Memoiren eines Adoptivsohns

I Umstände vor seiner Geburt

Gegen Anfang des achtzehnten Jahrhunderts stand auf einem Felsen im Meer in der Nähe eines Fischerdorfes an der Küste der Bretagne eine Turmruine mit einem sehr schlechten Ruf. Kein lebender Mensch wusste von einem Sterblichen, der diesen Turm bewohnt hatte. Der einzige Bewohner, den die Überlieferung mit der Behausung des Ortes zu einer fernen Zeit in Verbindung brachte, war aus den höllischen Gegenden dorthin gezogen – warum er dort einzog, wie lange er dort lebte und wann er seinen Besitz wieder verließ, wusste niemand. Unter solchen Umständen war nichts natürlicher, als dass dieses unirdische Individuum dieser Behausung einen Namen geben sollte; aus diesem Grund wurde das Gebäude danach in der ganzen Nachbarschaft unter dem Namen Teufelsturm bekannt.

Im Frühjahr des Jahres 1700 wurden die Einwohner des Dorfes eines Nachts davon erschreckt, dass sie das rote Glühen eines Feuers im Turm sahen und von derselben Richtung einen außerordentlich starken Geruch von Bratfisch rochen. Am nächsten Morgen waren die Fischer, die in ihren Booten an dem Gebäude vorbeifuhren, überrascht zu sehen, dass ein Fremder sein Lager darin aufgeschlagen hatte. Von weitem betrachtet schien er ein großer, stämmiger Kerl zu sein; er hatte eine Fischerkluft an und er hatte ein neues Boot, welches behaglich in einer Felsenkluft vertäut war. Wenn er einen Ort von anständigem Ruf bezogen hätte, hätten seine Nachbarn sofort seine Bekanntschaft gemacht; aber so wie die Dinge lagen, war alles, was sie wagen konnten, ihn still zu beobachten.

Der erste Tag verging und obwohl es gutes Wetter war, benutzte er sein Boot nicht. Der zweite Tag kam, wieder mit schönem Wetter, und immer noch war er so untätig wie zuvor. Am dritten Tag, als ein gewaltiger Sturm alle Boote des Dorfes auf dem Strand zurückhielt – am dritten Tag, mitten im Gewitter, ging der Mann aus dem Turm fort, um sein erstes Fischerexperiment in fremden Gewässern zu machen! Er und sein Boot kamen wohlbehalten während einer Pause des Sturms zurück; und die Dorfbewohner, die ihn von der Klippe herab beobachteten, sahen, wie er körbeweise Fische in seinen Turm hinauftrug. Kein solcher Fang war einem von ihnen je zugefallen und der Fremde hatte ihn in einem Orkan gemacht!

Daraufhin beriefen die Dorfbewohner eine Versammlung ein. Die Auseinandersetzung wurde von einem cleveren, jungen Kerl, einem Fischer namens Poulailler, der handfest erklärte, dass der Fremde im Turm höllischen Ursprungs sei, angeführt. »Der Rest von euch kann ihn nennen, wie er will«, sagte Poulailler; »Ich nenne ihn den Teufelsfischer!«

Die so ausgesprochene Meinung erwies sich als die Meinung der gesamten Zuhörerschaft – mit der einen Ausnahme des Dorfpfarrers. Der Pfarrer sagte: »Sachte, meine Söhne. Urteilt nicht vorschnell über den Mann im Turm. Wartet bis Sonntag und seht, ob er zur Kirche kommt.«

»Und wenn er nicht zur Kirche kommt?« fragten alle Fischer in einem Atemzug.

»In diesem Fall«, antwortete der Pfarrer, »werde ich ihn exkommunizieren; und dann, meine Kinder, könnt ihr ihn nennen, wie ihr wollt.«

Der Sonntag kam und kein Zeichen des Fremden verdunkelte die Kirchentüren. Er wurde folglich exkommuniziert. Das ganze Dorf adoptierte unverzüglich Poulaillers Idee und nannte den Mann aus dem Turm bei dem Namen, welchen Poulailler ihm gegeben hatte – »Der Teufelsfischer.«

Diese Vorkommnisse erzeugten nicht die kleinste sichtbare Wirkung auf die diabolische Person, welche sie verursacht hatte. Er beharrte darauf, untätig zu sein, wenn das Wetter schön war und hinaus zum Fischen zu gehen, wenn kein anderes Boot am Ort es wagte, in See zu stechen, und zu seinem abgelegenen Wohnsitz mit vollen Netzen, unbeschädigtem Boot und ihm selbst gesund und munter zurückzukommen. Er machte keinen Versuch, mit jemandem zu handeln und er hielt sich stets fern vom Dorf, lebte von Fisch mit dessen eigenem übernatürlichem Bratgeruch, und sprach nie mit einer lebenden Seele – mit der alleinigen Ausnahme von Poulailler. Eines schönen Abends, als der junge Mann am Turm vorbei nach Hause ruderte, stürzte der Teufelsfischer hinaus zum Felsen und sagte: »Danke, Poulailler, dass du mir einen Namen gegeben hast«, verbeugte sich höflich und sauste wieder hinein. Der junge Fischer fühlte die Worte kalt seinen Rücken hinunterrinnen; und wann immer er nach diesem Tag wieder auf See war, machte er einen großen Bogen um den Turm.

Die Zeit verging und ein wichtiges Ereignis fand in Poulaillers Leben statt. Er würde bald heiraten. Am Tag, als seine Verlobung öffentlich bekannt gemacht wurde, drängten sich seine Freunde laut um ihn auf dem Anlegesteg des Dorfes, um ihm zu gratulieren. Als sie alle zu Höchstform aufliefen, machte sich plötzlich eine seltsame Stimme durch all das Stimmengewirr hörbar, welche alle auf einen Schlag zur Ruhe brachte. Die Ansammlung wich zurück und gab den Teufelsfischer frei, der den Steg hinaufschlenderte. Es war das erste Mal, dass er je seinen Fuß – einen paarhufigen Fuß – in den Dorfbezirk gesetzt hatte.

»Gentlemen«, sagte der Teufelsfischer, »wo ist mein Freund Poulailler?« Er stellte die Frage mit vollkommener Höflichkeit; er schaute in seiner Fischerkluft außergewöhnlich gut aus; er atmete einen würzigen Geruch von gebratenem Fisch aus; für die Männer hatte er ein freundliches Kopfnicken, für die Frauen ein süßes Lächeln übrig; aber trotz all dieser persönlichen Vorzüge wich jeder vor ihm zurück und niemand beantwortete seine Frage. Die Kälte des öffentlichen Empfangs brachte ihn jedoch in keiner Weise in Verlegenheit. Er hielt mit suchenden Augen nach Poulailler aus, entdeckte den Platz, wo er stand und redete ihn in der freundlichsten Weise an.

»Du wirst also heiraten?« bemerkte der Teufelsfischer.

»Was geht das dich an?« rief Poulailler. Innerlich war er voller Angst, aber äußerlich schroff – keine ungewöhnliche Kombination von Gefühlen bei Männern seiner Klasse in seiner Gemütsverfassung.

»Mein Freund«, fuhr der Teufelsfischer fort. »Ich habe deine höfliche Aufmerksamkeit nicht vergessen, mir einen Namen zu geben und ich komme hierher, um dies zu belohnen. Du wirst eine Familie haben, Poulailler, und dein erstes Kind wird ein Junge sein. Ich schlage vor, dass ich diesen Jungen als meinen Adoptivsohn nehme.«

Das Mark von Poulaillers Rücken wurde schrecklich kalt; aber trotz seines Rückens wurde er schroffer denn je.

»Du wirst nichts dergleichen tun«, antwortete er. »Und wenn ich die größte Familie in Frankreich hätte, so würde keines meiner Kinder dir jemals nahe kommen.«

»Trotz alledem werde ich deinen Erstgeborenen adoptieren«, beharrte der Teufelsfischer. »Poulailler, ich wünsche dir einen guten Morgen. Ladies und Gentlemen, Ihnen ebenfalls.«

Mit diesen Worten zog er sich vom Steg zurück und das Rückenmark von Poulailler gewann wieder an Temperatur.

Der nächste Morgen war stürmisch und das ganze Dorf erwartete, wie gewöhnlich das Boot vom Turm in See stechen zu sehen. Kein Zeichen davon erschien. Später am Tag wurde der Felsen, auf dem das Gebäude stand, aus der Ferne untersucht. Weder Boot noch Netze waren an ihrem üblichen Platz. Nachts wurde zum ersten Mal das rote Schimmern des Feuers vermisst. Der Teufelsfischer war weg! Er hatte sein Vorhaben auf dem Steg geäußert und war verschwunden. Was hatte dies zu bedeuten? Niemand wusste es.

An Poulaillers Hochzeit brachte ein unheilvoller Umstand die Erinnerung an den teuflischen Fremden zurück und selbstverständlich beunruhigte dieser in ernsthafter Weise den Rücken des Bräutigams. In dem Moment, als die Zeremonie beendet war, stahl sich ein würziger Geruch von gebratenem Fisch in die Nasen der Gesellschaft und eine Stimme von unsichtbaren Lippen sprach: »Verliere nicht den Mut, Poulailler; ich habe mein Versprechen nicht vergessen!«

Ein Jahr später war Madame Poulailler in den Händen der Hebamme des Dorfes und eine Wiederholung des unheilvollen Umstands ereignete sich. Poulailler wartete gerade in der Küche, um zu erfahren, wie es oben ausgegangen sei. Die Krankenschwester kam mit einem Baby herein. »Was ist es?« fragte der glückliche Vater, »Mädchen oder Junge?« Bevor die Krankenschwester eine Antwort geben konnte, füllte ein übernatürlicher Geruch von gebratenem Fisch die Küche und eine Stimme von unsichtbaren Lippen antwortete: »Ein Junge, Poulailler, und er gehört mir!«

Dies waren die Umstände, unter welchen das Subjekt dieser Memoiren in die Sorgen und Freuden der sterblichen Existenz eingeführt wurde.


Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis für diese Geschichte