Frau van Brandt in ihrer Häuslichkeit | MRS. VAN BRANDT AT HOME |
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Als ich meine Hand nach der Hausklingel ausstreckte, wurde die Tür von innen geöffnet und niemand Geringeres, als Herr van Brandt selbst, stand vor mir! Er hatte den Hut auf dem Kopfe und war entschieden eben im Begriff auszugehen. | As I lifted my hand to ring the house bell, the door was opened from within, and no less a person than Mr. Van Brandt himself stood before me. He had his hat on. We had evidently met just as he was going out. |
»Wie gütig von Ihnen, mein Herr, Sie beantworten meinen Brief auf die liebenswürdigste Weise, indem Sie selbst erscheinen. Sie finden Frau van Brandt zu Hause und sie wird außerordentlich erfreut sein. Bitte treten Sie näher!« | "My dear sir, how good this is of you! You present the best of all replies to my letter in presenting yourself. Mrs. Van Brandt is at home. Mrs. Van Brandt will be delighted. Pray walk in." |
Er öffnete die Tür eines Zimmers im Erdgeschoss. Seine Höflichkeit war, wo möglich, noch beleidigender als seine Unverschämtheit. | He threw open the door of a room on the ground-floor. His politeness was (if possible) even more offensive than his insolence. |
»Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Germaine!« Er ging und öffnete die Tür, aus der er mit lauter, sicherer Stimme die Treppe herauf rief: | "Be seated, Mr. Germaine, I beg of you." He turned to the open door, and called up the stairs, in a loud and confident voice: |
»Mary komm sofort herunter!« | "Mary! come down directly." |
Also »Mary!« So musste ich durch Brandt endlich ihren Taufnamen erfahren. aber ich kann nicht beschreiben, wie er mir, von seinen Lippen gesprochen, die Ohren zerriss. Zum ersten Male seit langen Jahren kehrte meine Erinnerung zu Mary Dermody und der Grünwasserfläche zurück, Ich hörte aber schon Frau van Brandts Kleider auf der Treppe tauschen und bei diesem Tone waren die alten Zeiten und die alten Gestalten so gänzlich aus meinem Gedächtnis verschwunden, als hätten sie nie darin gelebt. Was hatte sie denn mit ihrer Namensschwester aus alten Zeiten, mit dem zarten, schüchternen, kleinen Mädchen gemein? Wie konnte das düstere Wohnhaus in London mich an des Vogtes blumenumduftetes Häuschen am Ufer des Sees erinnern? | "Mary"! I knew her Christian name at last, and knew it through Van Brandt. No words can tell how the name jarred on me, spoken by his lips. For the first time for years past my mind went back to Mary Dermody and Greenwater Broad. The next moment I heard the rustling of Mrs. Van Brandt's dress on the stairs. As the sound caught my ear, the old times and the old faces vanished again from my thoughts as completely as if they had never existed. What had she in common with the frail, shy little child, her namesake, of other days? What similarity was perceivable in the sooty London lodging-house to remind me of the bailiff's flower-scented cottage by the shores of the lake? |
Van Brandt nahm den Hut ab und verbeugte sich mit niedriger Unterwürfigkeit vor mir. | Van Brandt took off his hat, and bowed to me with sickening servility. |
»Mich erwartet eine unaufschiebbare Geschäftsangelegenheit« sagte er, »bitte, entschuldigen Sie mich. Frau van Brandt wird Sie empfangen. Guten Morgen.« | "I have a business appointment," he said, "which it is impossible to put off. Pray excuse me. Mrs. Van Brandt will do the honors. Good morning." |
Die Haustür wurde geöffnet und geschlossen, das Rauschen ihres Kleides kam immer näher, bis sie vor mir stand. | The house door opened and closed again. The rustling of the dress came slowly nearer and nearer. She stood before me. |
»Mr. Germaine!« rief sie aus und trat zurück, als ob sie schon bei meinem bloßen Anblick zurückgestoßen wurde. »Ist es ehrenwert, ist es Ihrer würdig, dass Sie mich verleiten lassen, Sie zu empfangen und Herrn van Brandt dabei zu ihrem Mitschuldigen machen? O, mein Herr, ich hatte mich daran gewöhnt zu Ihnen, als zu einem edlen Manne empor zu sehen und wie bitter haben Sie mich enttäuscht!« | "Mr. Germaine!" she exclaimed, starting back, as if the bare sight of me repelled her. "Is this honorable? Is this worthy of you? You allow me to be entrapped into receiving you, and you accept as your accomplice Mr. Van Brandt! Oh, sir, I have accustomed myself to look up to you as a high-minded man. How bitterly you have disappointed me!" |
Ich beachtete ihre Vorwürfe nicht, denn sie erhöhten nur ihre Farbe und steigerten dadurch das Entzücken sie anzuschauen. | Her reproaches passed by me unheeded. They only heightened her color; they only added a new rapture to the luxury of looking at her. |
»Wenn Sie mich so treu liebten, wie ich Sie liebe,« sagte ich, »so würden Sie begreifen, weshalb ich hier bin. Ich scheue kein Opfer um Sie nach zweijähriger Trennung endlich wiederzusehen.« | "If you loved me as faithfully as I love you," I said, "you would understand why I am here. No sacrifice is too great if it brings me into your presence again after two years of absence." |
Sie neigte sich zu mir und richtete ihre Augen tief forschend auf mein Gesicht. | She suddenly approached me, and fixed her eyes in eager scrutiny on my face. |
»Es muss hier ein Irrtum obwalten,« sagte sie, »Sie können meinen Brief unmöglich erhalten haben oder haben Sie ihn nicht gelesen?« | "There must be some mistake," she said. "You cannot possibly have received my letter, or you have not read it?" |
»Ich erhielt und las ihn.« | "I have received it, and I have read it." |
«Und van Brandts Brief auch, haben Sie den auch gelesen?« | "And Van Brandt's letter--you have read that too?" |
»Ja.« | "Yes." |
Sie setzte sich an den Tisch und ihre Arme darauf stützend, bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen. Es schien, als ob meine Antwort sie schmerzte und in Erstaunen versetzte. »Sind denn alle Männer gleich?« hörte ich sie sagen, »ich hoffte, dass er fühlen würde, was seine Pflicht gegen sich selbst war und was ihm das Mitleid für mich gebot.« | She sat down by the table, and, leaning her arms on it, covered her face with her hands. My answers seemed not only to have distressed, but to have perplexed her. "Are men all alike?" I heard her say. "I thought I might trust in his sense of what was due to himself and of what was compassionate toward me." |
Ich schloss die Tür und setzte mich zu ihr. Als sie meine Nähe fühlte, nahm sie die Hände vom Gesicht und sah mich mit kaltem Erstaunen an. | I closed the door and seated myself by her side. She removed her hands from her face when she felt me near her. She looked at me with a cold and steady surprise. |
»Was beabsichtigen Sie nun?« fragte sie. | "What are you going to do?" she asked. |
»Ich werde versuchen mir Ihre Achtung wiederzugewinnen,« sagte ich. »Ich werde zuerst Ihr Mitleid für einen Mann anrufen, dessen ganzes Herz Ihnen gehört, dessen Leben in Ihnen aufgeht!« | "I am going to try if I can recover my place in your estimation," I said. "I am going to ask your pity for a man whose whole heart is yours, whose whole life is bound up in you." |
Sie sprang auf und sah sich ungläubig an, als zweifle sie, ob sie meine letzten Worte richtig gehört und richtig verstanden habe. Ehe ich weiter sprechen konnte, trat sie vor mich hin und schlug mit ihrer geöffneten Hand mit einer so leidenschaftlichen Entschlossenheit auf den Tisch, wie ich sie nie zuvor von ihr gesehen hatte. | She started to her feet, and looked round her incredulously, as if doubting whether she had rightly heard and rightly interpreted my last words. Before I could speak again, she suddenly faced me, and struck her open hand on the table with a passionate resolution which I now saw in her for the first time. |
»Halten Sie ein!« rief sie. »Diese Sache muss und wird ein Ende nehmen. Wissen Sie denn, wer der Mann ist, der eben das Haus verlassen hat? Antworten Sie mir, Mr. Germaine. ich spreche im vollen Ernst.« Es blieb mir keine Wahl als zu antworten, denn sie sprach in der Tat im Ernst - im furchtbaren Ernst. | "Stop!" she cried. "There must be an end to this. And an end there shall be. Do you know who that man is who has just left the I drew closer to her. She tried to get up and leave me. I knew my power over her, and used it (as any man in my place would have used it) without scruple. I took her hand. There was no choice but to answer her. She was indeed in earnest--vehemently in earnest. |
»Aus seinem Briefe ersehe ich,« sprach ich, »dass er Herr van Brandt ist.« | "His letter tells me," I said, "that he is Mr. Van Brandt." |
Sie setzte sich und wendete das Gesicht von mir ab. | She sat down again, and turned her face away from me. |
»Wissen Sie warum er Ihnen schrieb?« fragte sie. »Warum er Sie hierher einlud?« | "Do you know how he came to write to you?" she asked. "Do you know what made him invite you to this house?" |
Ich gedachte des Argwohns, der mich beschlich, als ich van Brandts Brief las und schwieg. | I thought of the suspicion that had crossed my mind when I read Van Brandt's letter. I made no reply. |
»Sie zwingen mich, Ihnen die Wahrheit zu sagen,« fuhr sie fort. »Gestern Abend beim Nachhausegehn fragte er mich, was Sie wären. Da ich wusste, dass Sie ein reicher Mann sind und er Geld braucht, sagte ich ihm, dass ich gar nichts über Ihre Lebensverhältnisse wüsste, aber er ist zu schlau, um mir zu glauben und ging sofort in ein Restaurant, um in einem Adresskalender nachzusehn. Als er zurückkam, sagte er: »Mr. Germaine hat ein Haus in Berkeley Square und einen Landsitz in den Hochlanden. Ein armer Teufel wie ich darf solchen Mann nicht beleidigen, ich beabsichtige ihn mir zum Freunde zu machen und erwarte ein Gleiches von Dir.« Damit setzte er sich hin und schrieb Ihnen. Wissen Sie denn, Mr. Germaine, dass ich nur unter dem Schutze dieses Mannes lebe, seine Frau ist nicht tot, wie Sie wohl voraussehen mögen, sie lebt und ich weiß, dass sie lebt. Ich schrieb Ihnen, dass ich Ihrer Teilnahme nicht mehr wert wäre, nun zwingen Sie mich Ihnen zu sagen, warum. Bin ich nun vor Ihnen genugsam erniedrigt, um Sie wieder zur Besinnung zu bringen?« | "You force me to tell you the truth," she went on. "He asked me who you were, last night on our way home. I knew that you were rich, and that he wanted money. I told him I knew nothing of your position in the world. He was too cunning to believe me; he went out to the public-house and looked at a directory. He came back and said, 'Mr. Germaine has a house in Berkeley Square and a country-seat in the Highlands. He is not a man for a poor devil like me to offend; I mean to make a friend of him, and I expect you to make a friend of him too.' He sat down and wrote to you. I am living under that man's protection, Mr. Germaine. His wife is not dead, as you may suppose; she is living, and I know her to be living. I wrote to you that I was beneath your notice, and you have obliged me to tell you why. Am I sufficiently degraded to bring you to your senses?" |
Ich rückte näher zu ihr heran. Sie wollte aufstehen, um mich zu verlassen, aber da ich meine Macht über sie kannte, bediente ich mich ihrer ohne Bedenken, wie es wohl jeder an meiner Stelle getan hätte. | I drew closer to her. She tried to get up and leave me. I knew my power over her, and used it (as any man in my place would have used it) without scruple. I took her hand. |
»Ich glaube nicht, dass Sie sich freiwillig erniedrigt haben,« sagte ich. »Sie sind zu Ihrer jetzigen Stellung gezwungen worden und verschweigen mir absichtlich die Entschuldigungsgründe. Dennoch werden Sie mich nie überzeugen, dass Sie eine Unwürdige sind! Glauben Sie, dass ich Sie lieben würde, wie ich Sie liebe, wenn Sie meiner wirklich unwert wären?« | "I don't believe you have voluntarily degraded yourself," I said. "You have been forced into your present position: there are circumstances which excuse you, and which you are purposely keeping back from me. Nothing will convince me that you are a base woman. Should I love you as I love you, if you were really unworthy of me?" |
Sie versuchte mir ihre Hand zu entziehen, aber ich hielt sie fest, so beschloss sie denn den Gegenstand des Gesprächs zu wechseln und sagte mit schwachem, erzwungenem Lächeln: | She struggled to free her hand; I still held it. She tried to change the subject. |
»Eines müssen Sie mir noch sagen, haben Sie meine Erscheinung je wiedergesehen, seit ich Sie verließ?« | "There is one thing you haven't told me yet," she said, with a faint, forced smile. "Have you seen the apparition of me again since I left you?" |
»Nein. Haben Sie mich je wieder so gesehn, wie Sie mich im Gasthause in Edinburgh sahen?« | "No. Have you ever seen me again, as you saw me in your dream at the inn in Edinburgh?" |
»Niemals. Unsere gegenseitigen Erscheinungen sind verschwunden, können Sie sich einen Grund dafür denken?« | "Never. Our visions of each other have left us. Can you tell why?" |
Hätten wir diesen Gegenstand weiter verfolgt, so hätte er unbedingt zu unserer Erkennung führen müssen, aber wir ließen ihn fallen. Statt ihre Frage zu beantworten, zog ich sie näher an mich und kehrte zu dem verbotenen Thema von meiner Liebe zurück. | If we had continued to speak on this subject, we must surely have recognized each other. But the subject dropped. Instead of answering her question, I drew her nearer to me--I returned to the forbidden subject of my love. |
»Sehen Sie mich an,« bat ich, »und seien Sie aufrichtig. Können Sie mich sehn, mich hören und finden Sie in Ihrem Herzen keine sympathische Regung für mich? Bin ich Ihnen ganz gleichgültig und haben Sie, seit wir uns trennten, wirklich niemals meiner gedacht?« | "Look at me," I pleaded, "and tell me the truth. Can you see me, can you hear me, and do you feel no answering sympathy in your own heart? Do you really care nothing for me? Have you never once thought of me in all the time that has passed since we last met?" |
Ich sprach, wie ich empfand, inbrünstig, leidenschaftlich. Sie machte einen letzten Versuch mich. von sich zu stoßen, während dessen sie aber schon selbst nachgab. Sie drückte meine Hand und ein leiser Seufzer entfloh ihren Lippen, als sie sich plötzlich von der Rückhaltung, die sie bis jetzt beobachtet hatte frei machte und mir mit voller Hingebung antwortete: | I spoke as I felt--fervently, passionately. She made a last effort to repel me, and yielded even as she made it. Her hand closed on mine, a low sigh fluttered on her lips. She answered with a sudden self-abandonment; she recklessly cast herself loose from the restraints which had held her up to this time. |
»Ich gedenke immer Ihrer, so auch gestern Abend in der Oper und mein Herz jauchzte auf, als ich Ihre Stimme auf der Straße vernahm.« | "I think of you perpetually," she said. "I was thinking of you at the opera last night. My heart leaped in me when I heard your voice in the street." |
»So lieben Sie mich?« flüsterte ich. | "You love me!" I whispered. |
»Ob ich Sie liebe?« wiederholte sie. »Gegen meinen eigenen Willen gehört Ihnen mein ganzes Herz. Ich liebe Sie, ob ich gleich erniedrigt und Ihrer unwert bin, ob ich gleich weiß, dass ich keinerlei Hoffnung habe, dennoch liebe ich Sie!« | "Love you!" she repeated. "My whole heart goes out to you in spite of myself. Degraded as I am, unworthy as I am--knowing as I do that nothing can ever come of it--I love you! I love you!" |
Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und zog mich mit aller Kraft an sich, dann sank sie auf ihre Knie. | She threw her arms round my neck, and held me to her with all her strength. The moment after, she dropped on her knees. |
»Ach, führen Sie mich nicht in Versuchung!« sprach sie. »Haben Sie Erbarmen mit mir!« | "Oh, don't tempt me!" she murmured. "Be merciful--and leave me." |
Ich war außer mir und sprach eben so rückhaltlos, wie sie zu mir gesprochen hatte. | I was beside myself. I spoke as recklessly to her as she had spoken to me. |
»So beweisen Sie mir, dass Sie mich lieben,« sagte ich, »indem Sie mir gestatten Sie von dem erniedrigenden Leben mit diesem Manne zu erretten. Verlassen Sie ihn und folgen Sie mir, verlassen Sie ihn auf immer und suchen Sie an meiner Seite eine bessere Zukunft, die Ihrer würdig ist - die Zukunft, mein Weib zu sein.« | "Prove that you love me," I said. "Let me rescue you from the degradation of living with that man. Leave him at once and forever. Leave him, and come with me to a future that is worthy of you--your future as my wife." |
»Niemals!« sagte sie, sich zu meinen Füßen niederkauernd. | "Never!" she answered, crouching low at my feet. |
»Warum nicht? Was behindert Sie?« | "Why not? What obstacle is there?" |
»Das kann und darf ich Ihnen nicht sagen.« | "I can't tell you--I daren't tell you." |
»Wollen Sie es mir schreiben?« | "Will you write it?" |
»Nein, Ihnen kann ich es auch nicht schreiben. Gehen Sie, ich flehe Sie an, ehe van Brandt heimkehrt, gehen Sie, wenn Sie Liebe, wenn Sie Mitleid für mich fühlen.« | "No, I can't even write it--to you. Go, I implore you, before Van Brandt comes back. Go, if you love me and pity me." |
Sie hatte meine Eifersucht erregt und ich verweigerte Sie zu verlassen. | She had roused my jealousy. I positively refused to leave her. |
»Ich fordre von Ihnen zu wissen, was Sie an diesen Mann fesselt,« sagte ich. »Lassen Sie ihn kommen! Wenn Sie mir diese Frage nicht beantworten wollen, werde ich sie ihm vorlegen.« | "I insist on knowing what binds you to that man," I said. "Let him come back! If you won't answer my question, I will put it to him." |
Sie sah mich wild an und stieß einen Schrei des Entsetzens aus, als sie meinen unwandelbaren Entschluss auf meinem Gesichte las. | She looked at me wildly, with a cry of terror. She saw my resolution in my face. |
»So lassen Sie mich nachdenken,« sagte sie, »aber erschrecken Sie mich nicht!« | "Don't frighten me," she said. "Let me think." |
Als sie einen Augenblick nachgedacht, erhellten sich ihre Augen, als hätte sie einen neuen Ausweg aus diesen Verwickelungen gefunden. | She reflected for a moment. Her eyes brightened, as if some new way out of the difficulty had occurred to her. |
»Lebt Ihre Mutter noch?« fragte sie. | "Have you a mother living?" she asked. |
»Ja.« | "Yes." |
»Würde sie zu mir kommen?« | "Do you think she would come and see me?" |
»Wenn ich sie darum bitte, gewiss.« | "I am sure she would if I asked her." |
Sie überlegte wiederum und sagte dann nachdenklich: »dann will ich Ihrer Mutter das Hindernis nennen.« | She considered with herself once more. "I will tell your mother what the obstacle is," she said, thoughtfully. |
»Wann?« | "When?" |
»Morgen um diese Zeit.« | "To-morrow, at this time." |
Sie erhob sich von den Knien und Tränen standen in ihren Augen. Indem sie mich sanft an sich zog, flüsterte sie: »Küssen Sie mich, denn wir werden uns nie wiedersehn, küssen Sie mich zum letzten Male.« | She raised herself on her knees; the tears suddenly filled her eyes. She drew me to her gently. "Kiss me," she whispered. "You will never come here again. Kiss me for the last time." |
Kaum hatten meine Lippen die ihren berührt, als sie aufsprang und meinen Hut von dem Stuhle nahm, auf den ich ihn gestellt hatte. | My lips had barely touched hers, when she started to her feet and snatched up my hat from the chair on which I had placed it. |
»Er kommt,« sagte sie, »nehmen Sie Ihren Hut.« | "Take your hat," she said. "He has come back." |
Mein schwächerer Gehöressinn hatte nichts wahrgenommen, aber um sie zu beruhigen, stand ich auf und nahm meinen Hut zur Hand. In demselben Augenblicke wurde die Tür schnell und leise geöffnet und Herr van Brandt trat ein. Die Enttäuschung in seinen Zügen sagte mir deutlich, dass er uns aus irgendeinem niedrigen Grunde zu überraschen hoffte und dass seine Absicht fehlgeschlagen war. | My duller sense of hearing had discovered nothing. I rose and took my hat to quiet her. At the same moment the door of the room opened suddenly and softly. Mr. Van Brandt came in. I saw in his face that he had some vile motive of his own for trying to take us by surprise, and that the result of the experiment had disappointed him. |
»Sie werden doch jetzt nicht aufbrechen?« sagte er und heftete seine Augen auf seine Frau, während er mit mir sprach. »Ich habe mein Geschäft möglichst beschleunigt, um Sie noch hier zu finden und zu bitten mit uns zu frühstücken. So legen Sie Ihren Hut doch ab, Mr. Germaine, und machen Sie keine Umstände.« | "You are not going yet?" he said, speaking to me with his eye on Mrs. Van Brandt. "I have hurried over my business in the hope of prevailing on you to stay and take lunch with us. Put down your hat, Mr. Germaine. No ceremony!" |
»Sie sind sehr gütig,« erwiderte ich, »aber ich muss Sie und Frau van Brandt bitten, mich für heute zu entschuldigen, meine Zeit ist grade sehr gemessen.« | "You are very good," I answered. "My time is limited to-day. I must beg you and Mrs. Van Brandt to excuse me." |
Ich verabschiedete mich von ihr, während ich sprach, sie erblasste, als ich ihr die Hand gab. Hatte sie, wenn ich den Rücken kehrte, irgend eine Misshandlung von van Brandt zu fürchten? Der Gedanke machte mein Blut gerinnen, aber ich gedachte ihrer und sagte mir, dass es für sie das Weiseste und Sicherste war, wenn ich ihren Mann für mich gewann, ehe ich ging. Darum sagte ich, als wir zur Tür gingen: »Ich bedaure sehr Ihre Einladung nicht annehmen zu können, vielleicht gestatten Sie mir ein andres Mal Ihr Gast zu sein?« | I took leave of her as I spoke. She turned deadly pale when she shook hands with me at parting. Had she any open brutality to dread from Van Brandt as soon as my back was turned? The bare suspicion of it made my blood boil. But I thought of her. In her interests, the wise thing and the merciful thing to do was to conciliate the fellow before I left the house. "I am sorry not to be able to accept your invitation," I said, as we walked together to the door. "Perhaps you will give me another chance?" |
Er blinzelte schlau mit den Augen und fragte: »Was meinen Sie zu einem kleinen, einfachen Mittagsmahl mit uns? Nichts als ein Stück Hammelbraten und eine Flasche guten Weines. Ich lade nur noch einen alten Freund dazu ein, damit wir unserer Vier sind, und am Abend einen Rubber Whist spielen können; Sie als Marys Partner - wie? Wann wollen Sie kommen, wollen wir gleich übermorgen bestimmen? Sie war mit bis an die Tür gekommen und stand hinter van Brandt. Als er des »alten Freundes« und des »Rubbers Whist« erwähnte, drückten ihre Züge Scham und Widerwillen aus. Erst als sie hörte, dass er den Tag der Gesellschaft als auf »übermorgen« festsetzte, wurden ihre Züge ruhiger, als wenn sie sich erheblich erleichtert fühlte. Was bedeutete das? »Auf morgen« hatte sie sich den Besuch meiner Mutter erbeten, glaubte sie wirklich, dass ich nie wieder ihr Haus betreten und jeden Versuch sie wiederzusehn aufgeben würde, wenn ich erfuhr, was sie meiner Mutter zu sagen hatte. Fühlte sie sich deshalb erleichtert, als sie hörte, dass die Mittagsgesellschaft erst am Tage darauf stattfinden sollte? | His eyes twinkled cunningly. "What do you say to a quiet little dinner here?" he asked. "A slice of mutton, you know, and a bottle of good wine. Only our three selves, and one old friend of mine to make up four. We will have a rubber of whist in the evening. Mary and you partners--eh? When shall it be? Shall we say the day after to-morrow?" She had followed us to the door, keeping behind Van Brandt while he was speaking to me. When he mentioned the "old friend" and the "rubber of whist," her face expressed the strongest emotions of shame and disgust. The next moment (when she had heard him fix the date of the dinner for "the day after to-morrow") her features became composed again, as if a sudden sense of relief had come to her. What did the change mean? "To-morrow" was the day she had appointed for seeing my mother. Did she really believe, when I had heard what passed at the interview, that I should never enter the house again, and never attempt to see her more? And was this the secret of her composure when she heard the date of the dinner appointed for "the day after to-morrow"? |
Ich nahm die Einladung an und verließ das Haus, indem ich diese Frage in mir bewegte. Ihr Abschiedskuss, die sichtliche Erleichterung, die sie empfand, als die Gesellschaft auf übermorgen festgesetzt war, das Alles bedrückte mich und ich hätte gern zwölf Jahre meines Lebens darum hin gegeben, hätte ich die nächsten zwölf Stunden damit auslösen können. | Asking myself these questions, I accepted my invitation, and left the house with a heavy heart. That farewell kiss, that sudden composure when the day of the dinner was fixed, weighed on my spirits. I would have given twelve years of my life to have annihilated the next twelve hours. |
In diesem Gemütszustande langte ich zu Hause an und suchte meine Mutter in ihrem Wohnzimmer auf. | In this frame of mind I reached home, and presented myself in my mother's sitting-room. |
»Veranlasste Dich das schöne Wetter früher als gewöhnlich auszugehn, mein lieber Sohn?« sagte sie. Als sie mich aber nach einer Pause näher betrachtete, rief sie erschreckt aus: »George! Was ist Dir zugestoßen? Wo warst Du?« | "You have gone out earlier than usual to-day," she said. "Did the fine weather tempt you, my dear?" She paused, and looked at me more closely. "George!" she exclaimed, "what has happened to you? Where have you been?" |
Ich erzählte ihr Alles eben so aufrichtig, wie ich es hier getan habe. | I told her the truth as honestly as I have told it here. |
Das Blut stieg ihr ins Gesicht und sie sprach mit einer Strenge zu mir, die ich gar nicht von ihr gewohnt war. | The color deepened in my mother's face. She looked at me, and spoke to me with a severity which was rare indeed in my experience of her. |
»Muss ich Dich zum ersten Male in Deinem Leben darauf aufmerksam machen, was Du Deiner Mutter schuldig bist?« fragte sie. »Kannst Du wirklich von mir verlangen, dass ich eine Frau besuche, die nach ihrem eigenen Geständnis -« | "Must I remind you, for the first time in your life, of what is due to your mother?" she asked. "Is it possible that you expect me to visit a woman, who, by her own confession--" |
»Ich ersuche Dich eine Frau zu besuchen, die es nur ein Wort kostete um Deine Schwiegertochter zu werden,« unterbrach ich sie. »Sei überzeugt, dass ich nichts von Dir fordern würde, was unter Deiner Würde ist.« | "I expect you to visit a woman who has only to say the word and to be your daughter-in-law," I interposed. "Surely I am not asking what is unworthy of you, if I ask that?" |
Meine Mutter blickte erschrocken zu mir auf. | My mother looked at me in blank dismay. |
»Du willst doch damit nicht sagen, dass Du ihr einen Heiratsantrag gemacht hast, George?« | "Do you mean, George, that you have offered her marriage?" |
»Ja .« | "Yes." |
»Und sie hat ihn abgelehnt?« | "And she has said No?" |
»Sie lehnt ihn ab, weil irgend ein Hindernis im Wege steht, das ich mich vergeblich von ihr zu erfahren bemühte. Dir nur will sie es anvertrauen.« | "She has said No, because there is some obstacle in her way. I have tried vainly to make her explain herself. She has promised to confide everything to you." |
Der Ernst der Sachlage zwang meine Mutter nachzugeben. Indem sie mir das kleine Täfelchen von Elfenbein reichte, auf dem sie ihre geselligen Verpflichtungen zu notieren pflegte, sagte sie: »Schreibe den Namen und die Adresse hierauf.« | The serious nature of the emergency had its effect. My mother yielded. She handed me the little ivory tablets on which she was accustomed to record her engagements. "Write down the name and address," she said resignedly. |
»Ich werde Dich begleiten,« antwortete ich, »und vor der Türe im Wagen warten, denn ich muss im Augenblick, wo Deine Zusammenkunft mit Frau van Brandt beendet ist, das Resultat hören.« | "I will go with you," I answered, "and wait in the carriage at the door. I want to hear what has passed between you and Mrs. Van Brandt the instant you have left her." |
»Ist die Sache so ernst, George?« | "Is it as serious as that, George?" |
»Ja, Mutter, sie ist sehr ernst.« | "Yes, mother, it is as serious as that." |
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