Namenlos



II.

Mr. Pendril an Miss Garth.

Searle-Street,
den 4. Januar 1848.

Liebe Miss Garth!

Von Mrs. Noël Vanstone selbst habe ich Nichts gehört. Aber ich habe erfahren, seitdem ich Sie sprach, daß der Bericht von der Lage, in welche sie durch den Tod ihres Mannes gekommen ist, als zuverlässig betrachtet werden kann. Kein Vermächtniß irgend einer Art ist ihr hinterlassen worden. Ihr Name ist nicht ein einziges Mal in ihres Mannes Testament erwähnt.

Bei dem Stande unserer Kenntniß von der Sache können wir uns nicht verhehlen, daß dieser Umstand uns neue Schwierigkeiten zu bereiten droht, vielleicht sogar neuen Kummer. Mrs. Noël Vanstone ist nicht die Frau, welche sich dem gänzlichen Umsturz all ihrer Pläne und all ihrer Hoffnungen fügen wird, ohne einen verzweifelten Widerstand zu leisten. Gerade die Thatsache, daß seit dem Tode ihres Gatten durchaus Nichts wieder von ihr gehört worden ist, bereitet mich im Geiste anf ein neues bevorstehendes Unheil vor. In ihrer Lage und mit ihrem Charakter muß ich, je ruhiger sie ist, desto bestimmter ein für alle Mal für die Zukunft mißtrauen Es ist ganz unmöglich zu sagen, zu welchen gewaltsamen Schritten ihre gegenwärtige Noth sie treiben mag. Es ist unmöglich, uns vor einem öffentlichen Aergerniß sicher zu fühlen, das sie dies Mal geben kann und das ihre unschuldige Schwester ebenso sehr berühren dürfte, als sie selber. Ich weiß, Sie werden den Beweggrund nicht mißdeuten, der mich veranlaßt hat, diese Zeilen zu schreiben. Ich weiß, Sie werden nicht denken, daß ich unbedacht genug bin, Ihnen unnöthige Unruhe zu verursachen. Mein aufrichtiger Wunsch, jene glückliche Aussicht verwirklicht zu sehen, auf die Sie in Ihrem Briefe hindeuten, hat mich veranlaßt, weit weniger zurückhaltend als ich sonst wohl gewagt haben würde, an Sie zu schreiben. Ich ersuche Sie aufs Dringendste Ihren Einfluß bei jeder Gelegenheit, wo Sie denselben füglich ausüben können, dahin geltend zu machen, daß die aufblühende Neigung unterstützt und außer Bereich etwaiger kommender Ereignisse gestellt werde, sobald Sie eben in der Lage sind, Dies zu thun. Wenn ich Ihnen sage, daß das Vermögen, welches man Mrs Noël Vanstone geraubt hat, ganz und gar dem Admiral Bartram vermocht worden ist, und wenn ich hinzufüge, daß Mr. George Bartram seines Oheims muthmaßlicher Erbe ist, so werden Sie wohl —— denke ich —— zugeben, daß ich Ihnen nicht ohne guten Grund einen Wink gebe.

Ihr ganz getreuer

William Pendril.


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