruft schreit! Ehe dies nicht vollbracht ist, wage ich nicht zurückzukehren; ehe der leere Platz in der Gruft der Abtei nicht ausgefüllt ist, wage ich kein eheliches Band zu schließen.«
| "I mean that what she said suggested the design which has brought me to Naples," he answered. "While I believed that the phantom had appeared to me as the fatal messenger of death, there was no comfort--there was misery, rather, in hearing her say that no power on earth should make her desert me, and that she would live for me, and for me only, through every trial. But it was far different when we afterward reasoned together about the purpose which the apparition had come to fulfill--far different when she showed me that its mission might be for good instead of for evil, and that the warning it was sent to give might be to my profit instead of to my loss. At those words, the new idea which gave the new hope of life came to me in an instant. I believed then, what I believe now, that I have a supernatural warrant for my errand here. In that faith I live; without it I should die. She never ridiculed it, never scorned it as insanity. Mark what I say! The spirit that appeared to me in the Abbey--that has never left me since--that stands there now by your side, warns me to escape from the fatality which hangs over our race, and commands me, if I would avoid it, to bury the unburied dead. Mortal loves and mortal interests must bow to that awful bidding. The specter-presence will never leave me till I have sheltered the corpse that cries to the earth to cover it! I dare not return--I dare not marry till I have filled the place that is empty in Wincot vault."
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Seine Augen funkelten bei diesen Worten, die Stimme wurde klangvoller, und eine fast fanatische Begeisterung leuchtete aus seinen Zügen. So peinlich der Anblick dieses Zustandes für mich war, wagte ich doch nicht Gegenvorstellungen zu machen. Es wäre nutzlos gewesen, wenn ich mich der gewöhnlichen Redensarten von optischer Täuschung, erhitzter Phantasie und dergleichen hätte bedienen, oder ihm die in der Tat sonderbar zusammentreffenden Begebenheiten auf natürliche Weise erklären wollen. So kurz und vorübergehend er auch Miss Elmslys erwähnte, so hatte er doch genug gesagt, um mich erkennen zu lassen, dass die einzige Hoffnung des armen Mädchens, das ihn so treu und innig liebte, darin bestand, dass sie seinen Einbildungen nachgab. Wie beharrlich sie an dem Glauben festhielt, ihn heilen zu können! Mit welcher Entschlossenheit sie sich seinen krankhaften Hirngespinsten in der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft opferte, die nimmer kommen sollte! So entfernt auch meine Bekanntschaft mit ihr war, so empfand ich doch tiefes Weh bei dem Gedanken an sie und ihre Lage.
| His eyes flashed and dilated--his voice deepened--a fanatic ecstasy shone in his expression as he uttered these words. Shocked and grieved as I was, I made no attempt to remonstrate or to reason with him. It would have been useless to have referred to any of the usual commonplaces about optical delusions or diseased imaginations--worse than useless to have attempted to account by natural causes for any of the extraordinary coincidences and events of which he had spoken. Briefly as he had referred to Miss Elmslie, he had said enough to show me that the only hope of the poor girl who loved him best and had known him longest of any one was in humoring his delusions to the last. How faithfully she still clung to the belief that she could restore him! How resolutely was she sacrificing herself to his morbid fancies, in the hope of a happy future that might never come! Little as I knew of Miss Elmslie, the mere thought of her situation, as I now reflected on it, made me feel sick at heart.
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»Man nennt mich ‚den verrückten Monkton‘!« rief er, plötzlich das Schweigen unterbrechend. »Hier sowohl wie in England, glaubt jeder, dass ich den Verstand verloren habe, ausgenommen Ada und Sie. Meine Braut hat mich bereits vom Tode errettet, und Sie werden das Werk vollenden. Ein dunkles Gefühl sagte mir dies, als ich Ihnen zum ersten Male in der Villa Reale hier begegnete. Lange kämpfte ich gegen den inneren Drang, Ihnen mein Geheimnis mitzuteilen; aber heut, als ich Sie auf dem Balle sah, konnte ich nicht länger widerstehen — das Phantom schien mich zu Ihnen hinzuziehen. Reden Sie jetzt ausführlicher über Ihren Plan, den Kampfplatz ausfindig zu machen. Wenn ich morgen abreise, um ihn selbst zu suchen — wohin soll ich mich zunächst wenden?«
| "They call me Mad Monkton!" he exclaimed, suddenly breaking the silence between us during the last few minutes, "Here and in England everybody believes I am out of my senses except Ada and you. She has been my salvation, and you will be my salvation too. Something told me that when I first met you walking in the Villa Peale. I struggled against the strong desire that was in me to trust my secret to you, but I could resist it no longer when I saw you to-night at the ball; the phantom seemed to draw me on to you as you stood alone in the quiet room. Tell me more of that idea of yours about finding the place where the duel was fought. If I set out to-morrow to seek for it myself, where must I go to first? where?"
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Er hielt inne. Die Kräfte verließen ihn, und seine Gedanken schienen sich zu verwirren.
| He stopped; his strength was evidently becoming exhausted, and his mind was growing confused.
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»Was muss ich tun? —- Ich kann mich nicht mehr besinnen. Sie wissen ja alles — wollen Sie mir nicht beistehen? Mein Elend hat mich unfähig gemacht, mir selbst zu helfen.«
| "What am I to do? I can't remember. You know everything--will you not help me? My misery has made me unable to help myself."
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Er schwieg von neuem, murmelte etwas von fehlgeschlagenen Plänen, wenn er allein an die Grenze gehe, und sprach unzusammenhängend von möglichen Hindernissen. Dann versuchte er den Namen »Ada« auszusprechen; aber noch ehe der erste Laut seine Lippen verlassen hatte, begann seine Stimme zu beben, und in Tränen ausbrechend wandte er sich geschwind um.
| He stopped, murmured something about failing if he went to the frontier alone, and spoke confusedly of delays that might be fatal, then tried to utter the name of "Ada"; but, in pronouncing the first letter, his voice faltered, and, turning abruptly from me, he burst into tears.
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Das Gefühl des Mitleids verdrängte bei mir die Warnungen der Klugheit; ohne an die Verantwortlichkeit zu denken, welche ich übernahm, versprach ich ihm, alles zu tun, was er verlangte. Die wilde Freude in seinen Zügen, mit der er aufsprang und meine Hand ergriff, zeigte mir, dass ich weiser gehandelt hätte, wenn ich zurückhaltender gewesen wäre; allein jetzt war es zu spät, ich konnte mein Versprechen nicht widerrufen. Es blieb mir also nichts übrig als den Versuch zu machen, ihn einigermaßen zu beruhigen, um dann fortzugehen und die Sache reiflich bei mir überlegen zu können.
| My pity for him got the better of my prudence at that moment, and without thinking of responsibilities, I promised at once to do for him whatever he asked. The wild triumph in his expression as he started up and seized my hand showed me that I had better have been more cautious; but it was too late now to retract what I had said. The next best thing to do was to try if I could not induce him to compose himself a little, and then to go away and think coolly over the whole affair by myself.
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»Ja, ja », erwiderte er auf die wenigen Worte, welche ich zu diesem Zwecke sagte, »seien Sie nicht um mich besorgt. Nachdem Sie mir dieses Versprechen gegeben haben, können Sie sich darauf verlassen, dass ich unter allen Umständen ruhig und gefasst sein werde. Ich bin an die Erscheinung schon so lange gewöhnt, dass ich ihre Gegenwart kaum noch bemerke, ausgenommen bei gewissen Gelegenheiten. Überdies bewahre ich hier in diesem kleinen Pakete eine Medizin, welche jede Herzenskrankheit heilt. Es sind Adas Briefe. Ich lese sie, sobald das Gefühl meines Unglücks mir unerträglich wird. Jene halbe Stunde, ehe Sie kamen, benützte ich auch zu diesem Zwecke, um mich dadurch zu der Besprechung mit Ihnen zu stärken; und wenn Sie fort sind, werde ich dasselbe noch einmal tun. Also fürchten Sie nichts für mich. Ich weiß, dass mein Zweck mit Ihrer Hülfe erreicht werden wird, und wenn wir nach England zurückkehren, soll Ada Ihnen danken, wie Sie es verdienen. Lassen Sie die Narren in Neapel reden und sagen, ich sei verrückt, und kümmern Sie sich nicht darum. Das Geschwätz ist so abgeschmackt, dass es endlich von selbst aufhören wird.«
| "Yes, yes," he rejoined, in answer to the few words I now spoke to try and calm him, "don't be afraid about me. After what you have said, I'll answer for my own coolness and composure under all emergencies. I have been so long used to the apparition that I hardly feel its presence at all except on rare occasions. Besides, I have here in this little packet of letters the medicine for every m alady of the sick heart. They are Ada's letters; I read them to calm me whenever my misfortune seems to get the better of my endurance. I wanted that half hour to read them in to-night before you came, to make myself fit to see you, and I shall go through them again after you are gone; so, once more, don't be afraid about me. I know I shall succeed with your help, and Ada shall thank you as you deserve to be thanked when we get back to England. If you hear the fools at Naples talk about my being mad, don't trouble yourself to contradict them; the scandal is so contemptible that it must end by contradicting itself."
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Ich verließ ihn mit der Zusage, am nächsten Tage zeitig wiederzukommen.
| I left him, promising to return early the next day.
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Als ich meinen Gasthof erreichte, fühlte ich, dass nach dem, was ich gesehen und gehört hatte, von Schlaf für diese Nacht keine Rede war. Ich zündete deshalb meine Pfeife an, und setzte mich an das offene Fenster, um unter dem Einflusse des sanften Mondlichtes ruhiger zu werden und zu überlegen, was zu tun sei. Das Erste, was mir klar wurde, war, dass von einer Zuziehung der Ärzte oder Verwandten Alfreds in England keine Rede sein konnte. Sein Verstand befand sich auf keinen Fall in einer solchen Störung, dass ich unter den obwaltenden Umständen berechtigt gewesen wäre, sein mir anvertrautes Geheimnis zu veröffentlichen. Ebenso unzweifelhaft war, dass, nach der ihm gemachten Zusage, alle Versuche von meiner Seite, ihn zur Aufgabe der beabsichtigten Nachforschungen zu bestimmen, vergeblich sein würden. Über diese beiden Punkte im Reinen, hatte ich keine andere Bedenklichkeit mehr als die Frage, ob ich überhaupt recht handelte, wenn ich meinen Beistand zur Ausführung des besprochenen Planes lieh.
| When I got back to my hotel, I felt that any idea of sleeping after all that I had seen and heard was out of the question; so I lit my pipe, and, sitting by the window--how it refreshed my mind just then to look at the calm moonlight!--tried to think what it would be best to do. In the first place, any appeal to doctors or to Alfred's friends in England was out of the question. I could not persuade myself that his intellect was sufficiently disordered to justify me, under existing circumstances, in disclosing the secret which he had intrusted to my keeping. In the second place, all attempts on my part to induce him to abandon the idea of searching out his uncle's remains would be utterly useless after what I had incautiously said to him. Having settled these two conclusions, the only really great difficulty which remained to perplex me was whether I was justified in aiding him to execute his extraordinary purpose.
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Angenommen, er entdeckte wirklich mit meiner Hülfe Stephan Monktons Leichnam, und brachte ihn nach England zurück — war es wohlgetan von mir, die eheliche Verbindung, welche aller Wahrscheinlichkeit nach gleich darauf folgen würde, zu befördern — eine Verbindung, deren möglichste Verhinderung eigentlich die Pflicht eines jeden hätte sein müssen? Diese Betrachtung führte mich auf den Grad seines Wahnsinns, oder, um einen milderen Ausdruck zu gebrauchen, seiner Geistesstörung Es konnte kein Zweifel darüber herrschen, dass er in der Unterhaltung über gewöhnliche Gegenstände jeder Art einen völlig gesunden Verstand zeigte; sogar die ganze Erzählung dieses Abends hatte er in klarer, logischer Verbindung vorgetragen. Was die behauptete Erscheinung betraf, so lässt sich nur sagen, dass es zu allen Zeiten auch viele andere Leute gegeben hat, die geistig ebenso gesund wie ihre Mitmenschen waren, und sich doch von einem Phantome verfolgt glaubten, und sogar lange philosophische Abhandlungen darüber schrieben. Es schien mir klar zu sein, dass der Grund zu dieser eingebildeten Erscheinung in Alfreds Überzeugung von der Wahrheit jener alten Prophezeiung und in dem Glauben liege, dass er einen warnenden Fingerzeig von oben erhalten habe. Sein einsames Leben in der Abtei, in Verbindung mit reizbaren Nerven und einer in der Familie vielleicht erblichen Anlage zu geistigen Krankheiten, machte eine solche Selbsttäuschung sehr erklärlich.
| Supposing that, with my help, he found Mr. Monkton's body, and took it back with him to England, was it right in me thus to lend myself to promoting the marriage which would most likely follow these events--a marriage which it might be the duty of every one to prevent at all hazards? This set me thinking about the extent of his madness, or to speak more mildly and more correctly, of his delusion. Sane he certainly was on all ordinary subjects; nay, in all the narrative parts of what he had said to me on this very evening he had spoken clearly and connectedly. As for the story of the apparition, other men, with intellects as clear as the intellects of their neighbors had fancied themselves pursued by a phantom, and had even written about it in a high strain of philosophical speculation. It was plain that the real hallucination in the case now before me lay in Monkton's conviction of the truth of the old prophecy, and in his idea that the fancied apparition was a supernatural warning to him to evade its denunciations; and it was equally clear that both delusions had been produced, in the first instance, by the lonely life he had led acting on a naturally excitable temperament, which was rendered further liable to moral disease by an hereditary taint of insanity.
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War ein solcher Zustand heilbar? Miss Elmslys Handlungsweise, die ihn viel besser kannte als ich, ließ darauf schließen, dass sie an die Möglichkeit glaubte. War ich berechtigt, sie ohne weiteres eines Irrtums zu bezichtigen? Angenommen, ich weigerte mich, mit ihm an die Grenze zu gehen — war nicht mit Gewissheit anzunehmen, dass er sich allein dahin begeben und vielleicht großen Unfällen aussetzen werde, während ich, ein müßiger Mensch, in Neapel blieb und ihn seinem Schicksale überließ, nachdem ich selbst den Plan zu der Unternehmung entworfen und ihn ermuntert hatte, Vertrauen in mich zu setzen?
| Was this curable? Miss Elmslie, who knew him far better than I did, seemed by her conduct to think so. Had I any reason or right to determine offhand that she was mistaken? Supposing I refused to go to the frontier with him, he would then most certainly depart by himself, to commit all sorts of errors, and perhaps to meet with all sorts of accidents; while I, an idle man, with my time entirely at my own disposal, was stopping at Naples, and leaving him to his fate after I had suggested the plan of his expedition, and had encouraged him to confide in me. In this way I kept turning the subject over and over again in my mind, being quite free, let me add, from looking at it in any other than a practical point of view. I firmly believed, as a derider of all ghost stories, that Alfred was deceiving himself in fancying that he had seen the apparition of his uncle before the news of Mr. Monkton's death reached England, and I was on this account, therefore, uninfluenced by the slightest infection of my unhappy friend's delusions when I at last fairly decided to accompany him in his extraordinary search. Possibly my harum-scarum fondness for excitement at that time biased me a little in forming my resolution; but I must add, in common justice to myself, that I also acted from motives of real sympathy for Monkton, and from a sincere wish to allay, if I could, the anxiety of the poor girl who was still so faithfully waiting and hoping for him far away in England.
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Gewisse Vorbereitungen zu unserer Abreise, die ich nach einer zweiten Zusammenkunft mit Alfred für nötig erachtete, verrieten den Plan den meisten unserer Bekannten in Neapel. Ihr Erstaunen war unbeschreiblich, und der Verdacht, dass ich fast ebenso wahnsinnig sei wie Monkton, sprach sich allgemein gegen mich aus. Manche versuchten sogar meinen Entschluss wankend zu machen, indem sie mir erzählten, was für ein verächtlicher Wüstling Stephan Monkton gewesen sei; allein alle Spöttereien machten eben so wenig Eindruck auf mich, als Gründe irgend einer Art. Mein Entschluss war gefasst, und ich beharrte dabei.
| Certain arrangements preliminary to our departure, which I found myself obliged to make after a second interview with Alfred, betrayed the object of our journey to most of our Neapolitan friends. The astonishment of everybody was of course unbounded, and the nearly universal suspicion that I must be as mad in my way as Monkton himself showed itself pretty plainly in my presence. Some people actually tried to combat my resolution by telling me what a shameless profligate Stephen Monkton had been--as if I had a strong personal interest in hunting out his remains! Ridicule moved me as little as any arguments of this sort; my mind was made up, and I was as obstinate then as I am now.
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In zwei Tagen war alles in Bereitschaft. Ich bestellte den Wagen absichtlich einige Stunden früher als ursprünglich verabredet worden, um, mit Rücksicht auf meinen Freund, den uns bei der Abreise angedrohten Spöttereien zu entgehen; denn Letzterer befand sich in Folge der Vorbereitungen in einer Aufregung, die mir durchaus nicht lieb war. Kurz nach Sonnenaufgang also, als noch keine Seele auf den Straßen sichtbar war, verließen wir in aller Stille Neapel.
| In two days' time I had got everything ready, and had ordered the traveling carriage to the door some hours earlier than we had originally settled. We were jovially threatened with "a parting cheer" by all our English acquaintances, and I thought it desirable to avoid this on my friend's account; for he had been more excited, as it was, by the preparations for the journey than I at all liked. Accordingly, soon after sunrise, without a soul in the street to stare at us, we privately left Naples.
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Jedermann wird mir glauben, wenn ich sage, dass meine Lage nicht zu beneiden war. Mit Furcht und Scheu blickte ich jedem kommenden Tage entgegen, als ich jetzt in der Gesellschaft des »armen, wahnsinnigen Monkton« die Reise antrat, um längs der römischen Grenze den Leichnam eines im Zweikampfe Gefallenen aufzusuchen.
| Nobody will wonder, I think, that I experienced some difficulty in realizing my own position, and shrank instinctively from looking forward a single day into the future, when I now found myself starting, in company with "Mad Monkton," to hunt for the body of a dead duelist all along the frontier line of the Roman States!
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IV | IV |
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Ich war nach reiflicher Überlegung zu der Ansicht gekommen, dass es am zweckmäßigsten sei, die dicht an der Grenze gelegene Stadt Fondi zu unserem Hauptquartier zu machen und von dort aus die Nachforschungen zu beginnen, und hatte deshalb die Anordnung getroffen, dass der bleierne Sarg in seiner hölzernen Hülle bis dahin nachgesendet werde. Außer unseren Pässen hatten wir von der Gesandtschaft Empfehlungsbriefe an die Behörden der bedeutenderen Grenzstädte erhalten, und besaßen Geld genug, um alle nötigen Dienste in Anspruch nehmen zu können. Diese verschiedenen Hilfsquellen mussten unsere Bewegungen und die Erreichung des Zweckes — sofern er überhaupt zu erreichen war — bedeutend erleichtern; allein in dem sehr wahrscheinlichen Falle des Fehlschlagens waren die weiteren Aussichten für mich sehr trüber Art. Ich gestehe, ich empfand keine geringe Unruhe und hegte nicht die leiseste Hoffnung, als wir unter der brennenden italienischen Sonne unseren Weg nach Fondi verfolgten.
| I HAD settled it in my own mind that we had better make the town of Fondi, close on the frontier, our headquarters, to begin with, and I had arranged, with the assistance of the embassy, that the leaden coffin should follow us so far, securely nailed up in its packing-case. Besides our passports, we were well furnished with letters of introduction to the local authorities at most of the important frontier towns, and, to crown all, we had money enough at our command (thanks to Monkton's vast fortune) to make sure of the services of any one whom we wanted to assist us all along our line of search. These various resources insured us every facility for action, provided always that we succeeded in discovering the body of the dead duelist. But, in the very probable event of our failing to do this, our future prospects--more especially after the responsibility I had undertaken--were of anything but an agreeable nature to contemplate. I confess I felt uneasy, almost hopeless, as we posted, in the dazzling Italian sunshine, along the road to Fondi.
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Mit Rücksicht auf Monktons Zustand drang ich darauf, kurze Tagreisen zu machen. Am ersten Tage war seine Aufregung von der Art, dass sie mich fast ganz außer Fassung brachte. Er ließ so viele verschiedene Zeichen von Geistesstörung erkennen, wie ich noch nie zuvor an ihm bemerkt hatte. Am zweiten Tage wurde er jedoch ruhiger, und schien sich an den ihn so heftig aufregenden Gedanken, dass die Nachforschungen von ihm selbst jetzt wirklich begonnen seien, mehr gewöhnt zu haben. So lange ich einen gewissen Punkt nicht berührte, war er sogar heiter und völlig gelassen; wenn aber das Gespräch auf seinen verstorbenen Oheim fiel, wiederholte er stets mit der größten Leidenschaftlichkeit die Behauptung — natürlich nur auf Grund der alten Prophezeiung und unter dem Einflusse der Erscheinung, welche er zu sehen wähnte, dass der Leichnam, wo er sich auch befinde, bis jetzt noch unbeerdigt sei. In jedem anderen Punkte folgte er mir mit der größten Nachgiebigkeit; in diesem aber beharrte er bei seiner Meinung mit einer Hartnäckigkeit, gegen die alle Vorstellungen vergeblich waren.
| We made an easy two days' journey of it; for I had insisted, on Monkton's account, that we should travel slowly.
On the first day the excessive agitation of my companion a little alarmed me; he showed, in many ways, more symptoms of a disordered mind than I had yet observed in him. On the second day, however, he seemed to get accustomed to contemplate calmly the new idea of the search on which we were bent, and, except on one point, he was cheerful and composed enough. Whenever his dead uncle formed the subject of conversation, he still persisted--on the strength of the old prophecy, and under the influence of the apparition which he saw, or thought he saw always--in asserting that the corpse of Stephen Monkton, wherever it was, lay yet unburied. On every other topic he deferred to me with the utmost readiness and docility; on this he maintained his strange opinion with an obstinacy which set reason and persuasion alike at defiance.
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Am dritten Tage erreichten wir Fondi und machten daselbst Halt. Die Kiste mit dem Sarge kam an und wurde an einem sicheren Orte untergebracht. Dann mieteten wir mehrere Maultiere und nahmen einen Führer, welcher die Gegend genau kannte. Um den eigentlichen Zweck unserer Reise nicht bekannt werden zu lassen, teilten wir ihn nur solchen Personen mit, in die wir volles Vertrauen setzen konnten, und folgten übrigens dem Beispiele der Duellanten, indem wir früh am Morgen des vierten Tages, mit Skizzenbüchern und Farbenkasten versehen, aufbrachen, als wollten wir einen Ausflug machen, um die malerischen Punkte der Umgegend zu besuchen.
| On the third day we rested at Fondi. The packing-case, with the coffin in it, reached us, and was deposited in a safe place under lock and key. We engaged some mules, and found a man to act as guide who knew the country thoroughly. It occurred to me that we had better begin by confiding th e real object of our journey only to the most trustworthy people we could find among the better-educated classes. For this reason we followed, in one respect, the example of the fatal dueling-party, by starting, early on the morning of the fourth day, with sketch-books and color-boxes, as if we were only artists in search of the picturesque.
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Nachdem wir unseren Weg mehrere Stunden in nördlicher Richtung fortgesetzt hatten, hielten wir, um uns selbst und unseren Tieren einige Ruhe zu gönnen, in einem wild gelegenen Dörfchen an, wohin noch wenige Touristen gekommen sein mochten.
| After traveling some hours in a northerly direction within the Roman frontier, we halted to rest ourselves and our mules at a wild little village far out of the track of tourists in general.
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Die einzige gebildete Person im Orte war der Priester. Zu ihm begab ich mich allein, Monkton beim Führer zurücklassend, um die ersten Erkundigungen einzuziehen. Ich war der italienischen Sprache hinreichend mächtig, und beobachtete bei Eröffnung meines Geschäftes die größte Höflichkeit und Vorsicht; aber aller Bemühungen unerachtet hatten meine Worte keine andere Wirkung, als dass sie den armen Priester in den größten Schrecken versetzten. Der Gedanke an einen Zweikampf und einen Erschlagenen machte ihn beben. Er verbeugte sich, krümmte sich, blickte gen Himmel, zuckte die Achseln, und versicherte mit echt italienischer Zungenfertigkeit und Breite, dass er kein Wort von allem verstehe, was ich sage. Das war unsere erste Täuschung, und ich gestehe, dass sie mich nicht wenig entmutigte.
| The only person of the smallest importance in the place was the priest, and to him I addressed my first inquiries, leaving Monkton to await my return with the guide. I spoke Italian quite fluently, and correctly enough for my purpose, and was extremely polite and cautious in introducing my business, but in spite of all the pains I took, I only succeeded in frightening and bewildering the poor priest more and more with every fresh word I said to him. The idea of a dueling-party and a dead man seemed to scare him out of his senses. He bowed, fidgeted, cast his eyes up to heaven, and piteously shrugging his shoulders, told me, with rapid Italian circumlocution, that he had not the faintest idea of what I was talking about. This was my first failure. I confess I was weak enough to feel a little dispirited when I rejoined Monkton and the guide.
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Nachdem die Hitze des Tages vorüber war, setzten wir unsere Reise fort. Ungefähr drei Meilen vom Dorfe teilte sich die Straße in zwei Richtungen. Der Weg zur Rechten führte, wie wir hörten, in die Berge und zu einem etwa sechs Meilen entfernten Kloster, während der andere durch die Ebene weiter in das römische Gebiet hinein lief und uns zu einer kleinen Stadt brachte, wo wir übernachten konnten. Er eröffnete uns das größere und zugleich schwierigere Feld für unsere Forschungen. Blieben diese fruchtlos, so konnten wir nach unserer Rückkehr von Fondi aus leicht den kürzeren, zum Kloster führenden Weg durchsuchen. Diese Rücksicht bestimmte uns, zuerst die linke Richtung einzuschlagen. Die Expedition dauerte volle acht Tage und lieferte nicht das geringste Resultat, so dass wir getäuscht und entmutigt nach Fondi zurückkehren mussten.
| After the heat of the day was over we resumed our journey.
About three miles from the village, the road, or rather cart-track, branched off in two directions. The path to the right, our guide informed us, led up among the mountains to a convent about six miles off. If we penetrated beyond the convent we should soon reach the Neapolitan frontier. The path to the left led far inward on the Roman territory, and would conduct us to a small town where we could sleep for the night. Now the Roman territory presented the first and fittest field for our search, and the convent was always within reach, supposing we returned to Fondi unsuccessful. Besides, the path to the left led over the widest part of the country we were starting to explore, and I was always for vanquishing the greatest difficulty first; so we decided manfully on turning to the left. The expedition in which this resolution involved us lasted a whole week, and produced no results. We discovered absolutely nothing, and returned to our headquarters at Fondi so completely baffled that we did not know whither to turn our steps next.
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Die Wirkung, welche dieses Fehlschlagen unserer Hoffnungen auf Monktou hatte, beunruhigte mich jedoch viel mehr, als das Fehlschlagen selbst. Sobald wir genötigt waren, den Rückweg anzutreten, schien sein Mut völlig zusammen zu brechen. Er wurde erst reizbar und eigensinnig, dann schweigsam und verzagt, und sank endlich in eine Lethargie, die mich nicht wenig ängstigte. Am Morgen nach unserem Wiedereintreffen in Fondi verriet er eine besondere Neigung fortwährend zu schlafen, was mich eine Gehirnkrankheit befürchten ließ. Den ganzen Tag sprach er kaum ein Wort mit mir, und schien nie völlig wach zu sein. Als ich am nächsten Tage in sein Zimmer trat, fand ich ihn in demselben Zustande. Sein Bedienter, welcher uns begleitete, sagte mir jedoch, dass Alfred schon bei Lebzeiten seines Vaters, in Wincot, mehrmals in einen ähnlichen Zustand verfallen sei. Die Mitteilung beruhigte mich etwas, und ließ mich wieder an den Zweck denken, der uns nach Fondi geführt.
| I was made much more uneasy by the effect of our failure on Monkton than by the failure itself. His resolution appeared to break down altogether as soon as we began to retrace our steps.
He became first fretful and capricious, then silent and desponding. Finally, he sank into a lethargy of body and mind that seriously alarmed me. On the morning after our return to Fondi he showed a strange tendency to sleep incessantly, which made me suspect the existence of some physical malady in his brain. The whole day he hardly exchanged a word with me, and seemed to be never fairly awake. Early the next morning I went into his room, and found him as silent and lethargic as ever. His servant, who was with us, informed me that Alfred had once or twice before exhibited such physical symptoms of mental exhaustion as we were now observing during his father's lifetime at Wincot Abbey. This piece of information made me feel easier, and left my mind free to return to the consideration of the errand which had brought us to Fondi.
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Ich beschloss, die Zeit, bis mein Reisegefährte sich wieder wohler fühlte, zu benutzen und die Bemühungen inzwischen allein fortzusetzen. Der Weg zur Rechten, nach dem Kloster führend, war noch nicht erforscht worden. Ich brauchte zu diesem Zwecke nur eine Nacht abwesend zu sein, und konnte Monkton bei meiner Rückkehr mindestens darüber Gewissheit geben, ob auch in dieser Richtung nichts zu finden sei. Schnell entschlossen, ließ ich für meinen Freund schriftlich ein paar Worte zurück, im Falle er nach mir fragen sollte, und machte mich wieder auf den Weg nach dem Dorfe, wo wir angehalten und die Expedition in das römische Gebiet begonnen hatten. Da es meine Absicht war, nach dem Kloster zu Fuß zu gehen, so befahl ich dem Führer, mit den Maultieren im Dorfe zu bleiben und meine Rückkehr abzuwarten.
| I resolved to occupy the time until my companion got better in prosecuting our search by myself. That path to the right hand which led to the convent had not yet been explored. If I set off to trace it, I need not be away from Monkton more than one night, and I should at least be able, on my return, to give him the satisfaction of knowing that one more uncertainty regarding the place of the duel had been cleared up. These considerations decided me. I left a message for my friend in case he asked where I had gone, and set out once more for the village at which we had halted when starting on our first expedition.
Intending to walk to the convent, I parted company with the guide and the mules where the track branched off, leaving them to go back to the village and await my return.
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Während der ersten vier Meilen lief der Pfad durch eine offene, freie Gegend sanft aufwärts, wurde dann aber plötzlich steiler, und führte in dichte, weite Waldungen. Als meine Uhr mir sagte, dass ich die angegebene Entfernung von sechs Meilen zurückgelegt haben müsse, war die Aussicht noch auf allen Seiten beengt, und selbst der Himmel über mir war wegen des dichten Landes kaum sichtbar. Wenige Minuten später jedoch öffnete sich die Waldung, ich trat auf einen freien und ebenen Platz, und vor mir lag das alte Kloster.
| For the first four miles the path gently ascended through an open country, then became abruptly much steeper, and led me deeper and deeper among thickets and endless woods. By the time my watch informed me that I must have nearly walked my appointed distance, the view was bounded on all sides and the sky was shut out overhead by an impervious screen of leaves and branches. I still followed my only guide, the steep path; and in ten minutes, emerging suddenly on a plot of tolerably clear and level ground, I saw the convent before me.
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Es war ein niedriges, finsteres Gebäude, in dessen Nähe sich nirgends eine Spur von Leben zeigte. Grüne Moderflecken bedeckten die Wände der Kapelle, dickes Moos wucherte an den Mauern der anderen Gebäude, und langes Unkraut hing vom Dache herab, und wehte vor den vergitterten Fenstern hin und her. Das der Pforte gegenüber stehende Kreuz, mit seiner verstümmelten menschlichen Figur, war am Fuße dergestalt mit kriechendem Gewürm bedeckt und sah überhaupt so grün, widrig und verfault aus, dass ich mich mit Ekel davon abwandte.
| It was a dark, low, sinister-looking place. Not a sign of life or movement was visible anywhere about it. Green stains streaked the once white facade of the chapel in all directions. Moss clustered thick in every crevice of the heavy scowling wall that surrounded the convent. Long lank weeds grew out of the fissures of roof and parapet, and, drooping far downward, waved wearily in and out of the barred dormitory windows. The very cross opposite the entrance-gate, with a shocking life-sized figure in wood nailed to it, was so beset at the base with crawling creatures, and looked so slimy, green, and rotten all the way up, that I absolutely shrank from it.
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An der Pforte selbst hing eine Glockenschnur mit einem zerbrochenen Griffe. Ich näherte mich ihr — zögerte, ohne selbst zu wissen weshalb —- blickte an dem Kloster hinauf, und schritt dann langsam der hinteren Seite des Gebäudes zu, teils um zu überlegen, was jetzt am zweckmäßigsten zu tun sei, teils aus eitler mir selbst unerklärlichen Neugierde, die ganze Außenseite zu sehen, ehe ich um Einlass bat.
| A bell-rope with a broken handle hung by the gate. I approached it--hesitated, I hardly knew why--looked up at the convent again, and then walked round to the back of the building, partly to gain time to consider what I had better do next, partly from an unaccountable curiosity that urged me, strangely to myself, to see all I could of the outside of the place before I attempted to gain admission at the gate.
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An der Hinterseite des Klosters fand ich einen angebauten Schuppen, dessen Dach größtenteils eingesunken war, und in dessen einer Seitenwand sich ein regelmäßiges Loch befand, das früher vielleicht ein Fenster gewesen war. Hinter diesem Schuppen wuchsen die Bäume so dicht, dass ich kaum erkennen konnte, ob der Boden sich dort hob oder senkte, und ob er mit Gras, Erde oder Steinen bedeckt sei.
| At the back of the convent I found an outhouse, built on to the wall--a clumsy, decayed building, with the greater part of the roof fallen in, and with a jagged hole in one of its sides, where in all probability a window had once been. Behind the outhouse the trees grew thicker than ever. As I looked toward them I could not determine whether the ground beyond me rose or fell--whether it was grassy, or earthy, or rocky. I could see nothing but the all-pervading leaves, brambles, ferns, and long grass.
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Kein Laut unterbrach die drückende Stille; kein Vogel ließ sich im Walde hören, keine Stimme sprach im Klostergarten, keine Uhr im Kirchturme schlug, und selbst kein Hund bellte. Die Totenstille machte die Einsamkeit noch einsamer. Ich fühlte mich gedrückt, umso mehr, als ich nie den Aufenthalt in dichten Wäldern geliebt hatte. Die freie, offene Weite, wo das Auge in den blauen Himmel schauen und ungehindert schweifen kann, war mir stets lieber als das düstere, stille Waldesdunkel. Während ich an jenem Schuppen stand, fühlte ich die größte Neigung umzukehren und das Gehölz so schnell als möglich wieder zu verlassen, und würde dies unzweifelhaft getan haben, wenn mich nicht der Gedanke an meinen armen Freund davon abgehalten hätte. Es war sehr zweifelhaft, ob ich überhaupt Einlass in das Kloster fand, wenn ich auch die Glocke zog, und noch zweifelhafter, ob die Bewohner mir die geringste Auskunft über den Gegenstand meiner Nachforschungen eben konnten. Allein die Pflicht lag mir ob, kein Mittel unversucht zu lassen, und so entschloss ich mich, nach der Pforte zurückzukehren und die Glocke zu ziehen, was auch der Erfolg sein mochte.
| Not a sound broke the oppressive stillness. No bird's note rose from the leafy wilderness around me; no voices spoke in the convent garden behind the scowling wall; no clock struck in the chapel-tower; no dog barked in the ruined outhouse. The dead silence deepened the solitude of the place inexpressibly. I began to feel it weighing on my spirits--the more, because woods were never favorite places with me to walk in. The sort of pastoral happiness which poets often represent when they sing of life in the woods never, to my mind, has half the charm of life on the mountain or in the plain. When I am in a wood, I miss the boundless loveliness of the sky, and the delicious softness that distance gives to the earthly view beneath. I feel oppressively the change which the free air suffers when it gets imprisoned among leaves, and I am always awed, rather than pleased, by that mysterious still light which shines with such a strange dim luster in deep places among trees. It may convict me of want of taste and absence of due feeling for the marvelous beauties of vegetation, but I must frankly own that I never penetrate far into a wood without finding that the getting out of it again is the pleasantest part of my walk--the getting out on to the barest down, the wildest hill-side, the bleakest mountain top--the getting out anywhere, so that I can see the sky over me and the view before me as far as my eye can reach.
After such a confession as I have now made, it will appear surprising to no one that I should have felt the strongest possible inclination, while I stood by the ruined outhouse, to retrace my steps at once, and make the best of my way out of the wood. I had, indeed, actually turned to depart, when the remembrance of the er rand which had brought me to the convent suddenly stayed my feet. It seemed doubtful whether I should be admitted into the building if I rang the bell; and more than doubtful, if I were let in, whether the inhabitants would be able to afford me any clew to the information of which I was in search. However, it was my duty to Monkton to leave no means of helping him in his desperate object untried; so I resolved to go round to the front of the convent again, and ring at the gate-bell at all hazards.
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Zufällig schaute ich in diesem Augenblicke an der Seitenwand des Schuppens in die Höhe, wobei es mir auffiel, dass das vorher erwähnte Loch ungewöhnlich hoch angebracht war; und während ich still stand, um es näher in Augenschein zu nehmen, wurde mir plötzlich die Schwüle der Luft noch lästiger, als sie bisher gewesen war. Ich wartete einige Augenblicke und nahm die Halsbinde ab, allein es half nichts, und ich glaubte zu entdecken, dass es noch etwas anderes als Schwüle sei, was mir so lästig war. Die Luft schien meiner Nase unangenehmer zu sein als den Lungen, und war mit einem mir bis dahin ganz unbekannten Geruche geschwängert, der desto stärker wurde, je näher ich dem Schuppen trat.
| By the merest chance I looked up as I passed the side of the outhouse where the jagged hole was, and noticed that it was pierced rather high in the wall.
As I stopped to observe this, the closeness of the atmosphere in the wood seemed to be affecting me more unpleasantly than ever.
I waited a minute and untied my cravat.
Closeness? surely it was something more than that. The air was even more distasteful to my nostrils than to my lungs. There was some faint, indescribable smell loading it--some smell of which I had never had any previous experience--some smell which I thought (now that my attention was directed to it) grew more and more certainly traceable to its source the nearer I advanced to the outhouse,
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Diese Bemerkung führte mich leicht zu dem Orte seines Ursprungs und erregte meine Neugierde. Ich sammelte von den in großer Menge umher liegenden Mauer- und Ziegelsteinen eine genügende Anzahl, häufte sie unter der erwähnten Öffnung an der Wand übereinander, trat darauf und schaute — nicht ohne ein leises Gefühl von Scham — in das Innere des Schuppens.
| By the time I had tried the experiment two or three times, and had made myself sure of this fact, my curiosity became excited. There were plenty of fragments of stone and brick lying about me. I gathered some of them together, and piled them up below the hole, then mounted to the top, and, feeling rather ashamed of what I was doing, peeped into the outhouse.
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Der entsetzliche Anblick, welcher sich meinen Augen darbot, ist mir heute noch so gegenwärtig, als wenn es gestern gewesen wäre, und selbst jetzt, nach so langer Zeit, kann ich nicht daran denken, ohne von einem Schauder überrieselt zu werden.
| The sight of horror that met my eyes the instant I looked through the hole is as present to my memory now as if I had beheld it yesterday. I can hardly write of it at this distance of time without a thrill of the old terror running through me again to the heart.
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Das Erste, was ich zu erkennen vermochte, war ein liegender, lang ausgestreckter Gegenstand, auf einer Art von Schragen ruhend, der mit bläulicher Farbe bedeckt war, und die dunkeln Umrisse einer menschlichen Gestalt zu haben schien. Ich blickte wieder hin, und fand meine Vermutung bestätigt. Die Erhöhungen der Stirn, der Nase, des Kinnes waren wie durch einen Schleier gesehen erkennbar, ebenso die Wölbung der Brust, die Knie und die steif aufgerichteten Fußspitzen. Allmälig gewöhnte sich mein Auge an die im Schuppen herrschende Dämmerung — denn das Licht drang durch das eingesunkene Dach nur sehr dürftig ein — und ich überzeugte mich, dass der Gegenstand, den ich sah, nach der großen Länge zu schließen, der mit einem Leichentuche bedeckte Leichnam eines Mannes war. Das Tuch schien jedoch so lange auf dem Körper gelegen zu haben, dass es allmälig die bläuliche Farbe der Verwesung angenommen hatte.
| The first impression conveyed to me, as I looked in, was of a long, recumbent object, tinged with a lightish blue color all over, extended on trestles, and bearing a certain hideous, half-formed resemblance to the human face and figure. I looked again, and felt certain of it. There were the prominences of the forehead, nose, and chin, dimly shown as under a veil--there, the round outline of the chest and the hollow below it--there, the points of the knees, and the stiff, ghastly, upturned feet. I looked again, yet more attentively. My eyes got accustomed to the dim light streaming in through the broken roof, and I satisfied myself, judging by the great length of the body from head to foot, that I was looking at the corpse of a man--a corpse that had apparently once had a sheet spread over it, and that had lain rotting on the trestles under the open sky long enough for the linen to take the livid, light-blue tinge of mildew and decay which now covered it.
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Wie lange meine Augen auf diesen schrecklichen Anblick, diese widerlichen, die Luft verpestenden menschlichen Überreste gerichtet blieben, weiß ich nicht, nur entsinne ich mich, dass ein fernes Sausen unter den Bäumen an mein Ohr schlug, wie wenn der Wind sich erhöbe, und dass ein welkes Blatt langsam und lautlos durch das offene Dach auf den vor mir liegenden Körper fiel, was mich endlich wieder zur Besinnung brachte. Ich stieg von meinem erhöhten Standpunkte herab, setzte mich auf den Steinhaufen, und trocknete den dicken, meine Stirn bedeckenden Schweiß ab, dessen ich erst jetzt gewahr wurde. Meine Nerven waren furchtbar angegriffen und, wie ich deutlich empfand, nicht bloß in Folge jenes widerlichen Anblicks. Monktons Versicherung, dass wir, wenn es uns gelingen sollte, seines Oheims Leichnam zu entdecken, ihn unbeerdigt finden würden, fiel mir augenblicklich ein, sobald ich den Schragen mit seiner grauenhaften Last gewahrte. Ich dachte an die alte Prophezeiung, und eine dunkle Ahnung kommenden Übels stieg in mir auf, eine unerklärliche Bangigkeit bemächtigte sich meiner, und tiefes Mitleid erfüllte mich für den armen jungen Mann, der in der Stadt auf meine Rückkehr wartete. Die abergläubische Furcht hatte auch mich angesteckt und raubte mir fast meine klare Besinnung und Überlegung.
| How long I remained with my eyes fixed on that dread sight of death, on that tombless, terrible wreck of humanity, poisoning the still air, and seeming even to stain the faint descending light that disclosed it, I know not. I remember a dull, distant sound among the trees, as if the breeze were rising--the slow creeping on of the sound to near the place where I stood--the noiseless whirling fall of a dead leaf on the corpse below me, through the gap in the outhouse roof--and the effect of awakening my energies, of relaxing the heavy strain on my mind, which even the slight change wrought in the scene I beheld by the falling leaf produced in me immediately. I descended to the ground, and, sitting down on the heap of stones, wiped away the thick perspiration which covered my face, and which I now became aware of for the first time. It was something more than the hideous spectacle unexpectedly offered to my eyes which had shaken my nerves as I felt that they were shaken now. Monkton's prediction that, if we succeeded in discovering his uncle's body, we should find it unburied, recurred to me the instant I saw the trestles and their ghastly burden. I felt assured on the instant that I had found the dead man--the old prophecy recurred to my memory--a strange yearning sorrow, a vague foreboding of ill, an inexplicable terror, as I thought of the poor lad who was awaiting my return in the distant town, struck through me with a chill of superstitious dread, robbed me of my judgment and resolution, and left me when I had at last recovered myself, weak and dizzy, as if I had just suffered under some pang of overpowering physical pain.
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Endlich ermannte ich mich, eilte zur Klosterpforte, zog heftig die Glocke — wartete eine Weile, schellte von neuem, und hörte endlich Fußtritte näher kommen.
| I hastened round to the convent gate and rang impatiently at the bell--waited a little while and rang again--then heard footsteps.
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In der Mitte der Pforte, gerade meinem Gesichte gegenüber, war ein Schieber angebracht, der jetzt von innen geöffnet wurde. Hinter dem Drahtgitter zeigten sich dann ein Paar graue Augen, die mich neugierig anstarrten, und eine schwache heisere Stimme fragte:
| In the middle of the gate, just opposite my face, there was a small sliding panel, not more than a few inches long; this was presently pushed aside from within. I saw, through a bit of iron grating, two dull, light gray eyes staring vacantly at me, and heard a feeble husky voice saying:
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»Worin besteht Ihr Verlangen?«
| "What may you please to want?'
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»Ich bin ein Reisender —«, begann ich.
| "I am a traveler--" I began.
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»Wir leben in einem sehr armen Kloster«, unterbrach er mich, »und haben den Reisenden durchaus keine Merkwürdigkeiten zu zeigen.«
| "We live in a miserable place. We have nothing to show travelers here."
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»Ich komme nicht in dieser Absicht, sondern nur um eine Frage von der größten Wichtigkeit zu tun, die, wie ich vermute, irgendjemand im Kloster zu beantworten im Stande sein wird. Wenn Sie mich nicht einlassen wollen, so kommen Sie mindestens heraus, um mit mir zu sprechen.«
| "I don't come to see anything. I have an important question to ask, which I believe some one in this convent will be able to answer. If you are not willing to let me in, at least come out and speak to me here."
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»Sind Sie allein?«
| "Are you alone?"
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»Ganz allein.«
| "Quite alone."
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»Befinden sich keine Frauenzimmer bei Ihnen?«
| "Are there no women with you?"
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»Nein.«
| "None."
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Die Pforte wurde geöffnet, und ein alter, schwacher, mich argwöhnisch betrachtender und sehr schmutziger Kapuziner stand vor mir. Viel zu aufgeregt und ungeduldig, um lange Zeit mit einer Vorrede zu verlieren, sagte ich ihm kurz, dass ich durch die Öffnung in den Schuppen geblickt und daselbst einen Leichnam wahrgenommen hätte, und fragte ihn, wer der Mann sei, und weshalb er noch nicht beerdigt worden.
| The gate was slowly unbarred, and an old Capuchin, very infirm, very suspicious, and very dirty, stood before me. I was far too excited and impatient to waste any time in prefatory phrases; so, telling the monk at once how I had looked through the hole in the outhouse, and what I had seen inside, I asked him, in plain terms, who the man had been whose corpse I had beheld, and why the body was left unburied?
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Der alte Kapuziner hörte mich misstrauisch an, blinzelte mit seinen triefenden Augen, während er in einer zinnernen Schnupftabaksdose vergeblich nach einigen darin zurückgebliebenen Körnern zu suchen schien, schüttelte dann den Kopf und äußerte , es sei allerdings der abscheulichste Anblick, auf den ein menschliches Auge fallen könne.
| The old Capuchin listened to me with watery eyes that twinkled suspiciously. He had a battered tin snuff-box in his hand, and his finger and thumb slowly chased a few scattered grains of snuff round and round the inside of the box all the time I was speaking. When I had done, he shook his head and said: "That was certainly an ugly sight in their outhouse; one of the ugliest sights, he felt sure, that ever I had seen in all my life!"
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»Ich spreche nicht von dem Anblick«, war meine Antwort; »ich wünsche zu wissen, wer der Mann war, wie er starb, und weshalb er noch nicht beerdigt worden ist. Können Sie es mir sagen?«
| "I don't want to talk of the sight," I rejoined, impatiently; "I want to know who the man was, how he died, and why he is not decently buried. Can you tell me?"
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Die Finger des Mönchs hatten jetzt drei oder vier Körner Tabak erhascht; er sog sie langsam ein, hielt die offene Dose unter die Nase, um jede Verschwendung zu verhüten, schnüffelte ein paarmal behaglich, und sah mich dann mit seinen triefenden Augen noch misstrauischer an als vorher.
| The monk's finger and thumb having captured three or four grains of snuff at last, he slowly drew them into his nostrils, holding the box open under his nose the while, to prevent the possibility of wasting even one grain, sniffed once or twice luxuriously--closed the box--then looked at me again with his eyes watering and twinkling more suspiciously than before.
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»Ja, es ist ein hässlicher Anblick — der dort, im Schuppen«, sagte er, »ein sehr hässlicher Anblick.«
| "Yes," said the monk, "that's an ugly sight in our outhouse--a very ugly sight, certainly!"
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Ich hatte die größte Mühe, meine Gelassenheit zu bewahren. Mit Gewalt unterdrückte ich eine mir auf den Lippen schwebende sehr unehrerbietige Äußerung über Mönche im Allgemeinen, und machte noch einen Versuch, die mich ärgernde Verschlossenheit des alten Mannes zu besiegen. Glücklicherweise war ich selbst ein Schnupfer, und hatte eine mit dem besten Tabak gefüllte Dose in der Tasche. Diese zog ich jetzt als Bestechungsmittel hervor, sie war meine letzte Hülfsquelle.
| I never had more difficulty in keeping my temper in my life than at that moment. I succeeded, however, in repressing a very disrespectful expression on the subject of monks in general, which was on the tip of my tongue, and made another attempt to conquer the old man's exasperating reserve. Fortunately for my chances of succeeding with him, I was a snuff-taker myself, and I had a box full of excellent English snuff in my pocket, which I now produced as a bribe. It was my last resource.
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»Ich glaube, Ihre Dose ist leer«, sagte ich; »wollen Sie nicht von meinem Tobak versuchen?«
| "I thought your box seemed empty just now," said I; "will you try a pinch out of mine?"
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Das Anerbieten wurde von ihm mit großer Bereitwilligkeit angenommen. Er holte die größte Prise, die ich jemals zwischen den Fingern eines Mannes gesehen, aus meiner Dose, sog sie langsam ein, ohne ein Körnchen zu verschütten, schloss halb die Augen, und klopfte mir dann mit väterlicher Miene auf die Schulter.
| The offer was accepted with an almost youthful alacrity of gesture. The Capuchin took the largest pinch I ever saw held between any man's finger and thumb--inhaled it slowly without spilling a single grain--half closed his eyes--and, wagging his head gently, patted me paternally on the back.
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»Ah, mein Sohn«, sagte er, »welcher vortreffliche Tabak? Liebenswürdiger Reisender, geben Sie Ihrem geistlichen Vater noch eine Prise.«
| "Oh, my son," said the monk, "what delectable snuff! Oh, my son and amiable traveler, give the spiritual father who loves you yet another tiny, tiny pinch!"
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»Erlauben Sie mir Ihre Dose zu füllen, ich habe immer noch genug für mich.«
| "Let me fill your box for you. I shall have plenty left for myself."
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Diese Worte waren noch nicht ausgesprochen, als sich schon seine Dose in meinen Händen befand. Mir abermals beifällig auf die Schulter klopfend, ergoss sich seine heisere Stimme in Lobsprüchen und Danksagungen. Ich hatte die schwache Seite des Kapuziners entdeckt und machte augenblicklich Gebrauch davon.
| The battered tin snuff-box was given to me before I had done speaking; the paternal hand patted my back more approvingly than ever; the feeble, husky voice grew glib and eloquent in my praise. I had evidently found out the weak side of the old Capuchin, and, on returning him his box, I took instan t advantage of the discovery.
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»Verzeihen Sie, wenn ich Sie noch einmal mit Fragen über jenen Gegenstand belästige«, begann ich; »allein ich habe besondern Grund zu wünschen, dass Sie mir alles mitteilen,
was zur Aufklärung über jenen entsetzlichen Anblick im Schuppen dienen kann.«'
| "Excuse my troubling you on the subject again," I said, "but I have particular reasons for wanting to hear all that you can tell me in explanation of that horrible sight in the outhouse."
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»Treten Sie ein«, antwortete der Mönch.
| "Come in," answered the monk.
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Er zog mich in die Pforte, schritt über einen mit Unkraut bewachsenen Hof voran, und führte mich in ein langes, niedriges Gemach, worin sich keine anderen Mobilien befanden, als ein ziemlich schmutziger Esstisch, einige rohe Holzstühle und ein paar von Staub und Rauch geschwärzte Gemälde. Es war die Sakristei.
| He drew me inside the gate, closed it, and then leading the way across a grass-grown courtyard, looking out on a weedy kitchen-garden, showed me into a long room with a low ceiling, a dirty dresser, a few rudely-carved stall seats, and one or two grim, mildewed pictures for ornaments. This was the sacristy.
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»Hier ist es hübsch kühl und wir sind allein«, sagte der alte Kapuziner.
| "There's nobody here, and it's nice and cool," said the old Capuchin.
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Es war in der Tat so kalt und feucht darin, dass mich ein Schauder überlief.
| It was so damp that I actually shivered.
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»Möchten Sie vielleicht die Kirche sehen?« fuhr er fort, »ein wahres Juwel von einer Kirche; wenn wir sie nur in baulichem Stand erhalten könnten — aber wir können es nicht. Wir sind zu arm!«
| "Would you like to see the church?" said the monk; "a jewel of a church, if we could keep it in repair; but we can't. Ah! malediction and misery, we are too poor to keep our church in repair!"
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Er schüttelte den Kopf und begann an einem großen Schlüsselbunde zu suchen.
| Here he shook his head and began fumbling with a large bunch of keys.
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»Bemühen Sie sich nicht!« rief ich. »Sagen Sie nur, ob Sie mir die erbetene Auskunft geben können oder nicht.«
| "Never mind the church now," said I. "Can you, or can you not, tell me what I want to know?"
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»Alles, alles will ich Ihnen sagen — von Anfang bis zu Ende. Ich war es ja, der die Pforte öffnete, als geschellt wurde, denn es ist mein Geschäft«, versetzte der Mönch.
| "Everything, from beginning to end--absolutely everything. Why, I answered the gate-bell--I always answer the gate-bell here," said the Capuchin.
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»Um des Himmels willen! Was hat denn das Schellen mit dem unbeerdigten Leichnam im Schuppen zu tun?«
| "What, in Heaven's name, has the gate-bell to do with the unburied corpse in your house?"
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»Hören Sie, mein Sohn, und Sie werden es erfahren. Vor einiger Zeit — es mögen mehrere Monate sein — ach! Ich bin alt und habe kein Gedächtnis mehr! — ich weiß nicht mehr, wie viele Monate es sind — ich bin ein armer, alter Mönch!«
| "Listen, son of mine, and you shall know. Some time ago--some months--ah! me, I'm old; I've lost my memory; I don't know how many months--ah! miserable me, what a very old, old monk I am!"
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Nach diesen abgerissenen Worten griff er wieder zu seinem einzigen Troste, der Dose.
| Here he comforted himself with another pinch of snuff.
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»Es kommt auf die Zeit nicht an«, bemerkte ich, »fahren Sie nur fort.«
| "Never mind the exact time," said I. "I don't care about that."
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»Gut — also wir wollen sagen vor einigen Monaten. Die ganze Brüderschaft befand sich beim Frühstück — dem erbärmlichen Frühstück, mein Sohn, wie wir es hier im Kloster genießen — als wir plötzlich ‚piff! paff!‘ hören. ‚Schüsse,‘ sagte ich. ‚Was bedeuten diese Schüsse?‘ fragte Bruder Jeremias. ‚Es werden Jäger sein,‘ bemerkte Bruder Vincent. ‚Wenn ich es noch öfter höre, so werde ich hinaus schicken, um zu sehen, was die Schüsse bedeuten,‘ sagte der Pater Superior. Allein wir hörten nichts mehr, und fuhren mit unserem elenden Frühstück fort.«
| "Good," said the Capuchin. "Now I can go on. Well, let us say it is some months ago--we in this convent are all at breakfast--wretched, wretched breakfasts, son of mine, in this convent!--we are at breakfast, and we hear bang! bang! twice over. 'Guns,' says I. 'What are they shooting for?' says Brother Jeremy. 'Game,' says Brother Vincent. 'Aha! game,' says Brother Jeremy. 'If I hear more, I shall send out and discover what it means,' says the father superior. We hear no more, and we go on with our wretched breakfasts."
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»Aus welcher Gegend kamen die Schüsse?« fragte ich.
| "Where did the report of firearms come from?" I inquired.
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»Von dort, jenseits der dichten Bäume her, die an der Hinterseite unseres Klosters stehen, wo ein hübscher, ebener Rasenplatz ist, wenn sich nur nicht so viele Pfützen darauf befänden! Ach, mein Sohn, es ist hier bei uns sehr feucht und ungesund!«
| "From down below--beyond the big trees at the back of the convent, where there's some clear ground--nice ground, if it wasn't for the pools and puddles. But, ah! misery, how damp we are in these parts! how very, very damp!"
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»Nun, was geschah denn nach den Schüssen?«
| "Well, what happened after the report of firearms?"
|
»Sie werden es hören. Wir saßen noch alle beim Frühstück — ganz still; denn wovon sollen wir sprechen? Wir haben nur unsere Andachtsübungen zu verrichten, den elenden Küchengarten zu bebauen und unsere Mahlzeiten zu verzehren. Also wir saßen alle still und schweigend, als plötzlich die Glocke an der Pforte auf eine so fürchterliche Weise gezogen wurde, dass wir sämtlich erschraken, und uns die elenden Bissen im Halse stecken blieben. ‚Geh, mein Bruder‘, sagte der Pater Superior zu mir — ‚geh‘ und tue Deine Pflicht!‘ Ich bin mutig wie ein Löwe und gehorchte. Erst schlich ich mich auf den Zehen an die Pforte und wartete — horchte —- zog den Schieber zurück, und wartete und horchte wieder, und blickte endlich hinaus; aber nichts, gar nichts war zu sehen. Mutig und furchtlos öffnete ich die Pforte. Ach, himmlische Mutter! was sah ich auf der Schwelle vor mir liegen? — Einen toten, großen Mann, viel größer als Sie und ich und irgendjemand hier im Kloster, mit schwarzen Augen, die stier und gebrochen gen Himmel blickten, und mit Blut bedeckt, das auf der Brust hervorzuquellen schien. Was tat ich? Ich schrie laut, ein — zweimal — und lief zum Pater Superior zurück.«
| "You shall hear. We are still at breakfast, all silent--for what have we to talk about here? What have we but our devotions, our kitchen-garden, and our wretched, wretched bits of breakfasts and dinners? I say we are all silent, when there comes suddenly such a ring at the bell as never was heard before--a very devil of a ring--a ring that caught us all with our bits--our wretched, wretched bits!--in our mouths, and stopped us before we could swallow them. 'Go, brother of mine,' says the father superior to me, 'go; it is your duty--go to the gate.' I am brave--a very lion of a Capuchin. I slip out on tiptoe--I wait--I listen--I pull back our little shutter in the gate--I wait, I listen again--I peep through the hole--nothing, absolutely nothing that I can see. I am brave--I am not to be daunted. What do I do next? I open the gate. Ah! sacred Mother of Heaven, what do I behold lying all along our threshold? A man--dead!--a big man; bigger than you, bigger than me, bigger than anybody in this convent--buttoned up tight in a fine coat, with black eyes, staring, staring up at the sky, and blood soaking through and through the front of his shirt. What do I do? I scream once--I scream twice--and run back to the father superior!"
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Alle besonderen Umstände des unglücklichen Duells, wie ich sie in Monktons Zimmer zu Neapel in der französischen Zeitung gelesen hatte, fielen mir bei dieser Erzählung ein, und meine Vermutungen in Bezug auf den im Schuppen entdeckten Leichnam wurden zur Gewissheit.
| All the particulars of the fatal duel which I had gleaned from the French newspaper in Monkton's room at Naples recurred vividly to my memory. The suspicion that I had felt when
I looked into the outhouse became a certainty as I listened to the old monk's last words.
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»Alles das verstehe ich«, war meine Antwort. »Der im Schuppen liegende Körper ist der Leichnam des Mannes, den Sie an der Pforte fanden. Aber sagen Sie mir, weshalb dem Unglücklichen bis jetzt ein ehrliches Begräbnis versagt worden ist.«
| "So far I understand," said I. "The corpse I have just seen in the outhouse is the corpse of the man whom you found dead outside your gate. Now tell me why you have not given the remains decent burial."
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»Warten Sie, warten Sie« fuhr er fort. »Der Pater Superior hörte mich schreien und kam heraus. — Wir gingen zur Pforte zurück, hoben den großen, schweren Mann auf, und betrachteten ihn genauer. Tot, natürlich tot war er, wie ein Stück Holz. Wir untersuchten seine Kleidung, und fanden ein Blättchen Papier-, das mittelst einer Nadel an den Rockkragen befestigt war. Ah, mein Sohn, Sie erschrecken? Ja, ja, ich dachte mir-es wohl, dass Sie erschrecken würden.«
| "Wait--wait--wait," answered the Capuchin. "The father superior hears me scream and comes out; we all run together to the gate; we lift up the big man and look at him close. Dead! dead as this (smacking the dresser with his hand). We look again, and see a bit of paper pinned to the collar of his coat. Aha! son of mine, you start at that. I thought I should make you start at last."
|
Ich stutzte allerdings. Das Papier war ohne Zweifel jenes in der unbeendigten Schilderung des Sekundanten erwähnte Blatt, welches er aus seinem Taschenbuche gerissen und, mit einer kurzen Angabe über die Todesart des Verstorbenen, an dessen Kleidung befestigt hatte. Wenn es noch eines Beweises über die Identität des Leichnams bedurfte, so lieferte ihn dieser Umstand.
| I had started, indeed. That paper was doubtless the leaf mentioned in the second's unfinished narrative as having been torn out of his pocketbook, and inscribed with the statement of how the dead man had lost his life. If proof positive were wanted to identify the dead body, here was such proof found.
|
»Was glauben Sie, dass auf dem Papier geschrieben stand?« fuhr der Kapuziner fort. »Wir lasen und schauderten. Der Tote hatte sein Leben in einem Duell verloren. Der Elende war bei der Begehung einer Todsünde umgekommen, und diejenigen, welche ihn umgebracht hatten, oder dabei gegenwärtig gewesen waren, verlangten von uns frommen Männern, den Dienern des Himmels und Kindern des heiligen Vaters — verlangten von uns, ihn zu beerdigen! Wir waren empört, als wir dies lasen. Wir stöhnten, rangen die Hände, rauften uns den Bart aus — und«
| "What do you think was written on the bit of paper?" continued the Capuchin "We read and shudder. This dead man has been killed in a duel--he, the desperate, the miserable, has died in the commission of mortal sin; and the men who saw the killing of him ask us Capuchins, holy men, servants of Heaven, children of our lord the Pope--they ask us to give him burial! Oh! but we are outraged when we read that; we groan, we wring our hands, we turn away, we tear our beards, we--"
|
»Halt, halt!« unterbrach ich ihn, als ich sah, dass der alte Mann sich bei seiner Erzählung unnötig erhitzte und vom Gegenstande abkam — »warten Sie einen Augenblick. Haben Sie jenes Blättchen Papier aufbewahrt, und kann ich es sehen?«
| "Wait one moment," said I, seeing that the old man was heating himself with his narrative, and was likely, unless I stopped him, to talk more and more fluently to less and less purpose--"wait a moment. Have you preserved the paper that was pinned to the dead man's coat; and can I look at it?"
|
Der Kapuziner war im Begriffe mir zu antworten, als er plötzlich stutzte. Ich sah ihn seine Blicke nach einer andern Richtung wenden, und hörte zugleich, dass hinter mir eine Tür leise geöffnet und wieder geschlossen wurde.
| The Capuchin seemed on the point of giving me an answer, when he suddenly checked himself. I saw his eyes wander away from my face, and at the same moment heard a door softly opened and closed again behind me.
|
Mich umblickend, gewahrte ich einen andern Mönch in der Sakristei — einen mageren großen Mann mit schwarzem Bart, in dessen Gegenwart mein alter Freund mit der Schnupftabaksdose plötzlich eine sehr demütige Haltung annahm. Ich vermutete, dass es der Pater Superior sei, und fand dies durch seine ersten Worte bestätigt.
| Looking round immediately, I observed another monk in the sacristy--a tall, lean, black-bearded man, in whose presence my old friend with the snuff-box suddenly became quite decorous and devotional to look at. I suspected I was in the presence of the father superior, and I found that I was right the moment he addressed me.
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»Ich bin der Superior dieses Klosters«, sagte er mit ruhiger, klarer Stimme, während er mir, kalt und scharf beobachtend, gerade in das Gesicht blickte. »Ich habe den letzten Teil Ihrer Unterredung gehört, und wünsche zu wissen, weshalb Sie so dringend verlangen, das am Körper des Toten gefundene Papier zu sehen.«
| "I am the father superior of this convent," he said, in quiet, clear tones, and looking me straight in the face while he spoke, with coldly attentive eyes. "I have heard the latter part of your conversation, and I wish to know why you are so particularly anxious to see the piece of paper that was pinned to the dead man's coat?"
|
Die Kaltblütigkeit, mit der er gestand gehorcht zu haben, und der ruhige, befehlende -Ton, mit dem er seine Frage aussprach, setzten mich etwas in Verlegenheit. Ich wusste nicht recht, wie ich ihm antworten sollte. Er sah mein Zögern, aber schrieb es einem unrichtigen Grunde zu, und gab dem alten Kapuziner ein Zeichen sich zu entfernen. Demütig seinen langen und grauen Bart streichend, bewegte sich mein ehrwürdiger Freund langsam der Türe zu, und verließ das Gemach mit einer tiefen Verbeugung.
| The coolness with which he avowed that he had been listening, and the quietly imperative manner in which he put his concluding question, perplexed and startled me. I hardly knew at first what tone I ought to take in answering him. He observed my hesitation, and attributing it to the wrong cause, signed to the old Capuchin to retire. Humbly stroking his long gray beard, and furtively consoling himself with a private pinch of the "delectable snuff," my venerable friend shuffled out of the room, making a profound obeisance at the door just before he disappeared.
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»Jetzt, mein Herr«, sagte der Superior ebenso kalt, wie vorher-, ,,bitte ich um Ihre Antwort.«
| "Now," said the father superior, as coldly as ever, "I am waiting, sir, for your reply."
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»Sie sollen sie so kurz als möglich haben«, versetzte ich in demselben Tone. »Zu meinem Schrecken und größten Ekel habe ich die Entdeckung gemacht, dass sich in einem zu Ihrem Kloster gehörigen Schuppen ein unbeerdigter menschlicher Leichnam befindet. Ich vermute, dass es der Körper eines Engländers ist, der im Duell das Leben verloren hat, und dessen Überreste schon seit langer Zeit gesucht werden. Zu diesem Zwecke bin ich mit seinem Neffen, dem einzigen noch lebenden Anverwandten des Erschlagenen, in diese Gegend gekommen, und wünsche das am Körper gefundene Papier zu sehen, weil ich annehmen darf, dass der Inhalt uns Gewissheit über die Identität des Leichnams geben wird. Genügt Ihnen diese Antwort, und sind Sie geneigt, mich das Papier sehen zu lassen?«
| "You shall have it in the fewest possible words," said I, answering him in his own tone. "I find, to my disgust and horror, that there is an unburied corpse in an outhouse attached to your convent. I believe that corpse to be the body of an English gentleman of rank and fortune, who was killed in a duel. I have come into this neighborhood with the nephew and only relation of the slain man, for the express purpose of recovering his remains; and I wish to see the paper found on the body, because I believe that paper will identify it to the satisfaction of the relative to whom I have referred. Do you find my reply sufficiently straightforward? And do you mean to give me permission to look at the paper?"
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»Ihre Antwort genügt mir, und ich sehe keinen Grund, weshalb ich diesen Wunsch versagen sollte«, erwiderte der Superior; »allein ich habe noch eine Bemerkung zu machen. Sie bedienten sich in Ihrer Rede der Worte ‚Schrecken und Ekel‘ mit Rücksicht auf den in der Nähe unseres Klosters entdeckten Gegenstand, und diese Freiheit des Ausdrucks beweist mir, dass Sie nicht der katholischen Kirche angehören. Es steht Ihnen daher kein Recht zu, Aufklärungen von mir zu erwarten, aber ich will sie Ihnen dennoch aus Gefälligkeit geben. Der Erschlagene starb ohne Absolution bei Begehung einer Todsünde. Dies ergibt sich aus dem Inhalte des auf seinem Körper gefundenen Papiers, und durch die Wahrnehmung unserer eigenen Augen und Ohren wissen wir, dass er auf dem Gebiete des Kirchenstaates seinen Tod gefunden hat, und zwar bei einer Handlung, welche die vom heiligen Vater erlassenen und neuerdings allen Gläubigen besonders eingeschärften Gesetze gröblich verletzte. Der innerhalb dieses Klosters belegene Grund und Boden ist geweiht, und wir, als katholische Geistliche, können nicht Ketzer, Feinde des Papstes und Verächter unserer heiligen Gesetze, darin beerdigen. Außerhalb der Ringmauern unseres Klosters haben wir weder Macht noch Rechte; und hätten wir beides, so dürften wir doch nicht vergessen, dass wir Mönche nicht Totengräber sind, und dass die einzige Handlung, welche von uns erwartet werden kann, in Gebeten für den Abgeschiedenen besteht. Dies ist alles, was ich mich veranlasst fühlen kann, Ihnen über diesen Gegenstand zu sagen. Warten Sie hier einen Augenblick, Sie sollen sogleich das Papier sehen.«
| "I am satisfied with your reply, and see no reason for refusing you a sight of the paper," said the father superior; "but I have something to say first. In speaking of the impression produced on you by beholding the corpse, you used the words 'disgust' and 'horror.' This license of expression in relation to what you have seen in the precincts of a convent proves to me that you are out of the pale of the Holy Catholic Church. You have no right, therefore, to expect any explanation; but I will give you one, nevertheless, as a favor. The slain man died, unabsolved, in the commission of mortal sin. We infer so much from the paper which we found on his body; and we know, by the evidence of our own eyes and ears, that he was killed on the territories of the Church, and in the act of committing direct violation of those special laws against the crime of dueling, the strict enforcement of which the holy father himself has urged on the faithful throughout his dominions by letters signed with his own hand. Inside this convent the ground is consecrated, and we Catholics are not accustomed to bury the outlaws of our religion, the enemies of our holy father, and the violators of our most sacred laws in consecrated ground. Outside this convent we have no rights and no power; and, if we had both, we should remember that we are monks, not grave-diggers, and that the only burial with which we can have any concern is burial with the prayers of the Church. That is all the explanation I think it necessary to give. Wait for me here, and you shall see the paper."
|
Nach diesen Worten verließ er das Gemach ebenso geräuschlos, wie er gekommen war.
| With those words the father superior left the room as quietly as he had entered it.
|
Ich hatte kaum Zeit, über diese kurzen, gemessenen, mich durch Ton und Sprache verletzenden Erklärungen nachzudenken, als der Superior mit dem Papier zurückkehrte. Er legte es vor mich auf den Tisch, und ich las die mit Bleistift darauf geschriebenen also lautenden Zeilen:
| I had hardly time to think over this bitter and ungracious explanation, and to feel a little piqued by the language and manner of the person who had given it to me, before the father superior returned with the paper in his hand. He placed it before me on the dresser, and I read, hurriedly traced in pencil, the following lines:
|
»Dieses Papier befindet sich auf dem Körper des verstorbenen Mr. Stephan Monkton, eines Engländers von Rang. Er wurde in einem von beiden Teilen ehrenhaft ausgeführten Duell erschossen. Der Leichnam ist vor die Tür des Klosters gelegt worden, damit er von den Bewohnern beerdigt werde, da der überlebende Kämpfer und die Sekundanten genötigt sind, ihrer Sicherheit halber die schleunigste Flucht zu ergreifen· Der Schreiber dieses und Sekundant des Gefallenen versichert auf sein Ehrenwort, dass die Kugel, welche Letzteren tötete, ganz den Gesetzen der Ehre und den vor dem Duell verabredeten Bestimmungen gemäß abgeschossen worden ist. F.«
| "This paper is attached to the body of the late Mr. Stephen Monkton, an Englishman of distinction. He has been shot in a duel, conducted with perfect gallantry and honor on both sides. His body is placed at the door of this convent, to receive burial at the hands of its inmates, the survivors of the encounter being obliged to separate and secure their safety by immediate flight. I, the second of the slain man, and the writer of this explanation, certify, on my word of honor as a gentleman that the shot which killed my principal on the instant was fired fairly, in the strictest accordance with the rules laid down beforehand for the conduct of the duel.
"(Signed), F."
|
Ich erkannte an dem unterzeichneten Buchstaben sogleich den Namen Foulons, des Sekundanten Mr. Monktons, welcher in Paris gestorben war.
| "F." I recognized easily enough as the initial letter of Monsieur Foulon's name, the second of Mr. Monkton, who had died of consumption at Paris.
|
Die Entdeckung und der Beweis der Identität des Körpers waren jetzt vollständig, und es blieb nichts mehr zu tun, als Alfred davon in Kenntnis zu setzen und den Leichnam fortzuschaffen. Ich traute meinen Sinnen kaum, als ich sah, dass der anscheinend unerreichbare Zweck durch den reinsten Zufall vollständig erreicht worden war.
| The discovery and the identification were now complete. Nothing remained but to break the news to Alfred, and to get permission to remove the remains in the outhouse. I began almost to doubt the evidence of my own senses when I reflected that the apparently impracticable object with which we had left Naples was already, by the merest chance, virtually accomplished.
|
»Der Beweis, den dieses Papier liefert, lässt keinen Zweifel übrig«, sagte ich, es zurückgebend. »Der Gegenstand unserer bisherigen Nachforschungen ist gefunden. Darf ich fragen, ob Hindernisse irgendeiner Art im Wege stehen würden, wenn der Neffe des Verstorbenen wünschen sollte, den Leichnam seines Oheims mit sich nach der Familiengruft in England zu führen?«
| "The evidence of the paper is decisive," said I, handing it back. "There can be no doubt that the remains in the outhouse are the remains of which we have been in search. May I inquire if any obstacles will be thrown in our way should the late Mr. Monkton's nephew wish to remove his uncle's body to the family burial-place in England?"
|
»Wo befindet sich der Neffe?« fragte der Superior.
| "Where is this nephew?" asked the father superior.
|
»Er erwartet jetzt meine Rückkehr in der Stadt Fondi.«
| "He is now awaiting my return at the town of Fondi."
|
»Kann er sein verwandtschaftliches Verhältnis nachweisen?«
| "Is he in a position to prove his relationship?"
|
»Gewiss. Seine Papiere werden darüber keinen Zweifel lassen.«
| "Certainly; he has papers with him which will place it beyond a doubt."
|
»Er mag die Erlaubnis der Zivilbehörde dazu einholen, und darf dann versichert sein, dass von uns kein Hindernis in den Weg gelegt werden wird.«
| "Let him satisfy the civil authorities of his claim, and he need expect no obstacle to his wishes from any one here."
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Ich hatte keine Lust, mit dem finsteren alten Mann länger zu sprechen, als durchaus nötig war. Überdies neigte sich der Tag, und da ich wünschte, Fondi noch an demselben Abende zu erreichen, so musste ich eilen. Mit der Versicherung meines Dankes und dem Bemerken, dass ich im Laufe der nächsten Tage zurückkehren würde, nahm ich deshalb Abschied von dem Superior und verließ die Sakristei.
| I was in no humor for talking a moment longer with my sour-tempered companion than I could help. The day was wearing on me fast; and, whether night overtook me or not, I was resolved never to stop on my return till I got back to Fondi. Accordingly, after telling the father superior that he might expect to hear from me again immediately, I made my bow and hastened out of the sacristy.
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An der Klosterpforte stand mein alter Freund mit der Dose, meiner wartend, um mich hinauszulassen.
| At the convent gate stood my old friend with the tin snuff-box, waiting to let me out.
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»Gott segne Sie, mein Sohn«, sagte er, mir zum Abschiede auf die Schulter klopfend. »Kehren Sie bald zu Ihrem geistlichen Vater zurück, der Sie lieb hat, und vergessen Sie nicht, ihm eine kleine Quantität von dem köstlichen Tobak mitzubringen.«
| "Bless you, may son," said the venerable recluse, giving me a farewell pat on the shoulder, "come back soon to your spiritual father who loves you, and amiably favor him with another tiny, tiny pinch of the delectable snuff."
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V | V |
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Ich eilte nach dem Dorfe zurück, wo die Maultiere meiner warteten, ließ sie satteln, und erreichte Fondi noch vor Sonnenuntergang.
| I RETURNED at the top of my speed to the village where I had left the mules, had the animals saddled immediately, and succeeded in getting back to Fondi a little before sunset.
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Als ich die Treppe unseres Gasthofe hinaufstieg, befand ich mich in nicht geringer Verlegenheit, auf welche Weise die gemachte Entdeckung meinem Freunde am zweckmäßigsten mitzuteilen sei. Wenn es mir nicht gelang, ihn gehörig vorzubereiten, so konnte die Wirkung bei seiner Gemütsverfassung höchst nachteilig sein. Ich öffnete die Tür seines Zimmers, ohne zu wissen, was ich tun sollte; und als ich ihm endlich gegenüber stand, überraschte mich die Art seines Empfanges dergestalt, dass ich die Fassung ganz verlor.
| While ascending the stairs of our hotel, I suffered under the most painful uncertainty as to how I should best communicate the news of my discovery to Alfred. If I could not succeed in preparing him properly for my tidings, the results, with such an organization as his, might be fatal. On opening the door of his room, I felt by no means sure of myself; and when I confronted him, his manner of receiving me took me so much by surprise that, for a moment or two, I lost my self-possession altogether.
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Jede Spur von Anspannung war aus seinen Zügen ganz verschwunden. Die Augen leuchteten, und auf den Wangen brannte hohe Röte. Er sprang auf und stieß meine dargebotene Hand zurück.
| Every trace of the lethargy in which he was sunk when I had last seen him had disappeared. His eyes were bright, his cheeks deeply flushed. As I entered, he started up, and refused my offered hand.
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»Sie haben mich nicht wie einen Freund behandelt«, sagte er mit Heftigkeit. »Sie hatten kein Recht, die Nachforschung ohne meine Begleitung fortzusetzen — kein Recht, mich hier allein zurückzulassen. Ich tat Unrecht, Ihnen zu vertrauen; Sie sind nicht besser als die anderen.«
| "You have not treated me like a friend," he said, passionately; "you had no right to continue the search unless I searched with you--you had no right to leave me here alone. I was wrong to trust you; you are no better than all the rest of them."
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Inzwischen hatte ich mich von meinem Erstaunen etwas erholt, und war im Stande ihm zu antworten, ehe er weiter reden konnte. Aus Gründen mit ihm zu streiten, oder mich überhaupt zu verteidigen, wäre in seinem jetzigen Zustande ganz nutzlos gewesen, und ich beschloss deshalb alles zu wagen, und ihm die Neuigkeit ohne weiteres mitzuteilen.
| I had by this time recovered a little from my first astonishment, and was able to reply before he could say anything more. It was quite useless, in his present state, to reason with him or to defend myself. I determined to risk everything, and break my news to him at once.
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»Sie werden gerechter gegen mich sein«, sagte ich, »wenn Sie hören, welche Dienste ich Ihnen während meiner Abwesenheit geleistet habe. Wenn mich nicht alles trügt, so ist der Gegenstand, zu dessen Auffindung wir Neapel verlassen haben, uns näher, als —«
| "You will treat me more justly, Monkton, when you know that I have been doing you good service during my absence," I said. "Unless I am greatly mistaken, the object for which we have left Naples may be nearer attainment by both of us than--"
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Während ich sprach, verließ die Röte seine Wangen. Irgendetwas in meinem Gesicht oder im Tone meiner Stimme hatte seinem durch die Reizbarkeit der Nerven erhöhten Scharfblicke mehr verraten, als ich wünschte. Die Augen starr auf mich richtend und meinen Arm ergreifend, flüsterte er mir mit ängstlicher Spannung zu:
| The flush left his cheeks almost in an instant. Some expression in my face, or some tone in my voice, of which I was not conscious, had revealed to his nervously-quickened perception more than I had intended that he should know at first. His eyes fixed themselves intently on mine; his hand grasped my arm; and he said to me in an eager whisper:
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»Sagen Sie mir die reine Wahrheit. Haben Sie ihn gefunden?«
| "Tell me the truth at once. Have you found him?"
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Es war zu spät, um jetzt noch zu zögern, und ich antwortete deshalb bejahend.
| It was too late to hesitate. I answered in the affirmative.
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»Beerdigt oder unbeerdigt?« rief er mit erhöhter Stimme, meinen Arm noch fester drückend.
| "Buried or unburied?" His voice rose abruptly as he put the question, and his unoccupied hand fastened on my other arm.
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»Unbeerdigt.«
| "Unburied."
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Kaum war das Wort über meine Lippen, als das Blut wieder in sein Gesicht stieg, seine Augen zu funkeln begannen, und er in ein lautes, triumphierendes Gelächter ausbrach, das mich unbeschreiblich erschreckte.
| I had hardly uttered the word before the blood flew back into his cheeks; his eyes flashed again as they looked into mine, and he burst into a fit of triumphant laughter, which shocked and startled me inexpressibly.
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»Was habe ich Ihnen gesagt? Was denken Sie jetzt von der alten Prophezeiung?« rief er, meinen Arm loslassend und heftig bewegt im Zimmer auf und abgehend. »Gestehen Sie, dass Sie Unrecht hatten! Gestehen Sie es nur, so wie ganz Neapel es gestehen soll, sobald ich ihn erst sicher im Sarge habe!«
| "What did I tell you? What do you say to the old prophecy now?" he cried, dropping his hold on my arms, and pacing backward and forward in the room. "Own you were wrong. Own it, as all Naples shall own it, when once I have got him safe in his coffin!"
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Sein Lachen wurde immer wilder. Vergebens suchte ich ihn zu beruhigen Endlich brach er in Tränen aus. Dieser Bewegung überließ ich ihn und eilte aus dem Zimmer.
| His laughter grew more and mere violent. I tried to quiet him in vain. His servant and the landlord of the inn entered the room, but they only added fuel to the fire, and I made them go out again. As I shut the door on them, I observed lying on a table near at hand the packet of letters from Miss Elmslie, which my unhappy friend preserved with such care, and read and re-read with such unfailing devotion. Looking toward me just when I passed by the table, the letters caught his eye. The new hope for the future, in connection with the writer of them, which my news was already awakening in his heart, seemed to overwhelm him in an instant at sight of the treasured memorials that reminded him of his betrothed wife. His laughter ceased, his face changed, he ran to the table, caught the letters up in his hand, looked from them to me for one moment with an altered expression which went to my heart, then sank down on his knees at the table, laid his face on the letters, and burst into tears. I let the new emotion have its way uninterruptedly, and quitted the room without saying a word.
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Als ich nach einiger Zeit zurückkehrte, saß er ruhig in seinem Lehnstuhle und las einen der vor ihm auf dem Schoße liegenden Briefe. Mit einer fast weiblichen Sanftmut in Blick und Bewegungen stand er auf, ging mir entgegen und reichte mir mit um Vergebung bittender Miene die Hand.
| When I returned after a lapse of some little time, I found him sitting quietly in his chair, reading one of the letters from the pack et which rested on his knee.
His look was kindness itself; his gesture almost womanly in its gentleness as he rose to meet me, and anxiously held out his hand.
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Jetzt war er ruhig genug, um alles hören zu können. Ich verschwieg ihm daher nichts, mit alleiniger Ausnahme des Zustandes, in welchem ich den Leichnam gefunden hatte. Über seine Teilnahme an den ferner zu tuenden Schritten erlaubte ich mir keine Bestimmung, und bat ihn nur, mir die Fortschaffung des Leichnams allein zu überlassen und sich mit der Einsicht der Foulonschen Schrift zu begnügen, nachdem er vorher die Versicherung von mir erhalten hatte, dass die in den Sarg gelegten menschlichen Überreste wirklich diejenigen seien, zu deren Auffinden wir ausgegangen waren.
| He was quite calm enough now to hear in detail all that I had to tell him. I suppressed nothing but the particulars of the state in which I had found the corpse. I assumed no right of direction as to the share he was to take in our future proceedings, with the exception of insisting beforehand that he should leave the absolute superintendence of the removal of the body to me, and that he should be satisfied with a sight of M. Foulon's paper, after receiving my assurance that the remains placed in the coffin were really and truly the remains of which we had been in search.
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»Ihre Nerven sind nicht so stark wie die meinigen«, sagte ich zur Entschuldigung dieses Verlangens; »deshalb muss ich Sie bitten, mir die Leitung alles dessen, was noch zu tun ist, so lange zu überlassen, bis der Sarg mit seinem Inhalte sich in Ihrer eigenen Verwahrung befindet. Sobald dies der Fall ist, werde ich mich allen Ihren ferneren Anordnungen unterwerfen.«
| "Your nerves are not so strong as mine," I said, by way of apology for my apparent dictation, "and for that reason I must beg leave to assume the leadership in all that we have now to do, until I see the leaden coffin soldered down and safe in your possession. After that I shall resign all my functions to you."
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»Mir fehlen die Worte, um Ihnen für Ihre Güte zu danken«, erwiderte er; »kein Bruder hätte so viel Geduld mit mir gehabt und mir so großen Beistand geleistet. Wir werden voneinander scheiden«, sagte er leise und langsam, »wenn der leere Platz in Wincots Gruft ausgefüllt sein wird. Dann werde ich mit Ada vor den Altar in der Kapelle treten, und wenn meine Augen den ihrigen begegnen, werden sie das verzerrte Gesicht nicht mehr sehen.«
| "I want words to thank you for your kindness," he answered. "No brother could have borne with me more affectionately, or helped me more patiently than you."
He stopped and grew thoughtful, then occupied himself in tying up slowly and carefully the packet of Miss Elmslie's letters, and then looked suddenly toward the vacant wall behind me with that strange expression the meaning of which I knew so well. Since we had left Naples I had purposely avoided exciting him by talking on the useless and shocking subject of the apparition by which he believed himself to be perpetually followed. Just now, however, he seemed so calm and collected--so little likely to be violently agitated by any allusion to the dangerous topic, that I ventured to speak out boldly.
"Does the phantom still appear to you," I asked, "as it appeared at Naples?"
He looked at me and smiled.
"Did I not tell you that it followed me everywhere?" His eyes wandered back again to the vacant space, and he went on speaking in that direction as if he had been continuing the conversation with some third person in the room. "We shall part," he said, slowly and softly, when the empty place is filled in Wincot vault. Then I shall stand with Ada before the altar in the Abbey chapel, and when my eyes meet hers they will see the tortured face no more."
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Nach diesen Worten legte er den Kopf in die Hand, seufzte, und begann mit tonloser Stimme die Strophen der alten Prophezeiung zu wiederholen. Ich versuchte ihn von diesem Gegenstande abzubringen, allein er beachtete nicht, was ich sagte, und fuhr fort zu sprechen.
| Saying this, he leaned his head on his hand, sighed, and began repeating softly to himself the lines of the old prophecy:
When in Wincot vault a place Waits for one of Monkton's race-- When that one forlorn shall lie Graveless under open sky, Beggared of six feet of earth, Though lord of acres from his birth-- That shall he a certain sign Of the end of Monktons line. Dwindling ever faster, faster, Dwindling to the last-left master; From mortal ken, from light of day, Monkton's race shall pass away."
Fancying that he pronounced the last lines a little incoherently, I tried to make him change the subject. He took no notice of what I said, and went on talking to himself.
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»Monktons Geschlecht wird erlöschen!« wiederholte er, »aber nicht mit mir. Das Verhängnis droht nicht mehr meinem Haupte. Ich werde dem unbeerdigten Toten sein Grab geben, und den leeren Platz in Wincots Gruft ausfüllen — und dann, dann beginnt ein nettes Leben mit Ada!«
| "Monkton's race shall pass away," he repeated, "but not with me. The fatality hangs over my head no longer. I shall bury the unburied dead; I shall fill the vacant place in Wincot vault; and then--then the new life, the life with Ada!"
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Dieser Name schien ihn zur Besinnung zurückzuführen. Er schob sein Schreibpult näher an sich, legte die Briefe hinein, und nahm einen Bogen Papier heraus.
| That name seemed to recall him to himself. He drew his traveling desk toward him, placed the packet of letters in it, and then took out a sheet of paper.
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»Ich will an Ada schreiben«, sagte er, an mich gewendet, »und ihr die frohe Nachricht mitteilen. Ihre Freude darüber wird fast noch größer sein als die meinige.«
| "I am going to write to Ada," he said, turning to me, "and tell her the good news. Her happiness, when she knows it, will be even greater than mine."
Worn out by the events of the day, I left him writing and went to bed. I was, however, either too anxious or too tired to sleep. In this waking condition, my mind naturally occupied itself with the discovery at the convent and with the events to which that discovery would in all probability lead. As I thought on the future, a depression for which I could not account weighed on my spirits. There was not the slightest reason for the vaguely melancholy forebodings that oppressed me. The remains, to the finding of which my unhappy friend attached so much importance, had been traced; they would certainly be placed at his disposal in a few days; he might take them to England by the first merchant vessel that sailed from Naples; and, the gratification of his strange caprice thus accomplished, there was at least some reason to hope that his mind might recover its tone, and that the new life he would lead at Wincot might result in making him a happy man. Such considerations as these were, in themselves, certainly not calculated to exert any melancholy influence over me; and yet, all through the night, the same inconceivable, unaccountable depression weighed heavily on my spirits--heavily through the hours of darkness--heavily, even when I walked out to breathe the first freshness of the early morning air.
With the day came the all-engrossing business of opening negotiations with the authorities.
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Nur diejenigen, welche selbst mit den italienischen Behörden zu tun gehabt haben, können sich eine Vorstellung davon machen, wie sehr unsere Geduld von jedem Beamten, mit dem wir in Berührung kamen, auf die Probe gestellt wurde. Man schickte uns von einem Bureau in das andere, starrte uns an, fragte uns aus, und machte sehr bedenkliche Mienen — nicht etwa deshalb, weil wirkliche Schwierigkeiten vorhanden waren, sondern lediglich, weil jeder Beamte, mit dem wir zu tun hatten, es für notwendig erachtete, seine eigene Wichtigkeit dadurch zu dokumentieren, dass er die Erreichung unseres Zweckes so viel als möglich erschwerte.
| Only those who have had to deal with Italian officials can imagine how our patience was tried by every one with whom we came in contact. We were bandied about from one authority to the other, were stared at, cross-questioned, mystified--not in the least because the case presented any special difficulties or intricacies, but because it was absolutely necessary that every civil dignitary to whom we applied should assert his own importance by leading us to our object in the most roundabout manner possible. After our first day's experience of official life in Italy, I left the absurd formalities, which we had no choice but to perform, to be accomplished by Alfred alone, and applied myself to the really serious question of how the remains in the convent outhouse were to be safely removed.
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Nach reiflicher Überlegung hielt ich es für das Beste, mich nach Rom zu wenden, wo, wie mir bekannt war, die Leichname hoher kirchlicher Würdenträger einbalsamiert zu werden pflegten, und wo deshalb solche chemische Hülfe zu erlangen sein musste, wie wir in unserer Lage nötig hatten. Ich schrieb an einen Freund in Rom, schilderte ihm den Zustand des Körpers, die unbedingte Notwendigkeit, dass er fortgeschafft werde, und gab die Versicherung, dass unsererseits keine Kosten gespart werden sollten, sofern wir nur die gewünschte Hülfe erlangen könnten. Auch hier zeigten sich viele absichtlich in den Weg gelegte Schwierigkeiten, die jedoch durch Geduld und Geld besiegt wurden, so dass endlich zwei Männer von Rom anlangten, um das Geschäft zu unternehmen.
| The best plan that suggested itself to me was to write to a friend in Rome, where I knew that it was a custom to embalm the bodies of high dignitaries of the Church, and where, I consequently inferred, such chemical assistance as was needed in our emergency might be obtained. I simply stated in my letter that the removal of the body was imperative, then described the condition in which I had found it, and engaged that no expense on our part should be spared if the right person or persons could be found to help us. Here, again, more difficulties interposed themselves, and more useless formalities were to be gone through, but in the end patience, perseverance, and money triumphed, and two men came expressly from Rome to undertake the duties we required of them.
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»Es ist unnötig, hier eine umständliche Beschreibung desselben zu geben; genug, die Verwesung wurde durch Anwendung chemischer Mittel soweit aufgehalten, dass der Leichnam in den Sarg gelegt und mit erster Gelegenheit nach England geführt werden konnte. Nachdem zehn Tage diesem Zwecke geopfert worden waren, hatte ich endlich die Freude den Schuppen leer zu sehen, beschenkte den alten Kapuziner zum Abschiede reichlich mit Schnupftabak, und konnte nunmehr mit meinem Freunde den Rückweg nach Neapel antreten. Kaum ein Monat war seit unserer Abreise verflossen, und jetzt kehrten wir dahin zurück, nachdem ein Unternehmen glücklich ausgeführt worden war, das alle unsere Bekannten als wahnsinnig und unmöglich verlacht hatten.
| It is unnecessary that I should shock the reader by entering into any detail in this part of my narrative. When I have said that the progress of decay was so far suspended by chemical means as to allow of the remains being placed in the coffin, and to insure their being transported to England with perfect safety and convenience, I have said enough. After ten days had been wasted in useless delays and difficulties, I had the satisfaction of seeing the convent outhouse empty at last; passed through a final ceremony of snuff-taking, or rather, of snuff-giving, with the old Capuchin, and ordered the traveling carriages to be ready at the inn door. Hardly a month had elapsed since our departure ere we entered Naples successful in the achievement of a design which had been ridiculed as wildly impracticable by every friend of ours who had heard of it.
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Das Nächste, was jetzt geschehen musste, war, ein Schiff zu finden, das den Sarg nach England transportieren konnte. Leider war jedoch in diesem Augenblicke durchaus kein Fahrzeug zu ermitteln, das nach einem britischen Hafen segelte, und es blieb also, um die schnelle Beförderung dahin zu erreichen, nichts übrig, als ein besonderes Schiff zu diesem Zwecke zu mieten. Mit Ungeduld der Abreise entgegensehend und fest entschlossen, den Sarg nicht eher aus den Augen zu lassen, als bis er mit seinem Inhalte an dem in der Gruft zu Wincot für ihn offenen Platze deponiert worden sei, zauderte Monkton keine Minute, zu diesem Mittel zu greifen. Nach langem Suchen fanden wir eine sizilianische Brigg, die in wenigen Tagen zur Reise ausgerüstet werden konnte, und mein Freund mietete sie augenblicklich. Keine Kosten wurden gespart, um sie schnell in Stand zu sehen, und der geschickteste Kapitän und die beste Mannschaft, die sich schnell in Neapel finden ließen, wurden gegen hohen Lohn gedungen.
| The first object to be accomplished on our return was to obtain the means of carrying the coffin to England--by sea, as a matter of course. All inquiries after a merchant vessel on the point of sailing for any British port led to the most unsatisfactory results. There was only one way of insuring the immediate transportation of the remains to England, and that was to hire a vessel. Impatient to return, and resolved not to lose sight of the coffin till he had seen it placed in Wincot vault, Monkton decided immediately on hiring the first ship that could be obtained. The vessel in port which we were informed could soonest be got ready for sea was a Sicilian brig, and this vessel my friend accordingly engaged. The best dock-yard artisans tha t could be got were set to work, and the smartest captain and crew to be picked up on an emergency in Naples were chosen to navigate the brig.
Monkton, after again expressing in the warmest terms his gratitude for the services I had rendered him, disclaimed any intention of asking me to accompany him on the voyage to England. Greatly to his surprise and delight, however, I offered of my own accord to take passage in the brig. The strange coincidences I had witnessed, the extraordinary discovery I had hit on since our first meeting in Naples, had made his one great interest in life my one great interest for the time being as well. I shared none of his delusions, poor fellow; but it is hardly an exaggeration to say that my eagerness to follow our remarkable adventure to its end was as great as his anxiety to see the coffin laid in Wincot vault. Curiosity influenced me, I am afraid, almost as strongly as friendship, when I offered myself as the companion of his voyage home.
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Es war ein schöner Nachmittag, an dem wir absegelten. Zum ersten Male seit meiner Bekanntschaft mit Monkton sah ich ihn heiter. Er sprach und scherzte über allerhand Gegenstände, und lachte mich aus wegen meiner angeblichen Furcht vor der Seekrankheit. In Wahrheit empfand ich keine solche Furcht, sondern gab mir nur den Schein, um meinem Freunde die mir unerklärliche Unruhe und Beängstigung zu verbergen, die mich bereits in Fondi gequält hatte und die jetzt wiederkehrte. Alles schien unsere Fahrt zu begünstigen, und ein jeder auf dem Schiffe war in der heitersten Laune. Besonders jubelten die Matrosen, meistens Sizilianer und Malteser, über eine so kurze und einträgliche Reise auf einem so gut ausgerüsteten Schiffe. Nur ich fühlte mich von einer Niedergeschlagenheit bedrückt, gegen die ich vergebens ankämpfte, und für die ich keinen vernünftigen Grund auffinden konnte.
| We set sail for England on a calm and lovely afternoon.
For the first time since I had known him, Monkton seemed to be in high spirits. He talked and jested on all sorts of subjects, and laughed at me for allowing my cheerfulness to be affected by the dread of seasickness. I had really no such fear; it was my excuse to my friend for a return of that unaccountable depression under which I had suffered at Fondi. Everything was in our favor; everybody on board the brig was in good spirits. The captain was delighted with the vessel; the crew, Italians and Maltese, were in high glee at the prospect of making a short voyage on high wages in a well-provisioned ship. I alone felt heavy at heart. There was no valid reason that I could assign to myself for the melancholy that oppressed me, and yet I struggled against it in vain.
|
Spät am Abend des ersten Tages machte ich eine Entdeckung, welche keineswegs geeignet war, mir die fehlende Gemütsruhe wiederzugeben. Monkton befand sich in der Kajüte, wo die Kiste mit dem Sarge stand, und ich auf dem Verdecke. Es herrschte fast völlige Windstille, und träumerisch betrachtete ich die schlaff herabhängenden Segel, die, von Zeit zu Zeit durch ein Lüftchen bewegt, gegen die Masten schlugen, als der Kapiteln sich mir näherte, mich bei Seite zog, und mir zuflüsterte:
| Late on our first night at sea, I made a discovery which was by no means calculated to restore my spirits to their usual equilibrium. Monkton was in the cabin, on the floor of which had been placed the packing-case containing the coffin, and I was on deck. The wind had fallen almost to a calm, and I was lazily watching the sails of the brig as they flapped from time to time against the masts, when the captain approached, and, drawing me out of hearing of the man at the helm, whispered in my ear:
|
»Es geht unter der Mannschaft etwas vor. Haben Sie nicht bemerkt, dass die Leute kurz vor Sonnenuntergang plötzlich still und schweigsam wurden?«
| "There's something wrong among the men forward. Did you observe how suddenly they all became silent just before sunset?"
|
Ich erwiderte bejahend, denn es war mir nicht entgangen.
| I had observed it, and told him so.
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»Unter ihnen befindet sich ein maltesischer Schiffsjunge«, fuhr der Kapitän fort, »ein gewandter aber verschmitzter Bursche, der, wie ich in Erfahrung gebracht, den Leuten gesagt hat, dass in der Kiste Ihres Freundes, unten in der Kajüte, ein Leichnam liege.«
| "There's a Maltese boy on board," pursued the captain, "who is a smart enough lad, but a bad one to deal with. I have found out that he has been telling the men there is a dead body inside that packing-case of your friend's in the cabin."
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Bei diesen Worten sank mir aller Mut. Ich kannte den unvernünftigen Aberglauben der Seeleute, besonders der italienischen Matrosen, und hatte deshalb aus Vorsicht das Gerücht verbreitet, dass die Kiste eine sehr kostbare Marmorstatue enthalte, auf die Mr. Monkton großen Wert lege, und dass er sie aus diesem Grunde so sorgsam hüte.
| My heart sank as he spoke. Knowing the superstitious irrationality of sailors--of foreign sailors especially--I had taken care to spread a report on board the brig, before the coffin was shipped, that the packing-case contained a valuable marble statue which Mr. Monkton prized highly, and was unwilling to trust out of his own sight. How could this Maltese boy have discovered that the pretended statue was a human corpse? As I pondered over the question, my suspicions fixed themselves on Monkton's servant, who spoke Italian fluently, and whom I knew to be an incorrigible gossip. The man denied it when I charged him with betraying us, but I have never believed his denial to this day.
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»Der Schlingel will nicht sagen, auf welche Weise er die Nachricht erlangt hat«, bemerkte der Kapitän weiter. »Meine Sache ist es nicht, in Geheimnisse dringen zu wollen; allein ich möchte Ihnen raten, die Leute zusammentreten zu lassen, und den Burschen in ihrer Gegenwart Lügen zu strafen, gleichviel, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Diese Menschen sind abergläubische Narren, die sich vor Geistern, Leichnamen und dergleichen Dingen fürchten. Manche sagen, dass sie, wäre ihnen das Vorhandensein eines Toten an Bord bekannt gewesen, keinen Fuß auf das Schiff gesetzt haben würden, andere murren nur; aber wenn Sie oder Ihr Freund nicht den Buben der Unwahrheit zeihen, so fürchte ich, dass wir mit den Leuten viele Umstände haben werden, sobald schlechtes Wetter eintreten sollte. Sie haben sich bereit erklärt, ihn selbst mit dem Tauende zu peitschen, wenn Sie oder Ihr Freund auf Ehrenwort versichern, dass er gelogen habe; im anderen Falle aber wollten sie ihm glauben.«
| "The little imp won't say where he picked up this notion of his about the dead body," continued the captain. "It's not my place to pry into secrets; but I advise you to call the crew aft, and contradict the boy, whether he speaks the truth or not. The men are a parcel of fools who believe in ghosts, and all the rest of it. Some of them say they would never have signed our articles if they had known they were going to sail with a dead man; others only grumble; but I'm afraid we shall have some trouble with them all, in case of rough weather, unless the boy is contradicted by you or the other gentleman. The men say that if either you or your friend tell them on your words of honor that the Maltese is a liar, they will hand him up to be rope's-ended accordingly; but that if you won't, they have made up their minds to believe the boy."
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Der Kapitän schwieg und schien eine Antwort von mir zu erwarten; allein ich konnte ihm keine geben. Dem Kapitän für seine Aufmerksamkeit dankend, sagte ich nur, dass ich mir die Sache überlegen wollte, und bat ihn, meinem Freunde von der Entdeckung nichts mitzuteilen. Mürrisch gelobte er Schweigen, und verließ mich.
| Here the captain paused and awaited my answer. I could give him none. I felt hopeless under our desperate emergency. To get the boy punished by giving my word of honor to support a direct falsehood was not to be thought of even for a moment. What other means of extrication from this miserable dilemma remained? None that I could think of. I thanked the captain for his attention to our interests, told him I would take time to consider what course I should pursue, and begged that he would say nothing to my friend about the discovery he had made. He promised to be silent, sulkily enough, and walked away from me.
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Wir hatten erwartet, dass sich mit dem anbrechenden Morgen der Wind erheben würde, aber es geschah nicht. Gegen Mittag wurde die Luft unerträglich schwül und das Meer spiegelglatt. Ich sah den Kapitän oft und ängstlich den Horizont betrachten, und entdeckte in weiter Ferne ein einzelnes schwarzes Wölkchen. Auf meine Frage an ihn, ob uns dieses Wölkchen Wind bringen werde, erwiderte er nur ganz kurz: »Mehr als wir brauchen!« und befahl dann zu meinem Erstaunen den Matrosen, die Segel einzuziehen. Die Art und Weise, in der dieses Manöver ausgeführt wurde, zeigte recht deutlich die Stimmung der Leute. Langsam, mürrisch und brummend verrichteten sie die Arbeit, während der Eifer des Kapitäns, seine Flüche und Drohungen, mit denen er sie antrieb, mir keinen Zweifel ließen, dass uns Gefahr bevorstehe. Ich blickte wieder nach dem Horizont, und bemerkte jetzt, dass sich das kleine, schwarze Wölkchen in eine große, dunkle Nebelmasse verwandelt, und dass sich auch die Farbe der See verändert hatte.
| We had expected the breeze to spring up with the morning, but no breeze came. As it wore on toward noon the atmosphere became insufferably sultry, and the sea looked as smooth as glass. I saw the captain's eye turn often and anxiously to windward. Far away in that direction, and alone in the blue heaven, I observed a little black cloud, and asked if it would bring us any wind.
"More than we want," the captain replied, shortly; and then, to my astonishment, ordered the crew aloft to take in sail. The execution of this maneuver showed but too plainly the temper of the men; they did their work sulkily and slowly, grumbling and murmuring among themselves. The captain's manner, as he urged them on with oaths and threats, convinced me we were in danger. I looked again to windward. The one little cloud had enlarged to a great bank of murky vapor, and the sea at the horizon had changed in color.
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»Der Sturm wird über uns hereinbrechen, ehe wir wissen, wo wir sind«, sagte der Kapitän zu mir. ,,Gehen Sie hinunter in die Kajüte, hier sind Sie nur im Wege.«
| "The squall will be on us before we know where we are," said the captain. "Go below; you will be only in the way here."
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Ich stieg hinunter zu Monkton und bereitete ihn auf das Kommende vor. Noch sprachen wir darüber, als der Sturm losbrach. Das kleine Fahrzeug erdröhnte einen Augenblick, als wollte es auseinanderbrechen, drehte sich mit uns wie im Kreise herum, und lag dann wieder still. Gleich darauf kam aber ein neuer Windstoß, der uns von den Sitzen schleuderte; ein betäubendes Krachen ertönte, und eine Flut von Wasser drang in die Kajüte ein. Durchnässt stiegen wir auf das Verdeck. Das Schiff lag auf der Seite.
| I descended to the cabin, and prepared Monkton for what was coming. He was still questioning me about what I had observed on deck when the storm burst on us. We felt the little brig strain for an instant as if she would part in two, then she seemed to be swinging round with us, then to be quite still for a moment, trembling in every timber. Last came a shock which hurled us from our seats, a deafening crash, and a flood of water pouring into the cabin. We clambered, half drowned, to the deck. The brig had, in the nautical phrase, "broached to," and she now lay on her beam-ends.
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Ehe ich in der dort herrschenden Verwirrung unsere Lage deutlich übersehen konnte, ließ sich aus dem Vorderteil des Schiffes eine Stimme vernehmen, die alles Geschrei der übrigen Matrosen augenblicklich zum Schweigen brachte. Ich verstand nur zu wohl den unheilvollen Sinn der Worte, obgleich sie in italienischer Sprache gerufen wurden. Das Schiff hatte einen Leck bekommen, und das Wasser drang ein wie ein Mühlstrom. Auch unter diesen gefährlichen Umständen verlor der Kapitän seine Geistesgegenwart nicht. Er ergriff eine Axt, um den Vordermast abzuhauen, und befahl einigen Matrosen, ihm dabei zu helfen, während er den übrigen gebot, die Pumpen in Bewegung zu setzen.
| Before I could make out anything distinctly in the horrible confusion except the one tremendous certainty that we were entirely at the mercy of the sea, I heard a voice from the fore part of the ship which stilled the clamoring and shouting of the rest of the crew in an instant. The words were in Italian, but I understood their fatal meaning only too easily. We had sprung a leak, and the sea was pouring into the ship's hold like the race of a mill-stream. The captain did not lose his presence of mind in this fresh emergency. He called for his ax to cut away the foremast, and, ordering some of the crew to help him, directed the others to rig out the pumps.
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Kaum waren diese Worte über seine Lippen, als der offene Aufruhr ausbrach. Mit einem wilden Blicke auf mich erklärte der Rädelsführer, dass die Passagiere tun könnten, was ihnen beliebte, aber dass er und seine Kameraden entschlossen seien, in die Boote zu gehen und das Schiff zu verlassen, das mit seinem Leichnam auf den Grund fahren möchte. Während er sprach, erhob sich ein Gebrüll unter den Matrosen, von denen einige höhnisch auf einen Gegenstand hinter mir deuteten. Ich wandte mich um und gewahrte Monkton, der bisher an meiner Seite gestanden hatte, nach der Kajüte zurückkehren. Augenblicklich folgte ich ihm; allein das Wasser und die Verwirrung, sowie die auf der schiefen Lage des Schiffes entspringende Unmöglichkeit, ohne Hülfe der Hände zu gehen, verhinderte mich ihn einzuholen. Als ich endlich unten anlangte, lag er über die Kiste gestreckt, ohne das einströmende Wasser und die drohenden Bewegungen des Fahrzeuges zu beachten. Mich ihm nähernd, erkannte ich in seinem Auge wieder jenes warnende Funkeln, und auf seiner Wange die verräterische Röte.
| The words had hardly passed his lips before the men broke into open mutiny. With a savage look at me, their ringleader declared that the passengers might do as they pleased, but that he and his messmates were determined to take to the boat, and leave the accursed ship, and the dead man in her, to go to the bottom together. As he spoke there was a shout among the sailors, and I observed some of them pointing derisively behind me. Looking round, I saw Monkton, who had hitherto kept close at my side, making his way back to the cabin. I followed him directly, but the water and confusion on deck, and the impossibility, from the position of the brig, of moving the feet without the slow assistance of the hands, so impeded my progress that it was impossible for me to overtake him. When I had got below he was crouched upon the coffin, with the water on the cabin floor whirling and splashing about him as the ship heaved and plunged. I saw a warning brightness in his eyes, a warning flush on his cheek, as I approached and said to him:
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»Es bleibt nichts übrig, Alfred«, sagte ich, »als uns dem Schicksale zu unterwerfen und alles zu tun, um mindestens unser Leben zu retten.«
| "There is nothing left for it, Alfred, but to bow to our misfortune, and do the best we can to save our lives."
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»Retten Sie das Ihrige«, rief er, mich mit der Hand abwehrend, »denn Sie haben noch eine Zukunft vor sich. Die meinige ist dahin, wenn dieser Sarg auf dem Grunde des Meeres liegt. Sinkt das Schiff, so weiß ich wenigstens, dass das Verhängnis sich erfüllt hat, und will mit ihm zu Grunde gehen!«
| "Save yours," he cried, waving his hand to me, "for you have a future before you. Mine is gone when this coffin goes to the bottom. If the ship sinks, I shall know that the fatality is accomplished, and shall sink with her."
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Ich sah, dass in seinem jetzigen Gemütszustande keine ruhige Vorstellung Eindruck auf ihn machen würde, und kroch deshalb auf das Verdeck zurück. Hier waren die Matrosen beschäftigt, alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, und das Boot in das Wasser hinabzulassen, während der Kapitän, nachdem er noch einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, seine Autorität wieder herzustellen, schweigend zusah. Die Heftigkeit des Sturmes schien inzwischen nachgelassen zu haben. Ich fragte ihn deshalb, ob keine Rettung möglich sei, wenn wir auf dem Schiffe blieben. Er erwiderte mir, dass Rettung wohl möglich gewesen wäre, wenn die Leute seinen Befehlen Folge geleistet hätten, aber dass jetzt alles verloren sei. In den kürzesten Worten schilderte ich ihm hierauf den Zustand meines unglücklichen Freundes, und fragte, ob ich auf seinen Beistand rechnen dürfe. Er nickte bejahend, und wir stiegen in die Kajüte hinab.
| I saw that he was in no state to be reasoned with or persuaded, and raised myself again to the deck. The men were cutting away all obstacles so as to launch the longboat placed amidships over the depressed bulwark of the brig as she lay on her side, and the captain, after having made a last vain exertion to restore his authority, was looking on at them in silence. The violence of the squall seemed already to be spending itself, and I asked whether there was really no chance for us if we remained by the ship. The captain answered that there might have been the best chance if the men had obeyed his orders, but that now there was none. Knowing that I could place no dependence on the presence of mind of Monkton's servant, I confided to the captain, in the fewest and plainest words, the condition of my unhappy friend, and asked if I might depend on his help. He nodded his head, and we descended together to the cabin.
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Noch jetzt ist mir die Erinnerung an jene Maßregeln peinlich, zu deren Anwendung wir durch Alfreds Hartnäckigkeit und Körperkraft genötigt wurden. Wir mussten seine Hände binden und ihn mit Gewalt auf das Verdeck ziehen. Hier waren die Matrosen gerade im Begriffe, das Boot in die See hinabzulassen, und weigerten sich, uns darin aufzunehmen.
| Even at this day it costs me pain to write of the terrible necessity to which the strength and obstinacy of Monkton's delusion reduced us in the last resort. We were compelled to secure his hands, and drag him by main force to the deck. The men were on the point of launching the boat, and refused at first to receive us into it.
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»Ihr elenden Feiglinge«, rief der Kapitän, »haben wir denn jetzt den Leichnam bei uns? Geht er nicht mit der Brigg auf den Grund? Vor wem fürchtet ihr euch denn, wenn wir in das Boot steigen?«
| "You cowards!" cried the captain, "have we got the dead man with us this time? Isn't he going to the bottom along with the brig? Who are you afraid of when we get into the boat?"
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Diese Ansprache hatte die gewünschte Wirkung. Die Leute begannen sich zu schämen und ließen von ihrer Weigerung ab. Im Augenblicke, als wir von dem sinkenden Schiffe abstießen, machte Alfred noch einen Versuch, sich von mir loszureißen, allein ich verhinderte es, und er wiederholte es nicht. Von nun an saß er an meiner Seite still und schweigend, mit gesenktem Kopfe, während die Matrosen kräftig ruderten und wir aus einiger Entfernung das allmälige Versinken des Fahrzeuges beobachteten.
| This sort of appeal produced the desired effect; the men became ashamed of themselves, and retracted their refusal.
Just as we pushed off from the sinking ship Alfred made an effort to break from me, but I held him firm, and he never repeated the attempt. He sat by me with drooping head, still and silent, while the sailors rowed away from the vessel; still and silent when, with one accord, they paused at a little distance off, and we all waited and watched to see the brig sink; still and silent, even when that sinking happened, when the laboring hull plunged slowly into a hollow of the sea--hesitated, as it seemed, for one moment, rose a little again, then sank to rise no more.
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Es war verschwunden mit seiner toten Last, und der Leichnam, den wir auf so wunderbare Weise entdeckt hatten, und an den sich die Hoffnungen zweier liebenden Wesen knüpften, war uns für immer entzogen. Als die letzten Trümmer unter den Wellen versanken, sah ich Alfred an meiner Seite heftig erbeben und hörte ihn mehrmals den Namen »Ada« leise murmeln.
| Sank with her dead freight--sank, and snatched forever from our power the corpse which we had discovered almost by a miracle--those jealously-preserved remains, on the safe-keeping of which rested so strangely the hopes and the love-destinies of two living beings! As the last signs of the ship in the depths of the waters,
I felt Monkton trembling all over as he sat close at my side, and heard him repeating to himself, sadly, and many times over, the name of "Ada."
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Meine Versuche, seine Gedanken auf andere Gegenstände zu leiten, blieben fruchtlos. Er deutete auf die Gegend des Meeres, wo noch kurz vorher die Brigg sichtbar gewesen war, und wo das Auge jetzt nur rollende Wogen zu erkennen vermochte.
| I tried to turn his thoughts to another subject, but it was useless. He pointed over the sea to where the brig had once been, and where nothing was left to look at but the rolling waves.
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»Der leere Platz in Wincots Gruft wird nun immer leer bleiben!« flüsterte er mir zu, blickte mich eine Sekunde lang ernst und traurig an, und wandte sich dann ab und sprach nicht mehr.
| "The empty place will now remain empty forever in Wincot vault."
As he said these words, he fixed his eyes for a moment sadly and earnestly on my face, then looked away, leaned his cheek on his hand, and spoke no more.
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Noch vor Abend wurden wir von einem Kauffahrer bemerkt, an Bord genommen und in Carthagena an das Land gesetzt. So lange wir uns auf dem Meere befanden, hatte Alfred unaufgefordert kein Wort mit mir gesprochen; aber nicht ohne Unruhe machte ich die Bemerkung, dass er desto häufiger mit sich selbst sprach — fast fortwährend die Worte jener alten Prophezeiung für sich murmelte, oder auf den leeren Platz in der Gruft anspielte, oder, was mir am meisten zu Herzen ging, den Namen jenes unglücklichen Mädchens flüsternd wiederholte, das sehnsüchtig seiner Ankunft in England wartete. Leider waren dies nicht die einzigen Erscheinungen an ihm, welche mich mit Besorgnis erfüllten. Gegen das Ende unserer Seereise stellten sich bei ihm abwechselnd fieberhafte Anfälle von Kälte und Hitze ein, die ich irrigerweise für ein Wechselfieber hielt. Ich wurde jedoch bald über meinen Irrtum aufgeklärt. Kaum befanden wir uns einen Tag am Lande, als sein Zustand so bedenklich wurde, dass ich die besten Ärzte von Carthagena zu Rate zog, welche sein Leiden für Gehirnentzündung und sein Leben in großer Gefahr erklärten.
| We were sighted long before nightfall by a trading vessel, were taken on board, and landed at Cartagena in Spain. Alfred never held up his head, and never once spoke to me of his own accord the whole time we were at sea in the merchantman. I observed, however, with alarm, that he talked often and incoherently to himself--constantly muttering the lines of the old prophecy--constantly referring to the fatal place that was empty in Wincot vault--constantly repeating in broken accents, which it affected me inexpressibly to hear, the name of the poor girl who was awaiting his return to England. Nor were these the only causes for the apprehension that I now felt on his account. Toward the end of our voyage he began to suffer from alternations of fever-fits and shivering-fits, which I ignorantly imagined to be attacks of ague. I was soon undeceived. We had hardly been a day on shore before he became so much worse that I secured the best medical assistance Cartagena could afford. For a day or two the doctors differed, as usual, about the nature of his complaint, but ere long alarming symptoms displayed themselves. The medical men declared that his life was in danger, and told me that his disease was brain fever.
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Tief bekümmert, wusste ich anfangs wirklich nicht, was ich in dieser neuen Verlegenheit tun sollte. Nach längerem Bedenken entschloss ich mich endlich, an den alten Priester zu schreiben, welcher Alfreds Lehrer gewesen war und noch in der Abtei Wincot wohnte. Ich teilte ihm alles mit, was sich zugetragen hatte, bat ihn, die Nachricht der armen Miss Elmsly so schonend als möglich zu hinterbringen, und fügte die Versicherung hinzu, dass ich Monkton keinen Augenblick verlassen würde.
| Shocked and grieved as I was, I hardly knew how to act at first under the fresh responsibility now laid upon me. Ultimately I decided on writing to the old priest who had been Alfred's tutor, and who, as I knew, still resided at Wincot Abbey. I told this gentleman all that had happened, begged him to break my melancholy news as gently as possible to Miss Elmslie, and assured him of my resolution to remain with Monkton to the last.
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Nachdem ich meinen Brief abgeschickt, und auch noch die besten Ärzte von Gibraltar hatte kommen lassen, war ich mir bewusst, alles getan zu haben, was in meinen Kräften stand, und konnte von nun an ruhiger hoffen und warten.
| After I had dispatched my letter, and had sent to Gibraltar to secure the best English medical advice that could be obtained, I felt that I had done my best, and that nothing remained but to wait and hope.
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Manche trübe Stunde brachte ich am Bett meines armen Freundes zu, während deren oft der Gedanke in mir aufstieg, dass ich unrecht gehandelt habe, ihn in seinen Illusionen zu bestärken. Nach reiflicherer Überlegung gelangte ich jedoch zu der Überzeugung, dass die Gründe, welche mich damals, nach meiner ersten Zusammenkunft mit Alfred, bestimmt hatten dies zu tun, triftig gewesen waren. Der Weg, den ich betreten hatte, war der einzige, der seine Rückkehr nach England und zu Miss Elmsly beschleunigen konnte. Dass ein unglückliches Ereignis alle unsere Pläne vernichtete, war nicht meine Schuld; aber jetzt, nachdem das Unglück einmal geschehen und nicht wieder gut zu machen war, entstand die Frage, welche Mittel im Falle seiner körperlichen Wiederherstellung gegen sein geistiges Leiden anzuwenden seien?
| Many a sad and anxious hour did I pass by my poor friend's bedside. Many a time did I doubt whether I had done right in giving any encouragement to his delusion. The reasons for doing so which had suggested themselves to me after my first interview with him seemed, however, on reflection, to be valid reasons still. The only way of hastening his return to England and to Miss Elmslie, who was pining for that return, was the way I had taken. It was not my fault that a disaster which no man could foresee had overthrown all his projects and all mine. But, now that the calamity had happened and was irretrievable, how, in the event of his physical recovery, was his moral malady to be combated?
When I reflected on the hereditary taint in his mental organization, on that first childish fright of Stephen Monkton from which he had never recovered, on the perilously-secluded life that he had led at the Abbey, and on his firm persuasion of the reality of the apparition by which he believed himself to be constantly followed, I confess I despaired of shaking his superstitious faith in every word and line of the old family prophecy. If the series of striking coincidences which appeared to attest its truth had made a strong and lasting impression on me (and this was assuredly the case), how could I wonder that they had produced the effect of absolute conviction on his mind, constituted as it was? If I argued with him, and he answered me, how could I rejoin? If he said, "The prophecy points at the last of the family: I am the last of the family. The prophecy mentions an empty place in Wincot vault; there is such an empty place there at this moment. On the faith of the prophecy I told you that Stephen Monkton's body was unburied, and you found that it was unburied"--if he said this, what use would it be for me to reply, "These are only strange coincidences after all?"
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Je mehr ich an die Aufgabe dachte, welche mir für den Fall seiner körperlichen Wiederherstellung bevorstand, desto mehr sank mir der Mut. Wenn der englische, aus Gibraltar gerufene Arzt, der ihn behandeln, zu mir sagte: »Er kann das Fieber verlieren, aber hat eine fixe Idee, die ihn weder Tag noch Nacht verlässt, und der er erliegen wird, wenn nicht ein Freund sie zu beseitigen vermag« — wenn ich dies hörte, und je öfter ich es hörte, desto mehr fühlte ich meine Machtlosigkeit, und desto ängstlicher dachte ich an die Zukunft.
| The more I thought of the task that lay before me, if he recovered, the more I felt inclined to despond. The oftener the English physician who attended on him said to me, "He may get the better of the fever, but he has a fixed idea, which never leaves him night or day, which has unsettled his reason, and which will end in killing him, unless you or some of his friends can remove it"--the oftener I heard this, the more acutely I felt my own powerlessness, the more I shrank from every idea that was connected with the hopeless future.
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Ich hatte erwartet, von Wincot nur eine briefliche Antwort zu erhalten, und war deshalb um so froher überrascht, als mir eines Tages gemeldet wurde, dass zwei fremde Herren mich zu sprechen wünschten, von denen der eine, wie sich ergab, der alte Priester-, und der andere ein naher Anverwandter der Miss Elmsly war.
| I had only expected to receive my answer from Wincot in the shape of a letter. It was consequently a great surprise, as well as a great relief, to be informed one day that two gentlemen wished to speak with me, and to find that of these two gentlemen the first was the old priest, and the second a male relative of Mrs. Elmslie.
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Kurz vor ihrer Ankunft hatte sich das Fieber gelegt, und Alfred war nach der Aussprache der Ärzte außer Gefahr. Beide wünschten zu wissen, wann der Kranke soweit hergestellt sein werde, dass sie mit ihm die Rückreise antreten könnten; sie waren lediglich zu diesem Zwecke nach Carthagena gekommen, und hegten die Hoffnung, die ich leider nicht teilen konnte, dass die heimatliche Luft seine Genesung befördern werde. Nachdem alle auf diesen Punkt bezüglichen Fragen erörtert worden waren, wagte ich mich nach Miss Elmslys Befinden zu erkundigen, und erfuhr aus dem Munde ihres Anverwandten, dass sie in Folge der übermäßigen Angst und Besorgnis um Alfred seit längerer Zeit leidend sei. Man hatte sie über die Gefahr seiner Krankheit täuschen müssen, um zu verhindern, dass sie beide auf der Reise nach Spanien begleitete.
| Just before their arrival the fever symptoms had disappeared, and Alfred had been pronounced out of danger. Both the priest and his companion were eager to know when the sufferer would be strong enough to travel. The y had come to Cartagena expressly to take him home with them, and felt far more hopeful than I did of the restorative effects of his native air. After all the questions connected with the first important point of the journey to England had been asked and answered, I ventured to make some inquiries after Miss Elmslie. Her relative informed me that she was suffering both in body and in mind from excess of anxiety on Alfred's account. They had been obliged to deceive her as to the dangerous nature of his illness in order to deter her from accompanying the priest and her relation on their mission to Spain.
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Langsam und erst nach mehreren Wochen gewann Alfred einen Teil seiner früheren Kräfte wieder; aber keine Besserung war in seinem geistigen Leiden zu erkennen. Dagegen zeigte sich vom ersten Augenblicke der Genesung eine seltsame Wirkung der überstandenen Krankheit auf sein Gedächtnisvermögen. Jede Erinnerung an Begebenheiten der jüngsten Vergangenheit war bei ihm völlig erloschen. Alles, was sich auf Neapel, auf mich und seine Reise nach Italien bezog, war spurlos aus seinem Gedächtnisse verschwunden. Er erkannte zwar den alten Priester und seinen bisherigen Bedienten, aber nicht mich. Wenn ich an sein Bett trat, so betrachtete er mich mit misstrauischen Blicken, was mir ungemein schmerzlich war. Alle seine Fragen bezogen sich auf Miss Elmsly und die Abtei Wincot und wenn er von der Vergangenheit sprach, so war es nur die Zeit, als sein Vater noch lebte.
| Slowly and imperfectly, as the weeks wore on, Alfred regained something of his former physical strength, but no alteration appeared in his illness as it affected his mind.
From the very first day of his advance toward recovery, it had been discovered that the brain fever had exercised the strangest influence over his faculties of memory. All recollection of recent events was gone from him. Everything connected with Naples, with me, with his journey to Italy, had dropped in some mysterious manner entirely out of his remembrance. So completely had all late circumstances passed from his memory that, though he recognized the old priest and his own servant easily on the first days of his convalescence, he never recognized me, but regarded me with such a wistful, doubting expression, that I felt inexpressibly pained when I approached his bedside. All his questions were about Miss Elmslie and Wincot Abbey, and all his talk referred to the period when his father was yet alive.
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Die Ärzte zogen aus diesem Vergessen der neueren Begebenheiten einen günstigen Schluss und meinten, dass es nur vorübergehend sein werde, und die Genesung insofern begünstige, als der Geist des Kranken dadurch in Ruhe erhalten werde. Ich bemühte mich ihnen zu glauben, und gab mir sogar bei der Abreise den Schein, als hegte ich eben so frohe Hoffnungen wie seine Freunde, die ihn heimwärts geleiteten. Allein die Anstrengung war für mich zu groß. Ein Vorgefühl sagte mir, dass ich ihn nicht wieder sehen würde, und unwillkürlich drangen mir die Tränen in die Augen, als ich die abgezehrte Gestalt meines armen Freundes mit Hülfe seiner Gefährten in den Wagen steigen und langsam die Reise nach der Heimat antreten sah.
| The doctors augured good rather than ill from this loss of memory of recent incidents, saying that it would turn out to be temporary, and that it answered the first great healing purpose of keeping his mind at ease. I tried to believe them--tried to feel as sanguine, when the day came for his departure, as the old friends felt who were taking him home. But the effort was too much for me. A foreboding that I should never see him again oppressed my heart, and the tears came into my eyes as I saw the worn figure of my poor friend half helped, half lifted into the traveling-carriage, and borne away gently on the road toward home.
He had never recognized me, and the doctors had begged that I would give him, for some time to come, as few opportunities as possible of doing so. But for this request I should have accompanied him to England. As it was, nothing better remained for me to do than to change the scene, and recruit as I best could my energies of body and mind, depressed of late by much watching and anxiety. The famous cities of Spain were not new to me, but I visited them again and revived old impressions of the Alhambra and Madrid. Once or twice I thought of making a pilgrimage to the East, but late events had sobered and altered me. That yearning, unsatisfied feeling which we call "homesickness" began to prey upon my heart, and I resolved to return to England.
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Ich nahm meinen Weg über Paris, weil ich den alten Priester ersucht hatte, mir die erste briefliche Nachricht von Wincot aus an meinen dortigen Bankier zu schicken. Sobald ich in Paris ankam, war mein erster Weg zu Letzterem.
| I went back by way of Paris, having settled with the priest that he should write to me at my banker's there as soon as he could after Alfred had returned to Wincot. If I had gone to the East, the letter would have been forwarded to me. I wrote to prevent this; and, on my arrival at Paris, stopped at the banker's before I went to my hotel.
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Ein Brief lag schon für mich in Bereitschaft, und sein schwarzer Rand verriet mir sogleich, dass mein trübes Vorgefühl mich nicht getäuscht hatte. Alfred war tot. Ein Trost lag darin, dass er ruhig, fast glücklich gestorben war, ohne sich der traurigen Begebenheiten wieder zu erinnern, die zur Erfüllung der alten Prophezeiung so sehr beigetragen hatten.
| The moment the letter was put into my hands, the black border on the envelope told me the worst. He was dead.
There was but one consolation--he had died calmly, almost happily, without once referring to those fatal chances which had wrought the fulfillment of the ancient prophecy.
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»Mein geliebter Zögling«, schrieb der alte Priester, »schien sich hier in den ersten Tagen nach seiner Rückkehr etwas zu erholen; allein es war nur scheinbar, denn sehr bald bekam er wieder Fieberanfälle. Dann sanken seine Kräfte mehr und mehr, bis er endlich ganz von uns schied. Miss Elmsly hat mir aufgetragen, Ihnen ihre innige Dankbarkeit für alles das auszudrücken, was Sie an Alfred getan haben. Sie hat seiner gewartet wie das treueste Weib, ohne je von seinem Lager zu weichen! Sein Gesicht war ihr zugewendet, seine Hand in der ihrigen, als er starb. Es wird Ihnen Beruhigung gewähren, zu hören, dass er der Begebenheiten in Neapel und des späteren Schiffbruchs nie mehr gedacht hat.«
| "My beloved pupil," the old priest wrote, "seemed to rally a little the first few days after his return, but he gained no real strength, and soon suffered a slight relapse of fever. After this he sank gradually and gently day by day, and so departed from us on the last dread journey. Miss Elmslie (who knows that I am writing this) desires me to express her deep and lasting gratitude for all your kindness to Alfred. She told me when we brought him back that she had waited for him as his promised wife, and that she would nurse him now as a wife should; and she never left him. his face was turned toward her, his hand was clasped in hers when he died. It will console you to know that he never mentioned events at Naples, or the shipwreck that followed them, from the day of his return to the day of his death."
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Drei Tage später war ich in Wincot, und hörte aus dem Munde des alten Priesters eine Schilderung seiner letzten Momente. Ohne eigentlich zu wissen weshalb, machte es einen unangenehmen Eindruck auf mich, als mir mitgeteilt wurde, dass er auf seinen ausdrücklichen Wunsch in der Gruft unter der Abtei beigesetzt worden sei.
| Three days after reading the letter I was at Wincot, and heard all the details of Alfred's last moments from the priest. I felt a shock which it would not be very easy for me to analyze or explain when I heard that he had been buried, at his own desire, in the fatal Abbey vault.
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Der Priester führte mich hinab. Es war ein finsteres, niedriges Gewölbe, getragen von sächsischen Bogenpfeilern. Auf beiden Seiten befanden sich Reihen schmaler Nischen, in
denen Särge standen. Während mein Begleiter mit der Lampe an ihnen vorüberging, blitzten hier und dort die Nägel und silbernen Beschläge derselben. Am unteren Ende blieb er stehen, deutete auf eine Nische und sagte:
| The priest took me down to see the place--a grim, cold, subterranean building, with a low roof, supported on heavy Saxon arches. Narrow niches, with the ends only of coffins visible within them, ran down each side of the vault. The nails and silver ornaments flashed here and there as my companion moved past them with a lamp in his hand. At the lower end of the place he stopped, pointed to a niche, and said,
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»Hier liegt er, zwischen seinem Vater und seiner Mutter!«
| "He lies there, between his father and mother."
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Ich blickte noch weiter, und bemerkte eine Öffnung in der Wand, die mir anfangs wie ein leerer, dunkler Tunnel erschien.
| I looked a little further on, and saw what appeared at first like a long dark tunnel.
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»Das ist nur eine leere Nische«, bemerkte der Priester, der Richtung meiner Augen folgend. »Wenn Stephan Monktons Leichnam nach Wincot gebracht worden wäre, so würde er dort beigesetzt worden sein.«
| "That is only an empty niche," said the priest, following me. "If the body of Mr. Stephen Monkton had been brought to Wincot, his coffin would have been placed there."
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Ein Schauer überlief mich, und eine Furcht bemächtigte sich meiner, deren ich mich jetzt schäme, aber in jenem Augenblicke nicht erwehren konnte. Am oberen Ende der Gruft drang das freundliche Tageslicht in die offene Pforte ein, und ich wandte der leeren Nische den Rücken, und eilte in die freie Luft hinaus.
| A chill came over me, and a sense of dread which I am ashamed of having felt now, but which I could not combat then. The blessed light of day was pouring down gayly at the other end of the vault through the open door. I turned my back on the empty niche, and hurried into the sunlight and the fresh air.
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Während ich über den Rasenplatz des Hofes ging, hörte ich das Rauschen einer Frauenkleidung hinter mir, sah mich um, und erblickte eine junge Dame in tiefer Trauer, welche sich mir näherte. Ihre sanften Züge und die Art und Weise, mit der sie mir die Hand reichte, ließen mich sie augenblicklich erkennen.
| As I walked across the grass glade leading down to the vault, I heard the rustle of a woman's dress behind me, and turning round, saw a young lady advancing, clad in deep mourning. Her sweet, sad face, her manner as she held out her hand, told me who it was in an instant.
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»Ich hörte, dass Sie hier seien, und wünschte —« sagte sie stockend.
| "I heard that you were here," she said, "and I wished--"
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Das Herz tat mir weh, als ich sah, wie ihre Lippen bebten; allein ehe ich antworten konnte, fuhr sie fort:
| Her voice faltered a little. My heart ached as I saw how her lip trembled, but before I could say anything she recovered herself and went on:
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»Ich wollte Ihnen nur die Hand drücken und für die brüderliche Liebe danken, die Sie meinem Alfred bewiesen haben. Bei allem, was Sie taten, ließen Sie sich gewiss nur von aufrichtiger Zuneigung und dem Wunsche für sein Wohl leiten. Wahrscheinlich verlassen Sie diese Gegend bald wieder und wir begegnen uns nie mehr. Nehmen Sie deshalb die Versicherung mit sich, dass ich niemals vergessen werde, wie treu Sie ihm zur Seite gestanden haben, als er eines Freundes bedurfte, und dass mein Dankgefühl dafür ewig dauern wird.«
| "I wished to take your hand, and thank you for your brotherly kindness to Alfred; and I wanted to tell you that I am sure in all you did you acted tenderly and considerately for the best. Perhaps you may be soon going away from home again, and we may not meet any more. I shall never, never forget that you were kind to him when he wanted a friend, and that you have the greatest claim of any one on earth to be gratefully remembered in my thoughts as long as I live."
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»Die unbeschreibliche Sanftmut in ihrer zitternden Stimme, das bleiche, schöne Gesicht und die tiefe Schwermut ihrer Züge machten einen solchen Eindruck auf mich, dass ich keinen Laut hervorbringen und nur durch Bewegungen antworten konnte. Ehe ich wieder Herr meiner Stimme wurde, hatte sie mir noch einmal die Hand gedrückt und mich verlassen.
| The inexpressible tenderness of her voice, trembling a little all the while she spoke, the pale beauty of her face, the artless candor in her sad, quiet eyes, so affected me that I could not trust myself to answer her at first except by gesture. Before I recovered my voice she had given me her hand once more and had left me.
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Ich sah sie nie wieder. Als ich viele Jahre später zum letzten Male von ihr hörte, war sie dem Toten noch immer treu, und führte keinen andern Namen als »Ada Elsmly«.
| I never saw her again. The chances and changes of life kept us apart. When I last heard of her, years and years ago, she was faithful to the memory of the dead, and was Ada Elmslie still for Alfred Monkton's sake.
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