Zwei Schicksalswege

Äußere Schicksale trennen unsOUR DESTINIES PART US
Unten auf dem Hausflur angelangt, ließ ich mir die Wirtin auf einen Augenblick rufen. Ich musste noch ermitteln, in welchem der Londoner Gefängnisse van Brandt sich befand und sie war die einzige Person, an die ich eine Frage darüber richten konnte.DESCENDING to the ground-floor of the house, I sent to request a moment's interview with the landlady. I had yet to learn in which of the London prisons Van Brandt was confined; and she was the only person to whom I could venture to address the question.
Nachdem die Frau meine Frage beantwortet hatte, legte sie sich in ihrer eigenen, schmutzigen Weise die Gründe zurecht, die mich veranlassen konnten, van Brandt aufzusuchen.Having answered my inquiries, the woman put her own sordid construction on my motive for visiting the prisoner.
»Ist das Geld, das Sie oben ließen, auch schon wieder in seinen gierigen Taschen verschwunden?« fragte sie. »Wäre ich so reich wie Sie, so würde ich das ruhig geschehen lassen, aber ihn würde ich an Ihrer Stelle nicht mit einer Zange anfassen.«"Has the money you left upstairs gone into his greedy pockets already?" she asked. "If I was as rich as you are, I should let it go. In your place, I wouldn't touch him with a pair of tongs!"
Ich zog wirklich Nutzen aus der rohen Warnung der Frau - ein neuer Gedanke stieg mir auf! Bis ich sie sprach, war ich zu verstimmt oder zu benommen gewesen, um mir klar zu machen, wie überflüssig es sei, dass ich mich bis zu einem persönlichen Verkehr mit van Brandt in seinem Gefängnisse erniedrigte. Jetzt erst sah ich ein, dass, selbstredend, meine Rechtsbeistände meine geeignetsten Vertreter in dieser Angelegenheit waren, und dass mir daraus noch der Vorteil erwuchs, selbst van Brandt meinen Anteil an dieser Veränderung zu verschweigen. Ich fuhr sogleich zu meinen Anwälten. Der Älteste von ihnen, der erprobte Freund und Ratgeber meiner Familie, empfing mich.The woman's coarse warning actually proved useful to me; it started a new idea in my mind! Before she spoke, I had been too dull or too preoccupied to see that it was quite needless to degrade myself by personally communicating with Van Brandt in his prison. It only now occurred to me that my legal advisers were, as a matter of course, the proper persons to represent me in the matter--with this additional advantage, that they could keep my share in the transaction a secret even from Van Brandt himself. I drove at once to the office of my lawyers. The senior partner--the tried friend and adviser of our family--received me.
Mein Auftrag setzte ihn natürlich in Erstaunen Er sollte sofort auf meine Anweisung die Gläubiger des Gefangenen befriedigen, ohne zu irgendjemand meinen Namen zu nennen und sollte in allem Ernst als Bürgschaft für die Rückzahlung Herrn van Brandts bloße Unterschrift annehmen!My instructions, naturally enough, astonished him. He was immediately to satisfy the prisoner's creditors, on my behalf, without mentioning my name to any one. And he was gravely to accept as security for repayment--Mr. Van Brandt's note of hand!
»Ich glaubte mit allen den verschiedenen Wegen vertraut zu sein, auf denen ein Ehrenmann sein Geld wegwerfen kann,« bemerkte der alte Herr. »Ich muss Sie beglückwünschen, Mr. Germaine, dass Sie eine ganz neue Weise, Ihre Börse zu leeren, erfunden haben. Eine Zeitung zu gründen, ein Theater zu pachten, Rennpferde zu halten, in Monaco zu spielen - das Alles sind sehr wirksame Mittel um Geld los zu werden, aber sie Alle müssen vor dem Einen, Herrn van Brandts Schulden zu bezahlen, die Segel streichen!«"I thought I was well acquainted with the various methods by which a gentleman can throw away his money," the senior partner remarked. "I congratulate you, Mr. Germaine, on having discovered an entirely new way of effectually emptying your purse. Founding a newspaper, taking a theater, keeping race-horses, gambling at Monaco, are highly efficient as modes of losing money. But they all yield, sir, to paying the debts of Mr. Van Brandt!"
Ich verließ ihn und kehrte nach Hause zurück.I left him, and went home.
Der Diener, der mir die Tür öffnete, brachte mir eine Bestellung von meiner Mutter. Sie wünschte mich sobald als irgend möglich zu sprechen.The servant who opened the door had a message for me from my mother. She wished to see me as soon as I was at leisure to speak to her.
Ich ging sofort zu ihr in ihr Wohnzimmer.I presented myself at once in my mother's sitting-room.
»Nun, George ?« sagte sie, ohne ein Wort der Vorbereitung auf das was folgen sollte. »Wie hast Du Frau van Brandt verlassen?«"Well, George?" she said, without a word to prepare me for what was coming. "How have you left Mrs. Van Brandt?"
Mir stand der Verstand völlig still.I was completely thrown off my guard.
»Wer sagte dir, dass ich bei Frau van Brandt war?« fragte ich."Who has told you that I have seen Mrs. Van Brandt?" I asked.
»Lieber Sohn! Dein Gesicht hat es mir verraten. Sollte ich noch nicht wissen, wie Du aussiehst, und wie Du sprichst, wenn Frau van Brandt Dir im Sinn liegt? Setze Dich zu mir. Ich weiß nicht warum, aber ich kam heute Morgen nicht dazu, Dir etwas zu sagen, wie ich es vorhatte, mir fehlte der Mut. Jetzt bin ich beherzter und kann es aussprechen. Du liebst Frau van Brandt immer noch, mein Sohn! Ich gebe meine Einwilligung, dass Du sie heiratest.«"My dear, your face has told me. Don't I know by this time how you look and how you speak when Mrs. Van Brandt is in your mind. Sit down by me. I have something to say to you which I wanted to say this morning; but, I hardly know why, my heart failed me. I am bolder now, and I can say it. My son, you still love Mrs. Van Brandt. You have my permission to marry her."
Das waren ihre Worte! Vor kaum einer Stunde hatte ich von Frau van Brandts eigenen Lippen gehört, dass unsere Verbindung eine Unmöglichkeit sei. Eine halbe Stunde war noch kaum verflossen seit ich Anordnungen getroffen hatte, um den Mann in Freiheit zu setzen, der ein großes Hindernis für unsere Verheiratung war. Diese Zeit grade hatte meine Mutter, ahnungslos, gewählt, um darein zu willigen,· dass ich ihr Frau van Brandt als Schwiegertochter zuführte!Those were the words! Hardly an hour had elapsed since Mrs. Van Brandt's own lips had told me that our union was impossible. Not even half an hour had passed since I had given the directions which would restore to liberty the man who was the one obstacle to my marriage. And this was the time that my mother had innocently chosen for consenting to receive as her daughter-in-law Mrs. Van Brandt!
»Ich sehe, dass ich Dich überrasche,« fuhr sie fort. »Ich will dir meine Gründe so klar als möglich auseinandersetzen. Es würde unwahr sein, George, wenn ich Dir sagen wollte, dass die Einwürfe, die gegen Deine Verbindung mit dieser Dame zu machen sind, für mich nicht mehr vorhanden wären. Meine Denkweise hat sich nur in sofern geändert, als ich jetzt, um Deines Glückes willen, bereit bin, alle meine Einwendungen bei Seite zu setzen. Ich bin eine alte Frau, mein lieber Sohn. Nach den Naturgesetzen kann ich nicht annehmen, dass ich noch lange bei Dir bin. Wen aber soll ich zurück lassen, um für Dich zu sorgen und Dich zu lieben, wie ich es getan, wenn ich von Dir gehe? Ich weiß niemand außer Frau van Brandt. Dein Glück ist meine vornehmlichste Sorge und die Frau, die Du liebst, wie schrecklich sie auch irre geführt ist, verdient ein besseres Los. Heirate sie.«"I see that I surprise you," she resumed. "Let me explain my motive as plainly as I can. I should not be speaking the truth, George, if I told you that I have ceased to feel the serious objections that there are to your marrying this lady. The only difference in my way of thinking is, that I am now willing to set my objections aside, out of regard for your happiness. I am an old woman, my dear. In the course of nature, I cannot hope to be with you much longer. When I am gone, who will be left to care for you and love you, in the place of your mother? No one will be left, unless you marry Mrs. Van Brandt. Your happiness is my first consideration, and the woman you love (sadly as she has been led astray) is a woman worthy of a better fate. Marry her."
Ich wagte nicht zu sprechen. Ich kniete zu den Füßen meiner Mutter und verbarg meinen Kopf in ihrem Schoß, als wäre ich wieder ein-Knabe geworden.I could not trust myself to speak. I could only kneel at my mother's feet, and hide my face on her knees, as if I had been a boy again.
»Überlege es Dir, George,« sagte sie, »und komme wieder zu mir, wenn Du ruhig genug geworden bist, um über die Zukunft zu sprechen, wie ich es tue.«"Think of it, George," she said. "And come back to me when you are composed enough to speak as quietly of the future as I do."
Sie hob meinen Kopf hoch und küsste mich. Als ich aufstand um sie zu verlassen, erfüllte mich ein gewisses Etwas in diesen alten, lieben Augen, die mich so zärtlich anblickten, mit einer plötzlichen Furcht, die mich scharf und schneidend, wie ein Messerstich durchzuckte.She lifted my head and kissed me. As I rose to leave her, I saw something in the dear old eyes that met mine so tenderly, which struck a sudden fear through me, keen and cutting, like a stroke from a knife.
So wie ich die Tür geschlossen hatte, ging ich die Treppe hinab zu dem Portier nach dem Flur.The moment I had closed the door, I went downstairs to the porter in the hall.
»Ist meine Mutter während ich fort war, ausgewesen?« fragte ich. "Has my mother left the house," I asked, "while I have been away?"
»Nein, Herr.«"No, sir."
»Waren Besuche bei ihr?«"Have any visitors called?"
»Ein Herr war hier, mein Herr.«"One visitor has called, sir."
»Kannten Sie ihn?«"Do you know who it was?"
Der Portier nannte den Namen eines berühmten Arztes, eines Mannes, der damals als einer der Ersten in seinem Fache galt. Ich nahm sofort meinen Hut und ging zu ihm. The porter mentioned the name of a celebrated physician--a man at the head of his profession in those days. I instantly took my hat and went to his house.
Er war eben von seinen Besuchen zurückgekehrt. Meine Karte wurde ihm übergeben, worauf er mich sofort in sein Sprechzimmer führen ließ.He had just returned from his round of visits. My card was taken to him, and was followed at once by my admission to his consulting-room.
»Sie haben heute früh meine Mutter besucht," sagte ich. »Finden Sie sie bedenklich krank, und konnten Sie ihr das nicht verschweigen? Sagen Sie mir um Gotteswillen die Wahrheit, ich bin auf Alles gefasst.«"You have seen my mother," I said. "Is she seriously ill? and have you not concealed it from her? For God's sake, tell me the truth; I can bear it."
Der berühmte Mann nahm mich freundlich bei der Hand.The great man took me kindly by the hand.
»Ihre Mutter bedarf keiner Vorbereitung, sie ist sich ihres bedenklichen Gesundheitszustandes vollkommen bewusst,« sagte er. »Sie ließ mich rufen, damit ich ihre Ansicht bestätigen sollte. Ich konnte, ich durfte ihr nicht verhehlen, dass ihre Lebenskräfte im Abnehmen sind. In einem milderen Klima kann sie sich einige Monate länger erhalten, als hier in der Luft von London. Das ist Alles was ich sagen kann. In ihrem Alter sind ihre Tage gezählt.«"Your mother stands in no need of any warning; she is herself aware of the critical state of her health," he said. "She sent for me to confirm her own conviction. I could not conceal from her--I must not conceal from you--that the vital energies are sinking. She may live for some months longer in a milder air than the air of London. That is all I can say. At her age, her days are numbered."
Er ließ mir Zeit mich von dem Schlage zu erholen, dann stellte er mir seine reiche Erfahrung, sein gereiftes und vollkommenes Wissen zur Verfügung. Nach seiner Anleitung schrieb ich die nötigen Verordnungen nieder, nach denen ich nun über meinem vergänglichsten Besitze, dem Leben meiner Mutter, wachen wollte.He gave me time to steady myself under the blow; and then he placed his vast experience, his matured and consummate knowledge, at my disposal. From his dictation, I committed to writing the necessary instructions for watching over the frail tenure of my mother's life.
»Ein Wort lassen Sie mich noch zu Ihrer Beachtung hinzufügen«, sagte er, als ich mich verabschiedete. »Ihre Mutter ist besonders darauf bedacht, dass Sie nichts von ihrem bedenklichen Gesundheitszustande erfahren sollen. Ihre einzige Sorge ist, Sie glücklich zu sehen. Wenn Sie erfährt, dass Sie mich aufsuchten, kann ich nicht für die Folgen stehen. Ersinnen Sie einen möglichst triftigen Grund, um sie sofort von London zu entfernen und, wie schmerzlich Ihr Inneres auch bewegt sein mag, zeigen Sie ihr immer eine heitere Außenseite.«"Let me give you one word of warning," he said, as we parted. "Your mother is especially desirous that you should know nothing of the precarious condition of her health. Her one anxiety is to see you happy. If she discovers your visit to me, I will not answer for the consequences. Make the best excuse you can think of for at once taking her away from London, and, whatever you may feel in secret, keep up an appearance of good spirits in her presence."
Noch an demselben Abend suchte ich den gewünschten Vorwand und er war leicht gefunden. Ich brauchte meiner armen Mutter nur mitzuteilen, dass Frau van Brandt meinen Heiratsantrag abgelehnt hatte und damit war ein augenscheinlicher Grund gefunden, weshalb es mir erwünscht sein musste London zu verlassen. Gleichzeitig schrieb ich an Frau van Brandt und teilte ihr das traurige Ereignis mit, das meine plötzliche Abreise veranlasse; auch benachrichtigte ich sie, dass es durchaus nicht mehr notwendig sei, ihr Leben zu versichern. »Meine Anwälte,« so schrieb ich , »haben es übernommen, Herrn van Brandts Angelegenheiten sofort zu ordnen. In wenigen Stunden wird er frei sein und kann dann die Stellung annehmen, die ihm angeboten ist.« Die letzten Zeilen meines Briefes versicherten sie meiner unwandelbaren Liebe und beschworen sie mir zu schreiben, ehe sie England verließe.That evening I made my excuse. It was easily found. I had only to tell my poor mother of Mrs. Van Brandt's refusal to marry me, and there was an intelligible motive assigned for my proposing to leave London. The same night I wrote to inform Mrs. Van Brandt of the sad event which was the cause of my sudden departure, and to warn her that there no longer existed the slightest necessity for insuring her life. "My lawyers" (I wrote) "have undertaken to arrange Mr. Van Brandt's affairs immediately. In a few hours he will be at liberty to accept the situation that has been offered to him." The last lines of the letter assured her of my unalterable love, and entreated her to write to me before she left England.
Damit war nun Alles getan. Wunderbarerweise war ich in dieser traurigsten Zeit meines Lebens mir keines wirklich empfindlichen Schmerzes bewusst. Unsere Fähigkeit zu leiden, hat leiblich, wie geistig, eine Grenze. Ich kann den Zustand, in dem ich mich, unter der Last der Sorgen, die über mich hereingebrochen waren, befand, nur in der einen Weise beschreiben - ich hatte das Gefühl eines Menschen, dessen Fähigkeiten zu empfinden ganz betäubt waren. Am nächsten Morgen brachen meine Mutter und ich zu unserer ersten Tagereise nach der Südküste von Devonshire auf.This done, all was done. I was conscious, strange to say, of no acutely painful suffering at this saddest time of my life. There is a limit, morally as well as physically, to our capacity for endurance. I can only describe my sensations under the calamities that had now fallen on me in one way: I felt like a man whose mind had been stunned. The next day my mother and I set forth on the first stage of our journey to the south coast of Devonshire.


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