Der Mondstein
Sechstes Capitel.
l. Miß Clack beehrt sich, Herrn Franklin Blake mit ihren besten Empfehlungen das fünfte Capitel ihres Berichts zu übersenden; sie erlaubt sich dabei zu bemerken, daß sie sich durchaus unfähig fühlt, sich über ein unter den obwaltenden Umständen so entsetzliches Ereigniß, wie es der Tod Lady Verinder’s ist, zu verbreiten und hat deshalb ihrem Manuskript zahlreiche Auszüge aus werthvollen, in ihrem Besitz befindlichen Schriften beigefügt, welche alle dieses furchtbare Thema behandeln. Sie schließt mit dem Ausdruck des Wunsches, daß diese Auszüge auf ihren geschätzten Verwandten, Herrn Franklin Blake, wirken mögen, wie die gewaltigen Töne einer Posaune.
2. Herr Franklin Blake sagt Miß Clack mit freundlichen Grüßen seinen verbindlichen Dank für die Sendung des fünften Capitels ihres Berichts. Die dem Bericht angehängten Auszüge folgen anbei zurück. Herr Franklin Blake enthält sich jeder Ausdeutung seiner persönlichen Ansicht über den Werth dieser Art von Literatur und beschränkt sich auf die Bemerkung, daß die fraglichen Anlagen zu dem Manuskript zur Erreichung des Zieles, das er sich gesteckt hat, nicht erforderlich sind.
3. Miß Clack bekennt sich zum Empfang der ihr zurückgesandten Auszüge und erlaubt sich Herrn Franklin Blake freundlichst daran zu erinnern, daß sie eine Christin und daß es deshalb ganz unmöglich für ihn ist, sie zu beleidigen. Miß Clack nimmt fortwährend das lebhafteste Interesse an Herrn Franklin Blake und verpfändet ihr Wort dafür, daß sie ihm bei der ersten Gelegenheit, wo er krank darnieder liegt, ihre Auszüge wieder zur Verfügung zu stellen bereit sein wird. Inzwischen möchte sie vor Beginn des nächsten und letzten Capitels ihres Berichts gern wissen, ob es ihr gestattet ist, ihren bescheidenen Beitrag dadurch zu vervollständigen, daß sie die Dinge in dem Lichte darstellt, welches spätere Entdeckungen über das Geheimniß des Mondsteins verbreitet haben.
4. Herr Franklin Blake bedauert, dem Wunsche Miß Clack’s nicht entsprechen zu können. Er kann die Instructionen, welche er die Ehre hatte, ihr beim Beginn ihres Berichtes zu ertheilen, nur wiederholen. Sie wird ersucht, sich auf ihre persönlichen Erfahrungen über Personen und Dinge, wie sie in ihrem Tagebuche verzeichnet sind, zu beschränken. Spätere Entdeckungen wolle sie gütigst der Feder solcher Personen überlassen, welche in der Eigenschaft von Zeugen darüber zu schreiben im Stande sind.
5. Miß Clack bedauert unendlich, Herrn Franklin Blake abermals behelligen zu müssen. Ihre Auszüge sind ihr zurückgeschickt und der Ausdruck ihrer gereiften Ansichten über die Angelegenheit des Mondsteins ist ihr untersagt worden. Miß Clack ist sich schmerzlich bewußt, daß sie sich (weltlich gesprochen) dadurch gekränkt fühlen müßte. Aber nein — Miß Clack hat in der Schule des Unglücks Beharrlichkeit gelernt. Der Zweck dieser Zeilen ist, zu erfahren, ob Herr Blake, der ihr alles Uebrige untersagt, auch gegen die Aufnahme der gegenwärtigen Correspondenz in Miß Clack’s Bericht etwas einzuwenden hat. Die Zulassung einer Erklärung über die Lage, in welche Herrn Blake’s Verbot sie als Schriftstellerin versetzt hat, scheint durch die einfachste Billigkeit geboten und Miß Clack hat ihrerseits den lebhaften Wunsch, ihre Briefe, die für sich selber sprechen, veröffentlicht zu sehen.
6. Herr Franklin Blake genehmigt Miß Clacks Vorschlag in der Voraussetzung, daß sie diese seine Einwilligung gefälligst als den Schluß dieser Correspondenz betrachten wolle.
7. Miß Clack betrachtet es als einen Act christlicher Pflichterfüllung, Herrn Franklin Blake vor dem Schluß ihrer Correspondenz davon in Kenntniß zu setzen, daß er den augenscheinlichen Zweck seines letzten Briefes, sie zu kränken, nicht erreicht hat. Sie ersucht Herrn Franklin Blake, sich in sein Kämmerlein zurückzuziehen und sich selbst in stillem Nachdenken zu fragen, ob die Erziehung, welche ein armes schwaches Weib für Insulten so unempfänglich zu machen im Stande ist, nicht größere Bewunderung verdient als er ihr angedeihen zu lassen jetzt geneigt ist. Sobald Miß Clack eine desfallsige Aufforderung erhält, wird sie, wie sie hiermit feierlichst verspricht, Herrn Franklin Blake die vollständige Sammlung ihrer Auszüge wieder zusenden.
(Aus diesen Brief erfolgte keine Antwort. Eines weiteren
Commentars bedarf es nicht.
Gezeichnet: Drusilla Clack.)
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